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Wer hat schon so genau alle die Grafen und Herzöge im Kopf, die seit dem 12. Jh. das Bergische Land regierten? Erinnern kann man sich am besten an solche, um die sich besondere Geschichten, Sagen und Anekdoten ranken und von denen es bekannte Standbilder gibt. Zu den prominenteren zählen der 1225 ermordete Engelbert II, der als Standbild vor Schloss Burg auf seinem Pony die Besucher begrüßt, und Johann Wilhelm II. († 1716), der als wohlbeleibter Reiter mit modischer Lockenperücke in Gestalt des Jan Wellem-Denkmals dem Treiben vor dem alten Düsseldorfer Rathaus zuschaut.
Die clevische Linie, die seit 1511 das Herzogtum Berg regiert hatte, erlosch nach nicht ganz 100 Jahren mit dem Tod des schwermütigen und geisteskranken Johann Wilhelm I. Er war als der jüngere der beiden Söhne von Herzog Wilhelm IV. (1517-1592), auch "der Reiche" genannt, ursprünglich nicht zur Regierung bestimmt gewesen. Schon früh trat er in den geistlichen Stand und wurde Administrator des Bistums Münster, war auch schon durch die Wahl des Domkapitels zum Bischof vorgesehen.
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2006 Johann Wilhelm I. und Jacobe von Baden. Detail aus den Wandgemälden im Ahnensaal von Schloss Burg |
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Wilhelm der Reiche (1539-1592), Wilhelm IV. oder V. genannt, Vater Johann Wilhelms I. |
Der folgende Aufsatz von Rita Labonté-Philippen beschäftigt sich mit dem Schicksal der Jacobe von Baden. Er erschien im April 2003 in der Zeitschrift des Düsseldorfer Vereins für Familienkunde e.V. Darüber hinaus hat die Autorin ihren Text zur Veröffentlichung auf dieser Webseite zur Verfügung gestellt. |
Jacobe von Baden
Von Rita Labonté-Philippen
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Im Laufe der Zeit habe ich Jacobe wieder aus meinem Gedächtnis verbannt bis zu dem Zeitpunkt, als ich herausfand, dass einige meiner Vorfahren an der Hochzeit der Jacobe von Baden mit Fürst Johann Wilhelm in Düsseldorf im Jahre 1585 teilgenommen hatten. Jetzt bekam die Idee, diese Frau ein wenig auszuleuchten, wieder Gestalt. Hilfreich waren mir einige Quellen, die ich im Anhang angeben werde.
Meine Recherchen über die Hochzeit zu Düsseldorf stützen sich im Wesentlichen auf die Aufzeichnungen des Landschreibers Dietrich Graminaeus, die eine authentische Wiedergabe dieser prunkvollen Hochzeit darstellen. Düsseldorf wurde im Jahre 1585 durch die Hochzeitsfeierlichkeiten acht Tage lang in Atem gehalten. Graminaeus liefert in seiner "Beschreibung der Fürstlichen Güligschen Hochzeit..." aus dem Jahre 1587 der Nachwelt ein ausführliches Zeitzeugenbild, ergänzt durch die Kupferstiche des Franz Hogenberg. Darunter befinden sich auch die frühesten bekannten Ansichten von Düsseldorf.
Bevor ich auf die Person der unglücklichen Fürstin, ihre Hochzeit und ihren geheimnisvollen Tod eingehe, weise ich auf die Situation der Fürstentümer zu der Zeit hin, in der die Hochzeit stattfand.
Nur wenig ist vom Leben der Markgräfin Jacobe von Baden aus der Zeit vor ihrer Verheiratung bekannt. Bereits im Jahre 1565 starb ihre Mutter, Herzogin Mechthild von Bayern, eine Schwester des Herzogs Wilhelm IV. von Bayern. Der Vater, Markgraf Philibert von Baden, fiel auf dem Felde bei der Schlacht von Moncontour gegen die Hugenotten im Jahre 1569. Jacobe blieb mit ihren drei Geschwistern, Anna Maria (1562-1583), Maria Salome (1563-1600) und Philipp, Markgraf zu Pfalz-Neuburg (1559-1588), als Waise zurück. Jacobe durfte ihre Jugend gemeinsam mit ihren Geschwistern, Vettern und Basen am bayerischen Hof verbringen.
Zu der Zeit, als sich Jacobe noch in München befand, hatte sie zahlreiche Verehrer, darunter auch den Grafen Hans Philipp von Manderscheid. Erhalten sind einige wunderschöne Minnegedichte, die sich beide schrieben und von einer großen Zuneigung zeugen (nachzulesen in den biografischen Skizzen des Theodor Haupt).
