Pferde-Alltag in alter Zeit
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Industrie und Bergwerk


Rossmühle / Pferdegöpel
Industrie
Bergwerk

Stellvertretend für die als "Antriebsmotor" für Handwerksbetriebe, Industrie und Bergbau arbeitenden Pferde sollen die folgenden Beispiele stehen.



Rossmühle / Pferdegöpel

Das folgende Bild zeigt eine mittelalterliche Metall-Schleiferei mit Pferdegöpel. Das Pferd treibt anstelle von Wasserkraft, Dampfkraft oder Elektromotor mittels einer unter dem Fußboden liegenden Transmissionswelle einen Mühlstein und einen Schleifstein an. Der Schleifer liegt auf einem schrägen Brett vor der Schleifscheibe (im Bild vorn rechts).


Pferdegöpel  
Schleiferei mit Pferdegöpel.
Nach einem Kupferstich
von V. Zonca (Ausschnitt)

In Solingen war um 1744 eine nach ähnlichem Prinzip arbeitende Rossmühle in Betrieb, die zunächst nur bei Windstille benutzt wurde. Die hier eingesetzten Pferde arbeiteten auch im Fuhrbetrieb. So konnte es geschehen, dass sie nicht zur Verfügung standen, wenn bei Windstille der Göpel anzutreiben war. Zur Not musste man dann auf die Wassermühlen der Umgebung zurückgreifen. Als die  alte Solinger Bockwindmühle 1778 einem Sturm zum Opfer fiel, musste die Rossmühle die Arbeit mehr als ein Jahrzehnt lang allein bewältigen.

Eine nachgebaute Göpelmühle steht im  Museumsdorf Alt-Windeck, wie dem Verzeichnis zum Mühlentag 2012 zu entnehmen war.

Die wahrscheinlich größte Rossmühle Deutschlands wurde 1797 in Hüllhorst-Oberbauerschaft im Mühlenkreis Minden-Lübbecke gebaut, und zwar auf der Hofanlage Meyer zu Kniendorf. "Es ist ein achteckiger Fachwerkbau mit zwei seitlichen Anbauten, einem für eine Schrotmühle und einem für eine Bokemühle. [In der Bokemühle werden Pflanzenfasern wie Flachs oder Hanf gebrochen (gebokt).] Im Inneren der Mühle laufen Zugpferde im Kreis und setzen ein hölzernes Zahnrad in Bewegung. Mit 32 Metern Umfang ist dieses aus Eichenkernholz gefertigte Kammrad das größte seiner Art. 320 Kammen (Zähne) aus blankgescheuertem Hainbuchenholz greifen in 2 Stockräder und übertragen die Antriebskraft je nach Bedarf auf die beiden Mühlen." [Steiner Wind- und Wassermuseum Odenthal]

1982 wurde diese Rossmühle im   Internationalen Wind- und Wassermühlenmuseum Gifhorn in Niedersachsen originalgetreu nachgebaut.

Ein sehr anschauliches Modell dieser geschlossenen Ross- oder Göpelmühle aus Hüllhorst ist im "Steiner Wind- und Wassermuseum" in Odenthal ausgestellt.


 
2012
Modell einer Göpelmühle mit zwei Pferden im "Steiner Wind- und Wassermuseum" in Odenthal,
nach alten Plänen gebaut von Günter Blömer


 
2012
Hier ist das mit zwei PS zu bewegende Kammrad zu sehen.


 
Darstellung zur Technik eines Pferdegöpels (Rossmühle) bei Adam Meltzer, Mühlenbaukunst, Merseburg 1805

  Mehr dazu bei Wikipedia

An die Zeit um 1880 erinnert in einem Zeitungsartikel der Solinger Lokalkistoriker Julius Günther. Es war die Zeit der Dampfmaschinen und Pferdestärken. Der Einsatz von Pferden zum Antrieb von Maschinen war in der Solinger Industrie anscheinend keine Ausnahme.


Solinger Tageblatt vom 11. Februar 1941, J.G.

Eine Roßmühle in Wald
als Antriebseinrichtung einer Federmesserreiderei vor 60 Jahren

Mit fortschreitender Industrieentwicklung waren die Solinger Fabrikanten darauf bedacht, ihre Betriebseinrichtungen zu verbessern und zu erweitern.

