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Sagen und Überlieferungen
aus Barmen, Elberfeld und Langerfeld

Alte Ortsbezeichnungen in Barmen und Elberfeld
    -  Bockmühl
    -  Heckinghausen
    -  Hohenstein
    -  Tütersburg
    -  Kipdorf
    -  Rommelspütt
Elberfelds Wappen
Schelmenloch und Narrenkasten
Vom Spökenkieken



Alte Ortsbezeichnungen in Barmen und Elberfeld

Bockmühl


Die Bockmühl in Barmen. (M. Robert "Barmen".)

"In der Bockmühl bei Barmen stand seit alten Zeiten eine Ölmühle. Dieselbe war im Laufe der Jahre gar wackelig und schief geworden. Das Rad war größtenteils zerstört und versah nur höchst mangelhaft seinen Dienst. Als einst ein gewaltiger Regen die Wupper stark anschwellte, brach die Mühle zusammen und wurde von den Fluten abwärts geführt. Nur der Name der Gegend erinnert an die Vorzeit."
[Schell S. 189 (VI.120)]


 
Barmen
 
Bockmühl bei Barmen. Detail einer Ansichtskarte von 1898


Wuppertal
2009   Die Straße Bockmühle mit der ehemaligen Fabrik "Robert Zinn, Engels & Co."
 
Wuppertal
2009   Aus der ehemaligen Fabrik wurde "ART Fabrik & Kunsthotel".



Heckinghausen


Heckinghausen. (M. Robert "Barmen".)

"In der Vorzeit grauen Tagen stand an der Stelle des heutigen Heckinghausen ein vereinsamter Hof. Der Inhaber ließ, um sich gegen räuberische Überfälle und herannahendes Wild zu sichern, hohe Hecken um den Hof wachsen, welche dicht verflochten wurden und so wohl geeignet waren, seinen Bewohnern Schutz zu gewähren. Bald bürgerte sich aber der Name 'Heckenhaus' für diese Besitzung in der ganzen Gegend ein. - Nichts ist von dem Hofe mit seinen hohen Hecken geblieben als der Name, welcher auf den später dort aufblühenden Stadtteil überging. Im Laufe der Zeit wurde der Name 'Heckenhaus' in Heckinghausen umgewandelt.
Anmerkung. In alten Urkunden heißt es vielfach 'Heckenhaus'."
[Schell S. 189 (VI.121)]


Der Name "Heckinghueßen" soll 1466 erstmals in einer Beyenburger Amtsrechnung belegt sein, in der ein Hofbesitzer "Heco" genannt ist.

  Bilder aus Wuppertal-Heckinghausen


Wuppertal
 
2009
Das denkmalgeschützte Fachwerkhaus Spiekerstraße Nr. 12a (rechts) zählt zu den ältesten erhaltenen Bauwerken in Heckinghausen. Hans Heckinghaus hat es 1608 erbaut.
 



Hohenstein


Bergische Sagen, gesammelt von Otto Schell (1897)

Die Hohensteine in Barmen. (Mündlich.)

"Die gewaltigen Felsblöcke, welche an der Hohensteiner Straße in Barmen sich auftürmen, sind ein versteinertes Brautpaar. Eine Felsmasse, welche sich zwischen den beiden höchsten Spitzen erhebt, ist der Tisch, an welchem sie Karten spielen. Der Felsblock, welcher auf der einen Felsspitze liegt, ist der Hut oder Kopf des Bräutigams, welcher sich alle hundert Jahre einmal herumdreht."
[Schell S. 184 (VI.110a)]

Die Hohensteine in Barmen. (Mündlich.)

"Der Sage nach war der Hohenstein, diese imposante Felsmasse in Barmen, ehemals ein altheidnischer Götzenaltar, der Erdgöttin Hertha geweiht. Unzweifelhaft damit in Verbindung steht die noch im Volksmunde aufbewahrte Sage, daß der eine Fels des Teufels Schreibpult gewesen sei. Auch des Teufels Tintenfaß ist an diesem Schreibpult zu erkennen. Ein schwarzer Fleck wird als des Teufels Tinte gedeutet.
Ein anderer Felsvorsprung führt den Namen Teufelskanzel."
[Schell S. 185 (VI.110b)]


Wuppertal
Um 1908   Blick auf Barmen vom Hohenstein aus. Die Kirchtürme gehören zur ev. Christuskirche, St. Antonius und ev.-ref. Gemarker Kirche (von rechts nach links). Die Christuskirche wurde nach den Kriegszerstörungen nicht wieder aufgebaut, und die beiden anderen Türme sehen heute anders aus.
 
