Pferde-Alltag in alter Zeit
www.ZeitSpurenSuche.de 

Inhaltsübersicht Landwirtschaft


Pferde in der Landwirtschaft - 20. Jh. - Landwirte erzählen
    -    Pferde auf dem Hof Elp (Haan)
    -    Ein Pferd auf dem Lindenhof (Reichshof-Eiershagen)
    -    Pferde auf dem Henriettenhof (Heiligenhaus)
Feldarbeit     Rückepferde     Die Wagen
Landwirtschaft mit Pferden in Westfalen Anf. 19. Jh.



Landwirtschaft mit Pferden im 20. Jh. - Landwirte erzählen

In der ersten Hälfte des 20. Jh. waren starke Pferde auf den Bauernhöfen noch unentbehrlich; die landwirtschaftliche Arbeit wurde gemeinsam von Mensch und Tier geleistet. Erst nach und nach ersetzten Motoren die lebendigen Pferdestärken, bis sich die Vollmechanisierung in den 1950er/1960er Jahren schließlich durchsetzte. Wie es in dieser längst vergangenen Zeit den Arbeitspferden auf gut geführten Bauernhöfen erging, darüber berichten drei Landwirte aus dem Bergischen und Oberbergischen Land.



Pferde auf dem Hof Elp (Haan)

Seit sechs Generationen - über 200 Jahre lang - befindet sich der Hof Elp bei Haan, einer der alten Ellscheider Höfe, im Familienbesitz. An die Zeit, als auf seinem Hof die starken Pferde noch zum Alltag gehörten, erinnert sich Friedhelm Stöcker - inzwischen über 80 Jahre alt - sehr gut. Er erzählt:


"Wir hielten früher immer zwei bis drei schwere rheinische Kaltblut-Zuchtstuten und haben die Pferde auch selbst gezogen, für den eigenen Bedarf, aber auch zum Verkauf. Die Pferde arbeiteten auf dem Feld, wurden aber ebenso für alle Transporte eingesetzt. Reitpferde waren sie nicht, aber natürlich konnte man sie auch von einem Ort zum anderen reiten. Sie waren reine Schritt-Pferde.

Die Arbeitszeit entsprach derjenigen der Menschen: Je nach Jahreszeit von 7 oder 8 Uhr morgens bis Abends 18 oder 19 Uhr, unterbrochen von Frühstücks- und Mittagspausen. Wann eine Pause oder der Feierabend fällig war, wussten die Tiere genau; sie 'hatten die Uhr im Bauch'.

Untergebracht waren die Pferde in Ständern, so wie es damals üblich war. Sie mussten ja nicht, wie viele Pferde heute, 23 Stunden täglich im Stall stehen, sondern waren viel in Bewegung. Im Sommer hatten sie Weidegang. Gefüttert haben wir unsere Pferde mit gequetschtem Hafer, gemischt mit Spreu oder Häcksel; an Rauhfutter bekamen sie Klee- oder Luzerneheu, im Winter als Saftfutter Runkelrüben. Damit sie im Winter, wenn sie weniger zu tun hatten, nicht allzu übermütig wurden, war der Haferanteil in dieser Zeit geringer.

 
Kleemähen Kleemähen in der Elp
Foto: © Stöcker

Das Verhältnis zu den Pferden war unsentimental, man 'benutzte' sie für die Arbeit. Selbstverständlich wurden sie pfleglich behandelt; sie waren ja ein wichtiges Kapital. Man war auf eine gute Zusammenarbeit mit ihnen angewiesen und achtete darauf, dass sie gesund blieben. Die Pferde wurden grundsätzlich beschlagen; unsere trugen immer Stolleneisen, nicht nur im Winter, damit sie im Boden besseren Halt fanden. Auf nassem Blaupflaster konnte es natürlich rutschig werden.

Die jungen Pferde wurden mit 2 1/2 Jahren angelernt und konnten mit 3 Jahren voll eingesetzt werden. Sie arbeiteten durchschnittlich 12 bis 15 Jahre lang. Ältere Pferde, die nicht mehr so leistungsfähig waren, wurden für leichtere Arbeiten verwendet, so lange es ging. Sie waren zudem eine gute Hilfe, um den Nachwuchs z.B. am Pflug anzulernen.

Wir verkauften Buchen- und Obstholz an die Solinger Reider, die daraus Messergriffe herstellten. In den 1930er Jahren habe ich mit den Pferden auf dem Kranzwagen Buchen-, Birnen- und Nussbaumstämme zum Reider auf die Foche in Solingen gefahren. Um mit der schweren Ladung den Hillersberg hinaufzukommen, war immer ein drittes Pferd dabei, das dann vorgespannt werden musste.

