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Obligationsprotokolle
als Quellen der Familien- und Geschichtsforschung

Eine aufschlussreiche Quelle für Familienforscher und Geschichtsinteressierte sind Obligationsprotokolle, so auch die von Wolfgang Wenning 1986 herausgegebenen und erläuterten "Obligationsprotokolle des Gerichts und Kirchspiels Hilden und Haan (1738-1809)". Die Protokolle verraten eine Menge nicht nur über die handelnden Personen und ihre Familienverhältnisse, sondern auch über (wechselnde) Besitzverhältnisse, Not und Armut.

Im Folgenden sind Wennings einführende Erläuterungen zitiert, die nicht nur als Hintergrund für die Haaner und Hildener Obligationsprotokolle interessant sein dürften.


Einleitung
Vorgehensweise bei gerichtlicher Schuldaufnahme
Mögliche Konsequenzen
Beispiele
Informationsgehalt
Schöffen
Verzinsung und Rückzahlung
Darlehensgeber
Obligationsprotokolle und weitere Quellen
Aus alten Obligationsprotokollen des Gerichts und Kirchspiels Hilden und Haan (1738-1809)
Zahlungsunfähigkeit anno 1731: Bankerotte und Falliten
Notizen zu Fundstellen (Solingen)



Justicia

EINLEITUNG

" [...] Obligationen, das sind Schuldverschreibungen, wir würden heute sagen Hypotheken, mit denen im Bedarfsfalle oder auch in bitterer Not Höfe, Grundstücke, mobiles und immobiles Vermögen, Hab und Gut gegen Darleihung von Geld belastet wurden und die wieder einzulösen nicht immer gelang.

Im Grunde genommen spielten solche Verpfändungen nicht nur bei armen Leuten, beim »kleinen Mann«, eine oft verhängnisvolle Rolle. Auch Fürsten und große Herren haben im ganzen Mittelalter und auch später noch Grund und Boden, Höfe, Orte, ja ganze Länder gegen Geld verpfändet, und jeder, der sich mit Territorialgeschichte befaßt, weiß, in welchem Maße solche Verpfändungen bei der Entstehung von Territorialkomplexen und Herrschaftsbereichen mitgespielt haben. Wie im großen, so auch im kleinen:

Vorgehensweise bei gerichtlicher Schuldaufnahme

Geld wurde immer wieder gebraucht, und es war zu haben, wenn man nur seine Güter damit belastete - vorausgesetzt, daß man Kredit hatte. Allgemein war es üblich, den Vorgang solcher Schuldaufnahmen in Privaturkunden, in sogenannten »Handscheinen«, zu dokumentieren.

Der Schuldner - »Debitor« - bekannte die Höhe der aufgenommenen Schuld, benannte das angemessene, zum Unterpfand gestellte, nunmehr mit der Schuld belastete Gut, traf mit dem Darleiher - dem »Kreditor« - Abmachungen über die »Interessen« - die Zinsen - und über Art und Weise der Schuldentilgung und händigte den unterschriebenen Schuldschein dem Gläubiger aus. Der größeren Sicherheit halber zog man es jedoch vor, solche Handscheine zusätzlich bei dem zuständigen Stadt- oder Landgericht, also der örtlichen untersten Gerichtsinstanz, falls es sich um Lehngüter handelte, außerdem beim Hofes- oder Hobsgericht in das Protokollbuch eintragen und damit gerichtlich »realisieren« zu lassen.

Das geschah oft lange Jahre nach Ausstellung des Handscheines. Die Realisierung einer solchen privaten Obligation konnte vom Gläubiger auch mit ausdrücklicher Duldung des Schuldners und auf dessen Kosten vorgenommen werden. Erst nach »Ablösung« - Tilgung - der Schuld wurde die vom Gerichtsschreiber ausgefertigte Eintragung »kanzelliert und deliert«, d.h. der Schuldschein wurde mit einem Schnitt ungültig gemacht und die Eintragung im Protokollbuch gestrichen. Damit war die Tilgung der Schuld amtlich bestätigt.

