Pferde-Alltag in alter Zeit
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Inhaltsübersicht Verschiedenes


Bemerkungen über Pferde
Über den Umgang mit dem Pferd
Hufbeschlag
"Gegen Cholick der Pferde"
Pferdehaltung im Kreis Solingen (1832)
Pferde für das Heer (1917, 1939)



Bemerkungen über Pferde

Kaltblut
 
Belgisch-Niederrheinisches Kaltblut
Zeichnung von A. Wagner
Abb. bei Schmeil


Prof. Dr. O. Schmeil hat den Pferden in seinem "Leitfaden der Tierkunde", der 1949 als zweiter Abdruck der 169. Auflage ( ! ) erschienen ist, ein Kapitel gewidmet. (Als die 150. Auflage erschien, war das naturwissenschaftliche Unterrichtswerk schon 30 Jahre lang als Lehrbuch in den Schulen verwendet worden!) Hier ist ein Auszug aus dem Text. Er stammt aus einer Zeit, in der das Pferd noch zum Alltag gehörte.

"D. Rassen des Pferdes.

Je nach der Arbeit, die das Pferd zu leisten hat, verwendet der Mensch Tiere einer 'leichten oder schweren' Rasse. Zu den leichten [...] Rassen zählt das zierliche arabische Pferd [...]. Hochgeschätzt wird auch das ostpreußische Pferd, das man nach dem Gestüt Trakehnen auch als Trakehner bezeichnet. Gleich edle, aber etwas schwerere Tiere sind das holsteinische, oldenburgische und hannöversche Pferd. Unsere 'schweren', ruhigen oder 'kaltblütigen' Arbeitspferde gehören in der Regel der dänisch-schleswigschen oder der belgisch-niederrheinischen Rasse an.

Da der Verkehr mit Kraftwagen immer mehr zunimmt, hat sich unser Bestand an Pferden beträchtlich vermindert. Er betrug im Jahre 1928 etwa 3,7 Mill.

E. Die Pflege des Pferdes

hat etwa wie die des Rindes [...] zu erfolgen. Um es gesund zu erhalten, muß es täglich gestriegelt und gebürstet werden; auch läßt es sich während der wärmeren Jahreszeit gern in die Schwemme führen. Es liebt eine saubere Krippe und einen reinen Trinkeimer. Man hüte sich, das edle Tier zu überanstrengen und durch Schläge zu Arbeiten anzutreiben, die seine Kräfte übersteigen. Ist es erhitzt oder muß es bei schlechtem Wetter längere Zeit im Freien stehen, so breite man ihm eine wollene Decke über den Rücken. Durch ein Netz und durch Ohrentüten ist es im Sommer gegen Fliegen zu schützen. Im Winter lege man ihm nicht das eiskalte 'Gebiß' in das Maul, weil sonst die Mundschleimhaut leicht an dem Eisen festhaftet und in Fetzen losgerissen wird. Durch Scheuklappen raubt man dem Pferde den freien Blick zur Seite und macht es ängstlich. Ihm den Schweif zu kürzen, ist eine weitverbreitete Unsitte. Noch grausamer ist es, den Schwanz zu stutzen (kupieren). Durch schlecht sitzende Hufeisen kann das beste Tier verdorben werden. [...]

[Schmeil S. 102]


Belgier
 
Belgischer Kaltblut-Hengst

Es soll auch kurz Alfred Brehm zu Wort kommen (1876):

"In unserem Vaterlande wird der Pferdezucht erst seit Anfang des vorigen Jahrhunderts die gebührende Aufmerksamkeit zuteil. Bis dahin begnügte man sich, Pferde zu erzielen, ohne auf deren Veredelung besondere Rücksicht zu nehmen. Ende des 17. Jahrhunderts stand die Pferdezucht in Deutschland wahrscheinlich überall auf tieferer Stufe als im Mittelalter, welches, wie bekannt, mit dem Morgenlande ungleich regere Verbindung unterhielt als die spätere Zeit. Von einer Landespferdezucht war nicht die Rede. In Preußen war es erst Friedrich Wilhelm I., welcher die Pferdezucht in richtige Bahnen lenkte. Zunächst um seinen eigenen Marstall mit guten Pferden zu versorgen, errichtete derselbe das Gestüt Trakehnen und legte damit den Grund zu einer vernunftgemäßen Veredelung des bis dahin arg vernachlässigten altpreußischen Pferdes. [...]