Jeweils im Herbst habe ich mit dem Pferdewagen Kartoffeln an die Privathaushalte unserer Stammkunden zur Einkellerung ausgeliefert. Der Wagen war mit etwa 25 Zentnern beladen. Auf dem Markt haben wir nicht verkauft.

In meiner Jugend hatten wir noch zwei Leiterkarren, später aber nur noch die vierrädrigen Kranzwagen. Die Vorderachse drehte sich auf einem Kranzgestell, wobei sich die kleinen Vorderräder bis unter den Wagen schoben und somit eine ganz kurze Drehung ermöglichten. Das war in den meist topographisch bedingt engen Gehöften hier im Bergischen Land von Vorteil und auch nötig.

Das Kurzgut - Rüben, Kartoffeln, Grünfutter, Mist, Kompost, Steine usw. - wurde mit einspännigen, zweirädrigen Kippkarren [Sturzkarre, Schlagkarre] gefahren, die man leicht am Bestimmungsort durch einfaches Aufkippen entleerte. Diese Wagen und Karren hatten eisenbereifte Holzräder.

 
Kranzwagen Neuzeitlicher Kranzwagen:
Vorderachse mit
eisernem Kranzgestell

Zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg machte die Technik in der Landwirtschaft Fortschritte. Es gab Grasmäher, mit denen man auch Getreide mähen konnte; danach kam der Selbstbinder, der die Garben fertig band und von drei Pferden gezogen wurde. Damit wurde die Getreideernte wesentlich erleichtert.

Erst um 1907 bekamen wir elektrischen Strom in die Elp; Haan wurde schon lange vorher (seit 1886) mit Strom versorgt. Einige Jahre später gab es auch Kraftstrom für Motoren zum Antrieb der Dreschmaschine. Bis dahin wurde die Dreschmaschine durch Göpel angetrieben, also von Pferden, die in einem überdachten Rossgang im Kreis gingen. Über ein Kronrad und eine Welle war der Göpel mit der Dreschmaschine verbunden. Das dazu gehörige Wellenlager in der Scheunenwand ist heute noch vorhanden.

Am 24. August 1939 musste ich mit unseren Pferden zur Musterung. An das Datum erinnere ich mich genau. Wir waren erst nachts um 1 Uhr von einer Feier nach Hause gekommen, und dort erwartete mich im hell erleuchteten Haus die Nachricht, dass ich mich am nächsten Morgen um 5 Uhr mit den Pferden an der Diekerschule einzufinden hätte. Als wir dann in aller Frühe mit den Pferden die Feldstraße hinuntertrappelten, öffnete sich dort an einem der Häuser ein Fenster. Ein alter Mann schaute heraus und sagte, was er vielleicht schon lange befürchtet hatte: 'Jetzt weiß ich, wat dat jibt. Dat jibt Krieg.'

Von der Sammelstelle an der Diekerstraße aus ging es um 6 Uhr gemeinsam nach Benninghofen in Mettmann zur eigentlichen Musterung. Es war ein Trupp von vielleicht 15 bis 20 Pferden. In Mettmann wurden die Tiere begutachtet. Anwesend waren Militäroffiziere (Veterinäre) und unter anderem auch der Kreisleiter und der Kreisbauernführer. Unsere alte Stute war zu Hause geblieben, der Fuchs mit seiner alten Verletzung am Fuß wurde ausgemustert, aber unser brauner Wallach wurde eingezogen. Wir haben gehört, dass er mit der Artillerie nach Polen gekommen sein soll.

Die requirierten Pferde wurden geschätzt und zu reellen Preisen bezahlt. Aber nun fehlten viele gute Pferde in der Landwirtschaft. Damit sie weiter funktionieren konnte, wurde unter den Bauern ein gegenseitiges Aushelfen mit den verbliebenen Pferden organisiert, ebenso wie mit den 'menschlichen Arbeitskräften'.

 
Friedhelm Stöcker Flaksoldat Friedhelm Stöcker
nach seiner Verwundung 1943
mit einem Fohlen auf dem
elterlichen Hof Elp
Foto: © Stöcker

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in der Landwirtschaft wiederum gewaltige technische Fortschritte. In den 1950er Jahren kam für die Getreideernte der Mähdrescher auf, der die Arbeit sehr vereinfachte und erleichterte. Die Schlepper lösten die Pferde ab; 1961 verkaufte ich das letzte Pferd. Es war ein wehmütiger Abschied."