Vor 60 Jahren fehlte allerdings noch der elektrische Strom, um mit leichter Mühe ein "laufendes Werk" einzurichten, um damit menschliche Arbeitskräfte und Zeit zu ersparen. Wie man zu jener Zeit schon in Oben-Widdert dazu gekommen war, im Betriebe eines Nathanael Ern eine Schleifeinrichtung zu schaffen, die vom Wasser sowohl als auch von der Dampfkraft unabhängig war, und deren Kraftantrieb durch ein von einem Pferde in Gang gesetztes Göpelwerk besorgt wurde, so gab es auch zu jener Zeit in Wald einen Messermacher, der auf die gleiche Art seinen Betrieb rationeller gestaltete.

Das war der Federmesserreider Fehlenberg von den Felderhöfen, der sich eine solche Einrichtung schuf. Neben der Ausübung seines handwerklichen Berufes bearbeitete er ein kleines Landgut, wozu er auch ein Pferd sein Eigen nannte. Da er es nicht dauernd in der Landwirtschaft benötigte, so konnte es noch in seinem Handwerksbetriebe gute Dienste leisten. Insbesondere kam das in Frage bei der Betätigung des Drillbohrers in der Reiderei. Damals ließ sich die Arbeit nur von Hand machen durch den zum Teil wohl auch heute noch angewendeten Stock mit der daran befindlichen Schnur, der unter dem Namen "Flitzbohrer" oder "Fidelbohrer" bekannt ist.

Oder es kam die Tretvorrichtung einer Drehbank mit Fußantrieb dafür in Frage. Fehlenberg hatte jedenfalls im Auge, eine rationeller arbeitende Einrichtung zu schaffen. Er legte also vor seinen Betriebsräumen ein Göpelwerk an, so daß sein Pferd stundenweise und nach Bedarf auf die bezeichnete Weise in seinem Handwerksbetrieb mithelfen konnte.

Wie lange das Göpelwerk für diesen Zweck in Betrieb war, ist nicht genau bekannt. Jedenfalls wurde es, wie ein Gewährsmann sagt, bis vor jetzt etwa 55 Jahren als Antriebseinrichtung in der Solinger Industrie benutzt. Die Einrichtung zeugt davon, wie man bemüht war, sich von der einfachsten handwerklichen Betätigung auf maschinelle Anlagen umzustellen. Später schufen Dampkraft und elektrischer Strom die allgemeinen Erleichterungen, durch die erst Betriebserweiterungen ermöglicht wurden.

Die Betätigung des Fehlenberg als Federmessereider und als Kleinlandwirt zugleich läßt auch erkennen, daß die Solinger Industriehandwerker der älteren Zeit darauf bedacht waren, landwirtschaftliche Erzeugnisse für den Eigenbedarf, und wo es die vorhandenen Ländereien zuließen, auch darüber hinaus zu gewinnen. Waren die Verdienstmöglichkeiten in der Industrie schlechter geworden, so konnte die Arbeitskraft der Einwohner zu einem großen Prozentsatz in kleinbäuerlichen Betrieben, besonders im Eigenbesitz nutz- und gewinnbringend ausgenutzt werden.



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Mitte 19. Jh
Borsigs Maschinenbau-Anstalt
zu Berlin.
Detail aus dem Gemälde
von Eduard Biermann
(1804-1892)

Für diese Darstellung von Eduard Biermann, damals einer der Hauptvertreter der Berliner Landschaftsmalerei, verlassen wir kurz die rheinisch-bergische Region. Auf diesem kleinen Ausschnitt sind sind acht Pferde zu sehen, die, offenbar energisch angetrieben, eine Lokomotive über das Werksgelände bewegen. Biermann schuf das Bild etwa Mitte des 19. Jh. als Auftragsarbeit anlässlich des zehnjährigen Bestehens von Johann Friedrich August Borsigs Maschinenbau-Anstalt zu Berlin. Die Schwermaschinenfabrik stellte zunächst Dampfmaschinen und seit 1841 vorwiegend Lokomotiven her. [Chronik S. 563]


Elberfeld, Fuhrhof Bayerwerk
 
Ende 19. Jh.
Fuhrhof des Bayer-Werks
in Elberfeld (Wuppertal)
Bild-Quelle: Bayer-Archiv

In der Sammlung von Arbeiterbriefen und -berichten von Hilla Peetz "Nicht ohne uns" heißt es: "Ein Uneingeweihter kann sich keine Vorstellung davon machen, was in einem solchen Werk verbraucht wird und wie lebhaft es hier zuging; Eisenbahnwagen wurden vom Bahnanschlußgleis (Kiesberg) durch besonders starke Pferde zur Entladung in die Fabrik gefahren, was für die Pferde eine saure Arbeit war."

Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass es im Winter bei Frost und Schnee oft drei der schwersten und kräftigsten Pferde (Belgier) nicht schafften, um die 10 bis 15 Tonnen schweren Wagen überhaupt ins Rollen zu bringen. "An besonders schwierigen Anfahrtstellen kam es nicht selten vor, daß ein Dutzend Arbeiter herzugeholt werden mußte, um Hand anzulegen." [Peetz S. 35 f]


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Bergwerk

Auf den Zechen Helene Amalie und Victoria Matthias in Essen / Ruhrgebiet wurde 1853 mit dem Einsatz von Grubenpferden begonnen. Bis dahin hatten die Bergleute die Kohlenwagen in den Schächten selbst ziehen müssen. Während ein Mensch nur eine Lore fortbewegen konnte, schaffte ein Pferd 8-10 Loren.


Grubenpferd
 
Die Abbildung zeigt, wie ein Grubenpferd um die Mitte des 19. Jh. in einem Geschirr hängend in die Kohlengrube hinabgelassen wurde (zu besichtigen im     "Hippomaxx", dem Westfälischen Pferdemuseum in Münster). Kaum vorstellbar, dass es dabei nicht zu schweren Unfällen gekommen sein sollte.

1882 ersetzten 2 200 Grubenpferde etwa 15 000 Bergleute. Bis zum Jahr 1913 erreichte ihre Zahl mit 8 042 Pferden den Höhepunkt. Die Grubenpferde konnten allerdings nur in den Hauptstrecken eingesetzt werden. In den Flözen und dort, wo liegend oder gebückt gearbeitet werden musste, war die menschliche Arbeitskraft nach wie vor unersetzlich. Nur wenige Zechen besaßen eigene Pferde. Meist wurden sie von sog. Pferdegestellungs-Unternehmen an die Zechengesellschaften vermietet.

Seit den 1920er Jahren wurden Grubenpferde mehr und mehr durch Lokomotiven und Förderbänder ersetzt. Bis 1932 sank ihre Zahl auf 1 087 Tiere. Tobias, das letzte Grubenpferd im Revier, arbeitete bis 1966 auf der Zeche "General Blumenthal" in Recklinghausen.

"Die Tiere wurden gut versorgt und hatten eine geregelte Arbeitszeit. Dennoch war ihr Leben schwer, viele mussten fast das ganze Jahr unter Tage und in der Dunkelheit leben. Die Hitze in den Stollen war eine Qual für die Menschen und Tiere. Am schlimmsten war die Kieselsäure im Kohlenstaub, die bei den Bergarbeitern die 'Steinstaub-Lunge' verursachte. Die Grubenpferde wurden unter Tage im Durchschnitt nicht älter als zehn Jahre." [Schulte Ladbeck, Heinrich: Nimrod, das Grubenpferd. Zur Geschichte der Grubenpferde. Selbstverlag, 1989. Zitiert bei: Die NRW-Stiftung. Magazin 3/2002 S. 8] Gute Versorgung, geregelte Arbeitszeit - unter günstigen Umständen mag es manchmal so gewesen sein.

  Wie es den Grubenpferden tatsächlich erging, wie ihre Arbeits- und Lebensbedingungen aussahen und wie es damals um den Tierschutz bestellt war, hat Eberhard Holin ausführlich auf der Webseite www.welsh-pony.de dargestellt.


Zeche Silschede  
Ende 19. Jh.
Das Bild zeigt einen der üblichen Transportkarren vor der Kleinzeche "Dachs und Grevelsloch" in Silschede.


Quellen:
  • Chronik (1983)
  • Die NRW-Stiftung. Magazin 3/2002
  • Peetz (1981)
  • Rosenthal Bd. 2 (1972)

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