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Eine aufschlussreiche Quelle für Familienforscher und Geschichtsinteressierte sind Obligationsprotokolle, so auch die von Wolfgang Wenning 1986 herausgegebenen und erläuterten "Obligationsprotokolle des Gerichts und Kirchspiels Hilden und Haan (1738-1809)". Die Protokolle verraten eine Menge nicht nur über die handelnden Personen und ihre Familienverhältnisse, sondern auch über (wechselnde) Besitzverhältnisse, Not und Armut.
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EINLEITUNG
" [...] Obligationen, das sind Schuldverschreibungen, wir würden heute sagen Hypotheken, mit denen im Bedarfsfalle oder auch in bitterer Not Höfe, Grundstücke, mobiles und immobiles Vermögen, Hab und Gut gegen Darleihung von Geld belastet wurden und die wieder einzulösen nicht immer gelang.
Geld wurde immer wieder gebraucht, und es war zu haben, wenn man nur seine Güter damit belastete - vorausgesetzt, daß man Kredit hatte.
Allgemein war es üblich, den Vorgang solcher Schuldaufnahmen in Privaturkunden, in sogenannten »Handscheinen«, zu dokumentieren.
Keine außergewöhnliche Belastung, kein Unglücksfall entband den Gläubiger von seiner Rückerstattungspflicht. So heißt es in der Obligation Nr. 359 mit aller Eindeutigkeit: »Von dieser Zahlung soll uns und unsere Erben nicht befreien Mißwuchs, Brand, Krieg, gewöhnliche oder ungewöhnliche Schatz (Steuer), Kapitation (Kopfsteuer), Einquartierung, Lieferung und sonstige Kriegspraestationen (Kriegsleistungen), Kontributionen, Moratoria (künstliche Verzögerungen, Winkelzüge), Indulta (Nachsicht, Stundungen), geistliche und weltliche Auflagen, wie solche auf Personen, Kapitalien, Interessen (Zinsen) oder Pensionen gelegt werden mögen, noch auf sonstige, von Gott oder Menschen herkommende vor- oder nicht vorgesehene Vorfälle, inmaßen wir für uns und unsere Erben und Nachkommen alle oben erwähnten Fälle allein und ohne Abzug (von der Schuld) zu tragen übernehmen.«
Diese juristischen Gepflogenheiten werfen Schlaglichter auf oft dunkle soziale Verhältnisse, auf die fortschreitende Verarmung von Familien, auf bittere Not. So zum Beispiel muß eine alte Frau, um leben zu können, Karren, Pferd, Pflug und Zubehör verpfänden (Obligation Nr. 301), ein Handwerker stellt für erhaltenen Stahl seinen Amboß zum Unterpfand (Obligation Nr. 275), ja sogar das Bett wird verpfändet (Obligation Nr. 441), für eine Forderung von 6 Talern 54 Stüber stellt ein Kleinbauer »sein braunes Kühchen« mit dem Recht der Wiederlöse zum Unterpfand (Obligation Nr. 401).
Die Obligationen enthalten eine Fülle von Personennamen, und zwar nicht nur die der Schuldner und Gläubiger, sondern auch die ihrer Ehefrauen oder ihrer mündigen oder auch unmündigen Kinder und deren Vormünder. Weiter erfahren wir sehr oft etwas von anderen Familienangehörigen, von Eltern und Voreltern, Geschwistern und Schwägern, die namentlich aufgeführt werden.
Die erste Eintragung in das Obligationsprotokoll des Landgerichts Hilden und Haan datiert mit dem 1. Mai 1738. Zu dieser Zeit war die schon im 12. Jahrhundert nachweisbare Verwaltung durch Schultheißen und Schöffen bereits in ihr Endstadium eingetreten. [...]
Zunächst etwas über die »Interessen«, also über die Verzinsung des von dem Gläubiger dargeliehenen Kapitals.
An wen wandte man sich, wenn man Geld benötigte? Heute ist der allgemein übliche Weg der zu einem Geldinstitut, einer Bank also oder einer Sparkasse, die es beide damals in der heutigen Form noch nicht gab.
Die »Obligationsprotokolle des Gerichts der Kirchspiele Hilden und Haan» befinden sich unter der Signatur »Bergische Gerichte« XVI Nr. 5 Bd. 1-3 im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf [...].
