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Verlöbnis und HochzeitRosenthal beschreibt den "normalen Weg" der Eheschließung und nennt dazu Beispiele aus dem 17. Jh. Dass die jungen Bräute die Zustimmung männlicher Verwandter zur Heirat benötigten, verwundert für die gute alte Zeit nicht weiter. Dass aber anlässlich von Hochzeiten Tabakspfeifen für die Armen gespendet wurden - wer hätte es gedacht? |
Der "normale Weg der Eheschließung" ... "bestand aus:
Die Bevölkerung schloß einen Kompromiß zwischen ihrer alten Gewohnheit und den kirchlichen Ehevorschriften. Nach dem ersten Aufgebot feierte man den Hilling. Das war ein fröhliches Fest, und fortan betrachtete man sich als Eheleute. Die Trauung mochte dann warten. Oder man ließ erst alle drei Proklamationen geschehen, vollzog die Ehe und ließ sich dann erst nach ein bis zwei Monaten trauen. Dadurch kamen die vielen Fälle zustande, daß die Kinder vor Ablauf von neun Monaten nach der Trauung geboren wurden. Es handelte sich also mehr um Respektlosigkeit gegenüber der Kirche als um Sittenlosigkeit. Der Familienforscher muß also mit solchen Datenverschiebungen rechnen, wenn er die Heirats- und Geburtsregister vergleichend benutzt.
Für die reformierte Gemeinde war es gerade noch tragbar, wenn der Ehepartner anderer Konfession zum reformierten Glauben übertreten wollte. Die Witwe Anna Berg hatte sich 1681 mit dem Katholiken Volrad Leßen aus dem Stift Paderborn verheiratet. Der Bräutigam versprach, zur reformierten Religion überzutreten. Die Witwe mußte aber Kirchenbuße leisten, weil sie »sich mit einem Papisten zur Ehe eingelassen« und ihn schon einige Zeit in ihrem Hause gehabt hatte. Ausweg aus Schwierigkeiten
Eigenwillige Leute machten von der Gelegenheit Gebrauch, sich von einem Geistlichen anderer Konfession trauen zu lassen, wenn ihnen in der eigenen Gemeinde Schwierigkeiten bereitet wurden. Vielfach gingen Reformierte nach Köln und ließen sich dort von einem katholischen Pfarrer trauen. Dagegen legte zwar das reformierte Konsistorium unter Umständen Beschwerde ein bei der Regierung, aber das half meistens nichts; die Ehen waren gültig. Die Regierung verfügte zwar, daß die jungen Eheleute Kirchenbuße tun sollten; damit war der Fall aber auch abgetan.
Normalerweise wurden die Hochzeiten am Tage der Trauung gehalten. Wohl wissen wir, daß im 19. Jahrhundert auch in Solingen die im Bergischen weitverbreiteten Gebehochzeiten gehalten wurden. Aus der Zeit vor 300 Jahren sind bisher aber noch keine Belege dafür beizubringen. Gelegentlich ist von großen Hochzeiten die Rede.
... Wegen des Krieges fügte man [dem Verbot des Tanzens auf den Hochzeiten] 1672 noch das Verbot der Zulassung von Spielleuten hinzu. Wer sie dennoch bestellte, sollte am Hochzeitstage nicht getraut werden. Die Tänzer sollten vom heiligen Abendmahl ausgeschlossen werden. Solche Bestrafungen kamen viel vor. Die Lebensfreude ließ sich eben nicht eindämmen. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß diese Bestimmungen nicht erst durch den puritanischen Geist der reformierten Kirche eingeführt wurden, sondern auf die vorreformatorische Zeit zurückgehen, d.h. allgemein christlichen Ursprungs sind. Tabakpfeifen zuerst in Solingen
Fanden die Trauungen in der Kirche statt, dann war es einfach, die Opfer für die Armen einzusammeln. Daher wurden die Trauungen in der Kirche lieber gesehen als die Haustrauungen, die die Bevölkerung vorzogen. So mußten sich denn die Armenpfleger auf den Weg machen und die Armenspenden einsammeln. Dazu gehörten auch die Tabakspfeifen, wie uns eine Notiz von 1675 verrät. Das ist der erste Beleg dafür, daß das Rauchen auch in Solingen eingedrungen war. Die Pfeifen wurden, wenn die Hochzeiten bei den Gastwirten stattfanden, bei den Wirten bestellt. Diese erhielten die Anweisung, die Pfeifen einzusammeln und den Armenpflegern zu übergeben, die sie dann nach Gutdünken unter die Armen verteilten."
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Mischehen auch anderer Art waren früher gar nicht gern gesehen. Erst 1809 hob die napoleonische Regierung die im Großherzogtum Berg noch geltenden Verordnungen des preußischen Landrechts auf, "... welche die Heirath der Männer aus dem Adelstande mit Frauenzimmern aus dem Bauern- oder niedern Bürgerstande verbietet, nebst Abschaffung alles Unterschiedes zwischen dem Bauern-Stande und einem höhern und niedern Bürgerstande." [Scotti Nr. 3060, 3. Teil, S. 1187] |
Verlöbnis, Aufgebot und Polterabend in Haan und SolingenVom folkloristischen Procedere bei Verlöbnis, Aufgebot und Polterabend im alten Haan (19. Jh.?) erzählt August Lomberg. In Haan sollen Gebehochzeiten, von denen noch die Rede sein wird, übrigens nicht vorgekommen sein.
