Pferde-Alltag in alter Zeit
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Inhaltsübersicht Sonstige Personenbeförderung


Pferdebahn im Wuppertal
Droschke und Omnibus in Elberfeld (Mitte 19. Jh.)
Polizei-Verordnung zum Fuhrwesen (1912)
Die Solinger Hauderer


Das Reisen galt noch um 1800 grundsätzlich als ein gefährliches Unternehmen, so dass es gewissenhaften Familienvätern meist geraten schien, vor der Abfahrt zu einer längeren Reise das Haus zu richten und das Testament zu machen.



Wenn man nicht wie die Handwerksgesellen, die fahrenden Scholaren und das einfache Volk die eigenen Füße benutzen wollte, musste man sich in den Reitsattel begeben. Das ging auch ohne eigenes Reittier: Pferde gab es zu mieten wie heute Autos - für alle Beteiligten kein ganz risikoloses Unterfangen. Einer dieser Pferdevermieter war die Post, und zwar schon lange, bevor Wagen über die unzulänglichen Wege rollen konnten.

Das Reisen zu Pferd war in privilegierten Kreisen durchaus üblich. Rudolf W. Lang schreibt dazu: "Wer auf Rang und Stand hielt, reiste zu Pferd - er wies sich damit als Angehöriger einer bevorzugten gesellschaftlichen Schicht aus. Das Reisen zu Pferd kam auch dann nicht aus der Mode, als der Verkehr mit der Kutsche dichter wurde. Die Herren der Schöpfung saßen weiterhin hoch zu Roß, während die Frauen sich den Kaleschen anvertrauten."

Später gab es die Karren der Hauderer, der Wagenvermieter, oder die Postkutschen als die üblichen Beförderungsmittel. Im 18. Jh. vermieteten einschlägige Unternehmen nicht nur einzelne Pferde, sondern organisierten auch Gesellschaftsreisen in kleineren Gruppen nach dem Prinzip 'Alles inclusive'.

Manchmal gab es auch Mitfahrgelegenheiten, die durch Zeitungsinserate bekannt gemacht wurden:


Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 10. October 1835

Am 14. dieses Monats sende ich einen leeren Wagen von hier über Düsseldorf oder Cöln nach Jülich. Wer diese Gelegenheit, gegen eine billige Vergütung, zu benutzen gesonnen ist, wolle sich baldigst bey mir melden.
Solingen, am 7. im October 1835.
Abraham Peters.

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Pferdebahn im Wuppertal     Barmen - Elberfeld

Die Pferdebahn löste die Postkutsche ab: Erstmalig am 10. April 1874 verband dieses neue Nahverkehrsmittel auf der 9,5 km langen Strecke von der Schwarzbach durch die Talsohle nach Westende die beiden Städte Barmen und Elberfeld miteinander. Sie fuhr bis 1896.

Anlässlich seines 90jährigen Bestehens berichtete der General-Anzeiger: Von den beiden Endpunkten Schwarzbach in Barmen und Westende in Elberfeld fuhr täglich von 7.30 bis 22.30 Uhr mindestens alle zehn Minuten ein Wagen ab. Die Strecke war in acht Zahlstationen aufgeteilt, für je zwei Zahlstationen wurden zehn Pfennig erhoben. Die Fahrt von einem Ende zum anderen kostete 40 Pfennig. Für die Nachtwagen ab 22 Uhr war der doppelte Preis zu zahlen.

Auf dieser Strecke wurden 1887 fast 1,3 Millionen km zurückgelegt und über vier Millionen Personen befördert. - Daneben gab es natürlich noch die Droschken. Eine ununterbrochene Fahrt innerhalb des Stadtbezirks Barmen oder Elberfeld kostete für ein bis zwei Personen damals 50 Pfennig; fuhr man nach der Zeit, so kostete eine Droschke für eine halbe Stunde eine Mark, für eine Stunde 1,50 Mark.
[WZ Generalanzeiger vom 1. Oktober 1977]


Elberfeld, Pferdebahn
 
Vor 1896/97
Elberfeld: Der Wall mit Blick auf den Neumarkt. Rechts die Schwanenstraße, geradeaus der Neumarkt. Die Bezeichnung "Wall" erinnert an den Verlauf der alten Burgumwallung.
 

