Pferde-Alltag in alter Zeit |
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Inhaltsübersicht | Landwirtschaft |
Landwirtschaft mit Pferden im 20. Jh. - Landwirte erzählenIn der ersten Hälfte des 20. Jh. waren starke Pferde auf den Bauernhöfen noch unentbehrlich; die landwirtschaftliche Arbeit wurde gemeinsam von Mensch und Tier geleistet. Erst nach und nach ersetzten Motoren die lebendigen Pferdestärken, bis sich die Vollmechanisierung in den 1950er/1960er Jahren schließlich durchsetzte. Wie es in dieser längst vergangenen Zeit den Arbeitspferden auf gut geführten Bauernhöfen erging, darüber berichten drei Landwirte aus dem Bergischen und Oberbergischen Land. |
Pferde auf dem Hof Elp (Haan)Seit sechs Generationen - über 200 Jahre lang - befindet sich der Hof Elp bei Haan, einer der alten Ellscheider Höfe, im Familienbesitz. An die Zeit, als auf seinem Hof die starken Pferde noch zum Alltag gehörten, erinnert sich Friedhelm Stöcker - inzwischen über 80 Jahre alt - sehr gut. Er erzählt: |
"Wir hielten früher immer zwei bis drei schwere rheinische Kaltblut-Zuchtstuten und haben die Pferde auch selbst gezogen, für den eigenen Bedarf, aber auch zum Verkauf. Die Pferde arbeiteten auf dem Feld, wurden aber ebenso für alle Transporte eingesetzt. Reitpferde waren sie nicht, aber natürlich konnte man sie auch von einem Ort zum anderen reiten. Sie waren reine Schritt-Pferde.
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Kleemähen in der Elp Foto: © Stöcker |
Das Verhältnis zu den Pferden war unsentimental, man 'benutzte' sie für die Arbeit. Selbstverständlich wurden sie pfleglich behandelt; sie waren ja ein wichtiges Kapital. Man war auf eine gute Zusammenarbeit mit ihnen angewiesen und achtete darauf, dass sie gesund blieben. Die Pferde wurden grundsätzlich beschlagen; unsere trugen immer Stolleneisen, nicht nur im Winter, damit sie im Boden besseren Halt fanden. Auf nassem Blaupflaster konnte es natürlich rutschig werden.
Wir verkauften Buchen- und Obstholz an die Solinger Reider, die daraus Messergriffe herstellten. In den 1930er Jahren habe ich mit den Pferden auf dem Kranzwagen Buchen-, Birnen- und Nussbaumstämme zum Reider auf die Foche in Solingen gefahren. Um mit der schweren Ladung den Hillersberg hinaufzukommen, war immer ein drittes Pferd dabei, das dann vorgespannt werden musste.
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Neuzeitlicher Kranzwagen: Vorderachse mit eisernem Kranzgestell |
Zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg machte die Technik in der Landwirtschaft Fortschritte. Es gab Grasmäher, mit denen man auch Getreide mähen konnte; danach kam der Selbstbinder, der die Garben fertig band und von drei Pferden gezogen wurde. Damit wurde die Getreideernte wesentlich erleichtert.
Am 24. August 1939 musste ich mit unseren Pferden zur Musterung. An das Datum erinnere ich mich genau. Wir waren erst nachts um 1 Uhr von einer Feier nach Hause gekommen, und dort erwartete mich im hell erleuchteten Haus die Nachricht, dass ich mich am nächsten Morgen um 5 Uhr mit den Pferden an der Diekerschule einzufinden hätte. Als wir dann in aller Frühe mit den Pferden die Feldstraße hinuntertrappelten, öffnete sich dort an einem der Häuser ein Fenster. Ein alter Mann schaute heraus und sagte, was er vielleicht schon lange befürchtet hatte: 'Jetzt weiß ich, wat dat jibt. Dat jibt Krieg.'
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Flaksoldat Friedhelm Stöcker nach seiner Verwundung 1943 mit einem Fohlen auf dem elterlichen Hof Elp Foto: © Stöcker |
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in der Landwirtschaft wiederum gewaltige technische Fortschritte. In den 1950er Jahren kam für die Getreideernte der Mähdrescher auf, der die Arbeit sehr vereinfachte und erleichterte. Die Schlepper lösten die Pferde ab; 1961 verkaufte ich das letzte Pferd. Es war ein wehmütiger Abschied."
