Pferde-Alltag in alter Zeit |
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Inhaltsübersicht | Schifffahrt / Treidelverkehr |
- Rhein - Stürzelberg und Zons am Rhein (Dormagen) - Niehl und Rodenkirchen (Köln) - Wesseling - Die "schäl Sick" - Rheinfahrt im Frühjahr 1799 - Ruhr - Donau - Loire
Beim "Treideln" zogen Treidelpferde und Treidelknechte die Schiffe im Strom auf dem eigens hierzu angelegten Leinpfad an bis zu zwei Zoll dicken Hanfseilen stromaufwärts. Getreidelt wurde bis etwa Mitte des 19. Jh., stellenweise auch noch länger. Auf alten Stichen und Gemälden wirken die Treidelpferde und ihre Reiter in idyllischer Umgebung recht romantisch. Tatsächlich waren die Arbeitsbedingungen für Tier und Mensch überaus hart und mühevoll und alles andere als beschaulich. An die alten Treidelpfade, Leinen- oder Leinpfade erinnern noch heute manche Straßennamen; stellenweise sind die Pfade am Ufer noch vorhanden.
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Rhein
Im Raum Köln-Koblenz verlief der durchgehende, ca. sieben Meter breite Leinpfad oder Treidelpfad auf der linken Rheinseite zwischen Deich und Rheinufer. Er durfte nicht von Fuhrwerken oder zum Viehtreiben benutzt werden.
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Oft führten die Schiffer auf ihrer Talfahrt [= in Richtung Strommündung] eigene Treidelpferde mit sich, die das Schiff dann auf der gesamten Bergstrecke [= gegen den Strom] zogen. Aber in zahlreichen Rheinorten konnten auch Halfen mit ihren Heuerpferden gemietet werden. Diese Treidelstationen oder Pferderelaisstationen, die im 19. Jh. eingerichtet wurden, hatten stets (hoffentlich) ausgeruhte Pferde bereitzustellen, die gegen die ermüdeten ausgewechselt werden konnten. So war eine deutliche Reduzierung der Fahrtzeit möglich. Diese Treidelstationen, dicht am Rhein gelegene Höfe, waren auch für die Versorgung von Pferden und Halfen auf ihrem mühsamen Weg zuständig. |
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Wesel. Zeichner Ludwig Rohbock (1820-1883), Stahlstecher G. Heß (Detail) |
Die Arbeit der Treidelpferde und ihrer Leinenreiter war hart und gefährlich. Waren die Wege aufgeweicht oder bei Hochwasser überschwemmt, rutschten die Pferde immer wieder aus und drohten in den Strom gezogen zu werden. Auch konnte das Schiff bei schwierigen Strömungsverhältnissen oder durch Unachtsamkeit des Steuermanns vom Ufer zur Strommitte getrieben werden. Die Pferdekräfte reichten dann nicht immer aus, um das Schiff zurückzuhalten.
Die Treidelknechte führten Beile oder Messer mit sich, um im Notfall die Seile zur Rettung ihrer Tiere kappen zu können. Sie saßen einseitig auf den Pferden, um bei Gefahr schnell abspringen zu können.
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2003 Diese Tafel an der Stadtmauer von Kaiserswerth (Herbert-Eulenberg-Weg) erinnert an den hier verlaufenden alten Leinpfad. |
Stürzelberg und Zons am Rhein (Dormagen)In dem Dorf Stürzelberg (Dormagen-Zons) erinnert ein am 1. Mai 2001 eingeweihtes Treideldenkmal an das alte Gewerbe. Es steht gegenüber dem Gasthof "Vater Rhein". Seit dem Mittelalter wurden hier - wie Jakob Justenhoven in seiner Broschüre anlässlich der Einweihung des Denkmals schreibt - niederrheinische und holländische Frachtschiffe getreidelt. |
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2003 Treideldenkmal in Stürzelberg. So zierlich wie dieses hier werden die Treidelpferde hoffentlich nicht ausgesehen haben. |
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2012 Text auf der Gedenktafel in Stürzelberg: AM FUSSE DER STÜRZELBERGER UNTER- UND OBERSTRASSE ENTLANG WURDEN SEIT DEM MITTELALTER BIS UM 1860 NIEDERRHEINISCHE UND HOLLÄNDISCHE FRACHTSCHIFFE MIT AM MAST BEFESTIGTEN LEINEN GETREIDELT. VON PFERDEN GEZOGEN, DIE ÜBER DEN LEINPFAD "LINGEPAD" GETRIEBEN WURDEN, GELANGTEN DIE SCHIFFE STROMAUFWÄRTS. |
"Der Leinpfad führte um 1800 gegenüber Düsseldorf am linken Rheinufer vorbei. Bedingt durch die kleinen Inseln vor Neuss wurde für eine kleine Strecke auf die rechte Rheinseite gewechselt.
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Zons am Rhein im Jahr 1646. Detail eines Stichs nach Merian, Topographia Archidioeceseos Coloniensis |
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2012 Zons am Rhein "Leinpfad" entlang der Stadtmauer |
Bei Bedarf wurden die (keineswegs immer ausgeruhten) Pferde auch direkt von der Feldarbeit geholt.