Unser eigentliches Arbeitspferd ist der Belgier bzw. sein deutscher Verwandter, das Niederrheinische Kaltblut. Schon sein Anblick ist achtunggebietend: mit 1,80 m Schulterhöhe und einem Gewicht von 18-20 Zentnern ist er ein Koloß, der imstande ist, eine Last von 100 Zentnern Gesamtgewicht zu ziehen. Sein bezeichnendes Merkmal ist der kurze, breite Hals, dessen Genickkamm den verhältnismäßig kleinen Kopf überragt."

[Brehm S. 349]


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Über den Umgang mit dem Pferd

Über die Problematik des ungerechtfertigten Strafens äußerte sich im 19. Jh. Friedrich Freiherr von Krane (1812-1874), Hippologe und preußischer Oberst. Hier eine Passage aus seiner "Anleitung zur Ausbildung der Kavallerie-Remonten":

"Es liegt in dem Mangel an Nachdenken und im Nichterkennen des inneren Zusammenhanges der Dinge, daß so viele Reiter bei den rohen Pferden das Verständnis von selbstgewählten Hülfen [Hilfen, die keine Reflexe des Pferdes ausnutzen und deren Bedeutung es folglich erst erlernen muss] voraussetzen und das Thier bestrafen, wenn es dieselben nicht versteht. Es liegt in der Auffassung des gemeinen Mannes die Idee, das Thier »wolle nicht verstehen«, oder »es könnte wohl, aber es sei tückisch und wolle nicht«, oder bei Streichen, Lahmgehen »es verstelle sich«. Für all diese Dinge hat er dann die Strafe zur Hand.

Das Thier ist klug genug, um die Ungerechtigkeit zu erkennen. Strafen wir ein Pferd, das ermüdet ist und stolpert, welches auf dem Glatten gleitet, das, schlecht im Gleichgewicht, in die Eisen haut, oder, indem es sich streicht, lahm tritt, so versündigen wir uns gegen das Thier. Strafen wir ein Pferd, welches scheut, so wird es sich nicht nur in Zukunft vor jenem Gegenstande fürchten, sondern auch vor der Strafe, die es dort erhielt."

[Frh. v. Krane S. 268]


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Hufbeschlag

Die Frage des Hufbeschlags ist nicht erst heute für manche Pferdebesitzer ein heißes Eisen. Hilfe versprach vor 150 Jahren ein Inserent im Solinger Kreis-Intelligenzblatt aus dem fernen Hannover, der mit vielen Worten geschickt jegliche Fakten verschweigt und den Interessenten irgendwie ratlos zurücklässt. Oder nicht?


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SKIB 04.01.1854

Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 04.01.1854


  Kunst-Hufeisen.

Vier Hufeisen schärft man bequem in 3 Minuten an jedem Orte und an jeder Stelle, ohne sie dem Pferde abzunehmen. Einen dabei nicht außer Acht zu lassenden Nutzen gewährt die Einrichtung derselben, daß so geschärfte Pferde beim Aufstehen, Niederlegen und Hintenausschlagen im Stalle (wodurch schon vielfacher Verlust und manches Unglück herbeigeführt ist) weder sich noch andere beschädigen können.

Reflectanten belieben sich in portofreien Briefen an das Büreau Nro 3 zur Verbreitung ökonomischer Entdeckungen in Bienenbüttel, Königreich Hannover, zu wenden, daß Bestellungen auf sauber gefertigte Kunsthufeisen und Modelle, die zu soliden Preisen zu haben sind, für Luxus-, Reit- und Wagen-Pferde annimmt und Zeugnisse aus beachtenswerther Feder, landwirthschaftlichen und Gewerbe-Vereinen über den rühmlichst anerkannten großen Werth dieser neuen, sich als praktisch erwiesenen Erfindung sofort gern und unentgeldlich ertheilt. Einige dieser Zeugnisse sind bereits in der Zeitung für Norddeutschland zu Hannover in der Nro. 1319 vom 21. November d. Jrs. veröffentlicht. Auch können die ferneren Zeugnisse in der Expedition des "Solinger Kreis-Intelligenzblattes" eingesehen werden.