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Droschke und Omnibus in Elberfeld (Mitte 19. Jh.)

Wer um das Jahr 1800 größere Wege von Elberfeld aus zu machen hatte und die Post hierfür nicht benutzen konnte, mietete für die Dauer seiner Reise eine Lohnkutsche; wer aber nur über das Weichbild der Stadt hinaus mußte und seine Füße auf dem holperigen Straßenpflaster schonen wollte, machte seinen Weg hoch zu Roß. Reiten gehörte damals zum guten Ton und war so allgemein geworden unter denen, die auf Ansehen hielten, daß selbst Pastor Mürkens, der arme Pfarrer der katholischen Gemeinde, oft genug aufs Pferd sich heben ließ, um seine Amtspflichten draußen vor der Stadt zu erfüllen. Wagen für den Personenverkehr innerhalb der Stadt waren bis zum Jahre 1800 in Elberfeld unbekannt. Die Einfachheit der Bürger und die schlechte Beschaffenheit des Straßenpflasters ließen die Droschke nicht aufkommen.

Erst mit der Verbesserung der Straßen und dem Aufschwung des Verkehrs zwischen den beiden Wupperstädten entwickelte sich das Droschkenwesen in unserem Tal. Die großen Fuhrunternehmer, die Wagen für weitere Reisen stellten, bauten auch Droschken für den Verkehr zwischen Elberfeld und Barmen. Im Jahre 1850 zählte man bereits 50 Droschken, die täglich zwischen den beiden Städten liefen. Der größte Unternehmer war damals Friedrich Klophaus im Kipdorf, der mehr Wagen besaß als seine Konkurrenten Joseph Ludwig, Karl Schick und Wilhelm Conradi zusammengenommen.

Am 27. September 1850 wurde ein umfangreiches Droschken-Reglement erlassen, das die Unternehmer vor Betrug und das Publikum vor Überforderungen seitens der schlauen Kutscher schützen sollte. Es wurden damals Fahrscheine ausgegeben für Fahrten vom Bahnhofe und dem Rathause in Elberfeld nach dem Markt in Barmen zu 5 Silbergroschen für l-2 Personen und für 10 Silbergroschen für 3-4 Personen. Diese Sätze wurden 1855 verdoppelt.

Mit harter Strafe ging in jenen Jahren die Polizei gegen Unbotmäßige vor. Im Juni 1852 wurde am Elberfelder Polizeigericht ein Droschkenkutscher mit drei Tagen Gefängnis bestraft, weil er keine Nummer vor dem Hut gehabt, ein anderer erhielt fünf Tage Haft, weil er eine Fahrt verweigert und ein dritter sogar acht Tage, weil er seinen Wagen widerrechtlich vor der Post am Kerstenplatz aufgestellt hatte.

Im Sommer 1855 wurden bei einer Gerichtssitzung 23 Droschkenkutscher, also fast die Hälfte aller Rosselenker wegen ähnlicher Vergehen verurteilt. Aber die Klagen über die Verschlagenheit der Kutscher und ihre sprichwörtlich gewordene Grobheit nahmen kein Ende. Ein froher Tag war es für die Polizei, als der erste Omnibus in Elberfeld erschien und damit ein leichter zu kontrollierendes Fuhrwerk mit der Droschke in Konkurrenz trat.

Zwar hatte der unternehmende Klophaus schon in den Meßtagen 1850 einen Omnibus zu 2 ½ Silbergroschen für jede Person zwischen Elberfeld und Barmen laufen lassen, ein regelmäßiger Omnibusverkehr entstand jedoch erst vier Jahre später. Am 18. September 1854 erhielt der Fuhrunternehmer W. Hoewing die nachgesuchte Erlaubnis für regelmäßige Omnibusfahrten zwischen beiden Städten. Viermal am Tage, morgens um 8 und um 11 Uhr, nachmittags um 3 und 6 Uhr fuhr ein Wagen vom Wirte Kaiser im Weidenhof über den Wall, den Hofkamp und die Berliner Straße nach Barmen, und zwar für 2 ½ Silbergroschen zum Rathause, für 3 ½ Silbergroschen zur Pfalz, für 4 Silbergroschen nach Rittershausen. Wenn vier Personen im Wagen waren, mußte er fahren.

