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Fuhrmannsgeleit und Wegegeld
In seinem 1943 veröffentlichten Artikel vermittelt Waldemar Specht neben einem Hauch von Folklore eine Reihe von Fakten über das Fuhrgewerbe. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Bergischen Landes war es auch vor fast 500 Jahren so bedeutsam, dass sich der Landesherr höchstselbst um ein von den raubüberfallgeplagten Fuhrleuten gemeinsam vorgetragenes Anliegen kümmerte. In dem Artikel geht es außerdem um Zölle, Wegegeld und - für Genealogen eher interessant als für Hippophile - um Namen alter Fuhrmanns-Familien.
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Rheinische Landeszeitung vom 12. Dezember 1943
Bergisches Fuhrmannsgeleit vor 430 Jahren
Seit es eine bergische Industrie und einen bergischen Kaufmann gibt, steht auch der bergische Fracht- und Landfuhrmann als Vermittler des Land-, Fracht- und Güterverkehrs im heimischen Erwerbsleben an wichtiger Stelle. Er war der Vertreter eines geachteten ehrenwerten Standes, dem der bergische Kaufmann wertvolle Ware, Geld und Geldgeschäfte ohne Bedenken anvertraute. Intelligenz, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Waren-, Wege-, Geld-, Welt- und Menschenkenntnis, nebst dem Umgang mit Pferd und Wagen, körperlicher Kraft und Unerschrockenheit mußte ein rechter Fuhrmann in einem vereinen, wenn er in allen Lagen und Gefahren seines beschwerlichen Berufes bestehen wollte.
Betrachten wir diese Urkunde näher, so stoßen wir bei den Namen der Fuhrleute auf eine ganze Anzahl gleicher oder fast gleicher Familiennamen, aus denen hervorgeht, daß der Beruf des Landfuhrmanns häufig von vielköpfigen Fuhrmannsfamilien ausgeübt und vom Vater auf den Sohn (dem "alten" auf den "jongen") vererbt wurde. Typisch bergische, insbesondere vom Wohnsitz (Hof) hergeleitete Namen sind dagegen nur selten vertreten. Neben dem oft vorkommenden "ym Hoiff" usw. (= Imhoff) klingen u.a. Koen, Moyll (Moll), van Steyn (vom Stein) bekannt bergisch. Der letzte in der Reihe, Hanns vur Wald, kann in Rodevormwald [Radevormwald] gewohnt haben.
Zoll und Wegegeld mußten entrichtet werden. Das war für den Fuhrmann zwar eine lästige, aber unabwendbare Nebenpflicht in der Ausübung seines Berufes.
Zu den Landzöllen gesellten sich noch die verschiedenen Akziseabgaben in den zur Erhebung berechtigten Städten, und als dritte Verkehrsabgabe das Wegegeld. Auch das Wegegeld wurde an vielen Stellen von den dazu Berechtigten, die dafür die Landstraßen in ihrem Gebiet zu unterhalten hatten, erhoben. In Düsseldorf war das Wegegeld schon seit 1395 eingeführt. Andere Städte erhielten die Berechtigung erst später, so Mülheim am Rhein 1568, Solingen 1571, Lennep 1575.
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Diese antike lederne Kutschertasche ist im oberbergischen Bauernhofmuseum "D'r Isenhardts Hoff" in Reichshof-Eckenhagen ausgestellt (2004). Die Messingplatte auf der Tasche trägt die eingravierte Aufschrift:
"Mit Ordnung Fleiss viel Glück und Geld Fährt froh der Fuhrmann Durch die Welt". |
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Die alte Fuhrmannsherberge an der Landstraße (Wermelskirchen)Eugen Rahm aus Wermelskirchen berichtete im "Heimatkalender 1956" des Rhein-Wupper-Kreises über eine alte Fuhrmannsherberge mit Fuhrbetrieb bei Wermelskirchen im Bergischen Land: |
"Von Hilgen kommend, wanderte ich die alte 'Kölner Landstraße' - jetzt heißt sie Bundesstraße 51 - aufwärts in Richtung Wermelskirchen. Die weit ins Land nach Südwesten schauende eindrucksvolle Fensterfront der Pfeifferschen Schuhfabrik in Neuenhaus hatte mich gerade in ihren Bann gezogen, als ich gleich oberhalb derselben an der rechten Straßenseite zwei mit weißen Blütenkerzen übersäte Kastanienbäume erblickte. Beim Näherkommen gewahrte ich, daß diese betagten Riesen der Vorderfront eines stattlichen Schieferhauses Schatten zu spenden hatten.
