Pferde-Alltag in alter Zeit |
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Inhaltsübersicht | Sonstige Personenbeförderung |
- Pferdebahn im Wuppertal - Droschke und Omnibus in Elberfeld (Mitte 19. Jh.) - Polizei-Verordnung zum Fuhrwesen (1912) - Die Solinger Hauderer |
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Das Reisen galt noch um 1800 grundsätzlich als ein gefährliches Unternehmen, so dass es gewissenhaften Familienvätern meist geraten schien, vor der Abfahrt zu einer längeren Reise das Haus zu richten und das Testament zu machen.
Wenn man nicht wie die Handwerksgesellen, die fahrenden Scholaren und das einfache Volk die eigenen Füße benutzen wollte, musste man sich in den Reitsattel begeben. Das ging auch ohne eigenes Reittier: Pferde gab es zu mieten wie heute Autos - für alle Beteiligten kein ganz risikoloses Unterfangen. Einer dieser Pferdevermieter war die Post, und zwar schon lange, bevor Wagen über die unzulänglichen Wege rollen konnten.
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Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 10. October 1835
Am 14. dieses Monats sende ich einen leeren Wagen von hier über Düsseldorf oder Cöln nach Jülich. Wer diese Gelegenheit, gegen eine billige Vergütung, zu benutzen gesonnen ist, wolle sich baldigst bey mir melden. |
Pferdebahn im Wuppertal Barmen - Elberfeld
Die Pferdebahn löste die Postkutsche ab: Erstmalig am 10. April 1874 verband dieses neue Nahverkehrsmittel auf der 9,5 km langen Strecke von der Schwarzbach durch die Talsohle nach Westende die beiden Städte Barmen und Elberfeld miteinander. Sie fuhr bis 1896.
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Vor 1896/97 Elberfeld: Der Wall mit Blick auf den Neumarkt. Rechts die Schwanenstraße, geradeaus der Neumarkt. Die Bezeichnung "Wall" erinnert an den Verlauf der alten Burgumwallung. |
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Droschke und Omnibus in Elberfeld (Mitte 19. Jh.) |
Wer um das Jahr 1800 größere Wege von Elberfeld aus zu machen hatte und die Post hierfür nicht benutzen konnte, mietete für die Dauer seiner Reise eine Lohnkutsche; wer aber nur über das Weichbild der Stadt hinaus mußte und seine Füße auf dem holperigen Straßenpflaster schonen wollte, machte seinen Weg hoch zu Roß. Reiten gehörte damals zum guten Ton und war so allgemein geworden unter denen, die auf Ansehen hielten, daß selbst Pastor Mürkens, der arme Pfarrer der katholischen Gemeinde, oft genug aufs Pferd sich heben ließ, um seine Amtspflichten draußen vor der Stadt zu erfüllen. Wagen für den Personenverkehr innerhalb der Stadt waren bis zum Jahre 1800 in Elberfeld unbekannt. Die Einfachheit der Bürger und die schlechte Beschaffenheit des Straßenpflasters ließen die Droschke nicht aufkommen.
Am 27. September 1850 wurde ein umfangreiches Droschken-Reglement erlassen, das die Unternehmer vor Betrug und das Publikum vor Überforderungen seitens der schlauen Kutscher schützen sollte. Es wurden damals Fahrscheine ausgegeben für Fahrten vom Bahnhofe und dem Rathause in Elberfeld nach dem Markt in Barmen zu 5 Silbergroschen für l-2 Personen und für 10 Silbergroschen für 3-4 Personen. Diese Sätze wurden 1855 verdoppelt.
Trotzdem die Postverwaltung ihn empfohlen hatte und die Polizeibehörde ihn in wohlverstandenem Verkehrsinteresse nach Möglichkeit unterstützte, hatte der alte Hoewing kein Glück mit seinem Unternehmen. Verarmt und krank trat er bereits 1855 wieder von seinem Vertrage zurück. Etwas Gutes hatte sein Versuch jedoch gehabt. Das Publikum hatte die Vorteile des Omnibus schätzen gelernt, und das Verlangen nach Beibehaltung einer solchen Fahrgelegenheit trat öffentlich hervor.
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Polizei-Verordnung betreffend das öffentliche Fuhrwesen
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Polizeiverordnung 1912 |
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Für die Betreiber beider Varianten galten detaillierte Bestimmungen. So mussten z.B. die Pferdedroschken "dauerhaft, bequem und in gefälliger Form gebaut, sauber lackiert, anständig ausgeschlagen, gut gepolstert und reinlich sein." [§ 4.] Ganz wichtig: Im Innern der Droschke musste sich "an einer in die Augen fallenden Stelle in unverwischbarer Farbe die deutlichen Inschriften "Ausspucken verboten!" und "Füße nicht auf die Sitzkissen legen!" sowie die Nummer der Droschke befinden.