Trotzdem die Postverwaltung ihn empfohlen hatte und die Polizeibehörde ihn in wohlverstandenem Verkehrsinteresse nach Möglichkeit unterstützte, hatte der alte Hoewing kein Glück mit seinem Unternehmen. Verarmt und krank trat er bereits 1855 wieder von seinem Vertrage zurück. Etwas Gutes hatte sein Versuch jedoch gehabt. Das Publikum hatte die Vorteile des Omnibus schätzen gelernt, und das Verlangen nach Beibehaltung einer solchen Fahrgelegenheit trat öffentlich hervor.

Am 24. Mai 1861 erschien im "Täglichen Anzeiger", in der "Kölnischen Zeitung" u. a. nachstehende Aufforderung des Polizeipräsidenten Hirsch: "Die bedeutende Frequenz des Verkehrs zwischen Elberfeld und Barmen und die bisherige Ungenügendheit des hiesigen Droschkenwesens machen es im hohen Grade wünschenswert, daß hierselbst ein geregelter Omnibusdienst eingerichtet wird, der so beschaffen sein muß, daß von morgens 7 Uhr ab bis abends 10 Uhr von Halb- zu Halbstunde je ein Omnibus von dem Ausgangspunkte in jenen Städten abfährt. Es werden mithin 8-10 Omnibusse und 30-36 Pferde erforderlich sein. Die Rentabilität des Unternehmens ist unzweifelhaft und werden hierauf Reflektierende aufgefordert, ihre Offerten bei dem Unterzeichneten baldigst einzureichen".

Den Bemühungen des Polizeipräsidenten war es zu danken, daß am 30. März 1862 ein neuer Omnibusdienst wieder eingerichtet werden konnte. Johann Kürten, ein Fuhrunternehmer aus Deutz, hatte den Vertrag mit der Stadtverwaltung abgeschlossen und war mit seinen alten Omnibussen nach Elberfeld gezogen. 14 Personen faßten seine Wagen im Innern, und 12 fanden Platz oben auf den Bänken der "Imperiale". Die Wagen fuhren vom Ende der Königstraße, durch die Herzogstraße, Wall, Schwanen-, Morianstraße, Hofkamp und Berliner Straße nach Barmen-Rittershausen und zurück. 2 ½ Silbergroschen kostete die einfache Fahrt. Außerdem gab es 15 Karten im Abonnement zu 1 Taler.

[Born (Hrsg.) S. 429 f]


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Polizei-Verordnung betreffend das öffentliche Fuhrwesen
im Bezirk des Stadtkreises Solingen (1912)

Im Jahr 1912, in dem diese Polizeiverordnung in Kraft getreten ist, waren auf den Straßen sowohl ein- und zweispännige Pferdedroschken als auch "Kraftdroschken" unterwegs. Zu dieser Zeit war Oberbürgermeister Dicke im Amt, der für die Polizeiverwaltung zeichnete.

Polizeiverordnung 1912
Polizeiverordnung 1912
 

Für die Betreiber beider Varianten galten detaillierte Bestimmungen. So mussten z.B. die Pferdedroschken "dauerhaft, bequem und in gefälliger Form gebaut, sauber lackiert, anständig ausgeschlagen, gut gepolstert und reinlich sein." [§ 4.] Ganz wichtig: Im Innern der Droschke musste sich "an einer in die Augen fallenden Stelle in unverwischbarer Farbe die deutlichen Inschriften "Ausspucken verboten!" und "Füße nicht auf die Sitzkissen legen!" sowie die Nummer der Droschke befinden.

Weiterhin gibt es für beide Droschken-Arten Vorschriften zum Fahrpreisanzeiger (Taxameter), zum Anzug des Führers und zur Beschaffenheit der Pferde und Geschirre. Über die Pferde wird nur wenig gesagt, und Zweifel sind angebracht, ob der Tierschutzgedanke Hintergrund der Vorschriften in den §§ 7 und 8 gewesen ist:


Beschaffenheit der Pferde und Geschirre

§ 7.