Bis dahin war es freilich oft ein weiter Weg, der sich über Jahrzehnte hinziehen konnte. Vielfach geschah es, daß der Schuldner oder Gläubiger inzwischen verstarb. Die Schuld oder das Guthaben wurde auf die nächste Generation vererbt und dabei notfalls mit der übrigen Erbmasse geteilt.

Wurde ein belastetes Gut verkauft, dann übernahm der Ankäufer die Schuld. Der Kreditor konnte auch seinerseits den Schuldschein wie Geld an einen anderen weitergeben, übertragen; man nennt diesen Vorgang »Transport«. Alles dieses machte eine neue Eintragung ins Protokollbuch des Landgerichts erforderlich ebenso wie auch die sogenannte »Erweiterung«, die Schuldvergrößerung, zu der sich die Schuldner oft genug gezwungen sahen.

Da es vielfach in der Obligation festgelegt wurde und wohl noch häufiger stillschweigend geübter Brauch war, daß der Schuldbetrag in einer »unzerteilten Summe«, d.h. auf einmal, im ganzen, zurückgegeben wurde, die Schuldner aber oft genug dazu nicht in der Lage waren, ja sogar mit der Zahlung der Interessen im Rückstand blieben, war es häufig nicht zu umgehen, den alten Gläubiger mit Hilfe einer neuen, an anderer Stelle aufgenommenen Obligation zu befriedigen, falls dieser die Schuld einforderte. So wurde die Verschuldung zu einem Dauerzustand, ja oft genug wuchs sie im Laufe der Jahre immer mehr; eine zweite Obligation mußte aufgenommen werden, wobei der älteren der unbedingte Vorrang gewahrt blieb.

Wenn schließlich niemand mehr Kredit gewähren wollte und der Gläubiger das Geld vergeblich einforderte, blieb ihm das »Versatzrecht« als wirksame Maßnahme, um zu dem Seinen zu kommen. Der erste behördliche Schritt war die »Arrestierung« des verschuldeten und verpfändeten Vermögens, d.h. dem Schuldner wurde von Amts wegen untersagt, das Pfand zu veräußern und eine neue Schuld darauf aufzunehmen.

Die Versatzzeit war gewöhnlich auf 28 Jahre befristet. Der Schuldner verlor damit auf die Dauer der Versatzzeit das Verfügungs- und Nutzungsrecht über sein Eigentum. Der Versatzinhaber konnte das Haus bewohnen, konnte Änderungen vornehmen, es seinerseits verpfänden. Vor allem standen ihm die Ernteerträge zu.

Mögliche Konsequenzen

Keine außergewöhnliche Belastung, kein Unglücksfall entband den Gläubiger von seiner Rückerstattungspflicht. So heißt es in der Obligation Nr. 359 mit aller Eindeutigkeit: »Von dieser Zahlung soll uns und unsere Erben nicht befreien Mißwuchs, Brand, Krieg, gewöhnliche oder ungewöhnliche Schatz (Steuer), Kapitation (Kopfsteuer), Einquartierung, Lieferung und sonstige Kriegspraestationen (Kriegsleistungen), Kontributionen, Moratoria (künstliche Verzögerungen, Winkelzüge), Indulta (Nachsicht, Stundungen), geistliche und weltliche Auflagen, wie solche auf Personen, Kapitalien, Interessen (Zinsen) oder Pensionen gelegt werden mögen, noch auf sonstige, von Gott oder Menschen herkommende vor- oder nicht vorgesehene Vorfälle, inmaßen wir für uns und unsere Erben und Nachkommen alle oben erwähnten Fälle allein und ohne Abzug (von der Schuld) zu tragen übernehmen.«

Das waren keineswegs nur herkömmliche Redewendungen. Hinter ihnen drohte als traurige Endstation die gerichtliche Versteigerung »sub hasta« - unter der Lanze -, die Subhastation, mit der das verpfändete Gut endgültig und unwiderruflich Eigentum eines anderen wurde.

Soviel über den Vorgang einer gerichtlichen Schuldaufnahme und über ihre letzten Konsequenzen!