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In der Chronik der Familie Stöcker befindet sich die Kopie einer alten Schmiede-Rechnung der Jahre 1729 und 1730: Ein Pferd mit drei alten und einem neuen Eisen zu beschlagen kostete damals 10 1/2 Stüber
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Schmiede-Rechnung (Abschrift)
Anno 1729 den 7ten 9bris (September)
[Stöcker 1985] |
Über Löhne und Preise in den vergangenen Jahrhunderten |
Ein Pferd auf dem Lindenhof (Reichshof-Eiershagen)Auch der Lindenhof der Familie Simon im oberbergischen Reichshof-Eiershagen ist seit mehreren Generationen im Familienbesitz. Alfred Simon (1926-2006) war einer der Ersten in Eiershagen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg für die Feldarbeit ein Pferd anschafften, wenn auch nur für kurze Zeit. Damit stieß er im Dorf zunächst auf Skepsis: Das war etwas ganz Neues, das hatte es hier noch nicht gegeben, denn hier wurde "immer schon" mit Ochsengespannen gearbeitet. Aber damit ging es dem Jungbauern Alfred Simon einfach zu langsam voran. Er erzählt: |
"Im Oberbergischen wurde in der Landwirtschaft kaum mit Pferden gearbeitet, sondern mit Ochsen oder Kühen. Ochsen hatten gegenüber Pferden den Vorteil, dass sie stärker und zugleich genügsamer waren; außerdem wurden sie nicht beschlagen. Sie arbeiteten genauso gut, waren nur etwas 'sturer'.
Die jungen Pferde lernten durch 'Abgucken', während sie bei älteren Pferden im Gespann mitgingen. Mit drei Jahren waren sie fertig ausgebildet und einsatzbereit. Zur Anspannung wurde hier bei einem Pferd der Hahmen (Kummet) benutzt, bei zwei Pferden das Brustblattgeschirr.
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Heute sind Pferde in Eiershagen längst keine Seltenheit mehr. Es gibt sie auch auf dem Lindenhof, wenn auch nicht mehr vor dem Erntewagen. Und zu den regelmäßig stattfindenden Fahrsportturnieren kommen noch viele mehr ins Dorf. |
Pferde auf dem Henriettenhof (Heiligenhaus)
In ihrer kleinen Schriftenreihe "Im Bild" hat die Vereinigung für Verkehr und Heimatpflege Heiligenhaus (V.V.H.) Themen aus der Vergangenheit des alten Dorfes Heiligenhaus aufgegriffen, eines davon unter dem Titel "Aus der Landwirtschaft". Ich fand es bei einem Besuch des Heimatmuseums Abtsküche. Die folgenden Textpassagen und Fotos sind mit frdl. Genehmigung des V.V.H. hier wiedergegeben.
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"Im Bild: Aus der Landwirtschaft." Hrsg.: Vereinigung für Verkehr und Heimatpflege (V.V.H.) Heiligenhaus Erzählt von Karl Bellwied (1998)
"Nach dem Aufstehen um fünf, im Winter um sechs Uhr, half ich zuerst die Pferde zu versorgen. Die Tiere wurden geputzt, dann wurde der Stall ausgemistet und anschließend wurde gefüttert und getränkt."
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1922 Pferdeknecht Gottfried Klaus beim Pflügen mit einem Dreispänner in der Leibeck © V.V.H. |
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"Die Pferde waren lange Zeit die einzige Zugkraft und hatten dadurch auf jedem Hof einen hohen Stellenwert. Wir hatten drei belgische Kaltblüter mit zwei Zweijährigen und drei Fohlen. Die Tiere standen einzeln in sogenannten Ständern oder in Boxen. Die Boxen waren etwa doppelt so groß und für Stute mit Fohlen oder zwei Zweijährige. Das Pferdegeschirr mit Hahmen und Kummeten hing an einem eisernen Bügel an den Pferdeställen. Dreimal täglich wurden die Tiere getränkt und gefüttert. Gefüttert wurden sie mit 12 Pfund Hafer, Weizenkaff und Strohhäcksel.
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Hauptstammbuch-Zuchtstute "Flora" vom Henriettenhof mit Fohlen bei Fuß © V.V.H. |
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Ganz selten wurden Pferde gekauft, um die Nachzucht zu verbessern. Das waren dann Fohlen oder Zweijährige. Auf unserem Hof hatten wir häufig auch ein sogenannes 'Arbeitspferd'. Das war ein 'pflastermüdes', sehnengeschädigtes Pferd von einer Essener Zeche, die bei uns auch den Rotklee kaufte. Das Tier kam 2 bis 3 Monate auf die Weide zur Erholung, wurde wohl auch tierärztlich behandelt und danach langsam wieder zur Arbeit herangezogen. War es dann wieder ganz fit, wurde es zumeist verkauft. Alte Pferde, bei denen nach dem 15., spätestens 18. Lebensjahr die Arbeitskraft nachließ, wurden an den Metzger verkauft. Obwohl man die Tiere sehr schätzte, gab es auf den Höfen, die ja nach wirtschaftlichen Aspekten betrieben wurden, für sie kein Gnadenbrot.
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Um 1930, Hof Großselbeck. Mit der Drillmaschine wurde das Saatgut in die Erde eingebracht. Die Pferde tragen Hahmen mit Zierbügeln. © V.V.H. |
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"Der Haferanbau war war unerläßlich für die Nahrung der Pferde. [...]