[Stöcker 2003]


In der Chronik der Familie Stöcker befindet sich die Kopie einer alten Schmiede-Rechnung der Jahre 1729 und 1730: Ein Pferd mit drei alten und einem neuen Eisen zu beschlagen kostete damals 10 1/2 Stüber

Man erfährt auch etwas über den Kaufpreis für ein Pferd: "1777 hat Johann Wilhelmus Stöcker laut dem vorliegenden Vertrag ein braunes Pferd für 10 Reichsthaler 40 Stüber gekauft." Bei der Versteigerung von 21 Eichen zur gleichen Zeit erzielte der Hof Preise bis zu 25 Thaler pro Stück, obwohl die Käufer die Eichen selbst schlagen und abtransportieren mussten. - 1861 wurden für ein Pferd 61 Taler bezahlt.

Für die Arbeit mit einem Pferd berechnete man 1875 je Tag 2 Taler, für die Arbeit mit mit zwei Pferden je Tag 3 Taler. [Stöcker 1985]


Schmiede-Rechnung (Abschrift)
     Anno 1729 den 7ten 9bris (September)
     
rthl stb Herren richter Scholl ein Pferd beschla gen mit 3 alten eisern und 1 Neu kost - - - - " 10 1/2 den 10ten 9bris ein Pferd beschlagen mit 2 Neuer eisen daß kost - - " 12 den 24ten 9bris ein Pferd beschlagen Mit 2 neuer eisern und 2 alten ad - " 15 den 10ten xbris ein Pferd beschlagen Mit 3 alt und l neu dass - - " 10 1/2 den 24ten xbris zwey Pferd beschlagen mit 6 alter eisern und 2 Neuen daß kost - - - " 21 1730 den 16ten Jaary ein Pferd beschlagen Mit 3 alt eisern und Ein Neu ad - " 10 1/2 den 17ten Jaary ein Pferd beschlagen Mit 3 alter eisern daß kost - " 7 1/2 den 4ten Feb. ein Pferd beschlagen mit 1 Neuen eisern ad - - " 6 den 23ten Feb. ein Pferd beschlagen mit 4 alter eisern dass - - " 6 den 2ten Mertz ein Pferd beschlagen mit 2 alt Eisern daß kost - - - " 3 den 21ten Mertz ein Pferd beschlagen mit 4 alter eiser ad - - " 6
[Stöcker 1985]


  Über Löhne und Preise in den vergangenen Jahrhunderten





Ein Pferd auf dem Lindenhof   (Reichshof-Eiershagen)

Auch der Lindenhof der Familie Simon im oberbergischen Reichshof-Eiershagen ist seit mehreren Generationen im Familienbesitz. Alfred Simon (1926-2006) war einer der Ersten in Eiershagen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg für die Feldarbeit ein Pferd anschafften, wenn auch nur für kurze Zeit. Damit stieß er im Dorf zunächst auf Skepsis: Das war etwas ganz Neues, das hatte es hier noch nicht gegeben, denn hier wurde "immer schon" mit Ochsengespannen gearbeitet. Aber damit ging es dem Jungbauern Alfred Simon einfach zu langsam voran. Er erzählt:


"Im Oberbergischen wurde in der Landwirtschaft kaum mit Pferden gearbeitet, sondern mit Ochsen oder Kühen. Ochsen hatten gegenüber Pferden den Vorteil, dass sie stärker und zugleich genügsamer waren; außerdem wurden sie nicht beschlagen. Sie arbeiteten genauso gut, waren nur etwas 'sturer'.

Zum Vergnügen hielt man sich keine Pferde, auch Kutschen hatten die Bauern nicht; sie gingen zu Fuß. In den 1920er/1930er Jahren praktizierten allerdings zwei Tierärzte in Waldbröl, die mit der Kutsche zu ihren Patienten in die Dörfer fuhren.

Als ich aus dem Krieg 1947 zurück nach Hause kam, kaufte ich gleich ein Fohlen, ein Rheinisches Kaltblut, das ich für die Landwirtschaft ausbilden wollte. Unglücklicherweise brach es sich ein Bein, und so wurde aus diesen Plänen erst einmal nichts. 1949 erwarb ich dann eine fertig ausgebildete Stute, die für alle landwirtschaftlichen Arbeiten wie Pflügen und Eggen und für kleinere Fuhrdienste eingesetzt wurde. Sie war ein reines Schrittpferd und mit Stolleneisen beschlagen.