Beispiele

Diese juristischen Gepflogenheiten werfen Schlaglichter auf oft dunkle soziale Verhältnisse, auf die fortschreitende Verarmung von Familien, auf bittere Not. So zum Beispiel muß eine alte Frau, um leben zu können, Karren, Pferd, Pflug und Zubehör verpfänden (Obligation Nr. 301), ein Handwerker stellt für erhaltenen Stahl seinen Amboß zum Unterpfand (Obligation Nr. 275), ja sogar das Bett wird verpfändet (Obligation Nr. 441), für eine Forderung von 6 Talern 54 Stüber stellt ein Kleinbauer »sein braunes Kühchen« mit dem Recht der Wiederlöse zum Unterpfand (Obligation Nr. 401).

Mehrfach zwang auch ein Brandunglück zur Aufnahme einer Schuld, da es noch keine Feuerversicherung gab. [...] So decken viele Einzelheiten dieser auf den ersten Blick so trockenen Eintragungen menschliche Hintergründe auf, die das Bild des damaligen Lebens eindrucksvoll veranschaulichen. Man muß nur aufmerksam lesen. [...]

Informationsgehalt

Die Obligationen enthalten eine Fülle von Personennamen, und zwar nicht nur die der Schuldner und Gläubiger, sondern auch die ihrer Ehefrauen oder ihrer mündigen oder auch unmündigen Kinder und deren Vormünder. Weiter erfahren wir sehr oft etwas von anderen Familienangehörigen, von Eltern und Voreltern, Geschwistern und Schwägern, die namentlich aufgeführt werden.

[...] indem sie ihr Eigentum zum Pfand stellen, das fast in der Regel benannt wird, erfahren wir auch etwas über ihre Besitzverhältnisse und über den Wandel derselben. Die zum Unterpfand gestellten Güter werden ja häufig genau beschrieben, vor allem wird etwas über ihre Herkunft ausgesagt, über Teilung, Erwerb und Verkauf, über Brände und Neubau von Häusern, die etwa im Zusammenhang mit Erbteilungen auf einem erblich zugefallenen Grundstück errichtet wurden. Ankäufe, Verkäufe, Teilungen, Subhastationen werden genau datiert, Erblasser oder Verkäufer erscheinen mit Namen, kurzum, hier liegt abermals eine Fülle von Einzelheiten vor, die über die Geschichte von Höfen Auskunft geben.

Schöffen

Die erste Eintragung in das Obligationsprotokoll des Landgerichts Hilden und Haan datiert mit dem 1. Mai 1738. Zu dieser Zeit war die schon im 12. Jahrhundert nachweisbare Verwaltung durch Schultheißen und Schöffen bereits in ihr Endstadium eingetreten. [...]

In der Regel wurden die Obligationsurkunden von zwei Schöffen unterschrieben, wozu aber vom 23. Mai 1774 an [...] die Unterschrift des Solinger Amtsrichters Joseph Karsch kam. Leider fehlen bei den meisten Eintragungen die Unterschriften, und deshalb ist die folgende Liste der Schöffen, die auf den Obligationen beruht, unvollständig, vielleicht auch nicht immer zuverlässig. Handelt es sich doch - über einen weiten Zeitraum hin - nur um protokollartige Eintragungen mit abgeschriebenen, nicht eigenhändigen Unterschriften, in denen nur der Familienname angeführt wird. Folgende Schöffen konnten festgestellt werden:

Johannes Holthausen (Hilden) 1738
Johannes Becker (?) 1738
Henrich Ludwig Stock (Hilden) 1739 Wilhelm Heusgen (Hilden) 1739
? Heusgen (?) 1771-1774
Konrad Deuß (Haan) 1739
Peter Kemperdick (Hilden) 1771-1778
Adolf Gulicher (Gülicher) (Haan) 1774-1790
Peter Gulicher (Haan?) 1775
Theodor Gulicher (Haan?) 1775
Engelbert Morschbach (Hilden) 1779
Christoffel Kemperdick zu Karchhaus 1794
J. Anton Morschbach (Hilden) 1781-1807
? Flaßkamp (Haan?) 1795-1797
Wilhelm Pilscheur (?) 1798/99
Wilhelm Baur (Hilden) 1798-1803
Johann Wilhelm Deuß (Haan?) 1801-1803
Johann Friedrich Schmachtenberg (Hilden?) 1804-1807

Die Hildener Schöffen hatten am 28. Dezember 1802, die Haaner am 14. Januar 1803 den Eid auf den neuen Landesherrn Kurfürst Maximilian Joseph von Bayern geleistet, und im gleichen Zusammenhang hatte auch Karsch das Amt des Schultheißen übertragen bekommen.