"Da bei dem Verlöbnis die Eltern des Mädchens ein gewichtiges Wort mitzusprechen hatten, so suchte man auch bei diesen einen möglichst günstigen Eindruck zu machen. Nicht selten fanden sich im Hause des Mädchens zu derselben Stunde drei oder vier Burschen ein, setzten sich draußen auf die Bank und warteten, bis sie einer nach dem anderen vorgelassen wurden. Wer dann herauskam mit einer Käsbutter, der war abgewiesen; der richtige Freiersmann aber wurde zurückgehalten. ...
"Das Verlöbnis galt als Brautschau. Vettern und Basen kamen zusammen und musterten das Paar, wobei zuweilen diese oder jene Eigenschaft oder Gewohnheit eines der Verlobten, in der derbsten aber humoristischen Art, kritisiert wurde.
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Ein Edikt des Herzogs Wilhelm aus dem Jahre 1544Gründe zur Einmischung seitens der Obrigkeit gab es offenbar schon früher. So wurden Details der Hochzeitsfeierlichkeiten im Bergischen durch ein Edikt des Herzogs Wilhelm aus dem Jahre 1544 gesetzlich geregelt:
"Da Hochzeit oder Brautlaufft vorhanden, sollen die Haabseligen vier Tisch Leuth, daran ungefehrlich zwölff Menschen, an einem jeden Tisch zu setzen, und nit darüber, auff den Tag der Brauflaufft, die andern aber nach eines jeden Standts Gelegenheit, weniger und darunter halten. Und sollen auff den Gelt-Brautlaufften, die negste Blutsverwandten, Freunde, ihrem Gefallen und Gelegenheit, die Frembden so haabselig, nit höher dan einen halben Thaler, aber die andern, nach eines jeden Standts Gelegenheit, weniger geben, wie auch auff den zweiten Tag gegen den Abend, alle Gastereyen ab und auß sein sollen." |
"Missbräuche" bei HochzeitsfestenÜber die sogenannten Missbräuche beim allzu tüchtigen Feiern, die Aufforderungen zur Mäßigung nötig erscheinen ließen, schrieb Julius Günther 1929 im Bergischen Heimatblatt. Danach muss die neue französische Regierung (1806-1813) um Wohl und Wohlstand ihrer Bürger und Steuerzahler sehr besorgt gewesen sein:
"Als das ehemalige Herzogtum Berg in den ersten Jahren des vorigen Jahrhunderts unter Erhebung zum Großherzogtum in französische Verwaltung kam, wurde auch den bergischen Sitten und Gebräuchen nachgespürt, um zu erkunden, ob dieses oder jenes nach französischer Ansicht nicht mehr zeitgemäß sei und die mit den Gebräuchen zwangsläufig verbundenen Geldausgaben den Wohlstand der Einwohner etwa gefährden könnten. ...
Hochzeiten und KindstaufenAuf die Hilling-Festivitäten geht der Solinger Kreis-Physicus Dr. Spiritus gar nicht ein, und bei den Gepflogenheiten zu Familienfeiern fasst er sich kurz: |
§ 56 Hochzeiten und Kindstaufen
"Hochzeiten und Kindtaufen werden, besonders im obern Kreise, ziemlich stille gefeiert, die ehemaligen sogenannte Gebhochzeiten [223] sind abgeschafft und werden nur noch zuweilen in den Bauerngegenden am Rhein veranstaltet, wobei dann große Gastmähler und öffentliche Lustbarkeiten Statt finden." [Spiritus S. 168]
Anmerkung des Herausgebers Ralf Stremmel:
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Gebehochzeiten im 19. JahrhundertGanz so schnell wurden die Gebehochzeiten wohl doch nicht abgeschafft. In der Monatsschrift des Bergischen Geschichtsvereins (MBGV) von 1896 sind Ergebnisse einer damals bei älteren Leuten durchgeführten Umfrage abgedruckt, "welche in ihrer Jugend Gelegenheit hatten, eine der großen Gebe-Hochzeiten mitzumachen, wie sie in hiesiger Gegend üblich waren." Dabei kamen viele detailreiche Berichte heraus, z.B. diese:
"War der Tag der Hochzeit festgesetzt, so ging der Hochzeitbitter von Haus zu Haus, um die Einladungen auszurichten. Natürlich im besten Sonntagsstaat, auf dem Haupte trug er einen hohen Hut, von welchem lange bunte Bänder herniederwallten und mit eben solchen Bändern war der Stock geschmückt, dessen er sich mit Würde bediente. Hatte er die Einzuladenden angetroffen, so stellte er sich breitbeinig mit erhobenem Haupte vor sie hin, indem er seinen Stab mit seitwärts ausgerecktem Arm auf den Boden setzte und begann seine Einladung in gebundener Sprache vorzubringen.
"Es war hier Sitte, daß beim Empfang der Hochzeitsgäste die Braut oder junge Frau ein mit Bändern und Blumen geschmücktes, sogenanntes 'Kümpchen' [irdenes Gefäß] in der Hand hielt, gefüllt mit süßem Anis mit eingebrocktem Honigkuchen, woraus jeder einen Löffel voll erhielt. Es sollen dazu früher jene kleinen, zinnernen Breikacheln gebraucht worden sein, die mehrfach in Sammlungen vertreten sind. Diese zierlichen Gefäße, bei denen der Deckel als Teller dient, stammen meist aus dem vorigen Jahrhundert [= 18. Jh.] und zeigen mitunter edle, der Antike entlehnte Formen [...]. Auch erinnere ich mich, daß wohl ein Glas zu dem Zweck gebraucht wurde, woraus jeder trinken mußte.
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Quellen:
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