Die Stute bekam allerbestes Futter, reichlich Hafer, und hatte im Sommer gelegentlich begrenzten Weidegang. Saftfutter haben wir nicht gegeben. Sie stand im Ständer, war aber nicht angebunden, und erhielt natürlich sorgfältige Pflege. Unser Nachbar hielt zur gleichen Zeit zwei Warmblutpferde.

Die Tiere arbeiteten, wenn sie gesund blieben, 16-18 Jahre in der Landwirtschaft. Verbreitet waren damals allerdings durch Heustaub hervorgerufene Atemwegserkrankungen.

Die jungen Pferde lernten durch 'Abgucken', während sie bei älteren Pferden im Gespann mitgingen. Mit drei Jahren waren sie fertig ausgebildet und einsatzbereit. Zur Anspannung wurde hier bei einem Pferd der Hahmen (Kummet) benutzt, bei zwei Pferden das Brustblattgeschirr.

Ich konnte mit meiner Stute mittels Zuruf arbeiten; Leinen waren gar nicht nötig. Auf 'har' ging sie links herum, auf 'hott' rechts herum, und bei 'hoppi' legte sie den Rückwärtsgang ein. Auch die Arbeit mit der Mähmaschine, die normalerweise zwei oder drei Pferdkräfte erforderte, war mit dem einen Pferd zu schaffen, als die Maschine einen Hilfsmotor erhielt.

In Denklingen gab es zu dieser Zeit einen Huf- und Wagenschmied, der noch gut ausgelastet war. Er beschlug das Pferd etwa alle acht Wochen: einmal Eisen umlegen, einmal neu beschlagen. Auf den harten Wegen waren die Eisen schnell abgenutzt.

Mit dem Pferd arbeitete ich bis 1952, dann wurde der erste Traktor gekauft. Die Nachbarn waren wieder skeptisch, meinten, so ein Trecker sei zu schwer für den Acker, aber letztlich hat er sich doch bewährt. Die Stute und ihr inzwischen geborenes Fohlen verkaufte ich an einen Pferdehändler. - Mein 1962 verstorbener Vater wurde damals übrigens noch mit dem Pferde-Leichenwagen zum Friedhof gefahren, der mit Rappen bespannt war."

[Simon 2003]


Heute sind Pferde in Eiershagen längst keine Seltenheit mehr. Es gibt sie auch auf dem Lindenhof, wenn auch nicht mehr vor dem Erntewagen. Und zu den regelmäßig stattfindenden Fahrsportturnieren kommen noch viele mehr ins Dorf.





Pferde auf dem Henriettenhof (Heiligenhaus)

In ihrer kleinen Schriftenreihe "Im Bild" hat die Vereinigung für Verkehr und Heimatpflege Heiligenhaus (V.V.H.) Themen aus der Vergangenheit des alten Dorfes Heiligenhaus aufgegriffen, eines davon unter dem Titel "Aus der Landwirtschaft". Ich fand es bei einem Besuch des   Heimatmuseums Abtsküche. Die folgenden Textpassagen und Fotos sind mit frdl. Genehmigung des V.V.H. hier wiedergegeben.

Autor dieses 1998 erschienenen, reich bebilderten Heftchens ist Karl Bellwied (* 1918) vom Henriettenhof, der sich zu der Zeit seit 100 Jahren im Familienbesitz befand. Bellwied berichtet über Leben, Rollenverteilung und Arbeit auf dem Bauernhof, im Stall, auf dem Feld und im Garten. Ein eigenes Kapitel widmete er den Pferden.

Karl Bellwied, der mit 14 Jahren auf dem elterlichen Henriettenhof eine landwirtschaftliche Lehre angetreten hatte, bewirtschaftete den Hof nach dem Krieg gemeinsam mit seinem Vater. 1960 übernahm er den Betrieb und führte ihn gemeinsam mit seiner Frau bis 1977.


"Im Bild: Aus der Landwirtschaft."
Hrsg.: Vereinigung für Verkehr und Heimatpflege (V.V.H.) Heiligenhaus
Erzählt von Karl Bellwied (1998)


"Nach dem Aufstehen um fünf, im Winter um sechs Uhr, half ich zuerst die Pferde zu versorgen. Die Tiere wurden geputzt, dann wurde der Stall ausgemistet und anschließend wurde gefüttert und getränkt."