Am 15. März 1806 trat der Landesherr Kurfürst Maximilian Joseph von Bayern das Herzogtum Berg an Napoleon ab, und am 18. November 1808 wurde die französische Munizipalverwaltung eingeführt, endlich am 11. Januar 1809 das Lehnswesen aufgehoben. Damit hatten alle Grundlagen, auf denen die bisherige Kirchspielverwaltung durch Schultheißen und Schöffen beruhte, ihr Ende gefunden.

Die Obligationen wurden [danach] nicht mehr - wie bisher - im bergischen Landgericht beim Solinger Amtsrichter amtlich realisiert; sie rechtskräftig zu machen, wurde künftig Angelegenheit des Notars. Mit dem 28. Dezember 1809 datiert die letzte Eintragung in unserem Protokollbuch. [...]

Verzinsung und Rückzahlung

Zunächst etwas über die »Interessen«, also über die Verzinsung des von dem Gläubiger dargeliehenen Kapitals.

[...] Es überrascht, wenn sich der Zinsfuß im Verlauf der insgesamt sieben oder acht Jahrzehnte dauernden Eintragungsperiode eigentlich kaum wandelte. Er bewegt sich zwischen 3 und 5%. Doch wird die obere Grenze nur selten erreicht, und meistens verhält es sich dann so, daß der Gläubiger sich bei pünktlicher Bezahlung mit 3 1/2 bis 4% begnügen wollte. [...]

Wir dürfen auch nicht übersehen, daß es damals eine Amortisationsrechnung mit fortschreitender Tilgung noch nicht gab. Vielmehr wurde - wie schon gesagt - oft ausdrücklich festgelegt, daß der Schuldbetrag in einer »unzerteilten Summe«, also auf einmal, zurückgezahlt werden solle.

Bemerkenswert ist die in den letzten beiden Jahrzehnten üblich werdende Limitierung der Ausleihe. In größerer Häufigkeit findet sich also die Eintragung eines Termins, bis zu dem die Schuld zurückgezahlt sein sollte.

Das Geld wurde in »harter, klingender Münze« gegeben und auch in gleicher Weise wieder zurückverlangt.

Damit kommen wir zu einer sehr verworrenen Angelegenheit, der Frage nach den im Leihverkehr gebräuchlichen Münzsorten. Fast durchweg werden Taler oder Reichstaler gezahlt, bzw. die Höhe der Schuld wird im Talerwert eingetragen, und zwar zumeist mit der Angabe »zu 80 Albus«.

Der Taler, der schon in vorausgegangener Zeit den ihm ursprünglich gleichgesetzten Gulden verdrängte, hatte sich nun seinerseits in den einzelnen deutschen Ländern differenziert, so daß ein großes Durcheinander entstanden war. Im Rheinland galt er [...] soviel wie 78 Albus; doch findet sich dieses Maßverhältnis in unseren Protokollen niemals. Dagegen wird wiederholt ein anderer, der Speziestaler, angeführt, der einen Gegenwert von nur 40 Albus (klevisch) hatte, also wesentlich weniger galt. [...]

Die Verwirrung war also im deutschen Münzwesen beträchtlich groß; und deshalb wurde auch vielfach auf den Schuldscheinen ausdrücklich festgelegt, daß der Betrag in ebensolchen Münzsorten, wie ausgeliehen, wieder zurückgegeben werden müsse. [...]

Darlehensgeber

An wen wandte man sich, wenn man Geld benötigte? Heute ist der allgemein übliche Weg der zu einem Geldinstitut, einer Bank also oder einer Sparkasse, die es beide damals in der heutigen Form noch nicht gab.

