Pferde-Alltag in alter Zeit |
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- Kohlenstraßen - Kohlentreiber - Wirtshäuser und andere Randerscheinungen - Ortsbezeichnung "Perdsfierowend" (Solingen) |
Für die Stahlverarbeitung im Bergischen Land wurde Steinkohle aus dem Ruhrgebiet benötigt. Bis Anfang des 19. Jh. die ersten "Kohlenstraßen" entstanden, mühten sich die Kohlenkarren auf alten, ausgefahrenen, ungepflasterten Wegen von den Gruben im Ruhrgebiet zu ihren bergischen Abnehmern.
Solinger Schleifkotten und Hämmer Der Bergbau und die Ruhrschiffahrt Über den frühen Bergbau an der Ruhr |
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2003 Über diesen alten "Eselspfad" bei Steffenshammer (Wuppertal-Cronenberg), der früher wahrscheinlich nicht so ordentlich ausgesehen hat, brachten die Kohlentreiber im 18. und 19. Jh. die Kohle aus dem Ruhrgebiet auf dem Rücken von Eseln oder Saumpferden zu den Hammerwerken. |
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Ein Andenken an die Zeit der Kohlenpferde ist die (trockene) historische Pferdetränke in Wuppertal-Heckinghausen an der Ecke Josef-Haydn-Straße / Lönsstraße (die bis 1936 Kohlenstraße hieß), ein zweigeteilter Steintrog, von einer schlichten Säule mit zwei Pferdeköpfen überragt. Sie soll an die alte Kohlenstraße erinnern, die dereinst die Zechen an der Ruhr über Langerfeld und Heckinghausen mit den Hämmern und Kotten im Bergischen Land verbunden hat. Gestiftet wurde der Brunnen von Johann Caspar Engels (1753-1821), Großvater des revolutionären Gesellschaftstheoretikers Friedrich Engels. Auf dem Brunnenrand ist zu lesen: "Seid gut zu den Tieren!" |
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2008 Historische Pferdetränke in Wuppertal-Heckinghausen |
Kohlenstraßen
1811-1816 wurde die sog. Werdensche Kohlenstraße angelegt, die wichtigste Straße zwischen (Essen-)Werden an der Ruhr und Solingen. Sie verlief über Velbert - Tönisheide - (Wülfrath-)Aprath - (Wuppertal-)Vohwinkel - Kluse - (Solingen-)Gräfrath - Central - nach Solingen.
Auch durch Langerfeld (Wuppertal) führte so ein Weg. Die Kohlentreiber mit ihren aneinandergekoppelten Saumpferden kamen über die Kohlenstraße.
Um 1780 sollen an manchen Tagen über 50 Kohlentreiber mit je vier oder fünf Pferden durch Langerfeld gezogen sein. Jedes Pferd trug etwa drei Zentner. Wie eine alte Aufnahme belegt, waren Kohlentreiber mit ihren Traglastpferden sogar Ende des 19. Jh. noch im Einsatz.
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Kohlentreiber
"Kohlpreußen" nannte man die Pferdetreiber aus der westfälischen Grafschaft Mark, die seit 1614 zu Preußen gehörte. "Es waren rauhe, trinkfreudige Gesellen, ihre Tiere dagegen mager und verschüchtert." [Viebahn S. 35] Voigt beschreibt die Kohlentreiber als rauhe, aber gutmütige und lustige Gesellen. Langerfeld soll ihnen eine Reihe von Flurnamen verdanken wie Hippenkopp, Lurhasen oder am stiewen Köttel, eine Wegbezeichnung am Steilhang vom Kaiserplatz zur Buschenburg.
[Voigt]
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Anderenorts waren die Kohlentreiber eher berüchtigt und gefürchtet.
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Die Heimat 1931 S. 63
Der Kohlentreiber. Von Otto Schell.
[...] Die Kohlentreiber sind viel geschmäht worden, haben aber auch kräftige Verteidiger gefunden unter ihren Zeitgenossen. Wir haben heute einen genügenden Abstand von ihrem Zeitalter gewonnen, um ihnen einigermaßen gerecht zu werden.
[...] Der Weg war weit und wurde mit Mühe und Not zurückgelegt. Dadurch waren die Kohlentreiber gezwungen, oft einzukehren in den zahlreichen kleinen Wirtshäusern, die an ihren Wegen mit kluger Berechnung angelegt waren und die sich an einigen Stellen noch heute nachweisen lassen. Dazu hatte der Kohlentreiber gute Einnahmen, da er oft die Kohlen selbst aus der Erde buddelte, wo sie frei zutage traten.