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Niehl und Rodenkirchen (Köln)
Die Rhinghalfen bedienten jeweils feste Rheinabschnitte. Ein Abschnitt war z.B. (Köln-)Niehl - Rodenkirchen. Wer in Höhe des Kölner Stadtzentrums mit dem Schiff in Richtung Süden ablegte, konnte in Rodenkirchen erstmals die Pferde wechseln.
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2012 An den "Rodenkirchener Leinpfad" erinnert eine nach ihm benannte Straße, die am Rhein entlang führt. |
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2012 Rodenkirchen Wo früher der Leinpfad verlief, liegt heute ein Freizeitareal. |
Wesseling
Wesseling unterhielt eine Pferdewechselstation für die Treidelschifffahrt. Auf diesen Umstand führt eine volkstümliche Erklärung die Entstehung des Ortsnamens Wesseling zurück: »Wessel de Ling« (»Wechsel' die Leine«). So steht es auch am Treidlerdenkmal auf dem Rathausplatz.
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2014 Wesseling. In den kleinen, ein- bis eineinhalbstöckigen Häusern entlang der Nordstraße wohnten die Tagelöhner und die Rheinhalfen. |
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2014 Wesseling Der 1987 von Jan Schlesinger (* 1935) geschaffene Treidlerbrunnen vor dem Rathaus |
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2014 Wesseling Bronzetafel am Brunnen mit Pferd und Aufschrift "WESSEL DE LING". |
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2014 Wesseling Auch die Pferdeplastik von Hein Derichsweiler (1897-1972) stellt - vielleicht nur zufällig - einen Bezug zu den Treidelpferden her. |
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2014 Wesseling Ein Stück des früheren Leinpfades ist zur Rheinpromenade geworden. |
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2014 Wesseling, Rheinpark Informatives über das Treideln, nett verpackt "Als es noch keine Dampfmaschinen gab, mußten Mensch und Tier die Schiffe rheinauf ziehen. Die Rheinhalfen, Bauern aus Dörfern am Rhein, spannten Pferde und Ochsen zum Treideln ein. In Wesseling, auf halbem Weg zwischen Köln und Bonn, machten die Schiffe Station und wechselten die Pferde. Dem Sioniterhof ... in Wesseling oblag die Wartung und Pflege des Leinpfades. Wesseling, Juni 1764 Gedanken eines betagten Schimmels. Bin ich erschöpft! Sieben Stunden sind wir seit Köln unterwegs, immer das Schiff bei niedrigem Wasser im Schlepptau und dann noch flußauf - da kommt man schon ins Schnaufen. Heute war der Bauer besonders schlechter Laune. Er hat ja recht: Das letzte Hochwasser hat tiefe Löcher in den Leinpfad gespült. Der Sioniterhof sollte sich besser darum kümmern. Außerdem hat sich die Schleifleine ständig in den Weiden am Flußufer verfangen. Der einzige Lichtblick war die satte Portion Hafer, die ich unterwegs bekommen habe. Der Bauer hat derweil dem Wein gut zugesprochen. Die Zeche mußte ja der Schiffer zahlen. Feierabend. Frische Pferde müssen jetzt bis Bonn ran. Drei Taler haben der Bauer und ich heute verdient. Ein schönes Zubrot." |
Die "schäl Sick"
Königswinter und die rechtsrheinischen Orte zwischen Koblenz und Köln liegen, wie der Volksmund sagt, auf der "schäl Sick" [Sick = Seite]. Der Ursprung dieser Bezeichnung hat vermutlich mit den Treidelpferden zu tun:
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Rheinfahrt im Frühjahr 1799
Von einer gefährlichen Begebenheit berichtet Ernst Moritz Arndt (1769-1860):
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2012 Treidelschiff auf dem Weg zur Frankfurter Messe. Marx Mangold: Marckschiff oder Marckschiffer Gespräch von der Franckfurter Meß, o.O., 1596, Titelblatt. (Abb. war ausgestellt in der Villa Römer, Haus der Stadtgeschichte, Leverkusen-Opladen) |
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Rhens. Zeichner L. Lange, Stahlstecher J. Riesel (Detail) |
Ruhr
Getreidelt wurde auch an der Ruhr. Die dort verwendeten Transportschiffe, die sog. Aaken, waren um 1860 40-50 Metern lang und konnten 150-180 Tonnen Kohle befördern. Um diese Zeit waren etwa 400 Aaken auf der Ruhr unterwegs. Eine unbeladene Aake benötigte zwei Pferde, eine beladene vier.
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Donau
In der Sammlung alter Reiseberichte von Rudolf W. Lang wird kurz über das Treideln im ersten Drittel des 19. Jh. berichtet, allerdings an der Donau. Anderswo könnte Ahnliches passiert sein:
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Loire
Bei Rudolf W. Lang findet sich noch ein anderer Hinweis auf den Treidelverkehr. Über seine Glaubwürdigkeit mag sich jeder selbst sein Urteil bilden: "Im allgemeinen war das [Treideln] natürlich eine gemächliche Reise, aber es ging mitunter auch schnell: in einem Bericht über den Treidelverkehr auf der Loire ist von 'Blitzverkehr' die Rede, denn die Pferde sollen dort so schnell galoppiert sein, 'daß die Boote kaum die Wasseroberfläche berührten'." [Lang S. 46]
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Quellen:
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