Wuppertal
Hohenstein. Nach einer Ansichtskarte

Auch heute bietet sich vom Hohenstein aus zwischen den Bäumen hindurch ein weiter Blick über die Stadt. Der steile Abhang zwischen Bogenstraße und Tannenstraße ist unbebaut geblieben. Um 1900 hatte ihn der Gartenarchitekt Arthur Stüting zu einer kleinen Grünanlage gestaltet.


Wuppertal
 
Sommer 2009
Blick vom Hohenstein
auf Barmen

Vor Ort informiert ein Schild "Geopfad Werner-Paeckelmann-Weg" über das Naturdenkmal Hohenstein als Teil eines Korallenriffs aus dem Mitteldevon, das zum großen Rheinisch-Westfälischen Kalkzug gehört. "Dieser Massenkalk erstreckt sich von Balve im Sauerland über Iserlohn, Hagen, Schwelm und Wuppertal bis ins Neandertal. Der Kopf des Felsspornes markiert die Höhenlage einer eiszeitlichen Wupperterrasse."

Der Informationstext verweist auch auf eine weitere, erstaunlicherweise noch nicht abschließend erforschte Überlieferung: "Nach einer alten Sage dreht sich um 12 Uhr mittags der Hohenstein einmal blitzschnell um sich selbst. Unbekannt ist bis heute, ob die Sommerzeit eine Rolle spielt und ob die Drehung rechts- oder linksläufig ist."




Tütersburg


Die Tütersburg in Barmen. (M. Robert "Barmen".)

"Auf der sogenannten 'Höhe' wohnte früher ein Bauersmann, der viel Vieh besaß. Da sich dasselbe beim Weiden sehr zerstreute, dachte er darüber nach, wie er es am mühelosesten jeden Abend zusammenbringen möchte, bis ihm ein glücklicher Gedanke kam. Allabendlich nahm er ein großes Horn und blies (tutete) die Herde zusammen. Erst der Tod setzte seinem Tuten ein Ende. Aber sein Andenken bewahrt der Name 'Tütersburg'.
[Schell S. 191 (VI.124a)]

Die Tütersburg in Barmen. (M. Robert "Barmen".)

"Im Dönberg hauste zur Zeit des 30jährigen Krieges eine Räuberbande (die sogenannten Buschknebler), welche das Wupperthal, vorzugsweise Barmen, mit Angst und Schrecken erfüllte! Um dem Treiben der Räuber Einhalt zu gebieten, sandte der Landesfürst, Wolfgang Wilhelm, einen Heerhaufen unter Landberg's Befehl. Landsberg stellte nun Wachen aus, um das Herannahmen des Gesindels durch Hornstoß zu verkünden. - Ein beherzter, eifriger Bursche nahm den Posten hinter Wichelhaus (jetzt Wichlinghausen) ein. Mutig stieß er jedesmal in's Horn, wenn Gefahr drohte. Sein Standort trägt seit jener Zeit den Namen 'Tütersburg'."
[Schell S. 191 (VI.124b)]



 
2007
Tütersburg,
früher Burgstraße,
Alt-Wichlinghausen


  Bilder aus Wichlinghausen



Kipdorf


Das Kipdorf in Elberfeld. (Mündlich.)

"Als noch die Burg von Elberfeld stand, erhob sich vor derselben, an der Stelle des heutigen Kipdorfs, eine Art Dorf, welches von lauter Schmieden bewohnt war. Von dem unaufhörlichen Hämmern oder Kippen derselben erhielt die Straße ihren Namen, welchen sie bis heute beibehalten hat."
[Schell S. 206 (VI.157)]




Rommelspütt


Der Rommelspütt in Elberfeld. (Mündlich.)