"Nach dem ersten Frühstück wurden die Pferde angespannt und es begann die Feldarbeit. [...] Das Mittagessen gab es zwischen viertel nach zwölf und halb eins, wenn die Pfeifen der Fabriken im Dorf ertönten. [...] Nach dem Essen wurden pünktlich um 13.30 Uhr die Pferde wieder angeschirrt und es ging erneut auf den Acker zum Arbeiten. Um halb vier gab es dort Kaffee. Man setzte sich auf Pflug oder Düngerstreuer und trank den Kaffee. Die anschließende Arbeit dauerte bis zum Glockenläuten um sieben."

 
 
1922
Pferdeknecht Gottfried Klaus
beim Pflügen mit einem Dreispänner in der Leibeck
© V.V.H.
 

"Die Pferde waren lange Zeit die einzige Zugkraft und hatten dadurch auf jedem Hof einen hohen Stellenwert. Wir hatten drei belgische Kaltblüter mit zwei Zweijährigen und drei Fohlen. Die Tiere standen einzeln in sogenannten Ständern oder in Boxen. Die Boxen waren etwa doppelt so groß und für Stute mit Fohlen oder zwei Zweijährige. Das Pferdegeschirr mit Hahmen und Kummeten hing an einem eisernen Bügel an den Pferdeställen. Dreimal täglich wurden die Tiere getränkt und gefüttert. Gefüttert wurden sie mit 12 Pfund Hafer, Weizenkaff und Strohhäcksel.

Erhielten sie zuviel Hafer - der Hafer machte ein blankes Fell und deshalb gab mancher Pferdeknecht auch mal eine Zusatzportion, - dann wurden die Pferde übermütig, sie 'stach der Hafer'. Mit den Pferden erledigte man alle Ackerarbeiten wie Pflügen, Eggen, Säen mit der Drillmaschine, Dünger streuen und Erntearbeiten wie das Mähen mit dem Selbstbinder, das Kultivieren nach der Ernte mit dem Kultivator, sowie das Einfahren der Ernte.

Alle sechs Wochen, oder wenn die Eisen abgelaufen oder abgegangen waren, wurden die Pferde beim Schmied Wiesemann an der Hauptstraße oder bei Knipprath in Flandersbach beschlagen. Das kostete 12 Mark. Manchmal, wenn die Eisen nur einseitig abgelaufen waren, wurden sie auch nur von einem Bein aufs andere 'umgelegt'. Das kostete dann nur 8 Mark. Im Winter erhielten die Tiere zusätzlich Eisenstollen.

Das Pferdegeschirr wurde vom Sattler Meckenstock hergestellt. Der Sattler kam einmal jährlich auf den Hof. Auf der Scheunentenne wurde dann das komplette Pferdegeschirr mit Soda vom Schweiß der Tiere gereinigt. Dann wurden die Schadstellen repariert. Anschließend wurde das Geschirr eingetrant, zum Trocknen aufgehängt und danach lackiert.

Die Pferde wurden auf dem Hof selbstgezogen. Die Stuten mußten im Hauptstammbuch eingetragen sein. Die Deckhengste auf den staatlichen oder zugelassenen privaten Deckstationen waren von der Kreisbehörde gekört, d.h. als Zuchttiere anerkannt.

 

 
Hauptstammbuch-Zuchtstute
"Flora" vom Henriettenhof
mit Fohlen bei Fuß
© V.V.H.
 

Ganz selten wurden Pferde gekauft, um die Nachzucht zu verbessern. Das waren dann Fohlen oder Zweijährige. Auf unserem Hof hatten wir häufig auch ein sogenannes 'Arbeitspferd'. Das war ein 'pflastermüdes', sehnengeschädigtes Pferd von einer Essener Zeche, die bei uns auch den Rotklee kaufte. Das Tier kam 2 bis 3 Monate auf die Weide zur Erholung, wurde wohl auch tierärztlich behandelt und danach langsam wieder zur Arbeit herangezogen. War es dann wieder ganz fit, wurde es zumeist verkauft. Alte Pferde, bei denen nach dem 15., spätestens 18. Lebensjahr die Arbeitskraft nachließ, wurden an den Metzger verkauft. Obwohl man die Tiere sehr schätzte, gab es auf den Höfen, die ja nach wirtschaftlichen Aspekten betrieben wurden, für sie kein Gnadenbrot.