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Beispiele: Aus alten Obligationsprotokollen
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Aus Obligationsprotokollen des Gerichts der Kirchspiele Hilden und Haan (1738-1809) Nr. 211 Haan? 1768 März 15 Begleichung einer Schuld Jacob Olbertz schuldet dem Mathias Hasenclever und Nippel 7 Thaler, da er sie nicht zahlen kann, hat er, Olbertz, ihnen ein Ober- und Unterbett, 3 Kissen und einen Tannentisch für 12 Taler verkauft. "Und seynd die 5 Taler herausbezahlt worden." Nr. 275 - 1773 Mai 3 Schuldner: Peter Joan Dorp Gläubiger: Clemens Goerds zu Schwabshausen Betrag: empfangener Stahl und aufgelaufene Zinsen Pfand: der Schmiede-Amboß des Schuldners Nr. 289 - 1773 Mai 3 Schuldner: Joan Peter Schmitt und Katharina Margeretha Cronenberg Gläubiger: Clemens Goerds zu Schwabshausen Betrag: 45 Taler Pfand: "all ihr habende und künftig zu erwartende Mobilargüter" Nr. 290 Hilden 1773 Juli 25 Schuldner: Peter Drencker, Eheleute, und ihre großjährige Tochter Sophia Giertrud Bühren Gläubiger: Dr. med. und kurfürstlich pfälzischer Hofrat Brinckmann und dessen Frau Anna Maria Gertrud geb. Günther Betrag: 150 Taler Pfand: das "Groß-Hülsener Gut", auf dem bereits eine Last von 1455 Talern ruht und von dem Sophia Giertrud Bühren ein Fünftel zu erwarten hat. Die Schöffen Kemperdick und Gülicher haben das Gut auf 3 200 Taler taxiert. Nr. 301 Hilden 1774 März 3 Schuldner: Wittib Bausenhaus (wohnhaft auf der Meide) Gläubiger: der Jude Herz Salomon von der Urdenbach Betrag: 12 Taler und 2 Malter Buchweizen Pfand: ihr Pferd, Karren, Pflug und Zubehör Nr. 401 - 1782 März 5 "Joan Peter Hackenstraß hat dem Peteren Holler vermög Handscheins vom 5. März 1782 für eine Forderung von 6 Talern 34 Stübern sein habendes braunes Kuihgen (Kühchen) für einen vereinigten (vereinbarten) Kaufschilling von 7 Talern dergestalt verkauft, daß selbige (die Kuh) ihm für 1 Taler bis Jacobi (25. Juli) in der Heuer (= in der Form eines Miet- oder Pachtverhältnisses) belassen werden sollte. Vor Verlauf des termini solle dem Hackenstraß frei stehen, solche wieder einlösen zu können, nach Ablauf des termini hat die Einlöse aber keine Statt mehr." Nr. 432 Haan (?) 1783 Mai 2 Schuldner: Adolph von der Gathen und Anna Katharina von Steinbeck, Eheleute Gläubiger: Johann Wilhelm Müller zu Feldt Betrag: 100 Taler in der Zeit vom März 1781 bis Mai (1783?) für Brot und anderes, insgesamt mit Zinsen 132 Taler Pfand: alle Habschaft Nr. 439 Hilden Handschein: 1778 März 1, eingetragen: 1784 Juni 3 Schuldner: Wittib Behrenhaus Gläubiger: reformierte Armenprovisoren zu Hilden Betrag: 100 Taler Zweck: Notdurft und Lebensunterhalt Pfand: 1/2 "Hahners Haus" Nr. 441 Haan 1784 März 1 Schuldner: Johann Dierich Bollenhey(dt) Gläubiger: Johann Wilhelm Becher Betrag: 13 Taler 32 Stüber Pfand: das vollständige Bett mit allem Gezau (= Ausrüstung, Bettzeug) Nr. 459 Hilden 1786 Mai 24 Schuldner: Johann Henrich Walber und Anna Christina Schlick, Eheleute Gläubiger: Wilhelm Greff Betrag: 40 Taler auf ein Jahr Pfand: Hab und Gut Nr. 468 Hilden 1786 Mai 18 Schuldner: Eheleute Wilhelm Lauterbach Gläubiger: reformiertes Konsistorium in ? Betrag: rückständige Pacht Pfand: die Branntweingeräte Nr. 564 vermutlich Hilden 1792 August 31 Schuldner: Wittib und Peter Bausenhaus Gläubiger: Kaufmann Johann Schimmelbusch Betrag: 13 Taler 25 Stüber Pfand: Gereide, besonders ihre Webgezau (Webstuhl), Kamm und Ried Nr. 623 - 1795 Mai 14 Schuldner: Wilhelm Bastian Gläubiger: Heinrich Wester Betrag: 100 Taler Pfand: "alles, was er hat und weiß zu bekommen" Nr. 625 Haan 1795 Juli 30 Schuldner: Johann Wilhelm Bastian am Heydtberg Gläubiger: der Schatzjude Marcus Schilo Betrag: 100 Gulden für eine Sackuhr und sonstige Waren Pfand: gegenwärtiges und künftiges Vermögen |