Für jede zweispännige Droschke müssen zwei kräftige, zum Dienst geeignete, von schädlichen Fehlern freie Pferde vorhanden sein, welche ein lebhaftes Gangwerk haben und gut eingefahren sind.

Für jede einspännige Droschke muß ein Pferd von ebensolcher Beschaffenheit vorhanden sein.

Als schädliche Fehler sind besonders anzusehen: Ansteckende Krankheiten, Lahmheit, Struppiertheit, offene Wunden, Koller, Sättigsein, Blindheit auf einem oder beiden Augen, ekelerregender Ausschlag und andere sichtbare und Anstoß erregende Schäden.

Droschkenpferde dürfen nicht eher in Dienst gestellt werden, als bis sie polizeilich untersucht und für brauchbar befunden worden sind. Ihre Geeignetheit ist auf Verlangen der Polizeiverwaltung durch Vorlage eines kreistierärztlichen Attestes nachzuweisen.

§ 8.

Die Geschirre müssen dauerhaft, vollständig, von gutem Aussehen, völlig unversehrt und in reinlichem schwarz lackiertem oder gut geschwärztem Zustande sein.

Zum Zudecken auf den Halteplätzen muß für jedes Pferd eine reinliche, nicht zerrissene und nicht auffällig geflickte Decke auf dem Wagen vorhanden sein. Die Decken müssen so groß und mit einer entsprechenden Vorrichtung versehen sein, daß sie vorn über der Brust des Pferdes geschlossen werden können.


Weiterhin waren die Pflichten der Droschkenbesitzer und der Droschkenführer geregelt, darunter die Besitzer-Pflicht, "der Polizeiverwaltung auf Verlangen seine Droschke vor zustellen und zwar eine Pferdedroschke nebst Pferden und Geschirren..." [§ 18]. Im Frühjahr und Herbst fand außerdem durch die Polizeiverwaltung eine allgemeine Musterung der Droschken statt - wohl eine Art technischer Überwachung. [§ 18]

Vorgeschrieben wurde dem Pferdedroschkenkutscher für die Fahrt, "...falls der Fahrgast nicht ausdrücklich eine langsamere Gangart verlangt", das "Trabtempo". [§ 26]

Auch die Pausen waren reglementiert: "Dem Droschkenführer ist es untersagt: [...] die Pferde auf der Straße an anderen als den vorgeschriebenen Halteplätzen zu füttern oder zu tränken, die Fütterung darf nur mittelst Beutel oder Gefäß geschehen, welche über den Kopf des Pferdes gehängt werden, dabei darf nur das Gebiß aus dem Maule des Pferdes genommen, im übrigen aber die Bespannung nicht abgeschirrt werden, und es muß die Droschke stets in einem sofort benutzbaren Zustande sein". [§ 28 Ziff. 5]

Allzeit bereit für den Fahrgast war die oberste Maxime - jedenfalls auf dem Papier: "Die beiden ersten in der Reihenfolge oder auf dem rechten Flügel haltenden Führer dürfen die Gespanne weder tränken noch füttern, noch dürfen sie sonstige die sofortige Benutzung des Fahrzeugs hindernde Arbeiten daran vornehmen." [§ 31]

Überhaupt konnte der Droschkenbesitzer nicht frei über seine Droschke verfügen. Geregelt war auch, wen und was er mitnehmen und nicht mitnehmen durfte: "Die Beförderung von Leichen und Mitnahme von Sachen, welche geeignet sind, das Innere des Wagens zu beschädigen oder zu verunreinigen, insbesondere schmutziger Tiere, in den Droschken ist nicht gestattet." [§ 41 Abs. 3]

"Es dürfen außer dem Führer in einer einspännigen Droschke nicht mehr als vier, in einer zweispännigen nicht mehr als fünf erwachsene Personen befördert werden. [...] Gepäcksstücke von mehr als 100 Kg. Gewicht braucht der Droschkenführer nicht aufzunehmen." [§ 42]

Unter der Überschrift "Bezahlung der Droschkenfahrten" ist festgelegt, dass der Führer einer Pferdedroschke nach einer ununterbrochenen Fahrt von 1 ½ Stunden Dauer eine Ruhepause von 15 Minuten für das Pferd auf Rechnung des Fahrgastes verlangen kann, wenn dieser die Droschke noch weiter behalten will. [§ 43]

Der Fahrpreisanzeiger war bei Pferdedroschken mit den Hinterrädern verbunden: Wurden die Droschke mit Hinterrädern von einem anderen Durchmesser bestückt, so musste sie vor ihrer Wiederinbetriebsetzung der Polizeiverwaltung erneut vorgestellt werden.