In Heiligenhaus gab es einen 'Pferdeversicherungsverein'. Wenn ein Pferd z.B. durch 'Kreuzschlag' (Überfütterung durch Rotklee) oder Unfall einging oder notgeschlachtet werden mußte, gab es unter den Mitgliedern des eingetragenen Vereins eine Umlage, damit sich der betroffene Bauer ein neues Pferd kaufen konnte."

 

 
Um 1930, Hof Großselbeck.
Mit der Drillmaschine wurde das Saatgut in die Erde eingebracht.
Die Pferde tragen Hahmen mit Zierbügeln.
© V.V.H.
 

"Der Haferanbau war war unerläßlich für die Nahrung der Pferde. [...] Die Futterrübe wurde für Milchkühe und Pferde angebaut. An Kühe wurden 50 bis 80 Pfund am Tag verfüttert. Pferde erhielten zwei Runkelrüben täglich, um die Verdauung zu fördern. [...] Als Hauptfutterpflanze wurde Rheinischer Rotklee angebaut. [...] Der Klee diente als Futter für Kühe und Pferde und bei guter Ernte auch als Verkaufsware an den Futteragrarhandel."

"Ein komplett freies Wochenende gab es auf dem Hof nie, da die Tiere immer versorgt werden mußten. Doch von Zeit zu Zeit gönnte man sich ein Glas Bier mit den Kollegen. Dabei wurde meist auch über die Arbeit geredet. Pferde waren immer ein Hauptthema..."

[Bellwied 1998]

 


 
Um 1951.
Edmund Bellwied mit Enkel Ernst auf der Glattwalze. Mit der Walze wurde der Boden festgedrückt und geglättet; auch konnten damit große Erdschollen verkleinert werden.
© V.V.H.
 

Die beiden auf dem Hof tätigen Pferdeknechte erhielten (vermutlich in den 1930er Jahren) monatlich 20 bis 25 Mark bei vollständiger Versorgung (inkl. Logis, Verpflegung und Krankenkasse), der Schweizer (Melker) 25 bis 30 Mark, die Dienstmädchen 15 bis 20 Mark und der Eleve (Verwalter) ca. 40 Mark.

Um 1966 waren auf dem Henriettenhof noch die letzten Pferde im Einsatz, bevor auf Vollmechanisierung umgestellt wurde.





Feldarbeit

Das Einbringen der Ernte war früher schwere Handarbeit. Die ganze Familie, Knechte und Mägde oder die eigens für die "Getreidemahd" durchs Land reisenden Holländer arbeiteten mit vollem Einsatz.


Heuernte
 
Wulfeshohl, Wuppertal-Langerfeld
Heuernte
Abb. bei Voigt

Im Juni musste das Gras mit der Sense geschnitten werden, später mit der Mähmaschine. Das geschnittene Gras wurde auseinander gestreut und mehrfach mit der Gabel oder Maschine gewendet, damit die Sommersonne es zu Heu trocknen konnte. Das Bild zeigt das Aufladen von Heu auf dem Wulfeshohl. Im Jahr 1913 gab es in Langerfeld noch 365 Gehöfte mit 234 Pferden.


Getreideernte
 
Jesinghausen, Wuppertal-Langerfeld
Schneiden des Getreides
Abb. bei Voigt

Um Jacobi (25. Juni) wurde das Getreide geschnitten, zuerst der Roggen, dann der Weizen, zuletzt Hafer und Gerste. Die Halme mussten zu Garben gebunden werden, um auf dem Feld weiter zu trocknen. Pferdefuhrwerke transportierten sie zum Dreschen in die Scheune.


Mettmann, Gut Voßhof
 
Um 1915-1921
Gut Voßhof bei Metzkausen, Mettmann:
Solche schweren Erntewagen wurden von zwei Pferden gezogen.
Bild-Quelle: © Stadtarchiv Mettmann


Solingen, Lehn
 
1939
Solingen, Hofschaft Lehn:
Heuwender, Pferd mit Kumt,
Dame mit Kleid.
Bild-Quelle: © Stadtarchiv Solingen


Solingen, III. Feld
Getreideernte in Solingen; Pferde mit Sielengeschirr. Der Blick geht "vermutlich von III. Feld nach Stockkamp". Leider ohne Angabe des Aufnahmejahres. Bild-Quelle: © Stadtarchiv Solingen

  Kumt, Hahmen und Sielengeschirr

Starke Pferden können auch heute sinnvoll in der Landwirtschaft mitarbeiten:
  Moderner Pferdeeinsatz in der Landwirtschaft



Rückepferde

Starke Pferde sind heute nur noch in einem Bereich der Landwirtschaft gefragt: beim Holzrücken. Gerade in schwierigem Gelände arbeitet der bewegliche und mitdenkende "Hafermotor" viel schonender für Bäume und Boden als jede Maschine.