  Zur gefälligen Beachtung diene: "daß die qu. Schärfung selbst in den bekannten Schraubstollen nicht besteht." Bienenbüttel, den 28. December 1853.

Das Büreau Nr. 3 zur Verbreitung ökonomischer Entdeckungen zu Bienenbüttel.

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"Gegen Cholick der Pferde"

Gegen Kolik, die von Pferdehaltern gefürchtete schmerzhafte Verdauungsstörung bei Pferden mit nicht selten tödlichen Folgen, ist aus dem Jahr 1839 ein interessantes (und noch viel älteres) Rezept überliefert. Es stammt aus dem Rezeptbüchlein des Schmiedes Wilhelm Krämer, der in Bach bei Windeck arbeitete und zugleich - in Ermangelung eines Tierarztes - eine gutgehende (Tier-)Heilpraxis unterhielt. Seine medizinischen Anleitungen, die er aus einem Lexikon von 1743 und einem tierärztlichen "Handbuch" bezog, notierte er auf 26 Seiten:


1839
Beschlagschmied Wilhelm Krämer Bei der 8ten Fuß Kompagnie 8ten
Artillerie im Feld ein andenken aus Jülig.

"82.) Gegen Cholick der Pferde.
Man nehme für 20 Pfge Zimesblätter, für 20 Pfge Bittersalz, mit ein Maß Wasser gekocht, gesiebt, abgekühlt, und in eine Flasche gefüllt; dann setze man für 10 Pfge Schwefel-Blüthe dazu, und gebe dem Thiere in einer halben Stunde ein; In dreimalen das Ganze alle 10 Minuten 1/3."
[Hundhausen S. 121]


Was sagt ein heutiger Tierarzt dazu?

In ihrem Buch "Was der Stallmeister noch wusste" hat Christiane Gohl u.a. folgendes Hausmittel ostpreußischer Stallmeister beschrieben - jedoch nicht empfohlen:

"Sie füllten eine 0,7-l-Flasche zu je einem Drittel mit starkem Kaffee, Schnaps und Salatöl. Auch warmes Bier galt als probates Mittel gegen Bauchschmerzen." [Gohl S. 73]

Empfohlen wird ausdrücklich auch nicht das rabiate und in seiner Wirkung fragwürdige Rezept aus dem Groß-Schützener Roßarzneibuch aus der Zeit um 1700: "Stoß ihm venedische Saiffen (Seife) in arsch, und ein Knollen salcz." [Gohl S. 74]

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Pferdehaltung im Kreis Solingen (1832)

Eine Vielzahl interessanter Daten über die Zeit um 1830 findet sich in der "Statistischen Darstellung des Kreises Solingen im Regierungsbezirk Düsseldorf" von Georg Frhrn. von Hauer, königlich preußischem Landrathe, erschienen 1832 in Köln.

Unter dem Kapitel Viehzucht ist u. a. der Pferdebestand "im Kreise nach der letzten Aufnahme" zu erfahren. Insbesondere auf dem Gebiet der späteren Stadt Solingen sind Pferde wie auch Rinder offenbar kaum selbst gezogen worden. Über die Qualität und Nutzung der Tiere lässt der Autor in seine Darstellung leise kritische Anmerkungen einfließen.


Statistik 1832
Frhr. von Hauer S. 61
 
    Solingen      68
    Dorp          87
    Gräfrath      53
    Wald          42
    Merscheid     89
    Höhscheid    133
    

"Hiernach sind auf der Quadratmeile beinahe 300 Pferde und 2 150 Stück Rindvieh vorhanden. Bei ersten ist nicht sowohl Vermehrung, als eine Verbesserung der Racen, zu wünschen; man findet meist nur starke Gäule von der schweren westphälischen Race; leichtere, für die Gebirgsgegend taugliche Thiere fehlen. Die für das Gestütwesen getroffenen Einrichtungen genügen hier nicht; der Beschäl-Stationen sind zu wenige, und ihre Benutzung liegt in der Regel dem geringen Landmanne zu fern.

