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Vom bergischen Haus

"Das alte bergische Haus gibt unserer engeren Heimat ihre Eigenart. Sei es mit seiner schwarzgrauen Schieferbekleidung oder mit den weißgetünchten Giebelseiten, in seiner grünen Umrahmung hat es etwas Anheimelndes und Freundliches, wodurch es besonders seine Wirkung auf den Fremden nicht verfehlt." So schrieb Max Schmidt im Jahr 1922. [S. 140]


Schnittert
 
2004  
Fachwerk und Schiefer in Schnittert,
Solingen-Ohligs

Anheimelnd und freundlich sah das Fachwerkhaus aus, sofern und so lange es gut in Schuss war. Dies war nicht immer der Fall. So vermerkte zum Beispiel der bergische Hofkammerrat Th.J.J. Lenzen in seiner Landes-Beschreibung, dass 1802 die Handwerker im Solinger Fabrikbezirk zwar ein kleines Grundeigentum besitzen, "... allein gewöhnlich sieht man dieses vernachlässigt". [Malunat S. 87]

1823 blickte der Solinger Kreis-Physikus Dr. Spiritus kritischen Auges hinter Schiefer und weiße Tünche:


"Die meisten der hiesigen Häuser sind von Holz erbaut, das Fachwerk ist von Lehm [224], im untern Kreise jedoch mehr von Ziegelsteinen. Seit einigen Jahren sind aber auch hin und wieder ganz massive Häuser gesetzt worden, doch bei weitem nicht so viele als bei der Leichtigkeit, gute Ziegeln zu schaffen, für alle, auch für Sanitätszwecke zu wünschen wäre, indem die Ziegelwohnungen trocken, luftig warm und gesund, daher allen andern vorzuziehen sind [225].

Die Bauart selbst läßt, was Construction und Distribution [Raumeinteilung] betrifft, manches zu wünschen übrig. Die meisten Häuser sind zu leicht und zu nachläßig gebaut, auch größtentheils zu schnell und daher zu früh bewohnt. Dies hat seinen Grund in der starken Bevölkerung und unbeschränkten Disposition, die jedem über sein Vermögen zusteht, wodurch natürlicherweise oft Theilungen veranlaßt werden [226], die eine schnelle Veränderung der Gebäude oder in kurzer Zeit zu vollendende neue Bauten nöthig machen, damit jeder zur gehörigen Zeit unter Dach komme."

[Spiritus S. 168 f, § 57]



Anmerkungen des Herausgebers Stremmel:

[224] 1802 hatte Daniels: Abschilderung. S. 27, notiert: "Die Häuser sind zwar alle mit Holz und Leimen, doch größtentheils gut gebaut." Spiritus beurteilte die traditionelle Bauweise jedoch wesentlich kritischer und propagierte Neuerungen. Er stand damit im Gegensatz zu Zeitgenossen, die das Bestehende idyllisch verklärten: "Die Häuser sind ziemlich gut gebaut, man findet viele schöne Wohnhäuser; recht niedlich sieht es aus, wenn die Wände des Hauses schneeweiß, die Pfosten schwarz und die Fensterläden grün angestrichen sind." (Mebus: Versuch. S. 25). Erste Ziegel- und Steinbauten entstanden in Solingen infolge des regionalen Mangels an geeigneten Materialien erst Mitte bis Ende des 18. Jhs. und setzten sich - später als im niederrheinischen oder sauerländischen Raum - erst im zweiten Drittel des 19. Jhs. endgültig durch.

[225] Auch Hauer: Statistik, S. 34, plädierte für Ziegelbauten, verwies aber anders als Spiritus speziell auf ökonomisch-finanzielle Vorteile, u.a. auf höhere Erträge des angelegten Kapitals durch geringeren Bau-und Unterhaltskostenaufwand für die Häuser.

[226] So hatte sich die Zahl der Wohnhäuser von 1816 bis 1831 zwar um 1.349 oder knapp 20% vermehrt, doch über die Hälfte der neuen Wohnhäuser (706) war durch Teilung von Häusern bzw. durch den Umbau von Ställen entstanden; vgl. Hauer: Statistik. S. 22.