Wer jemals beobachtet hat, wie geschickt ein Rückepferd seine Last zwischen stehenden und liegenden Baumstämmen hindurch manövriert und wie exakt es auf die dezenten Anweisungen seines Führers reagiert, bekommt eine Vorstellung davon, was ein Arbeitspferd leisten kann und in früheren Jahrhunderten geleistet hat.

  Über einen Einsatz des Kaltblüters Plautus berichtete am 19.01.2009 rp-online.
  Rückepferdeinsatz im Februar 2012 am Solinger Pfaffenberg
  Viel Informatives über die Arbeit der Rückepferde in der Forstwirtschaft

Rückepferd
 
2003
Dieses Rückepferd zeigte sein
imponierendes Können bei einer
Veranstaltung in Krefeld-Linn.
 



Die Wagen

Neben zweirädrigen, wendigen Karren benutzten die bergischen Bauern und Fuhrleute die vierrädrigen, universell einsetzbaren Rungenwagen, die je nach Ladung umgerüstet werden konnten. Zum Transport von Feldfrüchten wurden Bretter eingelegt, so dass der Wagen rundum geschlossen war. Beim Transport von Langholz nahm man die Seitenteile heraus. Wurde Heu gefahren, kam ein Leitergestell zum Einsatz.

Anschauungsmaterial bietet z.B. das "Museum Achse, Rad und Wagen" in 51674 Wiehl.
  "Museum Achse, Rad und Wagen"


Rungenwagen
2004   Rungenwagen, geschlossen.
Museum "Achse, Rad und Wagen", Wiehl
 
Rungenwagen
2004   Rungenwagen, offen.
Museum "Achse, Rad und Wagen", Wiehl

nach oben


Landwirtschaft mit Pferden in Westfalen Anf. 19. Jh.

Johann Nepomuk von Schwerz:
Beschreibung der Landwirthschaft in Westfalen und Rheinpreußen (1836)

Anno 1816 wurde Johann Nepumuk von Schwerz (geb. um 1759) vom preußischen Innenministerium beauftragt, "die Königlichen Staaten in Westfalen und am Rheine zu bereisen, und über dasige bäuerliche und landwirthschaftliche Verhältnisse Bericht zu erstatten". Zwei Jahre lang reiste von Schwerz beobachtend durch die Lande, bevor er seine schriftlichen Ergebnisse ablieferte. Fast 20 Jahre später wurden sie in Buchform einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht: Das Werk erschien 1836 in Stuttgart.

Im sechsten Abschnitt beschreibt von Schwerz den "Zustand des Ackerbaues in dem Fürstenthume Münster auf Sandboden". Dabei ist auch von der Gespannarbeit die Rede. Das heutige "Pferdeland" um Münster und Warendorf war Anfang des 19. Jh. kriegsbedingt keineswegs mit Rössern gesegnet. Vielfach mussten in der Landwirtschaft Ochsen als Zugtiere einspringen. - Hier ein Auszug aus diesem Kapitel:


Ackerwerkzeuge, Gespann und Gespannarbeit.

"Man bedient sich beinahe nur der Pferde bei der Arbeit. Der Gebrauch der Ochsen ist weit seltener und noch seltener der der Kühe. Bei der großen Menge von Heuerlingen und kleinen Köttern ist dieses letzte wirklich auffallend, da doch in dem Mindenschen, wo der Boden schwerer ist, dieser nützliche Gebrauch zunimmt. Die Ursache davon mag seyn, daß die Gemeinweiden in dem Fürstenthume Minden getheilt und in dem Fürstenthum Münster noch ungetheilt sind. Eine Weidekuh, zumal eine, die auf die Allmände [Allmende = gemeinschaftlich genutztes Gemeindegut] getrieben wird, ist keiner Arbeit fähig. Hierzu gehört nothwendig Stallfütterung. Die Theilung der Marken wird also auch von dieser Seite Nutzen schaffen.

Der Gebrauch der Ochsen hat seit den unseligen Kriegszeiten in dem letzten Jahrzehnt zugenommen. Indessen kann man ihn doch nur als eine Ausnahme von der Regel ansehen. Sie ziehen an einigen Orten mit dem Nacken, an anderen mit dem Kopfe, und diese letztere Art, wenn von Zusammenjochung die Rede ist, ist in einer ebenen Gegend und noch dazu auf Sandboden gewiß fehlerhaft. Ein paar mit dem Kopfe zusammengejochte Ochsen haben bei weitem den schnellen Schritt nicht, den solche haben, die nicht zusammengejocht sind.