Auch die Anekdote bemächtigte sich unseres Kohlentreibers. Ein Glied dieser Zunft lieferte, wie erzählt wird, an einem Wintertage einem Apotheker in einem kleinen Ort des Bergischen einige Säcke Kohlen, die aber mit Eisstücken stark durchsetzt waren. Der Medizinmann merkte bald den Betrug und beschloß, sich zu rächen. Als der Kohlentreiber das nächste Mal seine Kohlen abgeladen hatte, nötigte ihn der Apotheker zu einem Schnaps; dem ersten folgte ein zweiter und bald ein dritter. Als der Kohlentreiber sein Geld eingestrichen und sich einige Minuten entfernt hatte, fühlte er entsetzliche Schmerzen in seinen Eingeweiden, so daß er die Lust am Leben verlor. Einige Tage litt der Biedermann an den Folgen des Apothekerschnapses. Von dieser Zeit an bekam der Apotheker sein richtiges Maß Kohlen; auf den Schnaps verzichtete er fortab. [...]
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Die Anekdote über diesen "Knallendriwer" findet sich als Gedicht in der Mundart von "Möllenkotten bei Schwelm" in der Sagen-Sammlung "Germaniens Völkerstimmen", 1843 herausgegeben von Johannes Matthias Firmenich.
"Der Holzvorrat der Wälder genügte bei der großen Zunahme der Bevölkerung für den Hausbedarf schon lange nicht mehr, geschweige denn für die Industrie. Das Brennmaterial mußte deshalb aus dem nahen Kohlengebiet herbeigeschafft werden. Da die Wege in das Gebiet aber schlecht und nicht ausgebaut waren, so konnten die Karren nur wenig laden, ja ein großer Teil der Kohlen wurde von den sogenannten Kohlentreibern in Säcken auf dem Rücken der Pferde ins Tal gefördert.
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Wirtshäuser und andere RanderscheinungenWeitere Überlieferungen aus der hier nicht näher definierten Zeit der Kohlenstraße und die beiden für die Fuhrleute so wichtigen Gewerbezweige, die am Rande dieser Straße ihr einträgliches Auskommen fanden, hat Oswald Rowek zusammengestellt. |
Bergische Blätter Nr. 7, Juli 1983, S. 14
Chronik der alten Kohlenstraße von Kettwig nach Solingen.Von Oswald Rowek.
"[...] Mit Pferd und Wagen brauchte man damals volle zwei Tage von Kettwig bis Remscheid. [...] Am Schloß Aprath waren schon lange Stallungen für die Postkutschen und Pferde vorhanden. Man wurde sich einig, hier auch für die Kohlenpferde eine Übernachtungs- und Austauschmöglichkeit zu schaffen.
[Offensichtliche Druckfehler korrigiert.]
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2013 Zumindest das Gebäude der Fuhrmannsschenke und -Herberge von "Ohm Römer" vom Sandfeld gibt es noch, aber es steht seit 1997 - transloziert - im Bergischen Freilichtmuseum in Lindlar. Restauration Fritz Römer |
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2013 Schankraum der Restauration Römer, Lindlar |
Ortsbezeichnung "Perdsfierowend"Wie oben beschrieben, verlief der Weg der Kohlenfuhrwerke mit Ziel Solingen von Vohwinkel über die Rosskamper Höhe, je nach Ziel dann über Kluse und die Wuppertaler Straße. Die Ortsbezeichnung Kluse (Vohwinkel) finde ich in einer aktuellen Karte nicht, wohl aber in einem Stadtplan von Solingen aus dem Jahr 1939 - unmittelbar nordöstlich der Kreuzung Roßkamper / Gräfrather / Wuppertaler Straße. Ganz in der Nähe lag an der Wuppertaler Straße (Gräfrath) ein Rastplatz für Pferde und Fuhrleute. Dort, "Am Perdsfierowend", war erst einmal "Feierabend". Der folgende Artikel zum Thema erschien 1943. |
Solinger Tageblatt vom 9. / 10. Februar 1943
-g- "Am Perdsfierowend" heißt im Volksmunde eine Stelle, an der auch ein nach dem gleichen Namen genanntes altes bergisches Haus steht. Sie befindet sich kurz vor der Kluse, nicht weit von der Grenze Wuppertal / Solingen an der Wuppertaler Straße. Alte Leute aus der Gräfrather Freiheit entsinnen sich noch gut der Bedeutung dieses eigenartigen Namens, der früher weit verbreitet war, jedoch heute seltener genannt wird.
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2008 Ein Fachwerkhaus (heute Restaurent) an der Ecke Dasnöckel / Ehrenhainstraße, Rosskamper Höhe, Wuppertal / Grenze Solingen. Hier sind die Kohlenfuhrwerke vorbeigekommen. |
Quellen:
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