Oder man half sich durch Anbauten: "Heirateten Söhne oder Töchter, so wurde, wenn es eben angängig war, an das Stammhaus eine Stube oder Kammer angebaut oder man richtete sich sonst in der bisherigen Wohnung ein. Besser gestellte Menschen bauten natürlich auch in größerem Umfange." [Günther]

Dies war auch eine Folge der Realerbteilung. Dabei wurde bei jedem Generationswechsel der gesamte elterliche Besitz zu gleichen Teilen und ohne Berücksichtigung der dadurch entstehenden Wertminderung unter sämtlichen Kindern aufgeteilt. Die erwachsenen Kinder schufen sich den notwendigen Wirtschafts- und Lebensraum durch An- und Erweiterungsbauten an ihrem jeweiligen Teil des Hauses. Dies führte häufig zu eigenartig aneinander gebauten und verschachtelten Gebäudegruppen. Die Häuser unterscheiden sich hinsichtlich der Trauf- und Firsthöhe, der Stockwerkzahl, Art des Fachwerks und der Dachkonstruktion.


Külf
2006   Fachwerk in Külf, Solingen-Gräfrath
 
Külf
2006   Fachwerk in Külf, Solingen-Gräfrath

Auch der von Stremmel zitierte Georg Frh. von Hauer, königlich preußischer Landrat, hält in seiner statistischen Darstellung des Kreises Solingen im Jahr 1832 mit seiner Kritik am bergischen Fachwerk nicht zurück. Mit klaren Worten tritt er für die Ziegel-Bauweise ein:


"Der Grundwerth und die Nutzungen der Gebäude würden sich höher stellen und ein richtigeres Verhältnis zwischen Anlage-Kapital und Ertrag würde sich ergeben, wenn auf die Bauart mehr Sorgfalt verwendet würde, namentlich, wenn die gebrannten Mauerziegel mehr in Anwendung kämen.

Ein solches Mauerwerk erfordert wenig Arbeitslohn und gibt, wenn es mit der gehörigen Vorsicht zur rechten Jahreszeit verfertigt wird, gesunde, trockene und dauerhafte Gebäude, die dem Einflusse der Witterung und der Feuersgefahr am besten widerstehen, nicht so häufiger Reparaturen bedürfen und weit länger in unverdorbenem Zustande bleiben, als die von Fachwerk erbauten Häuser, selbst wenn letzte mit Ziegel ausgereihet oder, wie es häufig der Fall ist, mit eingefugten und angestrichenen Dielen oder mit Schiefern bekleidet werden.

Beides gewährt weniger angenehme Wohnungen, keine so bequeme Form der Wände und ist in Bezug des Kostenaufwandes nicht wesentlich wohlfeiler, als Ziegel-Mauerwerk, sobald man diese Ziegel nur gut verfertigt, wozu eine gehörige Auswahl des Bodens gehört, der aus bindendem, feuerfesten Thon und aus scharfem kieselhaltigem, schmelzbaren Sande bestehen muß. -

Bruchsteine werden selten anders, als in den Fundamenten und allenfalls bis zur Plinte der Gebäude, angewandt. ...

Auch das Bauholz wird nicht immer, besonders seitdem die großen Waldungen seltener geworden sind, mit der erforderlichen Sorge gewählt. Nicht sowohl die gestiegenen Preise des Eichenholzes tragen hieran die Schuld, als vielmehr die Eile, mit welcher gewöhnlich auf dem Lande gebaut wird, wo dann kein gehörig ausgetrocknetes, oft ästiges, splintfaules und schadhaftes Holz verarbeitet wird, das zudem die Unkunde vieler ländlichen Bauhandwerker weder zu unterscheiden noch gehörig zu fügen weiß. ...

Unter solchen Umständen ist es dann unvermeidlich, daß eine große Zahl von Gebäuden ihrem Zwecke nur wenig entsprechend gefunden wird und ein endloser Aufwand für Reparaturen den Ertrag dieses Eigenthums größtentheils verschlingt."

[Hauer S. 34 f]


Solche Kritik war sicherlich nicht aus der Luft gegriffen und die Qualität der Fachwerkbauten höchst unterschiedlich. Dennoch: Viele von ihnen stehen immer noch, sie werden restauriert, gehegt und gepflegt.

  Über die Hofschaften

Und hier noch ein Verkaufs-Angebot aus dem Jahr 1826 für ein bestimmt ganz solides Fachwerkhaus:


Solinger Wochenblatt vom 11. Februar 1826

Benachrichtigungen.
Bei Unterzeichnetem liegt ein von 21 Fuß Länge, und 17 Fuß Breite, zweistöckig gezimmertes Haus. Das Aeußere ist von gesunden Eichen; Unterschläg, Balken, Sparren ec. von Tannen-Holz. Wer solches zu kaufen wünscht, kann es gegen günstige Zahlungs-Conditionen erhalten.
Hitdorf den 7. Februar 1826.
Jacob Brembs.