Die Futterrübe wurde für Milchkühe und Pferde angebaut. An Kühe wurden 50 bis 80 Pfund am Tag verfüttert. Pferde erhielten zwei Runkelrüben täglich, um die Verdauung zu fördern. [...]
Als Hauptfutterpflanze wurde Rheinischer Rotklee angebaut. [...] Der Klee diente als Futter für Kühe und Pferde und bei guter Ernte auch als Verkaufsware an den Futteragrarhandel."
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Um 1951. Edmund Bellwied mit Enkel Ernst auf der Glattwalze. Mit der Walze wurde der Boden festgedrückt und geglättet; auch konnten damit große Erdschollen verkleinert werden. © V.V.H. |
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Die beiden auf dem Hof tätigen Pferdeknechte erhielten (vermutlich in den 1930er Jahren) monatlich 20 bis 25 Mark bei vollständiger Versorgung (inkl. Logis, Verpflegung und Krankenkasse), der Schweizer (Melker) 25 bis 30 Mark, die Dienstmädchen 15 bis 20 Mark und der Eleve (Verwalter) ca. 40 Mark.
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FeldarbeitDas Einbringen der Ernte war früher schwere Handarbeit. Die ganze Familie, Knechte und Mägde oder die eigens für die "Getreidemahd" durchs Land reisenden Holländer arbeiteten mit vollem Einsatz. |
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Wulfeshohl, Wuppertal-Langerfeld Heuernte Abb. bei Voigt |
Im Juni musste das Gras mit der Sense geschnitten werden, später mit der Mähmaschine. Das geschnittene Gras wurde auseinander gestreut und mehrfach mit der Gabel oder Maschine gewendet, damit die Sommersonne es zu Heu trocknen konnte. Das Bild zeigt das Aufladen von Heu auf dem Wulfeshohl. Im Jahr 1913 gab es in Langerfeld noch 365 Gehöfte mit 234 Pferden. |
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Jesinghausen, Wuppertal-Langerfeld Schneiden des Getreides Abb. bei Voigt |
Um Jacobi (25. Juni) wurde das Getreide geschnitten, zuerst der Roggen, dann der Weizen, zuletzt Hafer und Gerste. Die Halme mussten zu Garben gebunden werden, um auf dem Feld weiter zu trocknen. Pferdefuhrwerke transportierten sie zum Dreschen in die Scheune. |
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Um 1915-1921 Gut Voßhof bei Metzkausen, Mettmann: Solche schweren Erntewagen wurden von zwei Pferden gezogen. Bild-Quelle: © Stadtarchiv Mettmann |
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1939 Solingen, Hofschaft Lehn: Heuwender, Pferd mit Kumt, Dame mit Kleid. Bild-Quelle: © Stadtarchiv Solingen |
Getreideernte in Solingen; Pferde mit Sielengeschirr. Der Blick geht "vermutlich von III. Feld nach Stockkamp". Leider ohne Angabe des Aufnahmejahres. Bild-Quelle: © Stadtarchiv Solingen |
Kumt, Hahmen und Sielengeschirr
Starke Pferden können auch heute sinnvoll in der Landwirtschaft mitarbeiten: Moderner Pferdeeinsatz in der Landwirtschaft |
Rückepferde
Starke Pferde sind heute nur noch in einem Bereich der Landwirtschaft gefragt: beim Holzrücken. Gerade in schwierigem Gelände arbeitet der bewegliche und mitdenkende "Hafermotor" viel schonender für Bäume und Boden als jede Maschine.
Rückepferdeinsatz im Februar 2012 am Solinger Pfaffenberg Viel Informatives über die Arbeit der Rückepferde in der Forstwirtschaft |
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2003 Dieses Rückepferd zeigte sein imponierendes Können bei einer Veranstaltung in Krefeld-Linn. |
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2004 Rungenwagen, geschlossen. Museum "Achse, Rad und Wagen", Wiehl |
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2004 Rungenwagen, offen. Museum "Achse, Rad und Wagen", Wiehl |
Landwirtschaft mit Pferden in Westfalen Anf. 19. Jh.Johann Nepomuk von Schwerz:
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Ackerwerkzeuge, Gespann und Gespannarbeit.
"Man bedient sich beinahe nur der Pferde bei der Arbeit. Der Gebrauch der Ochsen ist weit seltener und noch seltener der der Kühe. Bei der großen Menge von Heuerlingen und kleinen Köttern ist dieses letzte wirklich auffallend, da doch in dem Mindenschen, wo der Boden schwerer ist, dieser nützliche Gebrauch zunimmt. Die Ursache davon mag seyn, daß die Gemeinweiden in dem Fürstenthume Minden getheilt und in dem Fürstenthum Münster noch ungetheilt sind. Eine Weidekuh, zumal eine, die auf die Allmände [Allmende = gemeinschaftlich genutztes Gemeindegut] getrieben wird, ist keiner Arbeit fähig. Hierzu gehört nothwendig Stallfütterung. Die Theilung der Marken wird also auch von dieser Seite Nutzen schaffen.
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Quellen:
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