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Aus der Franzosenzeit (1795-1801)

Im September 1795 zog bei Düsseldorf eine starke französische Heeresabteilung über den Rhein. Sie bedrohte die Festung, die von pfälzischen Truppen besetzt war. Schon bald mussten die kaiserlichen Truppen angesichts der Übermacht ihre Stellungen aufgeben. Dazu schreibt August Lomberg: "Fechtend und in geschlossener Ordnung zogen sie sich über den Grafenberg und durch das Angertal zurück... [...] Nun ergossen sich die Horden der französischen Republik durch das wehrlose Land, das sie über fünf Jahre lang mit den größten Unbilden heimsuchten. [...]

Die Franzosen erwiesen sich als eine zuchtlose Bande. Zerfetzt und zerlumpt, wie sie ankamen, dabei ohne Zehrung, lebten sie von Raub und Plünderung. Was sie an Gewalttat und Schamlosigkeit sich zuschulden kommen ließen, erinnert an die schlimmsten Zeiten des Dreißigjährigen Krieges. Man könnte versucht sein, die Greuelberichte für übertrieben zu halten, wenn sie nicht durch die glaubwürdigsten Zeugnisse gestützt wären." [Lomberg 1922 S. 182]. Eines dieser drastischen Zeugnisse ist eine urkundliche Aufzeichnung im Kirchenbuch zu Richrath, verfasst vom damaligen Pfarrer Hermann Joseph Ludovici und abgedruckt bei Lomberg. Ausführlicher geht Hünermann auf den "Liber archivarius des Pfarrers Ludowici von Richrath" ein.

Was sich in dieser Zeit auf dem Hof Elp 4 zutrug, hat Emilie Stöcker (1894-1951) niedergeschrieben.


"Ich möchte hier von unserem Wald, Käshütte genannt, einiges erzählen, was mir überliefert wurde.

Unser Bergisches Land hat, bevor es nach dem Befreiungskrieg (1813-1815) an Preußen kam, sehr unter Kriegswirren, Plünderungen und Ähnlichem gelitten. So suchte jeder für sein Hab und Gut, die Bauern besonders für ihr Vieh, Verstecke, wohin man flüchtete.

Nun liegt unser Wald etwa 10 Minuten von der Elp entfernt in einer Seitenschlucht des Scheidebachtales. Damals soll der geschlossene Wald noch bis an den Hof herangereicht haben. In den Jahren der Franzosenherrschaft, ab 1795, hatten die bergischen Bauern viel unter Einquartierung und verwilderten Soldatenhorden zu leiden.

Wie die Teufel hauste die zuchtlose, verwahrloste Soldateska im Bergischen, den Ruhm der französischen Waffen und den ihrer Generäle Jourdan und Lefebvre besudelnd. Diese zwar versicherten in wortreichen Erlassen, daß sie gegen die Kaiserlichen, nicht gegen die Einwohner, Krieg führten. Ihre Soldaten aber, auf deren Fahnen 'Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit' stand, wiederholten und überboten in tausenden von Fällen alle Scheußlichkeiten des 30jährigen Krieges.

Das Vieh in den Ställen zitterte bei dem oft gehörten Ruf: die Franzosen kommen! Sobald der Bauer dann die Stalltür öffnete, stürmten Pferde, Rinder und Schweine in wilder Flucht hinaus, auch ohne Führung den längst bekannten Schlupfwinkel im Walde findend. In jener Zeit soll folgendes 'Schelmen-Vaterunser' entstanden sein:


Das Schelmen-Vaterunser

Sobald Franzos zum Haus kommt rein
grüßt er den Bauern mit falschem Schein:      Vater.

Gleich sagt er: Bauer, all was ist dein,
das soll und muss nunmehr sein                unser.

Da denkt der Bauer in seinem Sinn,
der Teufel führt dich Schelm hierhin,         der du bist.

Wir Bauern leiden große Not,
das klagen wir dem lieben Gott                im Himmel.

Und zweifeln, dass man einen find',
der unter diesem Kriegsgesind                 geheiligt werde.

