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Die Stauanlagen

Bachkotten und Mühlen

Eine neue Stauanlage für einen Schleifkotten, einen Hammer oder eine Mühle durfte nur mit Genehmigung der zuständigen Verwaltungsbehörde angelegt werden. Gleiches galt für Veränderungen z.B. am Wasserrad oder an der Stauhöhe. Die dazu in den Archiven vorhandenen Akten helfen heute dabei, die früheren Eigentumsverhältnisse nachzuvollziehen. Solche Anlagen wurden immer nach ähnlichen Grundprinzipien gebaut. Unterschiede ergaben sich je nach den topographischen Gegebenheiten.


Stauanlage

Stauanlage mit Stauteich (in Anlehnung an eine Abb. bei Viebahn)

Dieser (fiktive) Plan einer Stauanlage zeigt verschiedene Stau- und Abflussmöglichkeiten, die allerdings bei einer einzigen Stauanlage kaum alle gleichzeitig vorhanden gewesen sind. Einen Eindruck vermittelt auch heute noch z.B. die Anlage am Schaafenkotten im Ittertal, wo die Wasserkraft - wenn auch nur in kleinem Rahmen - zur Stromerzeugung genutzt wird. Zwar ist kein Stauteich vorhanden, wohl aber Ober- und Untergraben, Schlacht und Gewalt, Flutkasten und Flutschütz. (Stand 2002)


1. Stau- oder Sammelteich

Zum Betrieb der Bachkotten legten die Schleifer vielfach künstliche Sammelteiche an, um immer möglichst gleichmäßiges Gefälle auf das Wasserrad zu erhalten. Dazu wurde ein neuer Seitenarm des Baches hergestellt, bestehend aus einem Ober- und einem Untergraben. Der Teich wurde durch den Obergraben mit einer höher gelegenen Stelle und durch den Untergraben mit einer niedriger gelegenen Stelle des Flusses oder Baches verbunden. Das vom Bach durch den Obergraben abgeleitete Wasser sammelte sich im Stauteich. An den Itterkotten waren die Obergräben (soweit man dies noch erkennen kann) wesentlich länger als auf dieser Zeichnung dargestellt.

Der Teich hatte in der Regel drei Ausläufe, durch die das Wasser in den Untergraben (11) gelangte, um sich an dessen Ende wieder mit dem natürlichen Bachlauf zu vereinigen:

- den Überlauf, auch Flutschütt genannt (6),
- den Auslauf zum Wasserrad durch das sog. Eishaus (7),
- den Grundzapfen (8). [Horstmann S. 13]

2. Obergraben

Durch diesen künstlich angelegten Wassergraben wird das Wasser des Mutterbachs über die Schlacht in den Stauteich geleitet.

3. Schlacht

Über eine Schlacht (Einlaufwehr) wird das Wasser aus dem Mutterbach, z.B. der Itter, in den Obergraben abgeleitet. Dieser kann durch eine Gewalt (Schließer, Sperrschieber) gegen das einfließende Wasser abgesperrt werden. [vgl. Viebahn S. 30]

4. Gewalt, Gewaltschütz, "Gewault"

Die Gewalt (ein Sperrschütz bzw. Sperrschieber am Beginn des Obergrabens) wird geschlossen, wenn kein Wasser aus dem Mutterbach in den Stauteich fließen soll. [vgl. Viebahn S. 23] Sie entspricht in Solingen ungefähr dem Quall. Die Gewalt wird nur geschlossen, wenn der Obergraben gereinigt wird oder Reparaturen am Wasserrad notwendig sind. [Hardenberg S. 104]

5. Abfall und Abfallgraben

Der Abfall (ein Sperrschütz bzw. Sperrschieber im Obergraben) wird geöffnet, wenn überschüssiges Wasser durch den Abfallgraben (Überlaufgraben) in den Mutterbach geleitet werden soll. Manchmal wird auch das Flutschütz am Stauteich als Abfall bezeichnet, da beide die gleiche Aufgabe haben. Anlagen mit Abfall und Flutschütz kamen kaum vor. [vgl. Viebahn S. 23]

6. Flutschütz, Flutschütt

Das Flutschütz, eine Überlaufschleuse (Sperrschieber), bestand aus einem dicken Balkenrahmen, der mit starken Brettern zugesetzt werden konnte. Die Zahl der Bretter bestimmte die Höhe des Wasserstandes. Mittels Zahnstange und Handwinde konnte das Flutschütz je nach Bedarf hochgezogen werden. Überschüssiges Wasser fließt durch das Flutschütt in den Untergraben ab. (Vgl. "Abfall"). [Horstmann S.  13, vgl. auch Viebahn S. 23]