Als letzten Punkt enthält das grüne Heftchen die Tarife für Fahrten innerhalb der Stadt Solingen. Die Tarife für Pferdedroschken waren etwas teurer als die der Kraftdroschken: Mit der letzteren wurde der Fahrgast für 80 Pfennige 100 bis 200 Meter weiter befördert. Brücken-, Fähr- und Wegegeld waren vom Fahrgast separat zu zahlen.


A. Grundtaxe
1. Pferdedroschken.
Es werden befördert        Für 80 Pfg.     Für je fernere 10 Pfg.

a. am Tage
1-2 Personen (Taxe I)      bis 700 m       bis 350 M
3-4 Personen (Taxe II)     bis 500 m       bis 250 m

b. bei Nacht (Taxe III)
1-2 Personen               bis 400 m       bis 200 m

Für Wartezeit während der Fahrt bei allen Fahrten ohne Rücksicht
auf Tag- und Nachtfahrten oder die Anzahl der Personen für je
angefangene 3 Minuten 10 Pfg. Für die volle Stunde demnach
2.- Mark.
    
2. Kraftdroschken.
Es werden befördert        Für 80 Pfg.     Für je fernere 10 Pfg.

a. am Tage
1-2 Personen (Taxe I)      bis 500 m       bis 250 m
3-4 Personen (Taxe II)     bis 400 m       bis 200 m

b. bei Nacht (Taxe III)
1-2 Personen               bis 300 m       bis 150 m

Für Wartezeit während der Fahrt bei allen Fahrten ohne Rücksicht
auf Tag- und Nachtfahrten oder die Anzahl der Personen für je
angefangene 2 Minuten 10 Pfg. Für die volle Stunde demnach
3.- Mark.

Für jede weitere Person als oben angegeben, ist ein Zuschlag
von 50 Pfg. zu zahlen.

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Die Solinger Hauderer

Pferdedroschken im Sinne des heutigen Taxis kannte man in Solingen nicht. Gut lief aber vor dem Ersten Weltkrieg das Hauderergeschäft, die Halbverdeck-, Landauer- und Gartenlaubenfahrten. Bis zu vier nervenstarke Pferde zogen die geräumigen Wagen zum Vergnügen der Fahrgäste.


Solingen, Gartenlaube  
Die Aufnahme stammt wahrscheinlich aus der Zeit 1907-1911.
Sie zeigt eine sog. Gartenlaube des Fuhrunternehmers Franz Dick aus Ohligs, Kreis Solingen, mit sechs Sitzen und zwei Kutschersitzen auf einer Gesellschaftsfahrt im Bergischen Land, lt. Bildaufschrift aufgenommen bei Rösrath.

Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen

Hauderer waren im weitesten Sinne Transportunternehmer, insbesondere aber Lohn- und Mietkutscher. "Haudern: Gewerbsmäßig Reisende für Lohn mit Pferd und Wagen fahren", ursprünglich: "auf einem Mietpferd reiten, in einem Mietwagen fahren". [Glaser/Werner S. 112 nach Weigand]

Besonders in den letzten Jahrzehnten des 19. und dem ersten des 20. Jh. wurden die Wagen der Hauderer in Solingen gern für Ausflugs-, Vergnügungs- und Hochzeitsfahrten in Anspruch genommen. Und diese Art von Vergnügungen gibt es in ähnlicher Form ja auch heute. Allerdings rollen die Kaltblut- oder Haflinger-bespannten Planwagen nun, anders als früher, eher abseits der Hauptverkehrsstraßen.