Zunächst wird man, wenn es sich machen ließ, die Angelegenheit in der Familie belassen haben, oder - wenn man etwa die Gefahr eines aus einem Geldgeschäft erwachsenden Familienzwistes befürchtete - zu geldkräftigeren Nachbarn oder Ortsbewohnern gegangen sein.

Vielfach wurde aber auch der Weg in einen benachbarten Ort eingeschlagen. Hier boten sich in erster Linie die Städte Solingen, Elberfeld und Düsseldorf, aber auch Wald und die alte Freiheit Gräfrath an, wo es wohlhabende Bürger gab, die gerne ihr ruhendes Geld ausliehen, um mit den Zinsen eine Einnahmequelle zu haben.

In der Zahl der Gläubiger erscheinen viele der lokalen Forschung bekannte Namen, neben hochgestellten Beamten des Hofes oder Staates Pastoren, sehr häufig Kaufleute, was fast in der Regel soviel wie industrieller Unternehmer bedeutete. [...]

Endlich aber sind ziemlich häufig kirchliche Institutionen anzutreffen, die ihr Kapital durch Ausleihen vermehrten: die Gemeindekasse, die Provisoren, das Kapitel, der Armenfonds usw.; auch die Schulen fehlten nicht, die ja großenteils damals auch kirchliche Einrichtungen waren. Gerade diese Ämter, die über ruhendes Geld (Stiftungen, Legate) verfügten, können auf dem Gebiet des Darleihverkehrs als eine Vorstufe der Geldinstitute unserer Zeit angesehen werden.

Juden werden in den Hildener Obligationsprotokollen sehr selten als Geldverleiher in Obligationen oder Wechseln aufgeführt - immerhin eine interessante Tatsache, die im Widerspruch steht zu häufigen gegenteiligen Vermutungen. [...]

Obligationsprotokolle und weitere Quellen

Die »Obligationsprotokolle des Gerichts der Kirchspiele Hilden und Haan» befinden sich unter der Signatur »Bergische Gerichte« XVI Nr. 5 Bd. 1-3 im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf [...].

Die Obligationsprotokolle [...] schlagen eine Brücke zwischen den Verzichtbüchern und älteren Steuerlisten des 17. Jahrhunderts und den im Stadtarchiv Hilden vorliegenden Einwohnerlisten des 19. Jahrhunderts sowie zu der gleichfalls im Stadtarchiv aufbewahrten ältesten Hildener Katasterkarte von 1830, in die für jedes Grundstück der damalige Eigentümer eingetragen wurde. Sie ergänzen auch die wichtigen Steuerlisten von 1724/25. [...]

Natürlich erwähnt das Obligationsprotokoll nicht jeden vorhandenen Hof, sondern nur die damals verschuldeten. [...]

Es sei in erster Linie hingewiesen auf:
H. Strangmeier, Verzichtbuch der Kirchspiele Hilden und Haan (1562-1623)
= Niederberg. Beiträge Bd. 21/1970 und 22/1970}
H. Strangmeier, Die Hildener Steuer- und Höfeliste von 1724/25 und ihre Bedeutung für die örtliche Siedlungskunde, in: Hild. Jahrbuch Bd. 2/1937-38 S. 98-151;
Elisabeth Kraut, Die Register des Personenstandes von Hilden und Eller
= Niederberg. Beiträge Bd. 9/1966;
Ursula Müller-Scharrenberg, Die Hildener Bevölkerungsaufnahme von 1840
= Niederberg. Beiträge Bd. 18/1969. [...]

Hilden, im Juni 1977
Dr. Wolfgang Wennig"


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Beispiele: Aus alten Obligationsprotokollen
des Gerichts und Kirchspiels Hilden und Haan (1738-1809)

Ein paar Beispiele, die m. E. für sich sprechen, seien hier ohne weiteren Kommentar aufgeführt.