7. Schalt, Schault, Flutkasten, Eishaus

Das Schalt ist in Solingen ein waagerecht liegender eiserner Kasten am Kotten, in den das Wasser aus dem Obergraben fließt. In Remscheid war der Begriff Eishaus üblich: ein rechteckiger Wasserbehälter an Schleifkotten und Hammerwerken, aus dem das im Teich gestaute Wasser durch das Schütz auf das Wasserrad fällt. [vgl. Beermann S. 359, Hardenberg S. 95] Er konnte aus Gusseisen, Stein oder manchmal aus Holz gefertigt sein. Ein Beispiel kann man am Manuelskotten (Kaltenbacher Kotten) in Cronenberg besichtigen (s. Abb.).

  Der Manuelskotten (Kaltenbacher Kotten) in Wuppertal-Cronenberg

Der Begriff "Eishaus" wurde Recherchen zufolge aber auch anders verwendet. So bezeichnete er - was besser nachvollziehbar klingt - auch den Bretterverschlag oder Anbau, in dem sich das Wasserrad befindet, bzw. die Verkleidungen um das Rad herum, die bei Kälte ein Festfrieren verhindern sollten.


Manuelskotten
2002   Manuelskotten in Wuppertal-Cronenberg
 
Manuelskotten, Eishaus
2002   Manuelskotten

Beim Einlauf am Teichrand schützt ein eiserner Rechen das Rad vor Treibholz und anderen Fremdkörpern; im Winter stauen sich vor diesem Schutzgitter die von der Strömung herangeführten Eisschollen. [Horstmann S. 14]


Manuelskotten
2002   Manuelskotten in Cronenberg
 
Manuelskotten, Eishaus
Manuelskotten
 
Sept. 2002
Stauteich am Manuelskotten in Cronenberg. Ein "lebendiges" Industriemuseum,
das besichtigt werden kann.

8. Grundrinne mit Grundzapfen

Die Grundrinne ist ein meist hölzerner Abflusskanal von 1 bis 1 1/2 Meter Breite, der unter dem Teichgrund verläuft. Er dient zum Entleeren des gesamten Inhalts des Stauteichs in den Untergraben. Der Grundzapfen wird beim Bau des Teiches an seiner tiefsten Stelle angelegt. Er verschließt die Öffnung der Grundrinne. Wird er entfernt, läuft der Stauteich leer. [vgl. Viebahn S. 23, Hardenberg S. 105, Horstmann S. 16]

Außer den drei wichtigen Ausläufen (Flutschütt, Eishaus und Grundzapfen) besaßen Teich, Ober- und Untergraben noch weitere Ausläufe, die alle durch den Schütt verschließbar waren und zum Bewässern der umliegenden Wiesen dienten. Über dieses sogenannte Flößen der Wiesen wurden zwischen den Besitzern der Wassergerechtsame und den Wiesenbesitzern besondere Verträge über Art und Dauer der Wassernutzung abgeschlossen.

9. Flutgraben

Durch diesen Überlaufgraben wird überschüssiges Wasser des Stauteiches über das Flutschütz in den Mutterbach geleitet. [vgl. Viebahn S. 23, Hardenberg S. 101]

10. Radschütz

Das Radschütz ist ein Sperrschieber am Ausgang des Eishauses [Viebahn S. 25] vor dem Rad, mit dem der Wasserzufluss zum Rad gesteuert wird.

11. Untergraben

Über das Wasserrad gelangt das Wasser in den Untergraben. An dessen Ende vereinigt es sich wieder mit dem ursprünglichen Bach (Mutterbach), d.h. das benutzte Wasser wird dem Fluss bzw. Bach durch den Untergraben wieder zugeführt.


Ein weiteres Beispiel der Außenanlage eines Kottens in Solingen ist bei Hardenberg abgebildet:


Außenanlage Kotten
Darstellung in Anlehnung an eine Abb. bei Hardenberg

Empfehlenswert für Interessierte ist eine Wanderung über den Industrie-Geschichtspfad "Historisches Gelpetal", ausgehend z.B. vom Steffenshammer im Morsbachtal in der Ortschaft Clemenshammer (Remscheid). Der schöne Waldweg hat einen "Hauch von Freilichtmuseum"; er ist mit informativen Tafeln versehen mit kurzen Erläuterungen zu den Hämmern, die früher hier gestanden haben, und weiteren Hinweisen zur Industriegeschichte. Einige Wassergrabensysteme sind noch gut zu erkennen. [Vgl. Beschreibungen bei Viebahn]

Ich hatte 2003 Gelegenheit, den Steffenshammer auch von innen zu besichtigen. Günther Schmidt, Hausherr und Buchautor zum Thema Hämmer und Kotten im Morsbachtal, informierte anschaulich über Geschichte und Technik.