Der folgende Auszug aus einem alten Zeitungsartikel vermittelt einen beschaulich eingefärbten Eindruck von diesem Gewerbe und seiner gut situierten Kundschaft. Es waren teils gewaltige Strecken, die die Pferde zum Vergnügen der Passagiere und Unterhalt ihrer Besitzer bei solchen Ausflügen zurücklegen mussten. Wie viele Pferde die Hauderer in ihren Ställen hatten, wird hier nicht gesagt, jedoch sicherlich mehr als die durchschnittlich 1,6 Pferde, die Frh. von Hauer 1832 im Kreis Solingen pro Lohnfuhrmann gezählt hatte.

Der Artikel erschien im März 1941, also zu einer Zeit, als die Leserschaft eigentlich andere Sorgen hatte. Die Presse versuchte damals gern ein bisschen Heimat- und "Heile-Welt-Gefühl" zu vermitteln - und sei es mit "kaum angedeutetem Peitschenknall" und vornehm scharrenden Hufen...


Solinger Tageblatt vom 8./9. März 1941

Mit Zwei- und Vierspännern durchs Bergische

Und doch erst dreißig Jahre her...

Pferdedroschken im eigentlichen Sinne der heutigen Taxe hat man in Solingen nie gekannt. Dagegen blühten das Hauderergeschäft, die Halbverdeck-, Landauer- und Gartenlaubenfahrten jahrzehntelang im höchsten Maße. Gab es vor dem Weltkrieg, als das Auto noch in den ersten Anfängen steckte, als man noch keine teerbedeckten Landstraßen, keine Parkplätze und keine Tankstellen kannte, ein schöneres Vergnügen, als sich in einem tief gepolsterten Landauer von zwei schmucken Braunen oder Schimmeln durch das Bergische Land fahren zu lassen?

Ueberall begegnete man den sauber lackierten und auf Hochglanz gebrachten offenen Wagen, auf deren Bock die Kutscher im tiefblauen Rock und mit gestriegeltem Zylinder straff die Zügel führten. Und welch ein Klang der Harmonie, das kaum angedeutete Knallen der Peitsche und der gleichmäßige elegante Trab der Tiere. So fuhr der Solinger Bürger mit seiner Frau, seinen Kindern, der Mutter oder Schwiegermutter hinaus in die schöne Natur unserer nahen Heimat.

Doch plötzlich Musik, Gesang, ein fröhliches Geplauder: Da rollte eine Gartenlaube vorüber. Vier Pferde zogen den großen gelben und geräumigen Wagen, in dem eine lustige Gesellschaft zu einem netten Ziel fuhr. [...] Eine Gartenlaubenfahrt gehörte für die Gesangvereine, die Kegelklubs und die zahlreichen Geselligkeitsvereine zum feststehenden jährlichen Programm.


Blömer, Kruttwig, Knapp und Schwarte

[...] Als die damals die Straßen beherrschenden Fahrzeuge waren die "Zwölfer", "Sechzehner" und "Vierundzwanziger" - je nach der Zahl der Teilnehmer - natürlich stark gefragt. Vier Wochen vor der Fahrt mußte ein solcher Wagen bei den beiden Hauderern Alt-Solingens, Blömer und Kruttwig, sonst vielleicht auch bei den beiden Walder Unternehmern Knapp und Schwarte, bestellt werden, wollte man seiner sicher sein. Auch die Landauer waren stets stark begehrt.

Schon Tage oder auch Wochen vorher begab sich der Familienvater oder der Vereinsvorsitzende zum alten Blömer oder "Kruttwigs Ferdinand".
"Ferdinand, spann' an!"

Ferdinand Kruttwig, der wie der alte Blömer schon seit Jahren tot ist, nickte bedächtig und erwiderte in seiner schon an die Kölner Mundart anklingenden Sprache: "Is got, Jong, wat nämmen wir dann, de Landauer oder dat Halbverdeck. Noch häß Du die Uswahl?"

Kritisch wurde die lange Reihe der auf dem Hofe unter einem riesigen Dach stehenden Wagen abgeschritten. Aha, hier dieser würde der Mutter besonders gut zusagen, hatte sie doch eigens gesagt, der Vater möge aber sehen, daß er einen blau ausgeschlagenen Wagen bekäme, "von wegen dem geschmackvolleren Aussehen".
"En paar schöner Peerd, Ferdinand, on alles got em Lack! De Motter es jo jet verwännt, nit wohr!"