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2003 Wermelskirchen, die frühere Fuhrmannsherberge an der B 51 |
Ein alte Abbildung der Fuhrmannsherberge ist in der Schrift von Fritz Hinrichs (1969, S. 3) zu finden. Dieses Haus, das eine lange Tradition als alte bergische Fuhrmannsschenke aufweist, steht auch heute noch, im Jahr 2003, an der B 51. Auch Pferde gibt es hier - wie früher, aber die einst vorhandenen Kastanienbäume sind verschwunden.
Konrad Heider war oft wochen- und monatelang unterwegs. Im Fahrtenverzeichnis finden sich neben zahlreichen anderen immer wieder Städtenamen wie Münster, Braunschweig, Hildesheim, Gütersloh, Warendorf, Paderborn, Osnabrück, Herford, Lippstadt, Hamburg, Bremen, Kassel, Halberstadt, Magdeburg, Berlin. Hauptsächlich transportierte er die hochwertigen Erzeugnisse der Papierfabrik Zanders in Bergisch Gladbach nach Berlin. Als 'Zulast' oder Nebenfracht nahm er auch andere Güter wie Tabakwaren, Kölnisch Wasser, Wein, Pulver und Flandrische Tuche mit auf die Reise. Auf der Rückfahrt brachte er meist Strang- und Schnupftabak mit ins Bergische und den damals viel begehrten 'Nordhäuser', der in der Gastwirtschaft als 'Ellinghauser Kognak' ausgeschenkt wurde.
[Rahm S. 62 f]
Strecke Elberfeld bis Unterbarmen .................... 25 Min. Strecke Elberfeld bis Ronsdorf ................ 1 Std. 27 Min. Strecke Elberfeld bis Lennep .................. 2 Std. 49 Min. Strecke Elberfeld bis Born .................... 3 Std. 51 Min. Strecke Elberfeld bis Wermelskirchen .......... 4 Std. 43 Min. Strecke Elberfeld bis Straßerhof bei Burscheid 7 Std. 11 Min. Strecke Elberfeld bis Fettehenne .............. 8 Std. 1 Min. Strecke Elberfeld bis Schlebusch .............. 8 Std. 30 Min. Strecke Elberfeld bis Dünnwald ................ 9 Std. 25 Min. Strecke Elberfeld bis Mülheim / Rhein ........ 10 Std. 22 Min. Strecke Elberfeld bis Köln ................... 11 Std. 14 Min. [Hindrichs 1969 S. 10]
Und wie lange braucht heute ein LKW für die etwa 55 Kilometer lange ausgebaute (Schnellstraßen-)Strecke zwischen Wuppertal-Elberfeld und Köln-Mühlheim?
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Über den oberbergischen FuhrmannC. Dahlmann aus Wiehl hat 1951 über die oberbergischen Fuhrleute einen kurzen Aufsatz veröffentlicht, in dem auch nicht unmittelbar von den Pferden die Rede ist, der aber neben genealogischen Angaben einen kleinen Einblick in dieses Gewerbe gewährt: |
Dahlmann, C.: Der oberbergische Fuhrmann früherer Zeiten. Oberbergische Heimat. Heimatblätter für den Oberbergischen Kreis. Beilage der Kölnischen Rundschau. Köln 1951
"Heutzutage denkt die Allgemeinheit etwas geringschätzig von diesem einst so blühenden Gewerbe, als das oberbergische Land noch keinen Bahn- und Omnibusverkehr kannte. Aber gerade dieser Beruf besaß früher eine besondere Bedeutung und genoß daher auch hohe Achtung. Jahrhundertelang war vom bergischen Fuhrmann mancher andere Stand, so auch die Industrie unserer Heimat, völlig abhängig.