 
2003
Eishaus
am Steffenshammer
im Morsbachtal,
Remscheid



Die Wupperwehre

Anfang des 20. Jh., als die Bachkotten und ihre Stauanlagen längst keine Rolle mehr spielten, befasste sich der Lenneper Architekt Albert Schmidt im Zuge der industriellen Entwicklung im Wuppertal mit der Verbesserung der Wupperwehre. Über deren Konstruktion schreibt er:


"In dem Flußlauf der Wupper sind an den 70 Aufstauungen des Wassers zur Erlangung von Wasserkräften für die Betriebswerke von alters her meist recht primitive Wehranlagen gemacht worden. Sie hatten als dichten Kern Spundwände oder einfach Bretterwände von Eichenholz, die mit Lehm oder Letten an den Boden des Flusses abgedichtet waren und sich einerseits an einen gemauerten Wehrkopf, zwischen Wehr und Obergraben, andererseits an das jenseitige Flußufer mehr oder weniger dicht anschlossen.

Nach außen hin war dieser Lettendamm mit Bruchsteinpflaster aus möglichst großen Steinen ohne Mörtel bekleidet. Das Absturzbett des Wehres war, um Auskolkungen des Flußbettes zu verhüten, ebenfalls mit großen Bruchsteinen zwischen Rahmen von Eichenholzbalken gepflastert, aus demselben Grunde wurden auch die Ufer des Flusses unterhalb des Wehres gepflastert, etwa wie untenstehend skizziert.



Wenn keine übermäßig hohen Fluten oder Eisgänge vorkamen und das Holzwerk noch nicht abgefault war, hielten die Wehre eine Zeit lang stand. Bei sehr hohen Wasserfluten dagegen, welche häufig mit Eisabgängen verbunden waren, wurden fast immer einige der Wehre ganz zerstört oder doch teilweise weggerissen und alle mehr oder weniger beschädigt, so daß fortwährend Reparaturen nötig wurden.

Durch die Entwickelung der Industrie im Wuppertal wurde den Wasserkräften allmählich mehr Aufmerksamkeit geschenkt und auf größere Dichtigkeit gesehen, da die mit den Wehren verbundenen und durch sie entstehenden Wehrbecken zur Aufspeicherung des Wassers in Trockenperioden dienten und deshalb ein Wasserverlust durch Undichtigkeit des Wehres unangenehm empfunden wurde.

Die Wupperwerke mit größeren Gefällen und hohen Wehren suchten, durch die häufigen kostspieligen Reparaturen und die Betriebsstörungen durch Beschädigung der Wehre veranlaßt, die Wehranlagen solider zu gestalten.

Es wurden an Stelle der nicht dauerhaften Holzkonstruktionen Traß- oder Cementmauern als Wehrdichtung angewendet und auf bessere Pflasterungen der Wehrböschungen und der Absturzbetten größerer Wert gelegt. [...] Durch die ziemlich steile Abböschung der Wehre erlangt das Wasser bei Fluten eine so große Abflußgeschwindigkeit, daß bei den meisten Wehranlagen, sowohl im Flußbett wie auch an den Uferböschungen, schädigende Wasserangriffe vorkommen, die häufig zu großen Reparaturen Veranlassung geben.

Um die durch die große Abflußgeschwindigkeit des Wassers an den Wehren mit geneigter Absturzfläche entstehenden Schäden am Absturzbett und den Flußufern zu vermeiden, hat der Verfasser eine Reihe Wehre, die bei der Hochflut vom 24. November 1890 zerstört wurden, erneuert und das Wehrprofil so konstruiert, daß das Wasser fast senkrecht in eine mit Wasser angefüllte Mulde abstürzt, in welcher die Wassergeschwindigkeit des Absturzes vollständig aufgehoben wird, so daß das Wasser ohne jede Anfangsgeschwindigkeit ruhig weiterfließt. [...]"
[Schmidt S. 78-82]

  Die Industrie im Wuppergebiet (1913)



Quellen:
  • Beermann (1993)
  • Hardenberg (1940)
  • Schmidt, Albert: Die Wupper (1913)
  • Viebahn (1983)

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