Zahlungsunfähigkeit anno 1731: Bankerotte und Falliten |
Carl Philipp von Pfalz-Neuburg |
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Schulden werden also nicht erst im Zeitalter von Kreditkarten und Konsumpflicht gemacht, und die Zahlungsmoral - oder vielmehr Zahlungsfähigkeit - war auch früher nicht immer so, wie es sich die Gläubiger gewünscht hätten. An staatliche Auffangmechanismen für insolvente Schuldner war nicht zu denken, und von Schuldnerberatung und Umschuldung war im 18. Jh. noch nicht die Rede. Wie wenig rücksichtsvoll man mit den Zahlungsunfähigen und "Bankrotteuren" umging, offenbart ein Artikel in "Die Heimat" aus dem Jahr 1968. |
Ein Edikt des Kurfürsten Carl Philipp
Geschäfts- und auch Privatleute, die leichtsinnig mit ihrem Geld und Gut umgingen, und nicht wirtschaften konnten, hatten es in früherer Zeit nicht leicht. Schwere Strafen drohten, wenn eingegangene Zahlungsverpflichtungen nicht eingehalten werden konnten und überdies der Bankrott erklärt werden mußte.
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Ob es den Gläubigern genützt hat? - Wie tief mancher Untertan im 18. Jh. in die Schuldenfalle und in die Armut geraten ist, zeigt der Blick in die zitierten Obligationsprotokolle. |
Notizen zu Fundstellen (Solingen)Zahlreiche auch heute noch bekannte Solinger Namen - viele aus dem metallverarbeitenden Gewerbe - finden sich in den Obligationsprotokollen "für das ganze Amt Sohlingen" (Kirchspiele Solingen, Wald, Gräfrath, Sonnborn) der Jahre 1720 bis 1807. Sie werden im Düsseldorfer Staatsarchiv aufbewahrt. Dies sind einige Fundstellen zu Familie Mutz und verbundenen Familien. Weitere Details sind mir derzeit nicht bekannt. |
"Obligations Protocollum", Staatsarchiv Düsseldorf - Berg, Gerichte Für das ganze Amt Solingen. Johann Lambert Becker, Gerichtsschreiber XVI 6 Bd. I 01.05.1720-10.10.1738 XVI 6 Bd. II 16.10.1738-28.06.1754 XVI 6 Bd. III 1754-1769 XVI 6 Bd. V 07.05.1792-25.05.1807 Seite Datum Schuldner Ortschaft 15 1720 Johann Mutz (1719) - 15 01.07.1720 Conrad Mutz Suppenheide E 130 01.05.1722 Henrich Kirschbaum Thewendyck 150 02.05.1723 Johann Mutz Zur Kleinen Ehren 255 04.12.1726 Wilhelm Keusenhoff Keusenhof 298 23.10.1727 Wilhelm Keusenhoff Keusenhof 575 29.05.1734 Henrich Hartkopf Zum Scheidt 580 04.05.1734 Johannes Mutz Wald E 601 09.12.1734 Peter Mutz Sonnenschein E 632 06.06.1735 Henrich Hartkopf Merscheit E 720 23.05.1738 Wilhelm Rölgen Grefrath Igelsforst E 387 05.12.1746 Henrich Hartkopf Merscheid E 546 22.05.1750 Peter Mutz Im Sonnenschein (4. Teil Kotten auffer Itterbach) - 122 14.06.1756 Andreas Elscheid Im Loch E 340 01.03.1762 Andreas Elscheid Im Loch (E) 417 08.12.1763 Ab. + Peter Mutz Zur Kleinen Ehren E 499 30.04.1765 Abraham Mutz Altenhoff E 574 08.07.1765 Peter Mutz ? - 672 04.08.1768 Peter Johann Ab. Mutz Altendorf (bey Wald) E 250 30.01.1798 Peter Mutz Nümmen + Unten zu Ketzberg E 343 23.06.1780 Abraham Mutz Zur Kleinen Ehren E 428 Rs 25.05.1802 Peter Benjamin (?) Mutz Bavert (E) 454 Rs 12.02.1805 Wilhelm Mutz Itter - [Weiland] |
Quellen:
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