Es ist kein Volk auf dieser Erd',
wodurch also gelästert werd'                  dein Name.

Was in der Kirch' ist dir geweiht,
steckt er in' Sack und lacht und schreit:     zu uns komme.

Ach Herr, so du's nicht selbst tät'st hindern,
so würden sie noch endlich plündern           dein Reich.

Wenn du sie aber wolltst totschlagen,
so würden wir mit Freuden sagen               dein Wille geschehe.

Denn eh' uns plagte dieser Heid',
da lebten wir in Seligkeit                    wie im Himmel.

Gewiss dies Volk zur Höll' gehört,
im Himmel hält man es nicht wert,             also auch auf Erden.

Sie rauben unser Gut und Hab
und stehlen uns vom Munde ab                  unser täglich Brot.

Sie sagen: Bauer, schaff alles frei,
Fressen, Saufen und Geld dabei                gib uns heute.

Kurfürst, wenn wir in diesem Jahr
dir keine Steuern bringen dar,                vergib uns.

In Massen wir in Pein und Qual
genügsam zahlen allzumal                      unsere Schuld.

Langmütig siehst du, Gott, darein,
doch endlich schlägst du zornig drein,        also auch wir.

Denn sie rauben Frauenehr,
das können wir doch nimmermehr                vergeben.

Kein rechter Mann lässt sich's gefallen,
der Teufel hole sie mit allen                 unseren Schuldigern.

Ach Herr, lass bald die Stunde schlagen,
dass wir den Heid' von hinnen jagen           und führe uns.

Der Türk' war nit viel schlimmer eben,
sie schonen keines Menschen Leben             nicht.

O Gott, schick deutschen Landsherrn Mut,
und lass nicht sinken deutsches Blut          in Versuchung.

Gib, dass wir treu zusammen bleiben,
dies Heidenvolk vom Lande treiben,            erlöse uns.

Errett', o Gott, uns arme Leut',
damit wir werden bald befreit                 vom Übel.

Ach lieber Gott, hilf uns geschwind
nach Hause jagen das Schelmengesind.          Amen.
    

In jenen bösen Zeiten haben sich unsere Vorfahren in der schon erwähnten Käshütte, mundartlich 'Kieshött', eine Zuflucht geschaffen. Ein Seiteneinschnitt des Waldtales wurde mit Baumstämmen abgedeckt und bildete durch seine geschützte Lage eine Unterkunft für Mensch und Vieh der Elp. Weil dort nun die Geräte zur Milchverarbeitung fehlten, konnte man nur Käse herstellen, 'Klatschkies' (Quark), der von den Bewohnern der umliegenden Gehöfte bis Haan und Millrath dort abgeholt wurde.

Als dann in den Befreiungskriegen auch die Kosaken das Bergische Land raubend und plündernd durchzogen, suchten die Bewohner der Elp wieder Zuflucht in der Käshütte. Wenn der Ruf: 'die Kosaken' ertönte, verschwanden nach Überlieferungen Menschen und Vieh fluchtartig im Walde."

Noch bis heute heißt darum das Waldtal 'Käshütte'. Der in Haan gebräuchliche Name 'Kieshött' hat also nichts mit Kies zu tun: Den gibt es dort gar nicht.


© 1985 Friedhelm Stöcker


Quellen:
  • Stöcker, Friedhelm: Die Elp. Aufzeichnungen über die Geschichte unseres Hofes Elp und unserer Familie auf diesem Hof. Haan, Dezember 1985, S. 15 ff
  • Hünermann (1974) S. 131 ff
  • Lomberg (1922)

Literaturhinweise zu den Greueln der Franzosenzeit:
  • Tagebuch des Joh. Wilhem Busch zu Leichlingen (1794-1799) und des Pastors Hermann Joseph Ludovici aus Richrath (1795): MBGV 3/4 1897 S. 49-98
  • Hinrichs, Fritz: Im Burghof von Haus Vorst. Die Heimat 21/1928, S. 82 f
    (beide im Solinger Stadtarchiv)


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