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Beschaffenheit der Pferde und Geschirre § 7.
Für jede zweispännige Droschke müssen zwei kräftige, zum Dienst geeignete, von schädlichen Fehlern freie Pferde vorhanden sein, welche ein lebhaftes Gangwerk haben und gut eingefahren sind.
Die Geschirre müssen dauerhaft, vollständig, von gutem Aussehen, völlig unversehrt und in reinlichem schwarz lackiertem oder gut geschwärztem Zustande sein.
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Weiterhin waren die Pflichten der Droschkenbesitzer und der Droschkenführer geregelt, darunter die Besitzer-Pflicht, "der Polizeiverwaltung auf Verlangen seine Droschke vor zustellen und zwar eine Pferdedroschke nebst Pferden und Geschirren..." [§ 18]. Im Frühjahr und Herbst fand außerdem durch die Polizeiverwaltung eine allgemeine Musterung der Droschken statt - wohl eine Art technischer Überwachung. [§ 18]
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Auch die Pausen waren reglementiert: "Dem Droschkenführer ist es untersagt: [...] die Pferde auf der Straße an anderen als den vorgeschriebenen Halteplätzen zu füttern oder zu tränken, die Fütterung darf nur mittelst Beutel oder Gefäß geschehen, welche über den Kopf des Pferdes gehängt werden, dabei darf nur das Gebiß aus dem Maule des Pferdes genommen, im übrigen aber die Bespannung nicht abgeschirrt werden, und es muß die Droschke stets in einem sofort benutzbaren Zustande sein". [§ 28 Ziff. 5]
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A. Grundtaxe
1. Pferdedroschken. Es werden befördert Für 80 Pfg. Für je fernere 10 Pfg. a. am Tage 1-2 Personen (Taxe I) bis 700 m bis 350 M 3-4 Personen (Taxe II) bis 500 m bis 250 m b. bei Nacht (Taxe III) 1-2 Personen bis 400 m bis 200 m Für Wartezeit während der Fahrt bei allen Fahrten ohne Rücksicht auf Tag- und Nachtfahrten oder die Anzahl der Personen für je angefangene 3 Minuten 10 Pfg. Für die volle Stunde demnach 2.- Mark. 2. Kraftdroschken.
Es werden befördert Für 80 Pfg. Für je fernere 10 Pfg. a. am Tage 1-2 Personen (Taxe I) bis 500 m bis 250 m 3-4 Personen (Taxe II) bis 400 m bis 200 m b. bei Nacht (Taxe III) 1-2 Personen bis 300 m bis 150 m Für Wartezeit während der Fahrt bei allen Fahrten ohne Rücksicht auf Tag- und Nachtfahrten oder die Anzahl der Personen für je angefangene 2 Minuten 10 Pfg. Für die volle Stunde demnach 3.- Mark. Für jede weitere Person als oben angegeben, ist ein Zuschlag von 50 Pfg. zu zahlen. |
Die Solinger HaudererPferdedroschken im Sinne des heutigen Taxis kannte man in Solingen nicht. Gut lief aber vor dem Ersten Weltkrieg das Hauderergeschäft, die Halbverdeck-, Landauer- und Gartenlaubenfahrten. Bis zu vier nervenstarke Pferde zogen die geräumigen Wagen zum Vergnügen der Fahrgäste. |
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Die Aufnahme stammt wahrscheinlich aus der Zeit 1907-1911. Sie zeigt eine sog. Gartenlaube des Fuhrunternehmers Franz Dick aus Ohligs, Kreis Solingen, mit sechs Sitzen und zwei Kutschersitzen auf einer Gesellschaftsfahrt im Bergischen Land, lt. Bildaufschrift aufgenommen bei Rösrath. Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen |
Hauderer waren im weitesten Sinne Transportunternehmer, insbesondere aber Lohn- und Mietkutscher. "Haudern: Gewerbsmäßig Reisende für Lohn mit Pferd und Wagen fahren", ursprünglich: "auf einem Mietpferd reiten, in einem Mietwagen fahren". [Glaser/Werner S. 112 nach Weigand]
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Der folgende Auszug aus einem alten Zeitungsartikel vermittelt einen beschaulich eingefärbten Eindruck von diesem Gewerbe und seiner gut situierten Kundschaft. Es waren teils gewaltige Strecken, die die Pferde zum Vergnügen der Passagiere und Unterhalt ihrer Besitzer bei solchen Ausflügen zurücklegen mussten. Wie viele Pferde die Hauderer in ihren Ställen hatten, wird hier nicht gesagt, jedoch sicherlich mehr als die durchschnittlich 1,6 Pferde, die Frh. von Hauer 1832 im Kreis Solingen pro Lohnfuhrmann gezählt hatte.
