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Notizen über

Waisenhäuser und Kinderheime
in Barmen und Elberfeld im 19. Jahrhundert

Im 19. Jh. gab es im Wuppertal mindestens vier Waisenhäuser bzw. Kinderheime, deren Gebäude im Zweiten Weltkrieg beschädigt oder zerstört wurden. Unterlagen über die Waisenkinder, die dort untergebracht waren, scheinen nicht mehr vorhanden zu sein; zumindest konnte das Wuppertaler Stadtarchiv nicht weiterhelfen.




Barmen

In Barmen lag das Armenwesen in der ersten Hälfte des 19. Jh. noch in den Händen der kirchlichen Gemeinden, "die zwar nach ihrem Vermögen alles taten, auch Armen- und Waisenhäuser errichtet hatten und unterhielten, aber mit ihren beschränkten Mitteln den durch den Zuzug der Bevölkerung geschaffenen Verhältnissen nicht gewachsen warn [sic]."

1849 begann ein langsamer Übergang der Armenpflege von den kirchlichen Gemeinden auf die bürgerliche Gemeinde, bis 1863 eine städtische Armenpflege geschaffen wurde. 1873 errichtete die Stadt Barmen ein Haus für verwahrloste Kinder. [Werth 1908] Über den Ort ist in dieser Quelle nichts angegeben.

"Obwohl die Armenpflege in großartiger und mustergültiger Weise jetzt von der Stadt ausgeübt wird haben die kirchlichen Gemeinden doch ihre Armenpflege behalten und wirken die städtische Verwaltung ergänzend; sie besitzen auch die Armen- und Waisenhäuser, während die Stadt nur das Haus der städtischen Anstalt für verlassene Kinder unterhält. In Unterstützung der städtischen Armenpflege sorgt der Barmer Erziehungs-Verein für Unterbringung der Kinder sittlich verkommener Familien in guten auswärtigen Familien." [Werth 1908]




Unterbarmen: Evangelisches Waisenhaus, Meckelsstraße 50

1839 wurde in der Gemeinde Unterbarmen ein Verein zur Rettung der Kinder gegründet, aus dem das spätere Kinderheim hervorging. Anlass für die Vereinsgründung waren die Folgen der fortschreitenden Industrialisierung im Wuppertal, die einherging mit Bevölkerungswachstum und Kinderarbeit in den Fabriken. Unzählige verwahrloste Kinder, um die sich niemand kümmerte, lebten auf der Straße.

-  Karl Friedrich Klein-Schlatter († 1884), Sohn eines Württembergischen Pfarrers, veranlasste im Presbyterium der Gemeinde Unterbarmen die Entstehung eines Asyls für Waisenkinder, aus dem das große Unterbarmer Waisenhaus hervorging. [Dietz/Reulecke S. 251]

1840 konnten aufgrund der Initiative des Vereins die ersten Kinder mit ihren Hauseltern in gemietete Räume einziehen.

1849/50 wurde von der evangelischen Gemeinde Unterbarmen ein Waisenhaus für 80 Kinder errichtet.

"1850 stiftete der Industrielle Peter de Weerth das Grundstück in der Meckelstraße und 1851 wurde dort ein Kinderheim gegründet." [wz newsline vom 09.09.2009]

-  Das 1850 von der Familie Engels gegründete Waisenhaus stand an der Meckelstraße Nr. 50. Es wurde 1943 zerstört. [Stock S. 264]



 
Waisenhaus Unterbarmen.
Abb. z.B. bei Goebel/Voigt und bei Mahlberg/Nußbaum

Auf diesem Panorama von Unterbarmen ist auf der Höhe links das evangelische Waisenhaus zu sehen; oben in der Mitte der Hof Unter den Eichen, im Vordergrund die Allee, rechts Köbners Kirche, das 1856 gebaute Gotteshaus der Baptistengemeinde. [Goebel/Voigt S. 60]

In einem Plan der Stadt Barmen (F. George) von 1863, Ausschnitt: Unterbarmen, ist das Evangelische Waisenhaus nördlich des ev. Armenhauses eingezeichnet.

Im Zweiten Weltkrieg fiel das Waisenhaus an der Meckelstraße der Bombardierung zum Opfer. Die Kinder wurden mit den Hauseltern evakuiert. Nach 1945 wurden die Kinder in einer Baracke in der Nesselstraße betreut.

Am 19. September 1959 wurde der Neubau an der Nesselstraße eröffnet. "'In Spitzenzeiten lebten hier bis zu 120 Mädchen und Jungen' [...]. Die Struktur mit dem großen Wirtschaftsgebäude und sechs kleinen Gruppenhäusern besteht noch heute. Früher versorgte sich das Heim selbst - auf dem großen Gelände wurde Landwirtschaft betrieben." [wz newsline vom 09.09.2009]


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Barmen: Katholisches Waisenhaus Carnaper Straße 48

1856 wurden das St. Petrus-Krankenhaus der katholischen Gemeinde und das katholisches Waisenhaus an der Carnaper Straße 48 gegründet.