Fachwerk und Schiefer

Im Bergischen Land sind nur noch wenige Fachwerkbauten aus dem 16. und 17. Jh. erhalten. Die Bauten in den Städten, die fast durchweg von Brandkatastrophen heimgesucht worden sind, stammen zumeist erst aus dem 18. und 19. Jh. Bei den bergischen Bürgerhäusern erlebte die Fachwerkbauweise in der zweiten Hälfte des 18. Jh. eine Blütezeit. Diese Häuser wurden größtenteils mit Schiefer verkleidet. Anderenorts in Deutschland war man zu dieser Zeit bereits zum Steinbau übergegangen.

Fachwerkhäuser sind "Holzskelettbauten". Das tragende Gerüst besteht aus waagerecht, senkrecht und schräg angeordneten Balken. Dies sind:

  1. die waagerechten Schwellen. Sie liegen auf einem Steinsockel auf und tragen die Wände.
  2. die senkrecht auf diesen Schwellen aufgerichteten Ständer bzw. Eckständer oder Eckpfosten.
  3. die Rahmen oder Rähme. Sie schließen das Fachwerk jeweils waagerecht nach oben ab.
  4. die Riegel. Diese waagerechte Balken verbinden die einzelnen Ständer miteinander.
  5. die Streben. Sie verbinden als schräge, manchmal leicht gekrümmte Balken die Ständer mit den waagerechten Hölzern.

Im Bergischen Land werden zwei Fachwerk-Konstruktionstypen unterschieden: Ständerbau und Stockwerksbau. Um einen Ständerbau handelt es sich, wenn die Ständer über alle Stockwerke reichen. Umfassen sie bei einem mehrgeschossigen Haus dagegen jeweils nur ein Stockwerk, spricht man von einem Stockwerksbau. Dabei wird jedes Stockwerk für sich als selbstständige Einheit gezimmert, und neben der Grundschwelle gibt es entsprechend auch Stockwerksschwellen.

Noch vorhandene Stockwerksbauten aus dem 16. und 17. Jh. weisen gelegentlich Vorkragungen auf, allerdings eher in der Stadt als auf dem Lande. So konnten vorhandene Grundflächen besser ausgenutzt werden. Teilweise sind im Winkel zwischen Ständer, Rähm und Balken Knaggen angebracht. Bei den ältesten Häusern im Bergischen Land stehen die Ständer noch nicht auf der Schwelle, sondern unmittelbar auf dem Bruchsteinfundament oder sogar noch im Erdboden.



 
Haan, "Hof hinter der Kirche"
Vorkragendes Obergeschoss auf Knaggen


Bergisch Grün

Charakteristisch für das bergische Fachwerk- oder Schieferhaus ist der Dreiklang der Farben Schwarz-Weiß-Grün: schwarze Fachwerkbalken (oder schwarzer Schieferbeschlag), weiße Gefache (und weiße Fensterrahmen) und grüne Holzschlagläden (und ggf. Türen).

Dabei ist das "Bergisch Grün" derjenige Farbton, in dem Fensterläden und Türen der bergischen Fachwerkhäuser zu streichen sind, wenn es denn denkmalgerecht sein soll. Das Verwirrende: Bergisch Grün ist nicht nur ein einziger Farbton. Er variiert - je nach Standort - zwischen Blaugrün und Gelbgrün, ist z.B. im Remscheid ein anderer als in Solingen, kann hell und / oder dunkel sein und wird im Zweifel von der jeweiligen lokalen Denkmal- bzw. Baubehörde mehr oder weniger großzügig definiert.

"Korrekt" im überlieferten Sinne sind Schlagläden, die in einem helleren Grünton gestrichen sind als die Türen, sofern diese nicht lieber ihr dunkles Eichenholz präsentieren sollen, und weiß lackierte Fensterrahmen. Inwieweit sich die Eigentümer daran gehalten haben - und dass an einem einzigen Haus auch mal unterschiedlich bergisch-grüne Fensterläden vorkommen -, zeigen viele Fotos auf dieser Webseite.

  Bilder aus dem Bergischen Land, z.B. aus Gräfrath

Übrigens - eine eigene RAL-Nummer hat das "Bergisch Grün" natürlich nicht.



Quellen:
  • Hauer (1832)
  • Malunat (1990)
  • Nicke (1999)
  • Schmidt, Max in: Schmidthäussler (1922) S. 140-145
  • Stremmel (1991): Dr. Spiritus

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