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Juli 2009 Roter Esel, Friedrich-Ebert-Straße |
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- Als die Häuser noch Namen trugen - Bedeutungsinterpretationen - Das langsame Ende eines Denkmals |
In den letzten Jahren tauchte es immer mal wieder in der örtlichen Presse auf: das Verwaltungsgebäude "Roter Esel" an der Friedrich-Ebert-Straße 35/37 in Solingen-Wald, zuletzt Domizil des Katasteramtes, soll verkauft werden - oder abgerissen - oder beides - oder vielleicht doch noch nicht. Bevor es endgültig aus dem Walder Straßenbild und aus der Erinnerung getilgt ist, darf noch ein wenig über die Herkunft des "famosen Titels" für das ehemalige Schulhaus vieler Walder Schülergenerationen spekuliert werden. |
Als die Häuser noch Namen trugen
Zum 50. Jubiläum dieser Gemeinschaftsschule erschien 1927 ein Artikel mit Erklärungsversuchen für den eigenartigen Gebäudenamen, ergänzt durch Schilderungen des Dorfes Wald um 1876/77, das "eigentlich" ja schon vor 20 Jahren "Stadt" geworden war.
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Solinger Tageblatt vom 14. Januar 1927 - Sch.
Zum 50jährigen Jubiläum der Schule Wald II. Der "rote Esel"und andere "sinnvolle" Walder Ortsbezeichnungen aus früherer Zeit.Das Ortsbild vor 50 Jahren
Die evangelische Volksschule Wald II [...] wird im Volksmunde "der rote Esel" genannt. Die sonderbare Bezeichnung für eine Schule macht stutzig. Es dürfte abwegig sein, diesen famosen "Titel" mit irgendeiner Persönlichkeit in Verbindung bringen zu wollen, die nun die in dem Ausdruck enthaltenen beiden Eigenschaften rot und eselig besessen und gleichzeitig mit der Schule in Beziehung gestanden hat.
Mit welcher Vorliebe der Bergische solche "sinnvollen" Ortsbezeichnungen und Namen gibt und diese dann im Volke heimisch werden, läßt sich noch an manchem Beispiel beweisen. "Am toten Schuster" nennt man die Gegend am Eigenerweg. Warum? Weil sich dort vor langen Jahren ein Schuhmachergehilfe erhängt hat. Das alte Schieferhaus zwischen dem Geschäftshaus der Firma Deppe & König und der Wirtschaft Faßbender an der Hauptstraße heißt "Im Schnupftuch", weil sein früherer Eigentümer, ein Korb- und Stuhlmacher Zenk mit Schnupftuch und Schnupftabakdose in der Erinnerung lebt. [...]
[...] wollen wir noch der jüngeren Generation erzählen, wie Wald zur Zeit der Erbauung der(s) "Roten Esels", der Schule Wald II, denn ausgesehen hat. Damals im Jahre 1876/77 war die Hauptstraße in ihrem oberen Teil nur sehr spärlich bebaut, und vom Walder Dorf (die nächste Umgebung der evangelischen Kirche) bis zur Ortschaft Demmeltrath war es durch die Abwechslungslosigkeit willen ein weiter Weg.
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Ob die 1864 zwischen Weyer und Wald mit elf Laternen eingeführte Straßenbeleuchtung inzwischen bis hierher vorgedrungen war, darf bezweifelt werden. Besser wurde die Situation sicherlich, nachdem die Kreisbahnstrecke Ohligs - Wald - Central - Solingen 1898 den Betrieb aufgenommen hatte. |
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2009 Nr. 57, das einstige Nippelsche Haus, errichtet aus roten Feldbrandsteinen und später verputzt. (Südliche Straßenseite / Rathausseite / Blickrichtung Kirche) |
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2009 Das verschieferte kleine Haus (Nr. 62) könnte das "Schnupftuch" sein. (Nördliche Straßenseite, gegenüber dem "Nippelschen Haus") |
Bedeutungsinterpretationen zur Gebäudebezeichnung "Roter Esel"25 Jahre später erschienen zum 75. Schuljubiläum eine Jubiläumsschrift und erneut einige Pressemeldungen. |
Solinger Tageblatt vom 2. Januar 1951
"De rude Esel" 75 Jahre altJubiläum der Schule Friedrich-Ebert-Straße -Woher kommt der Name?