"Bis vor kurzem sprudelte aus der Mauer, welche das ehemalige Wülfing'sche Grundstück gegen den Rommelspütt hin abschloß, eine Quelle hervor. Aus dieser Quelle wurden in Elberfeld die neugebornen Kinder geholt."
[Schell S. 207 (VI.160)]


Wuppertal
Rommelspütt und Bachstraße (heute Gathe)

Das Sträßchen Rommelspütt verläuft heute, von der Neumarktstraße ausgehend, rechts von der neben dem Rathaus einmündenden Friedrichstraße.
 
Wuppertal
Vor 1943
Schankwirtschaft zum Rommelspütt
Bild-Quelle: Giradet, Wuppertal wie es war



Elberfelds Wappen

Wappen Elberfeld


Elberfelds Wappen. (Liesegang, Elberfelds Geschichte in Gedichten, S. 42)

Das Wappen der Stadt Elberfeld weist einen Löwen mit zwei Schweifen auf, welcher mit seiner Tatze einen Rost hält. Elf Rauten stehen im Schildesfuß. - Den Rost nahm man zu Ehren des heiligen Laurentius, des Stadtpatrons, der auf einem Roste gebraten wurde, ins Wappen auf. - Wie der Löwe der König der Tiere ist, so tritt auch gleichsam der Handel, dem Elberfeld seine Macht verdankt, als ein König auf. Die elf Rauten standen einst den Freiherrn von Elverfeld zu. Nach einer Sage nämlich [be]siegten die Bewohner hiesiger Gegend ein von Osten her kommendes feindliches Volk (nach anderen Angaben waren es die Sachsen) elfmal in den hiesigen Feldern."
[Schell S. 206 (VI.158)]


Elberfeld
 
Elberfeld vor dem Brand 1537.
Nach einem Ölgemälde nach dem Plan
von Joh. van der Waye.
Lichtdruck von W. Biede, Nürnberg,
um 1897



Schelmenloch und Narrenkasten

Auch lange schon vor der Zeit des Privatfernsehens musste die Bevölkerung auf drastische Unterhaltung, Schlammschlachten und Pranger nicht verzichten und bekam sie sogar "live" geboten.

"Barmen. Zur Bestrafung der Vagabunden und Landstreicher war ehemals auf dem Barmer Markt ein sogenannter Trißel oder ein Gitterhäuschen aufgestellt. In dieses wurden die aufgegriffenen Landstreicher, ohne Unterschied des Geschlechtes, eingesperrt und dieses dann schnell umgedreht. Darnach wurden die so Bestraften mit Kot beworfen und über das Weichbild der Stadt gebracht. Im Jahre 1747 wurde diese kleine Strafanstalt abgebrochen."
[Schell, MBGV 8/9 1897 S. 191]


Als Narrenkasten wurde um das Jahr 1623 in Elberfeld ein Pranger bezeichnet. Der Elberfelder Narrenpohl (Schandpfahl?) "lag in unmittelbarer Nähe des Kolk, wie der einzige Chronist Elberfelds, Joh. Mercken, berichtet."

Zwischen 1740 und 1750 wurde der Elberfelder Schandpfahl auf den Markt, den heutigen Altenmarkt, verpflanzt. "Auf dem Neumarkt stand der Schandpfahl bis zum Ausgang der 40er Jahre. Zuletzt soll eine Elberfelder Hebamme an demselben ausgestellt worden sein."
[MBGV 3/1898 S. 67 f]

Der Begriff "Narrenkasten" war auch in Solingen gebräuchlich: "Zu Solingen wird im Jahre 1674 das Gefängnis, in welches die Feld- und Holzdiebe vom Stadtboten abgeführt wurden, der 'Narrenkasten' genannt." [Otto Schell, MBGV 12/1899 S. 251] "Um das Jahr 1700 führt das städtische Gefängnis zu Solingen im Volksmunde den Namen 'Narrenkasten'." [A. Weyersberg, MBGV 9/1894 S. 137]

"Elberfelder Polizeistrafen von ehemals.