"Dat loß Du alt ming Sorg sinn", erwiderte der erfahrene Hauderer, der, wie übrigens auch der alte Blömer, aus Opladen stammte, aber schon in frühen Jahren nach Solingen gekommen war. Hier nahm er zunächst eine Stelle als Kutscher bei Blömer an. Bald arbeitete er sich zum ersten Kutscher empor und fuhr in dieser Eigenschaft die alte Stammkundschaft der Blömer'schen Hauderei, u.a. auch die alte Frau Henckels vom Grünewald. An jedem Samstag, den Gott ins Land schickte, fuhr die alte Dame, mit "ihrem Ferdinand" nach Immigrath zum Bäcker Groß, um ihre Semmeln abzuholen; im offenen oder geschlossenen Wagen, wie es das Wetter gerade gestattete.

Im Jahre 1891 machte sich Ferdinand Kruttwig selbständig, so daß Solingen nunmehr zwei Hauderer hatte, für die auch tatsächlich in der damaligen Zeit Arbeit in Hülle und Fülle war.


Eilfgental, Engelrath und Benrath beliebte Ziele

So, und nun war der Wagen bestellt. Hoffentlich brachte der Sonntag gutes Wetter. Pünktlich rollten die Wagen aus den Höfen in der Weyer- bzw. Brüderstraße. Noch einmal hatten Blömer oder Kruttwig ihre prüfenden Blicke über die Gefährte gehen lassen. Nein, kein Stäubchen war zu entdecken. Auch die Geschirre spiegelten sich in der lachenden Sonne nur so wider. Rock, Zylinder und Handschuhe für den Kutscher - gut.

Vor dem "herrschaftlichen" Hause hielt der Wagen an. Aber es dauerte doch noch eine Weile, bis der Wagenschlag geöffnet werden konnte. Erst mußten die Pferde einmal etwas scharren. Das hörte sich "vornehm" an; außerdem würde auch die Nachbarschaft wohl aufmerksam werden; und das sollte sie ja auch! Vater und Mutter setzten sich natürlich in Fahrtrichtung, während die Kinder die Rücksitze erhielten. Das war schon wegen des Grüßens unterwegs notwendig.

Im schneidigen Trab ging es aus der Stadt hinaus. Viel beliebte Ziele waren immer das schöne Eifgental bei Wermelskirchen über Burg-Preyersmühle oder Oberburg-Hünger, Altenberg, Engelrath oder Benrath. Weitere Fahrten wurden kaum unternommen, denn für die Pferde waren diese Kilometer schon eine sehr anständige Leistung.

Namentlich für die Gartenlauben war, selbst wenn auch Ewald Erf, der heutige Inhaber des bekannten Solinger Fischhauses, von seinem hohen Thron herab vier Pferde zügeln konnte - übrigens eine beachtliche Leistung, die viele Laien sich kaum vorstellen können -, die Rundfahrt Solingen - Burg - Eifgental - Altenberg - Engelrath - Gezelin - Opladen - Leichlingen - Solingen eine Strecke, die schon zu den Rekordfahrten gehörte. Es muß jedoch anerkannt werden, daß die Solinger sich auch stets als Tierfreunde erwiesen haben. In den Bergen stiegen die männlichen Fahrgäste unaufgefordert aus, während die "Weiter" natürlich sitzen bleiben durften.

Was heute die Parkplätze sind, das waren früher die Stallungen. So mancher Solinger kennt die großen Ställe von Jörgens "Auf der Eich" in Wermelskirchen, von Wasserfuhr in Altenberg. Und überall begegnete man auf den Landstraßen den Krippen für die Pferde. Da wußten die Kutscher, hier würden sie anhalten können. Aber an den eigentlichen "Fuhrmannskneipen", wie sie vor dem Weltkrieg auf jeder bedeutenderen Landstraße bestanden, erinnert sei beispielsweise an "Rüttgers Hanne" in Hilden, "Wecks Karl" in Merscheid und viele andere mehr, hielten die Landauer selbstverständlich nicht. Bei ihnen war ja auch nicht der Kutscher, sondern der Besteller des Wagens ausschlaggebend.