Jacobe sollte zum Spielball der politischen Ränke werden, wobei ihre eigenen Interessen wohl kaum von Belang waren und ihre gefühllosen Verwandten eine große Rolle gespielt haben mögen. Wie schwer es dieser kultivierten und weltoffenen Frau gefallen sein mag, ihre Heimat zu verlassen, kann eine kleine überlieferte Begebenheit belegen:
1575, nach dem Tode des Thronfolgers, Carl Friedrich, Herzog von Jülich-Kleve-Berg, wurde sein Bruder Johann Wilhelm aus machtpolitischen Gründen als Heiratskandidat ausgewählt. Die früheren Bestrebungen, die Fürstenhäuser Jülich-Kleve-Berg mit dem katholischen Baden zu einigen, wurden wieder aufgenommen. Man hatte Jacobe die schon latent vorhandene Geisteskrankheit des Fürsten offensichtlich verschwiegen oder sie verharmlost. |
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Jacobe von Baden |
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Johann Wilhelm I. |
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Heimlich, weil sein Vater sich gegen diese Verbindung ausgesprochen hatte, reiste Johann Wilhelm, nachdem die Bildnisse der beiden Brautleute ausgetauscht worden waren, nach Dachau, wo sich Jacobe zu dieser Zeit aufhielt und hielt Brautschau. Diese hatte offenbar den gewünschten Erfolg. Ebenso heimlich, wie er gekommen war, reiste Johann Wilhelm nach Düsseldorf zurück. Nach umständlichen Beratungen und Verhandlungen, nach verschobener Heiratsabrede setzte man die Hochzeit auf den 20. Januar 1585 fest. Die Vorbereitungen konnten beginnen. Nach einer nochmaligen Verschiebung des Hochzeitstermins wurde der endgültige Hochzeitstag auf den 16. Juni 1585 festgesetzt.
Was an Lebensmitteln im Einzelnen für das große Fest herbeigeschafft werden musste, ist nicht überliefert. Wohl kann man sich vorstellen, wie schwierig es in diesen Zeiten gewesen sein musste, solch ein bombastisches Fest auszurichten. Wie mag wohl das Volk zusätzlich gehungert und Not gelitten haben, damit die "Herrschaften" feiern konnten?
Wenden wir uns wieder jenem 13.6.1585 zu, dem Tag, an dem sich auf der linken Rheinseite zwischen Koblenz und Köln ein glänzender Reitertross in Richtung Bonn bewegte. Die Reise nach Düsseldorf gestaltete sich schwierig, wollte man doch die Stadt Neuss umgehen, die wenige Wochen zuvor vom Grafen von Neuenahr eingenommen und seit 1584 von der Pest heimgesucht worden war.
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Wie mochte sich Jacobe gefühlt haben? Wie in einem Taumel? Das Erwachen musste kommen. Die Realität war, dass sich das Fürstentum immer noch im Krieg befand. Das einige Wochen vor der Hochzeit überrumpelte Neuss wurde 1586 von Alexander Farnese, Prinz von Parma, erstürmt. Die Einwohner wurden ermordet und die geplünderte Stadt stand in Flammen.
Die Zerrüttung der Lande nahm von Tag zu Tag zu, Johann Wilhelms Krankheit verschlechterte sich in ebensolchem Maße und machte ihn untauglich für die Regierungsgeschäfte. Der debile Schwiegervater dämmerte dahin, und die Räte spielten sich gegenseitig aus. Trotz all dieser widrigen Umstände kümmerte sich Jacobe hingebungsvoll um den kranken Ehemann und den debilen Schwiegervater. Ein Beweis dafür ist die Tatsache, dass Papst Sixtus V. der Fürstin eine Auszeichnung verlieh, die nur selten vergeben worden war: die goldene Rose. Jacobe erhielt diese hohe Auszeichnung in einem feierlichen Akt im Jahre 1587 für ihre Frömmigkeit, Demut und ihr mildes Wesen. In der päpstlichen Breve heißt es am Anfang:
Die Krankheit Johann Wilhelms entwickelte sich so dramatisch, dass er nachts in voller Rüstung, bewaffnet und rasend durch die Gänge des Schlosses lief, die Dienerschaft angriff und das Schloss anzünden wollte. Zur Sicherheit des Personals und seiner eigenen wurde er dann in seinem Zimmer festgesetzt.
Jacobe indessen sah sich genötigt, politisch zu handeln. Ihr
gelang es, einige redliche Räte auf ihre Seite zu ziehen. Sie stellte sich damit aber zwischen die beiden feindlichen Parteien am Hofe: die katholische um Waldenburg, unterstützt von den spanischen Niederlanden, und die protestantische unter der Führung der Grafen von Broich und Valckenstein, der Herren von Rheydt, die mit Hilfe der Generalstaaten versuchten, die katholische Regentin zu entmachten.
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Sibylla Herzogin von Jülich-Kleve-Berg |
Einige zeitgenössische Schriftsteller beschreiben die Fürstin Sybille als "herrschsüchtig, leichtsinnig, unbedachtsam und unversöhnlich". Jacobe selbst bezeichnet sie in ihrer Verteidigungsschrift als von "zwiefach simuliertem Gemüth".