"Die gezielte Versorgung von Armen, Kranken und Bedürftigen in Barmen beginnt mit den Ordenschwestern vom Hl. Karl Borromäus. Sie waren 1856 von der Kirchengemeinde St. Antonius gerufen worden und begannen ihre Arbeit am Marienhospital, einem Gebäude auf dem Gelände des heutigen Petrus-Krankenhauses."
[http://www.petrus-krankenhaus-wuppertal.de/ueber-uns/historie/]

Im II. Weltkrieg wurden die Städtischen Krankenanstalten Wuppertal-Barmen und das Städtische Säuglingskrankenhaus durch Bomben beschädigt. [http://wiki-de.genealogy.net/Barmen_%28Wuppertal%29]



 
Barmen,
St. Petruskrankenhaus und Waisenhaus.
Ansichtskartekarte,
vermutl. vor 1945

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Elberfeld: Waisenhaus am Neuenteich

Lt. dem Wuppertaler Straßennamenverzeichnis von Wolfgang Stock stand am "oberen (nördlichen) Ende der Straße Neuenteich" (zeitweise auch Neuenteicher Straße genannt) bis 1943 das 1825-1827 erbaute ehemalige Armenhaus der Stadt Elberfeld.

Die Informationstafel am Standort des 1854 fertiggestellten Städtischen Waisenhauses an der Arrenberger Straße verweist auf die Vorgänger-Einrichtung: das 1840 am Neuenteich eingerichtete erste Elberfelder Waisenhaus.

Möglicherweise nutzten beide Einrichtungen, Armenhaus und Waisenhaus, gleichzeitig oder nacheinander dasselbe Gebäude; evtl. diente das Waisenhaus nach dem Neubau an der Arrenberger Straße als Haus für verlassene Kinder. (?)

Das Gebäude wurde im II. Weltkrieg zerstört.


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Elberfeld: Städtisches Waisenhaus am Arrenberg

1851-1854 wurde in Arrenberg ein Städtisches Waisenhaus für bis zu 160 Waisenkinder als Nachfolgebau für das Elberfelder Waisenhaus am Neuenteich errichtet.

Die Pläne stammen von dem bekannten Düsseldorfer Baumeister Anton Schnitzler (1796-1873). "Das Waisenhaus zählte in der Wertschätzung der Elberfelder zu den bedeutendsten Bauten der Stadt und erscheint in der Lithographie von Wilhelm Riefstahl aus dem Jahre 1855 bezeichnenderweise gleich neben dem Bahnhof Döppersberg." [Mahlberg/Nußbaum S. 47]

Das prächtige klassizistische Gebäude - damals das erste Gebäude auf den Wiesen und Feldern des Arrenbergs außerhalb der Stadt - stand an der Stelle des heute vorhandenen "Jugendtreff Arrenberg". Es wurde 1889 durch ein zweites, ähnlich großes Gebäude erweitert.

Die mit der zunehmenden Industrialisierung wachsende Bevölkerungszahl und die gleichzeitig zunehmende Armut machte, wie in Barmen, eine besondere Fürsorge notwendig, "zu der auch die Unterbringung von Vollwaisen und sogenannten 'verlassenen Kindern' gehörte, deren Eltern verschollen, im Gefängnis oder 'böswillig entwichen' waren." [Infotafel]

Wie das erste Waisenhaus am Neuenteich wurde auch dieses 1943 durch Bomben beschädigt und abgerissen. Auf dem Grundstück entstanden ein Spielplatz und ein Bauhof. 1990 wurde der heutige Jugendtreff Arrenberg gebaut. [Infotafel]



 
2010
Städtisches Waisenhaus Arrenberg
Abb. Informationstafel


 
2010
Jugendzentrum

1861 lebten im Arrenberger Waisenhaus 270 Pfleglinge. Jungen blieben üblicherweise bis zum vollendeten 14. Lebensjahr in der Obhut des Hauses, Mädchen 1-2 Jahre länger, bis sie in eine Handwerkslehre gegeben bzw. als Dienstmädchen untergebracht wurden. [Reulecke/Dietz S. 235]

Johann Hinrich Wichern schrieb am 30. Juli 1857 während einer Reise in einem Brief aus Elberfeld:

"Heute morgen führte mich [Oberbürgermeister] Lischke in einige der hiesigen öffentlichen Anstalten, vor allem in ein Haus für achtzig verlassene Kinder und in das neue Waisenhaus vor der Stadt, wo an dreihundert Kinder aufbewahrt werden.

Die Einrichtung des Baues ist sehr schön, die Lage prächtig, aber die konfessionelle Angst der Evangelischen gegen die Katholischen läßt nicht zu, daß man die Kinder in einer Anstaltsschule unterbringt, sie müssen in eine benachbarte städtische Schule geführt werden, denn sonst - so ängstet man sich - würden die Katholiken eine besondere Schulabteilung für ihre Kinder fordern, und dann würden Kruzifixe und dergleichen in die Anstalt kommen."

Bei dem "Haus für achtzig verlassene Kinder" handelt es sich offenbar um ein weiteres Haus, das aber nicht näher bezeichnet wird. Evtl. die Einrichtung am Neuenteich?