Fröhliche Landpartie im "Vierundzwanziger"

Trugen die Fahrten im schnittigen Landauer ganz den Charakter der vornehmeren und gemesseneren Sonntagsunterhaltung, so waren in den Gartenlauben durchweg sehr fidele Gesellschaften zusammen. Erinnert sei hier nur an den bei Müller zu Schlicken tagenden "Schlickener Raucherklub", den sogenannten "Piepenklub", der zu den Stammkunden von Ferdinand Kruttwig gehörte.

Wenn die "Piepenkerls" losfuhren, dann war was gefällig! Alle trugen selbstverständlich einheitliche Kopfbedeckung und einheitliche Krawatte, dazu natürlich auch die "Einheitspippker". Wie bei ihnen, so gehörte bei den meisten Kegelklubs ein Fäßchen Bier, eine Anzahl "Kölkers" oder "aule Frantzens", eine Ziehharmonika oder andere Musikinstrumente zum Gartenlauben-Inventar. Auch die Botenfrauen des Solinger Tageblatts, "Boll's Blättsches-Frauen", unternahmen einmal jährlich einen Auflug in der Gartenlaube, der stets viel Freude bereitete. [...]


Und im Winter: Schlittenpartien

Auch im Winter hatten die Pferde keine Ruhe. Da gab es herrliche Schlittenpartien in die verschneiten Berge unserer engeren Heimat. Sowohl Blömer als auch Kruttwig besaßen eine Anzahl hocheleganter Pferdeschlitten, auf denen der Kutscher hinter seinen Fahrgästen thronte. Hell klangen die Glocken der Pferde in der winterlichen Natur. Zahlreiche junge Solinger Mädchen mieteten die Gefährte, an die die eigenen Handschlitten angebunden wurden.

Dann ging es, in dicke Felle und Pelze gehüllt zum Eifgental, wo zuerst einmal gut Kaffee getrunken wurde. Auf der Rückfahrt setzten sich die Mädchen am Wermelskirchener Bahnhof auf ihre Handschlitten und rodelten bis zur Preyersmühle herunter. [...] Erst nach längerem Warten trafen die Pferdeschlitten ein, die die jungen Mädels nach Solingen brachten.


Das "Kupee": Sehnsucht der jungen Solingerin

Nicht vergessen werden darf auch das Gefährt, auf das ein junges Mädchen, war es erst einmal 20 Jahre alt, am sehnlichsten wartete: der Hochzeitswagen oder das sogenannte "Brautkupee". Hier handelte es sich um einen geschlossenen, nur für zwei Personen gebauten Wagen, dessen Inneres leuchtend weiß ausgeschlagen und mit Blumen geschmückt war. Gezogen wurde der Wagen selbstverständlich nur von einem Paar ausgesuchter Schimmel, denn weiß...

Einmal wurde der Hochzeitswagen zum Todeswagen. Die Chronik berichtet diese traurige Geschichte eines eben in den Ehestand getretenen Paares aus Preyersmühle. Auf der scharfen Fahrt von Wermelskirchen herunter vermochte der Kutscher eines Remscheider Hauderers die Pferde nicht in der Gewalt zu halten. Kurz vor der Preyersmühle rasten die Pferde in einen zur rechten Hand liegenden Teich. Braut und Bräutigam, Kutscher und Pferde fanden den Tod.


Landauer (frz. Landaulet) = 4sitziger, 4rädriger Wagen mit geteiltem, nach vorn und hinten niederklappbarem Verdeck, 1- und 2spännig.

  Notizen aus Solingens Vergangenheit


Quellen:
  • Born (1910)
  • Glaser / Werner (1990)
  • Lang (1971)
  • Polizei-Verordnung betreffend das öffentliche Fuhrwesen im Bezirk des Stadtkreises Solingen. Solingen 1912
  • Rosenthal Bd. 2 (1972)
  • Solinger Tageblatt vom 8./9. März 1941
  • Stadtarchiv Solingen
  • Stadtarchiv Wuppertal
  • Weigand, L.K.: Deutsches Wörterbuch, 1. Bd., Gießen 1909
  • WZ Generalanzeiger vom 1. Oktober 1977

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