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Solinger Tageblatt vom 8./9. März 1941Mit Zwei- und Vierspännern durchs BergischeUnd doch erst dreißig Jahre her...
Pferdedroschken im eigentlichen Sinne der heutigen Taxe hat man in Solingen nie gekannt. Dagegen blühten das Hauderergeschäft, die Halbverdeck-, Landauer- und Gartenlaubenfahrten jahrzehntelang im höchsten Maße. Gab es vor dem Weltkrieg, als das Auto noch in den ersten Anfängen steckte, als man noch keine teerbedeckten Landstraßen, keine Parkplätze und keine Tankstellen kannte, ein schöneres Vergnügen, als sich in einem tief gepolsterten Landauer von zwei schmucken Braunen oder Schimmeln durch das Bergische Land fahren zu lassen?
Blömer, Kruttwig, Knapp und Schwarte
[...] Als die damals die Straßen beherrschenden Fahrzeuge waren die "Zwölfer", "Sechzehner" und "Vierundzwanziger" - je nach der Zahl der Teilnehmer - natürlich stark gefragt. Vier Wochen vor der Fahrt mußte ein solcher Wagen bei den beiden Hauderern Alt-Solingens, Blömer und Kruttwig, sonst vielleicht auch bei den beiden Walder Unternehmern Knapp und Schwarte, bestellt werden, wollte man seiner sicher sein. Auch die Landauer waren stets stark begehrt.
Eilfgental, Engelrath und Benrath beliebte Ziele
So, und nun war der Wagen bestellt. Hoffentlich brachte der Sonntag gutes Wetter. Pünktlich rollten die Wagen aus den Höfen in der Weyer- bzw. Brüderstraße. Noch einmal hatten Blömer oder Kruttwig ihre prüfenden Blicke über die Gefährte gehen lassen. Nein, kein Stäubchen war zu entdecken. Auch die Geschirre spiegelten sich in der lachenden Sonne nur so wider. Rock, Zylinder und Handschuhe für den Kutscher - gut.
Namentlich für die Gartenlauben war, selbst wenn auch Ewald Erf, der heutige Inhaber des bekannten Solinger Fischhauses, von seinem hohen Thron herab vier Pferde zügeln konnte - übrigens eine beachtliche Leistung, die viele Laien sich kaum vorstellen können -, die Rundfahrt Solingen - Burg - Eifgental - Altenberg - Engelrath - Gezelin - Opladen - Leichlingen - Solingen eine Strecke, die schon zu den Rekordfahrten gehörte. Es muß jedoch anerkannt werden, daß die Solinger sich auch stets als Tierfreunde erwiesen haben. In den Bergen stiegen die männlichen Fahrgäste unaufgefordert aus, während die "Weiter" natürlich sitzen bleiben durften.
Fröhliche Landpartie im "Vierundzwanziger"
Trugen die Fahrten im schnittigen Landauer ganz den Charakter der vornehmeren und gemesseneren Sonntagsunterhaltung, so waren in den Gartenlauben durchweg sehr fidele Gesellschaften zusammen. Erinnert sei hier nur an den bei Müller zu Schlicken tagenden "Schlickener Raucherklub", den sogenannten "Piepenklub", der zu den Stammkunden von Ferdinand Kruttwig gehörte.
Und im Winter: Schlittenpartien
Auch im Winter hatten die Pferde keine Ruhe. Da gab es herrliche Schlittenpartien in die verschneiten Berge unserer engeren Heimat. Sowohl Blömer als auch Kruttwig besaßen eine Anzahl hocheleganter Pferdeschlitten, auf denen der Kutscher hinter seinen Fahrgästen thronte. Hell klangen die Glocken der Pferde in der winterlichen Natur. Zahlreiche junge Solinger Mädchen mieteten die Gefährte, an die die eigenen Handschlitten angebunden wurden.
Das "Kupee": Sehnsucht der jungen Solingerin
Nicht vergessen werden darf auch das Gefährt, auf das ein junges Mädchen, war es erst einmal 20 Jahre alt, am sehnlichsten wartete: der Hochzeitswagen oder das sogenannte "Brautkupee". Hier handelte es sich um einen geschlossenen, nur für zwei Personen gebauten Wagen, dessen Inneres leuchtend weiß ausgeschlagen und mit Blumen geschmückt war. Gezogen wurde der Wagen selbstverständlich nur von einem Paar ausgesuchter Schimmel, denn weiß...
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Landauer (frz. Landaulet) = 4sitziger, 4rädriger Wagen mit geteiltem, nach vorn und hinten niederklappbarem Verdeck, 1- und 2spännig. |
Notizen aus Solingens Vergangenheit |
Quellen:
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