Nur in gebirgigen Gegenden ist das mit den Köpfen Zusammenspannen nothwendig. Da so vieles auf Erziehung ankömmt, oder doch gewiß, da unsere üble Angewohnheiten alle von ihr herrühren, so ist es denn auch der Fall bei dem langsamen Schlendern der Ochsen. Um demselben vorzukommen, ist es gut, sie mit Pferden zum Ziehen zu gewöhnen. Sie lernen dann eben so schnell bei der Arbeit vorschreiten, als diese.

Man spannt in der Regel 2 Pferde vor den Pflug, auch nur eins, wenn man nicht mehr hat. Will man aber einmal recht tief pflügen, so spannt man ihrer drei vor. Wo mit Ochsen gepflügt wird, nimmt man häufig nur einen dazu. Die Eggen werden mit 1 auch 2 Pferden bespannt, je nachdem die Eggen groß und schwer sind. [...]

Bei dem Flachpflügen fertiget man täglich 5 bis 600 Quadratruthen, bei dem Tiefpflügen 3 bis 400 ab. Mit der Egge beschafft man schon 6 bis 800 Ruthen."

  Über die alten Flächenmaße

"Die meisten Pferde gehen im Sommer zwischen Saat und Ernte auf die Weide. Der Klee wird vorzugsweise für sie gespart und, je nachdem man ihn hat, mit mehr oder weniger Stroh kurz geschnitten. Jene Weide ist freilich oft nur ein Gemeingrund, auf dem man die Pferde im Sommer auch über Nacht läßt. In den übrigen Jahreszeiten schneidet man den Hafer oder, wenn dieser zu Ende ist, den Roggen im Stroh, seltener Gerste, und giebt etwas Heu daneben, welches oft sehr schlecht ist.

Im Herbste giebt man den Pferden auch wohl etwas Möhren, wenn man Ueberfluß davon hat. Branntweinbrenner reichen ihnen auch von der Wäsche (hier Fuseltrank). Bei Wirthen und Fuhrleuten erhalten die Pferde eine gleiche Ration an Körnern; der Bauer richtet ihre Mahlzeit nach ihrer Arbeit ein. Gedenkt er ein Pferd zu verkaufen, so weiß er es mit einem Breie von Buchweizen dick und spiegelglatt herauszufüttern.

Zu dem hiesigen Ackerbaue werden zur Nothdurft Pferde herangezogen. In den Gegenden aber, wo keine Weiden vorhanden sind, kostet das Heranziehen eines Fohlens zu viel. Die Pferdezucht ist durch die langwierigen Kriege schrecklich zurückgekommen. Die sonst hier vorhandenen schönen Pferde sind in ein elendes Häufchen zusammen geschmolzen. Selbst größere Landwirthe sind noch außer Besitz irgend eines Pferdes.

Die guten Hengste sind also seltener als je, müssen mehr als je an die Arbeit und an das Begattungsgeschäft. An das Schonen der Fohlen ist in ihrem zweiten Jahre nicht zu denken. Daher die fortschreitende Verkrüppelung. Dazu denn noch endlich unsere schönen Roßärzte, die alle ausgemachte und mehr oder weniger unglückliche Empiriker sind!"

[von Schwerz S. 191 ff]



Quellen:
  • Bellried, Karl: Aus der Landwirtschaft. Hrsg.: Vereinigung für Verkehr und Heimatpflege (V.V.H.) Heiligenhaus, 1998. Textpassagen und Fotos auf dieser Webseite veröffentlicht mit frdl. Genehmigung von Reinhard Schneider, V.V.H. Heiligenhaus, v. 09.07.2008
  • von Schwerz (1836)
  • Simon, Alfred (2003)
  • Stöcker, Friedhelm: Die Geschichte unseres Hofes und unserer Familie. Haan 1985 (unveröffentlicht)
  • Stöcker (2003)
  • Stadtarchiv Mettmann
  • Stadtarchiv Solingen
  • Voigt (o.J., ca. 1990/91)

Inhalt      nach oben     

www.zeitspurensuche.de  /  Pferde-Alltag in alter Zeit
Copyright © 2003-2012 Marina Alice Mutz. Alle Rechte vorbehalten.