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Zum Speditionswesen im Solinger Bezirk
Wie aus einem Bericht von Philipp Andreas Nemnichs von 1808 über seine "der Kultur und Industrie gewidmete Reise" hervorgeht, wurde das Fuhrwesen für die Solinger und Elberfelder Kaufleute zu dieser Zeit von den Einwohnern Somborns [= Sonnborn] betrieben. Sonnborn gehörte damals zum Amt Solingen. |
Spediteure gab es in Solingen bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jh., allerdings beschränkte sich ihre Tätigkeit meist auf den innerdeutschen Verkehr. Um die Wende zum 20. Jh. wurde in Ohligs die Firma J. Dahmen & Co. gegründet, die sich auch mit dem Bahnsammelladungsdienst für den ausländischen Güterverkehr befasste. Von dieser Firma wird noch die Rede sein.
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Solinger Tageblatt vom 6. Februar 1942
"Die einzelnen Waren müssen auch zu und von den Bahnhöfen geschafft werden. Zu diesem Zweck unterhielten die Solinger Speditionsfirmen auch größere Fuhrparks, die ununterbrochen unterwegs waren, Waren heranzuschaffen und abzufahren. Neben Ohligs tendierten Merscheid und Weyer fast völlig zum Bahnhof Ohligs.
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Wenn zwischen Solingen und dem Hitdorfer Rheinhafen oder Köln Waren transportiert werden mussten, nahmen die Fuhrleute bis zum Bau der Eisenbahnstrecken (und auch später noch) den Weg über die heutige Neuenkamper Straße - Brücke - Aufderhöher Straße - Landwehrstraße, die B229 also. Aber die erheblichen Steigungen auf dieser Strecke waren für ein Pferdefuhrwerk nicht ohne weiteres zu bewältigen. Wie sich die Fuhrleute halfen, beschreibt ein Artikel aus dem Solinger Tageblatt vom 31. Mai 1933: |
Solinger Tageblatt vom 31. Mai 1933
Aus der Vergangenheit von Aufderhöhe. Der alte Fuhrmannsbetrieb.
Bis in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, als die Transporte zum größten Teile noch mit Pferdefuhrwerk ausgeführt wurden, gab es in Aufderhöhe mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden. Der nicht immer gute Straßenzustand, der noch durch verschiedene Steigungen zum Landwehrberg und bei Brücke verstärkt wurde, machte es erforderlich, daß Vorspann genommen werden mußte, denn mit den eigenen Pferden der Transporte konnten die Höhen nicht überwunden werden.
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Vorspann- oder Beispannpferde wurden u.a. auf dem Hof Lohmann in Landwehr vorgehalten, gelegen unterhalb von Solingen-Aufderhöhe an der heutigen B 229 zwischen Ohligs und Langenfeld - und damit unmittelbar vor der ersten größeren Steigung. |
Knapps Kuckuck
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Fuhrwerk vor dem Hotel Knapp in Wald (Solingen), Stresemannstraße 30, um 1890. Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen |
Als letztes Haus in der Dorfstraße (Stresemannstraße) hatte in der in Wald (Solingen) seit Ende des 18. Jh. das Gasthaus "Wester" gestanden. Der Eigentümer Johann Abraham Wester war nicht nur Wirt, sondern auch Posthalter von Wald: 1827 war in Wald eine Postexpedition eingerichtet worden, eine Station der Fahrpost zwischen Solingen und Düsseldorf. Der Posthalter hatte nicht nur für den Brief- und Paketdienst zu sorgen, sondern musste auch den Reisenden eine Stube für Wartezeiten zur Verfügung stellen.
Zufällig fand ich im Solinger Stadtarchiv einen vergilbten, über 60 Jahre alten Zeitungsausschnitt, in dem von einem Walder Fuhrmann und dem reputierlichen Hotel Knapp in Wald (heute ein Solinger Stadtteil) die Rede ist. Knapps Hotel - so viele Aufnahmen sind ja um 1890 noch nicht gemacht worden. Sollte etwa...? Und tatsächlich - die kleine, in herrlich-blumiger Sprache eingeleitete Geschichte bezieht sich auf eben diese alte Photographie. Wenn das Pferd darin auch nur eine kleine und eher betrübliche Rolle spielt, so zeigt sie doch, was einem Gespann unterwegs so alles passieren konnte. |
Solinger Tageblatt vom 23. Oktober 1943
Eine Erinnerung aus Alt-Wald
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Quellen:
Literaturhinweis:
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