Als kleiner Anhaltspunkt, um sich ein Bild über die Größenordnung der Schulden machen zu können: Ein Tagelöhner verdiente an einem Tag bei zwölf und mehr Stunden Arbeit ca. 12 Stüber, ein Schmiedemeister 20 Stüber. Ein Pfund Butter kostete 8 Stüber, 1 Pfund Fleisch 3 Stüber [Voigt S. 94], ein 12pfündiges Schwarzbrot 7 Stüber 10 Heller [Lomberg S. 79] Ein Reichstaler hatte 60 Stüber.

  Mehr über Löhne und Preise
  Mehr über die alten Zahlungsmittel


Justicia

Aus Obligationsprotokollen des Gerichts der Kirchspiele Hilden und Haan (1738-1809)


Nr. 211   Haan?   1768 März 15

Begleichung einer Schuld
Jacob Olbertz schuldet dem Mathias Hasenclever und Nippel 7 Thaler, da er sie nicht zahlen kann, hat er, Olbertz, ihnen ein Ober- und Unterbett, 3 Kissen und einen Tannentisch für 12 Taler verkauft. "Und seynd die 5 Taler herausbezahlt worden."



Nr. 275  -  1773 Mai 3

Schuldner: Peter Joan Dorp
Gläubiger: Clemens Goerds zu Schwabshausen
Betrag: empfangener Stahl und aufgelaufene Zinsen
Pfand: der Schmiede-Amboß des Schuldners



Nr. 289   -   1773 Mai 3

Schuldner: Joan Peter Schmitt und Katharina Margeretha Cronenberg
Gläubiger: Clemens Goerds zu Schwabshausen
Betrag: 45 Taler
Pfand: "all ihr habende und künftig zu erwartende Mobilargüter"



Nr. 290   Hilden   1773 Juli 25

Schuldner: Peter Drencker, Eheleute, und ihre großjährige Tochter Sophia Giertrud Bühren
Gläubiger: Dr. med. und kurfürstlich pfälzischer Hofrat Brinckmann und dessen Frau Anna Maria Gertrud geb. Günther
Betrag: 150 Taler
Pfand: das "Groß-Hülsener Gut", auf dem bereits eine Last von 1455 Talern ruht und von dem Sophia Giertrud Bühren ein Fünftel zu erwarten hat. Die Schöffen Kemperdick und Gülicher haben das Gut auf 3 200 Taler taxiert.



Nr. 301   Hilden   1774 März 3

Schuldner: Wittib Bausenhaus (wohnhaft auf der Meide)
Gläubiger: der Jude Herz Salomon von der Urdenbach
Betrag: 12 Taler und 2 Malter Buchweizen
Pfand: ihr Pferd, Karren, Pflug und Zubehör



Nr. 401   -   1782 März 5

"Joan Peter Hackenstraß hat dem Peteren Holler vermög Handscheins vom 5. März 1782 für eine Forderung von 6 Talern 34 Stübern sein habendes braunes Kuihgen (Kühchen) für einen vereinigten (vereinbarten) Kaufschilling von 7 Talern dergestalt verkauft, daß selbige (die Kuh) ihm für 1 Taler bis Jacobi (25. Juli) in der Heuer (= in der Form eines Miet- oder Pachtverhältnisses) belassen werden sollte. Vor Verlauf des termini solle dem Hackenstraß frei stehen, solche wieder einlösen zu können, nach Ablauf des termini hat die Einlöse aber keine Statt mehr."



Nr. 432   Haan (?)   1783 Mai 2

Schuldner: Adolph von der Gathen und Anna Katharina von Steinbeck, Eheleute
Gläubiger: Johann Wilhelm Müller zu Feldt
Betrag: 100 Taler in der Zeit vom März 1781 bis Mai (1783?) für Brot und anderes, insgesamt mit Zinsen 132 Taler
Pfand: alle Habschaft



Nr. 439   Hilden   Handschein: 1778 März 1, eingetragen: 1784 Juni 3

Schuldner: Wittib Behrenhaus
Gläubiger: reformierte Armenprovisoren zu Hilden
Betrag: 100 Taler
Zweck: Notdurft und Lebensunterhalt
Pfand: 1/2 "Hahners Haus"