Am 5. Januar kann die Schulgemeinde Friedrich-Ebert-Straße in Wald den Tag feiern, an dem vor 75 Jahren die jetzige evangelische Volksschule als vierklassige Simultanschule eröffnet wurde. Zur Feier des 75jährigen Bestehens wurde eine illustrierte Festschrift herausgegeben, die mit Geleitworten von Stadtdirektor Erntges, Schulrat Juffernbruch, Rektor i.R. Heinrich Hinzen und von Erich Kramp versehen ist. Rektor Diedert gibt einen Überblick über die Entwicklung der Schule und erläutert, wie die Schule im Volksmund zu der Bezeichnung "der rude Esel" kam. Es heißt da:
Die zweite Walder Schule wurde auf dem »Deutzer Feld« an der Gräfrather Straße erbaut. Diese Gräfrather Straße begann als Fortsetzung der Walder Hauptstraße (Kaiserstraße) an der Einmündung der heutigen Poststraße (Ecke »Moderne Lichtspiele« Dorten) und führte ohne Bahnüberschneidung über Demmeltrath zum Central.
Ob darüber hinaus auch der Besitzer des »Roten Esels« im Zusammenhang mit der sonderbaren Namengebung steht, kann nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. Zwar erzählen sich heute noch »Alte Walder«, daß der Besitzer einen roten Bart gehabt habe und sehr »eselig« (unfreundlich) gewesen sei. Aber diese mündlichen Ueberlieferungen sind widersprechend und daher nicht authentisch.
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Die in den Artikeln genannten Örtlichkeiten zu identifizieren, gestaltet sich bei einem Spaziergang entlang der oberen Friedrich-Ebert-Straße gar nicht so einfach, wenn man keine zeitlich passenden Adressbücher dabei hat. Zudem stimmt die Straßennummerierung der früheren Hauptstraße nicht mit der heutigen der Friedrich-Ebert-Straße überein. |
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2009 Rechts neben dem Rathaus steht das heutige Bürgerhaus (Nr. 81). Das kleine Fachwerkhaus Nr. 83 daneben war einst die "Wirtschaft Im Bürgerstübchen". Daneben der Stadtsaal. |
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2009 Vis-à-vis dem ehemaligen Rathaus stehen heute diese Häuser. Bei dem grau verputzten Gebäude mit den beiden Dachgauben handelt es sich um die einstmals so einsamen Zöllerschen Häuser - und damit um die ehemalige Buchhandlung Lesik. |
Aber vielleicht war es auch ganz anders. Es liegt bekanntlich in der Natur von Überlieferungen, dass sie immer wieder unterschiedlich ausfallen, je nach dem, wie oft sie von wem weitererzählt, ergänzt, gekürzt und uminterpretiert werden. Vielleicht stimmt ja doch die folgende überlieferte Geschichte. Ein Zeitungsleser des Jahres 1951 hat sie offenbar in einer Printausgabe von 1929 als "Eingesandt" gefunden und nun seinerseits als Leserbrief-Zitat eingesandt: |
Solinger Tageblatt vom 4. Januar 1951 - B.
Eselhalter mit rotem Haupt- und BarthaarDiese Erklärung erscheint doch glaubwürdiger
Zu dem Bericht »De rude Esel« 75 Jahre alt [...] teile ich mit, daß im Jahre 1929 ein alter Walder über die Bezeichnung »Am roten Esel« folgendes schrieb:
Uebrigens bestand die Bezeichnung »Am roten Esel« nicht allein in Wald. Auch in Solingen, richtiger in der früheren Bürgermeisterei Dorp, gab es eine Ortsbezeichnung »Am roten Esel« und zwar am Grünewald, dort, wo heute noch die alten Bungardsschen Häuser stehen (rechts vom heutigen Restaurant Grünewald). Im »Addreß-Taschen-Buch vom Herzogthum Berg und der Grafschaft Mark«, das um 1828 erschien, ist unter Dorp genannt: »Holz, W. (Wilhelm), Logiewirth. Am Esel.« Er betrieb dort neben seiner Wirtschaft auch einen Ziegelofen. 1866 noch ist der Ackerer und Wirt Friedrich Wilhelm Bungards am Esel genannt. |
Das langsame Ende eines Denkmals
Im Oktober 1984 wurde die Fassade des Verwaltungsgebäudes "roter Esel" unter Denkmalschutz gestellt, wenn auch entgegen der Bewertung des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege. Für anderweitige Verfügungen stellt dies nicht unbedingt ein sonderlich ernst zu nehmendes Hindernis dar.
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1927 Das Schulgebäude "Wald II" Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen Über das Schulgebäude "Roter Esel" (Wald II) |
Quellen:
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