Nach einem Text von Eugen Richter, der im Jahr 1861 eine "Aufklärungsreise" zum Elberfelder Waisenhaus unternahm, kam es damals unter dessen Zöglingen zu einem öffentlichkeitswirksamen grotesken Ereignis in Form einer "Erweckungsbewegung":

"Unter den Knaben des Waisenhauses - unter den Mädchen weniger - war nach den Berichten der kirchlichen Blätter auf einmal die Erkenntnis ihrer großen Sündhaftigkeit 'zum Durchbruch' gekommen. Sie waren vom heiligen Geist 'angefaßt' worden, lagen betend und singend, zum Teil in Zuckungen verfallen, in den Stuben, auf den Fluren und Treppen umher und schrien bei Tag und Nacht 'zu dem Herrn, auf daß er sich ihrer Sünden erbarme'."

Letztendlich wurden die Vorkommnisse als "greulicher Unfug" entlarvt, die letztendlich zur Versetzung des Waisenhausvaters in ein anderes Amt führte, obwohl nach Auffassung des Autors die "nach den Vorschriften der Direktion im Waisenhaus maßgebende [pietistische] Erziehungsweise gar keine andern Früchte bei den Kindern zeitigen" konnte. [Reulecke/Dietz Bd. II S. 231]

Das Waisenhaus, das in der Nähe der Städtischen Krankenanstalten am Arrenberg lag, galt als Musteranstalt.


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Elberfeld: Wohnheim des Elberfelder Erziehungsvereins, Ekkehardstraße 7

1849 wurde der Elberfelder Erziehungsverein gegründet mit dem Ziel, sich um die Pflege und Erziehung verwahrloster Kinder zu kümmern. Er gehört zu den ältesten Wohlfahrtseinrichtungen der Stadt.

Noch 1895 wird der Verein als 'Segensfrucht des Revolutionsjahres 1849' bezeichnet. Im Mai 1850 regte Carl Brockhaus an, 'verwahrloste Kinder' bei christlichen Pflegeeltern unterzubringen, die später in eine vom Verein getragene 'Kinderherberge' mündete. Carl Brockhaus (1822-1899) war der erste 'Vorsteher' des Vereins und Lehrer an der Schule "Am Neuenteich". [Lekebusch S. 41 f]

"Noch nicht schulpflichtige Kinder sollten von der Straße und in 'Kleinkinderschulen', 'Näh- und Flickstuben' und evangelischen Sonntagsschulen' untergebracht werden.

Da viele Mütter arbeiten mussten, um zum Lebensunterhalt ihrer Familien beizutragen, waren ihre Kinder unversorgt. Sie drohten zu verwahrlosen, und so richtete der Elberfelder Erziehungsverein gerade in der Nordstadt mehrere Kleinkinderschulen ein. Sie befanden sich meist in Wohnhäusern, zum Beispiel in den Häusern Zimmerstraße 37, Höchsten 49 und Friedrichschulstraße 13. Um 1910 betreuten 14 'Kleinkinderschullehrerinnen' und ihre 11 Gehilfinnen etwa 1800 Kinder. Bis heute (2006) ist der Elberfelder Erziehungsverein Träger von 21 Tageseinrichtungen für Kinder." [Infotafel]

Das Schieferhaus wurde 1871/72 als Sitz des Elberfelder Erziehungsvereins errichtet.

Lt. Wuppertaler Denkmalverzeichnis handelt es sich bei dem Objekt Ekkehardstraße 7 um ein 1872 errichtetes und 1880 erweitertes ehemaliges Wohnheim des Elberfelder Erziehungsvereins. Ob es auch als Waisenhaus diente, geht aus den Quellen nicht hervor.



 
2012
Ehemaliges Wohnheim
des Elberfelder Erziehungsvereins
an der Ekkehardstraße 7
Ecke Plateniusstraße


Quellen:
  • BGV Wuppertal: Informationstafeln "Industriezeitalter im Wuppertal"
  • Goebel / Voigt (2002)
  • Lekebusch, Sigrid: Gemeinde - Gesellschaft - Gebet. Das Engagement der Bürger im Wuppertal. In: Bergischer Geschichtsverein Abt. Wuppertal u.a. (Hrsg.): Von Tugend und Glück. Die private Welt der Bürger 1815-1850. Geschichte im Wuppertal (2009)
  • Mahlberg / Nußbaum (2008)
  • Reulecke / Dietz (1984)
  • Stock (2010)
  • Werner, Gerhart: Die Stillen in der Stadt. Eine Betrachtung über die Sekten, Freikirchen und Glaubensgemeinschaften Wuppertals. Wuppertal 1964, S. 30, zit bei Reulecke / Dietz S. 235
  • Werth (1908)
  • Website: "http://www.wz-newsline.de/lokales/wuppertal/stadtteile/barmen/50-jahre-kinderheim-an-der-nesselstrasse-1.138642" am 17.07.2012
  • Website: "http://wiki-de.genealogy.net/Barmen_%28Wuppertal%29" am 17.07.2012

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