August Lomberg hat im Haaner Heimatbuch aufgeschrieben, wie es dem beliebten Schulmeister Schmeitenbergs Pitter (Peter Schmachtenberg) erging, der von den Eltern seiner Schüler zum Ausgleich für seine spärliche Besoldung reihum zum Mittagstisch eingeladen wurde. [Lomberg S. 164 f] Ob es der ältere oder der jüngere Schmachtenberg war oder vielleicht doch ein anderer Lehrer? Nicht auszuschließen ist, dass diese Geschichte anderenorts im 17.-19. Jh. ähnlich auch anderen Schulmeistern passiert ist. (Sie ist hier aus der Haaner Mundart ins Hochdeutsche übertragen.)
Der Schmeitenbergs Pitter, das war noch ein Schulmeister aus der alten Zeit, ein bisschen schmal und wibbelig, aber treu im Amt; die Blagen lernten gern bei ihm, und so war er gut gelitten im ganzen Kirchspiel. Aber er verdiente bloß ein paar Stüber im Jahr; das Geld war darum ein rarer Artikel bei ihm, und sein Suppentopf rostete schon. Damit er nun etwas Ordentliches an die Rippen bekam, waren die Bauern überein gekommen, dass er des Mittags freien Wandertisch haben sollte. Und so war er den einen Tag hier und den anderen Tag dort, bis er sich in sechs Wochen rundumgegessen hatte und wieder von vorn anfangen musste.
Die Kinder freuten sich immer auf den Tag, an dem der Meister essen kam, weil es dann etwas Besonderes gab. Aber dem Schmachtenberg war das nicht so ganz recht; denn es kam öfter vor, dass ihm die ganze Woche die gleiche Kost vorgesetzt wurde, bis sie ihm aus dem Halse heraus hing.
So war es einst auch in der Rübenmuszeit. Daniels Frau sagt des Montagsmorgens zu ihrem Mann: "Daniel, heute kommt der Meister, was soll ich Gutes machen?" - "Och, weißt du was," sagt er, "ich hab' so einen Hunger auf Rübenmus; das wird ihm auch gut schmecken." - "Gut," sagt die Lena, "ich koch' Rübenmus". Der Meister kommt, und die große Schüssel wurde aufgetragen. Er ließ es sich gut schmecken, und als er aufstand, dachte er: "Morgen gibt es bestimmt Schlodderkohl mit Schafsfleisch."
Prost Mahlzeit! Am Dienstagmorgen sagt Kaspers Frau: "Mir ist eingefallen, dass heute der Meister kommt; nun sind wir grade beim 'Ströppen', darum will ich ein leckeres Müschen fertig machen, ich koche Rübenmus!" - "Tu das," sagt der Kasper, und der Schmachtenberg kriegte sein Rübenmus zum zweiten Mal. Als er vom Tisch aufstand, war er ein bisschen knötterig; doch er tröstete sich mit dem Gedanken an Schnibbelbohnen mit Specksauce, die es sicher am Tag darauf geben würde.
Aber am Mittwochmorgen kommt Christians Lotta aus dem Garten und sagt: "Heute haben wir den Meister zum Essen, und ich habe gehört, dass er so gerne Rübenmus isst; wie wäre es, wenn ich ihm das leckere Gericht machen würde?" - "Das ist recht," sagte der Christian, und die Lotta kochte das Rübenmus. Als der Schmachtenberg an den Tisch kam, fiel ihm das Sprichwort ein: "Aller guten Dinge sind drei", und er aß sein Rübenmus zum dritten Mal. "Es wäre doch schön," dachte er, wenn es morgen 'Schnüttscher und Üahrker' gäbe!" [Anm.: Was auch immer das sein mag.]
Aber am Donnerstag sagte Heinrichs Setta: "Weil heute der Meister kommt, will ich, damit er eine Abwechslung hat, das nette, frisch geschnittene Müschen machen; ich koche Rübenmus!" Und der Schmachtenberg konnte nichts daran ändern, er kriegte sein Rübenmus zum vierten Mal. "Morgen ist Freitag," dachte er, "da gibt es meistens Stockfisch!"
Aber Flötepiepen! Des Freitagmorgens sagte das Julchen vom dicken Abraham: "Rübenmus ist ein gesundes Essen, und weil heute der Meister kommt und sein Traktament [lat. Verpflegung, Bewirtung] noch nicht gehabt hat, darum koch' ich Rübenmus!" Und der Schmachtenberg biss in den sauren Apfel und verschlang sein Rübenmus zum fünften Mal.
Als nun der Samstag kam, der sonst immer der Erbsentag war, da fing die Frau vom Jan an zu schrateln: "Heute koche ich aber mal was, wo ich selber Appetit drauf hab' - und das mag der Meister mögen oder nicht. Ich koche Rübenmus!"
Und so gab es die ganze Woche Rübenmus und nichts als Rübenmus. Der ganze Meister roch ordentlich nach Rübenmus, und er musste bange sein, das Rübenmus wäre ihm zu den Ohren herausgewachsen. - Und so konnte es passieren, dass der Schmachtenberg sich an seiner Alltagskost gründlich leid gegessen hat.
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