Im Jahre 1789 verhaftete der Elberfelder Wachtmeister Rademacher eine in eine Frau verkleidete Mannsperson an der jetzigen Hochstraße, welche zur Ausübung von 'Schurkereien' ausging. Der Betreffende wurde am nächsten Tage mit der Schelle und in seiner Vermummung durch die Stadt geführt, einige Tage im 'Brummstall' eingesperrt und dann mit einer eindringlichen Mahnung entlassen.

Auch war die Bezeichnung 'Schelmenloch' für Gefängnis üblich und galt es noch, wie aus den Ratsprotokollen zu ersehen ist, für eine schwere Beleidigung, jemand vorzuwerfen, er habe im Schelmenloch gesessen. Ein 'Schelmenturm' erhebt sich noch in Monheim am Rhein."
[O. Schell, MBGV 11/1898 S. 240]

"Elberfelder Erziehung von einst.
Am 16. August des Jahres 1810 klagte der Weber Beysing, daß sein Sohn Theodor, 19jährigen Alters, sich durchaus nicht anschicken wolle, zu arbeiten, sondern sogar immer dem Trunk nachginge und in Hurenhäusern sich aufhielte, wovon er ihn schon zurücknehmen müssen. Wegen dieses schlechten Betragens wurde der junge Beysing auf Wasser und Brot zum Civil-Arrest gebracht, um ihn nach vorheriger Züchtigung seinem Vater wieder zurückzugeben."
[Schell, MBGV 2/1899 S. 41]

Über die mehr oder weniger nachhaltigen Erfolge all dieser Maßnahmen ist nichts bekannt.




Vom Spökenkieken


Vom "Spökenkieken"

-  Kätzkengehäk  -
Von Hedwig Schreiber (1956)

Als Junge hat ihn noch mein Urgroßvater gekannt, den "Spökenkieker" Kätzkengehäk. Sein seltsamer Name ist bis auf unsere Tage gekommen. Aber was er bedeutet, kann uns niemand mehr sagen. Mit diesem Namen wurde ein Mann bezeichnet, der die Gabe besaß, Zukünftiges vorauszusehen.

Kätzkengehäk wohnte nicht weit vom Langerfelder Markt, am Hedtberg, in einem kleinen Fachwerkhaus, zu dem etwas Wiesen- und Gartenland gehörte. Er war nicht verheiratet und besorgte allein sein kleines Eigentum und seine Hühner und Ziegen. Dazu übte er das Schusterhandwerk aus.

In seiner Werkstatt sammelten sich immer wieder die Schuhe der großen und kleinen Langerfelder. Und recht oft saßen neben seinem Schusterschemel ein paar Schulkinder - zuweilen auch einige Erwachsene - auf einer Bank an der Wand. Sie blickten auf seine fleißigen Hände und in die grobe, mit Wasser gefüllte Glaskugel, die über seinem Werktisch hing, und warteten. Sie warteten nicht nur auf die Schuhe, die Kätzkengehäk wieder in Ordnung brachte, sondern auch darauf, daß der seltsame Mann anfinge zu erzählen. Oft warteten sie vergebens. Aber dann und wann lohnte sich der Besuch. Es gab Tage, an denen Kätzkengehäk mehr als sonst in seine Schusterkugel blickte. Dann ruhten seine Hände einen Augenblick, und er beugte sich vor, als wolle er etwas, was in der Kugel zu sehen war, genauer betrachten.

So war es auch einmal an einem Regentag, als der Himmel grau und düster durch das Fenster der Werkstatt blickte. An einem solchen Tag wird es früher dunkel als sonst. Der alte Schuster schlug Feuer, zündete seine Öllampe an und stellte sie so, daß die Glaskugel das Lampenlichtlein stärker und heller auf seine Hände warf. In solchen Augenblicken wurde die Kugel lebendig. Und heute war - so schien es den wartenden Kindern - in ihr ein besonderes Funkeln. Kätzkengehäk hatte schon einige Male auf sie geblickt. Jetzt ruhten seine Hände. Er beugte sich vor und sah starr in das Glas. Die Kinder hielten den Atem an. Sie spürten, wie in diesem Augenblick etwas Unheimliches über den alten Mann kam. - Und dann fing Kätzkengehäk an zu sprechen, leise und etwas traurig:

"Hunnert Johr, dat es 'ne lange, lange Tiet. Do löpt noch voll Water dän Hedtberg runner. Un unnen ob da Chaussee no Schewlm süht et dann anners ut äs vandage." Jetzt beugte er sich noch mehr nach der Kugel hin und sagte aufgeregt: "Do kömmt wat dän Riddershuser Knapp rop!" Die Kinder blickten etwas ängstlich nach der Kugel, sahen aber nichts. Kätzkengehäk aber schaute einmal wieder das Zukünftige:

"Do kömmt et! Jetz kann ek et seihn! Dat sit Wagen, en twe, drei - noch mehr, noch mehr - ohne Pädde, met füerige Oogen! Wie da Wind suset se doher! Do kann keine Postkutsche methollen! Do! - Kik do! - Jetz kann ek se nich mä seihn.-"

Der alte Schuster nahm seine Arbeit wieder auf. Die Kinder saßen eng aneinandergedrängt und mucksmäuschenstill auf der Bank. Kurze Zeit hörte man nur das Klopfen des Schusterhammers im Raum. Dann nahm sich einer der Jungen ein Herz und fragte den alten Mann: "Öhm, dat geht doch nich, ohne Pädde! Do wo sicher 'n anner Dier vor?" "Do wo kein Dier vor!" antwortete Kätzkengehäk etwas ungehalten, "dä Wagen leipen van alleene! Met ähre gro'en Füeroogen sogen se ut, as wenn se selwer Diers wö'en. Glöw get mi, Kinner, no hunnert Johr kömmt so wat öwwer dä Chaussee. Ät es nich dat erße Mohl, dat ek dä Wagen geseihn häw!"

Draußen war es dunkel geworden. Es regnete noch immer. Kätzkengehäk arbeitete schweigend. Die Kinder wagten nicht, noch weitere Fragen zu stellen. Aber es war ihnen, als würde der alte Mann ihnen heute noch mehr von den Dingen erzählen, die er allein sah. Die Kinder hatten sich nicht getäuscht.

"Jo, Kinner", fing der alte Schuster wieder an, "hunnert Johr, dat es 'ne lange, lange Tiet. No hunnert Johr si vi alle nich mä do. Vi wollt us dat ok nich wünschen. No hunnert Johr kömmt 'n Krieg, wie 'n dä Welt noch nich geseihn hät. Ok hier bi us in Langerfeld es dann Krieg ohne Erbamen. Männer, Frauen un Kinner möt ähr Läwen lo'en. Da Feinde stecket use Hüser ahn, un ut use schöne Kärke maket se 'n Päddestall."

Die Kinder blickten den Erzähler entsetzt an. Der hatte eine kleine Pause gemacht. Dann legte er den Hammer hin und strich mit der rechten Hand über Augen und Stirn, als wollte er etwas wegwischen. Jetzt fing er wieder an: "Dat löt sick nich ophollen. Dat kömmt ganz bestimmt. Mehr äs emol häw ek et geseihn. Und dann seih ek ok ümmer dä Kerkentrappe, dä no dä Chaussee runnergeht. Do kömmt wat runner wie 'ne Becke [= Bach]. Dat es kein Water, dat es Blaut, wie Menschenblaut! Kinner, Kinner, dat es dat Blaut van da aamen Lü, dä in Langerfeld umkömmt dörch Krieg un Kriegsgeschrei!"

Dieses schaurige Gesicht hat Kätzkengehäk mehr als einmal, auch im Kreise von Erwachsenen, geschildert. Der alte "Spökenkieker" hatte es schon vor 150 Jahren. Und seitdem hat in Langerfeld ein Geschlecht dem folgenden davon berichtet.