Nr. 441   Haan   1784 März 1

Schuldner: Johann Dierich Bollenhey(dt)
Gläubiger: Johann Wilhelm Becher
Betrag: 13 Taler 32 Stüber
Pfand: das vollständige Bett mit allem Gezau (= Ausrüstung, Bettzeug)



Nr. 459   Hilden   1786 Mai 24

Schuldner: Johann Henrich Walber und Anna Christina Schlick, Eheleute
Gläubiger: Wilhelm Greff
Betrag: 40 Taler auf ein Jahr
Pfand: Hab und Gut



Nr. 468   Hilden   1786 Mai 18

Schuldner: Eheleute Wilhelm Lauterbach
Gläubiger: reformiertes Konsistorium in ?
Betrag: rückständige Pacht
Pfand: die Branntweingeräte



Nr. 564   vermutlich Hilden   1792 August 31

Schuldner: Wittib und Peter Bausenhaus
Gläubiger: Kaufmann Johann Schimmelbusch
Betrag: 13 Taler 25 Stüber
Pfand: Gereide, besonders ihre Webgezau (Webstuhl), Kamm und Ried



Nr. 623   -   1795 Mai 14

Schuldner: Wilhelm Bastian
Gläubiger: Heinrich Wester
Betrag: 100 Taler
Pfand: "alles, was er hat und weiß zu bekommen"



Nr. 625   Haan   1795 Juli 30

Schuldner: Johann Wilhelm Bastian am Heydtberg
Gläubiger: der Schatzjude Marcus Schilo
Betrag: 100 Gulden für eine Sackuhr und sonstige Waren
Pfand: gegenwärtiges und künftiges Vermögen



Zahlungsunfähigkeit anno 1731: Bankerotte und Falliten


Kurfürst Carl Philipp von Pfalz-Neuburg
Carl Philipp
von Pfalz-Neuburg
 

Schulden werden also nicht erst im Zeitalter von Kreditkarten und Konsumpflicht gemacht, und die Zahlungsmoral - oder vielmehr Zahlungsfähigkeit - war auch früher nicht immer so, wie es sich die Gläubiger gewünscht hätten. An staatliche Auffangmechanismen für insolvente Schuldner war nicht zu denken, und von Schuldnerberatung und Umschuldung war im 18. Jh. noch nicht die Rede. Wie wenig rücksichtsvoll man mit den Zahlungsunfähigen und "Bankrotteuren" umging, offenbart ein Artikel in "Die Heimat" aus dem Jahr 1968.


Ein Edikt des Kurfürsten Carl Philipp

Geschäfts- und auch Privatleute, die leichtsinnig mit ihrem Geld und Gut umgingen, und nicht wirtschaften konnten, hatten es in früherer Zeit nicht leicht. Schwere Strafen drohten, wenn eingegangene Zahlungsverpflichtungen nicht eingehalten werden konnten und überdies der Bankrott erklärt werden mußte.

Dies entnehmen wir einem Verdikt [= Urteilsspruch; eher ein Edikt = amtlicher Erlass] des Kurfüsten Carl Philipp vom 6. Dezember 1731, "die Bankerotten und Fallimente und die Zahlungs-Ausstandsbewilligungen (Indulten, Moratorien) betreffen".

Alle durch "Unglücksfälle" zahlungsunfähig werdenden Untertanen mußten dies der Obrigkeit anzeigen, welche sofort die Beschlagnahme des Vermögens vornehmen mußte. Diejenigen, die ihre Zahlungsunfähigkeit verschwiegen, wurden mit Arrest bestraft. Ebenso wurden diejenigen festgesetzt, die sich Zahlungsaußenstände erschlichen.

Die "muthwilligen Bankerottirer" wurden zu lebenslänglicher Haft und zu öffentlicher Schanzarbeit verurteilt, desgleichen auch die "frevelhaften Falliten", denen auch dann kein Strafnachlaß gewährt wurde, wenn sie ihre Güter abtraten oder Vergleiche mit den Kreditgebern geschlossen hatten.

Diejenigen, die trotz der Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit noch Geld annahmen, verloren die Fähigkeit zu allen öffentlichen Ämtern, sie sollten "für infam gehalten und empfindlich gestraft werden".