Der Ausbildung des Pferdes schadet auch der allzu frühe Gebrauch; so wie die ungeheuren Lasten, welche bei Lohnfrachten geladen werden, die Dauer seiner Brauchbarkeit verkürzen, obwohl der größere Landwirth und der Frachtführer ihre Pferde reichlich füttern und man im Durchschnitte bei ökonomischen Veranschlagungen 5 Metzen Hafer und 18 Pfund Heu täglich für jedes Pferd zu rechnen pflegt, deren indessen viele mit einem bei Weitem geringeren Maße sich begnügen müssen, was besonders bei den leichteren Pferden der Fall ist, die nur zum Vorspann an den Straßenhöhen oder als Treibpferde für den Steinkohlenverkauf seitwärts der Hauptstraße gehalten werden. [...]

Der Feldbau mit Ochsen findet, wie sich aus der Zahl der letzten schließen läßt, in den Ackergemeinden häufig Statt und würde noch mehr üblich seyn, wenn das Terrain den Gebrauch dieser Thiere überall zuließe und wenn nicht vielfache Gelegenheit wäre, die Pferde, für welche auf den kleinen Besitzungen nicht hinlänglich Arbeit ist, gleichwohl um Lohn auf den Grundstücken der Nachbarn oder durch Frachtfuhren und im innern Verkehr mit Vortheil zu beschäftigen.

Zur Sicherung des Viehstandes bestehen in den Gemeinden mehre sehr heilsam wirkende Privatvereine für gegenseitige Versicherung, die ohne alle Absicht auf Einzelgewinn die Beiträge der Theilnehmenden bloß nach dem jedesmaligen wirklichen Erforderniß bemessen und von einem gewählten Ausschuß der Gesellschaft nach Statuten verwaltet werden, welche die Genossen unter sich selbst festgestellt haben. [...]

Mit Ausnahme der Gemeinde Schlebusch, die noch eine gemeine Trist auf ihrer Haide hat, ist allenthalben Stallfütterung eingeführt. Sie ist allerdings oft sehr dürftig, immer aber wieder ein wesentliches Mittel, dem geringen Eigenthümer den Unterhalt seiner Familie zu erleichtern, der von einem auf dem Stalle gepflegten Stück Vieh außer der Milch auch den Dünger zur Bestellung seines kleinen Gartengrundstücks gewinnt. Oft beschränkt sich ein solcher Besitz auf eine Ziege, die in bedeutender Zahl als Milchvieh für die vielen geringen Haushaltungen angezogen werden. [...]

Esel kommen als einzelne Lastthiere vor, wo sie zum Transporte der Victualien, namentlich des Obstes, auf die städtischen Märkte und besonders auch des verkäuflichen Sandes aus den [...] Gruben gebraucht werden."

[Frhr. von Hauer S. 61-65]

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Kleinanzeigen im
Solinger Kreis-Intelligenzblatt
vom 8. Juni 1861:
Pferdediebstahl und Pferdehandel



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Pferde für das Heer

Aus Zivilisten werden Soldaten, das Heer braucht Pferde, Weltkriege kündigen sich an, einer nach dem anderen:


Musterung
 
Um 1917   Pferdemusterung auf dem Wiedenhofer Feld, Solingen


Rheinische Landeszeitung vom 9. Februar 1939

WLD. Bonn, 8.2.   Wie die Landesbauernschaft Rheinland mitteilt, findet Ende Februar d.J. in der Rheinprovinz ein größerer Ankauf von Kaltblutpferden für die Heeresverwaltung statt. In Frage kommen vier- bis achtjährige mittelschwere Kaltblutpferde im Gewicht von 12 bis 13 Zentner und einer Stockmaßgröße von 1,56 bis 1,60 Meter. Auf Gängigkeit wird besonderer Wert gelegt. Anmeldungen geeigeter Pferde sind umgehend, spätestens bis zum 15. Februar 1939 an die Kreisstellen der Rheinischen Pferdezentrale oder direkt an die Rheinische Pferdezentrale nach Bonn zu richten.



Quellen:
  • Brehm (1965)
  • Gohl (1993)
  • Frh. v. Hauer (1832)
  • Hundhausen (1970) S. 117
  • Frh. v. Krane: Anleitung zur Ausbildung der Kavallerie-Remonten, zit. bei Gohl (1993) S. 64
  • Schmeil (1949)
  • Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 04.01.1854

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