Was sagen wir Heutigen zu dem, was Kätzkengehäk einst sah? Als vor etwa 60 Jahren die erste bekränzte elektrische Straßenbahn von Barmen durch Langerfeld nach Schwelm fuhr, da erinnerte man sich bei uns an Kätzkengehäks Weissagung von den Wagen mit den feurigen Augen. Und wenn wir heute an einem frühen Winterabend, wenn der Verkehr noch rege ist, an einer Stelle der alten Chaussee stehen, wo ein größeres Stück der Straße zu überblicken ist, dann sehen wir in Wirklichkeit, was Kätzkengehäk schon vor vielen Jahren auf geheimnisvolle Weise sah. Dann kommt es herauf nach Schwelm oder hinunter nach Rittershausen - ein, zwei, drei, immer mehr Wagen ohne Pferde - mit feurigen Augen. Oft scheint die Reihe der schnellen Wagen nicht aufzuhören. Wie hastende Tiere kommen sie heran und verschwinden dann wieder in der Dunkelheit.

Die Weissagung, die Kätzkengehäk damals über unsere alte Kirche aussprach, ist auch fast wörtlich in Erfüllung gegangen. Als im letzten Krieg die Bomber mit ihrer todbringenden Last über uns zogen und wir in Todesangst in unseren Kellern saßen, da war der Krieg in seiner schaurigsten Gestalt hier in Langerfeld. In den Märztagen 1945, als die Alte Kirche durch Bombenwurf schwer beschädigt wurde, sah sie schlimmer aus als ein Pferdestall. Und was könnte man zu dem Blutbach auf der Kirchentreppe sagen? Wenn das Blut der Langerfelder Männer, Frauen und Kinder, die in jenen unseligen Tagen durch die mörderischen Bomben umkamen, die Kirchentreppe heruntergeflossen wäre - wahrlich - es hätte einen Blutbach bilden können.

Kätzkengehäk, der "Spökenkieker", ist schon lange tot. Seine Gabe, in die Zukunft zu schauen, hat er selbst nicht erklären können. Sie machte ihn auch nicht glücklich. Er soll Zeit seines Lebens darunter gelitten haben, daß die "Gesichte" über ihn kamen. Heute noch gibt es in Westfalen Menschen mit dieser Sehergabe, die immer noch Geheimnis für uns ist, und die uns an das Shakespearewort (Hamlet) erinnert: "Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als sich unsere Schulweisheit träumt."


Schusterkugel

Es gibt noch andere Weissagungen dieser Art. Otto Schell hat in seiner Sammlung bergischer Sagen diese Variante aus Radevormwald aufgeschrieben:



Bergische Sagen, gesammelt von Otto Schell (1897)

Die Erscheinung der Eisenbahn. (Remlingrade.)

"Etwa 70 bis 80 Jahre vor der Eröffnung der Bahnstrecke Beyenburg - Krebsöge, in den ersten Jahren unseres Jahrhunderts, als man überhaupt noch an keine Eisenbahnen dachte, sah ein Mann von dem Gehöfte zum Hofe im Tale der Wupper in einer Nacht eine ganze Reihe von Wagen durchs Tal fahren. Kein Pferd war zu erblicken, aber mit Feuer wurde die Wagenreihe pfeilschnell vorwärts getrieben. Als der Wagenzug an die Stelle gekommen war, wo nun die Station Remlingrade liegt, ertönte ein schriller Pfiff. Der Mann brachte die wunderliche Kunde nach Remlingrade, hinzufügend, daß eine merkwürdige Straße dereinst durchs Tal gelegt werden würde."
[Schell 1922 S. 132]


  Bergische Sagen und Spukgeschichten


Quellen:
  • Liesegang, Ed.: Elberfelds Geschichte in Gedichten. Elberfeld 1851. Zitiert bei Schell
  • MBGV 9/1894 S. 137; 8/9 1897 S. 191; 3/1898 S. 67 f; 12/1899 S. 251
  • Müller, Wolfgang / Giradet
  • Robert, M.: Barmen. Blätter aus seiner Geschichte und seinen Sagen. Barmen 1855. Zitiert bei Schell
  • Schell (1897)
  • Schreiber, Hedwig: Vom "Spökenkieken" und anderen seltsamen Begebenheiten. In: Bezirksverein Langerfeld e. V. (Hrsg.): Langerfeld im Wandel der Jahrhunderte, Heft 2, Wuppertal 1956, S. 48-55
  • Album (1908)
  • Informationstafel Geologielehrpfad Städt. Gymnasium Sedanstraße

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