Gegen die in betrügerischer Absicht bei verheimlichter Zahlungsunfähigkeit Geld borgenden "Falliten, welche dieses, Waaren und anderes Vermögen zum Nachtheil ihrer Gläubiger verhehlen, soll peinliche, infamirende resp. Todesstrafe erkannt" werden.

Wenn es erwiesen sei, daß die Ehefrauen der Bankrotteure mitschuldig seien, weil sie nicht wirtschaften konnten, so solle gegen sie als Mitschuldige verfahren werden.

[Die Heimat 5/1969, S. 20 - H.W.]


Ob es den Gläubigern genützt hat? - Wie tief mancher Untertan im 18. Jh. in die Schuldenfalle und in die Armut geraten ist, zeigt der Blick in die zitierten Obligationsprotokolle.




Notizen zu Fundstellen (Solingen)

Zahlreiche auch heute noch bekannte Solinger Namen - viele aus dem metallverarbeitenden Gewerbe - finden sich in den Obligationsprotokollen "für das ganze Amt Sohlingen" (Kirchspiele Solingen, Wald, Gräfrath, Sonnborn) der Jahre 1720 bis 1807. Sie werden im Düsseldorfer Staatsarchiv aufbewahrt. Dies sind einige Fundstellen zu Familie Mutz und verbundenen Familien. Weitere Details sind mir derzeit nicht bekannt.

"Obligations Protocollum", Staatsarchiv Düsseldorf - Berg, Gerichte
Für das ganze Amt Solingen. Johann Lambert Becker, Gerichtsschreiber

XVI 6 Bd. I   01.05.1720-10.10.1738
XVI 6 Bd. II  16.10.1738-28.06.1754
XVI 6 Bd. III 1754-1769
XVI 6 Bd. V   07.05.1792-25.05.1807

Seite  Datum         Schuldner               Ortschaft

 15          1720    Johann Mutz             (1719)                       -
 15    01.07.1720    Conrad Mutz             Suppenheide                  E
130    01.05.1722    Henrich Kirschbaum      Thewendyck
150    02.05.1723    Johann Mutz             Zur Kleinen Ehren
255    04.12.1726    Wilhelm Keusenhoff      Keusenhof
298    23.10.1727    Wilhelm Keusenhoff      Keusenhof

575    29.05.1734    Henrich Hartkopf        Zum Scheidt 
580    04.05.1734    Johannes Mutz           Wald                         E
601    09.12.1734    Peter Mutz              Sonnenschein                 E
632    06.06.1735    Henrich Hartkopf        Merscheit                    E
720    23.05.1738    Wilhelm Rölgen          Grefrath Igelsforst          E

387    05.12.1746    Henrich Hartkopf        Merscheid                    E
546    22.05.1750    Peter Mutz              Im Sonnenschein
                     (4. Teil Kotten auffer Itterbach)                   -
122    14.06.1756    Andreas Elscheid        Im Loch                      E 
340    01.03.1762    Andreas Elscheid        Im Loch                     (E)

417    08.12.1763    Ab. + Peter Mutz        Zur Kleinen Ehren            E
499    30.04.1765    Abraham Mutz            Altenhoff                    E
574    08.07.1765    Peter Mutz              ?                            -
672    04.08.1768    Peter Johann Ab. Mutz   Altendorf (bey Wald)         E

250    30.01.1798    Peter Mutz              Nümmen + Unten zu Ketzberg   E
343    23.06.1780    Abraham Mutz            Zur Kleinen Ehren            E

428 Rs 25.05.1802    Peter Benjamin (?) Mutz Bavert                      (E)
454 Rs 12.02.1805    Wilhelm Mutz            Itter                        -

[Weiland]


Quellen:
  • Lomberg, August: Heimatbuch Haan (1928)
  • Voigt, Günther: Langerfeld (o.J.)
  • Weiland, Gerd (2009)
  • Wenning, Wolfgang: Obligationsprotokolle Hilden und Haan (1738-1809), NB 50 (1986)
  • Die Heimat 5/1969 S. 20 - H.W. (Herbert Weber)

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