In ihrer Verzweiflung wandte sie sich im Jahre 1595 an ihren Schwager, Landgraf Ludwig von Leuchtenberg, der zu ihrer Unterstützung herbeigeeilt war. Der mittlerweile sehr einflussreiche Marschall Schenckern verwehrte ihm den Zugang zu Jacobe, ja sogar den Zugang zum Schloss. Ludwig brach nach Kaiserswerth auf und es gelang ihm lediglich, von einem Rheinkahn aus, mit Jacobe, die an einem der Schlossfenster stand, zu sprechen. Das, was er letztlich erreichte, war, dass es Jacobe gestattet wurde, ihn in seiner Herberge "Zum weißen Pferd" zu besuchen und ein paar kurze Worte mit ihrer Schwester Salome zu wechseln. Hier wird deutlich, dass die Herzogin schon zu dieser Zeit in einer Art Gefangenschaft gehalten wurde.
Zwischenzeitlich bildeten Sybille und Marschall Schenckern ein Machtpotential gegen die Herzogin. Diese beiden gaben vor, die angegriffene Gesundheit des Fürsten wiederherstellen zu wollen, um letztlich in aller Stille weiterregieren zu können. Sie bestellten die Wunderheilerin Margarethe von Ahr zu seiner Behandlung. Nachdem aber die Wunderkur dieser Frau nur kurzzeitig Besserung gebracht hatte, überlegten sich die beiden andere Dinge zur Heilung.
Am Abend des 2.9.1597 begab sich Jacobe, trotz der langen Leiden in der Gefangenschaft "ungeschwächter Gesundheit", zur Ruhe - um nicht mehr aufzuwachen. Am folgenden Morgen fand man sie tot auf - im 39. Lebensjahr. Theodor von Haupt hält in seinem Buch "Jacobe von Baden" die Befragungen und die Untersuchungen über Jacobes Todesursache für äußerst unzureichend. Bekannt ist, dass nur wenige Leute zu der Todesursache und den Umständen befragt wurden.
Am 20.9.1599 heiratete der Fürst, dessen Krankheit sich kurzzeitig weniger auffällig gezeigt hatte, Antoinette von Lothringen, die mit Hilfe der Marschälle Nesselrodt, Reuschenberg, Leerodt und Palandt die Schenckernsche Partei stürzte und Schenckern zwang, ihr die Schlüssel für die Festung Jülich zu übergeben. Schenckern selbst wurde unter Anklage gestellt, kam aber glimpflich mit einer Strafe von 7000 Goldgulden davon.
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Die Gerüchte im Lande um Jacobes rätselhaften Tod hörten nicht auf. Das Volk erfand Hohngedichte auf Sybille und Schenckern. Dietrich von Hall wurde erst nach Jacobes Tod zu dem Verhältnis befragt, und er hat eine Liebschaft zu ihr zugegeben. Aus dem Vernehmungsprotokoll, das im Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf im Original vorliegt [HStA Hauptgericht Jülich, Akte Nr. 64], geht hervor, dass ihm nur Suggestivfragen gestellt wurden, er hatte nur die Wahl, seine und Jacobes Schuld einzugestehen.
Immer wieder war die Schuld Jacobes eine Streifrage, wohl um ihren gewaltsamen Tod rechtfertigen zu können. Die historische Forschung lässt ein Bild zu, dem man sich gern anschließen kann.
Über die Todesursache ist immer wieder spekuliert worden. Eine andere Handschrift, die "Historia Arcana Cliviensis" spricht davon, dass am Hals der Fürstin bei der Obduktion Würgemale erkennbar waren.
Über vierhundert Jahre sind seit der denkwürdigen Hochzeit und dem tragischen Tod der Herzogin vergangen. Welcher Theorie auch immer man sich über die Todesart oder die Umstände ihres Todes anschließen mag, man sollte nicht vergessen, wie das kurze Leben jener Frau in dieser Zeit ausgesehen hat. Sicher, sie war eine Privilegierte, eine Edle, eine Frau, die sicherlich nicht hungern und darben musste. Aber sie hat sich bemüht, eine gute Landesfürstin zu sein, an der Seite eines Mannes, der geisteskrank war, an der Seite eines Schwiegervaters, der ihr in seiner Debilität ebenfalls keine Hilfe sein konnte, mit Untergebenen und Verwandten, die ihr Böses wollten. Sie musste ihre geliebte Heimat verlassen, um andernorts auf Misstrauen und Unverständnis zu stoßen.
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Literaturverzeichnis
Mein besonderer Dank gilt: Frau Else Rümmler, ohne deren Buch dieser Artikel nicht geschrieben worden wäre. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Stadtarchiv Düsseldorf, Universitätsbibliothek Düsseldorf, Stadtmuseum Düsseldorf © 2003 Rita Labonté-Philippen, Haan
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Bergische Sagen, gesammelt von Otto Schell (1897/1922)
Jacobe von Baden. |
2011 Inzwischen ohne Schlossgeist: Der Schlossturm am Burgplatz, dahinter die Lambertuskirche. |
2012 Seit 1984 ist im Schlossturm - dem einzigen erhalten gebliebenen Gebäudeteil des 1872 zerstörten Düsseldorfer Stadtschlosses - das Schifffahrtsmuseum untergebracht. |
Quellen:
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