Pferde-Alltag in alter Zeit
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Inhaltsübersicht Gütertransport Fuhrleute im Bergischen und Oberbergischen Land


Fuhrmannsgeleit und Wegegeld
Die alte Fuhrmannsherberge an der Landstraße (Wermelskirchen)
Über den oberbergischen Fuhrmann (Wiehl)

Zum Speditionswesen im Solinger Bezirk
Aus der Vergangenheit von Aufderhöhe - Der alte Fuhrmannsbetrieb
Eine Fuhrmanns-Anekdote aus Wald (Solingen)



Fuhrmannsgeleit und Wegegeld

In seinem 1943 veröffentlichten Artikel vermittelt Waldemar Specht neben einem Hauch von Folklore eine Reihe von Fakten über das Fuhrgewerbe. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Bergischen Landes war es auch vor fast 500 Jahren so bedeutsam, dass sich der Landesherr höchstselbst um ein von den raubüberfallgeplagten Fuhrleuten gemeinsam vorgetragenes Anliegen kümmerte. In dem Artikel geht es außerdem um Zölle, Wegegeld und - für Genealogen eher interessant als für Hippophile - um Namen alter Fuhrmanns-Familien.

Die von Specht zitierte Urkunde aus dem Jahr 1513, das von Herzog Johann III. gewährte Fuhrmannsgeleit, sollte gegen die allgegenwärtigen Gefährdungen durch Wegelagerer und Räuberbanden schützen. Der Urkundentext wird manchem Leser, da er gravierend von der derzeitigen Rechtschreibnormung abweicht, stellenweise etwas rätselhaft erscheinen. Auf welche Weise der herzogliche Schutz gewährleistet wurde und ob er in der Praxis funktionierte, ist nicht überliefert.


Rheinische Landeszeitung vom 12. Dezember 1943

Bergisches Fuhrmannsgeleit vor 430 Jahren

Seit es eine bergische Industrie und einen bergischen Kaufmann gibt, steht auch der bergische Fracht- und Landfuhrmann als Vermittler des Land-, Fracht- und Güterverkehrs im heimischen Erwerbsleben an wichtiger Stelle. Er war der Vertreter eines geachteten ehrenwerten Standes, dem der bergische Kaufmann wertvolle Ware, Geld und Geldgeschäfte ohne Bedenken anvertraute. Intelligenz, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Waren-, Wege-, Geld-, Welt- und Menschenkenntnis, nebst dem Umgang mit Pferd und Wagen, körperlicher Kraft und Unerschrockenheit mußte ein rechter Fuhrmann in einem vereinen, wenn er in allen Lagen und Gefahren seines beschwerlichen Berufes bestehen wollte.

Zu einer Zeit, in der Wegelagerer, Strauchritter und Schnapphähne allerorts ihr Unwesen trieben, drohnten der Gefahren viel draußen in der Welt, mochte der Fuhrmann in Gemeinschaft mit anderen seine Waren führen westlich nach Flandern, Brabant und Nordfrankreich, östlich zur Leipziger Messe, und mit neuer Fracht weiter bis zum fernen Königsberg oder gar nach Prag im Böhmerlande. Wertvolle Güter wurden auf der Rückfahrt aus der Ferne in die Heimat mitgenommen.

Gefahrenlos war es auch keineswegs in der engeren Heimat, und auch hier fehlte es nicht an mancherlei Belästigungen, die dem Fuhrmann sein Tagewerk oft unliebsam erschwerten.

Am besten schützte gegen solche Unbill den einzelnen noch immer die Gemeinschaft. In dieser Erkenntnis schlossen sich vor 430 Jahren auch die bergischen Fuhrleute zu gemeinsamem Handeln zusammen. Ihr Streben ging nach einem förmlichen landesherrlichen Schutz- und Geleitbrief, der ihnen für ihre Fahrten innerhalb der vereinigten Lande Jülich, Berg, Mark und Ravensberg, wenn nicht vollkommenene, so doch eine erhöhte Sicherheit gewährleistete. Ihrer 59 an der Zahl wandten sich die Fuhrleute zu Anfang des Jahres 1513 an den Landesherrn, Herzog Johann III., der ihrer Bitte, nachdem sie ihm allesamt den Treueeid geleistet hatten, dann auch weitestgehend entsprach.

Der den bergischen Fuhrleuten am 20. Februar 1513 erteilte Schutz- und Geleitbrief wird nachstehend erstmalig in seinem vollen Wortlaut veröffentlicht, er lautet wie folgt:

"... Wir Johann van gotz genaiden ältste sonn zu Cleve, hertzoch zuu Guylge, zuu dem Berge, grave zu der Marcke, zu Ravensberg ind zu Katzenellenbogen etc., doin kunt ind bekennen offentlich myt diesem brieve, dat wir diese hernabeschreven voirludenn myt namen

Heyntz Hess,
Frederich Ainrein,
Claiss Stennger,
Hert Wygell,
Hanss Wentzell,
Adam Stenger,
Frederich Frantz,
Henss ym Hoeff,
Moyll Fryderich,
Peter Schranck,
Hoiff Frederich,
Hans Frantz,
Koentz Keyrs,
Koler Hantz,
Hanns ym Hoiff der alde,
Peter Ertmann,
Hanns Kunckel,
Hans Seitz der jonge,
Fisch Michell,
Herman im Hoyff ind
    Hanns vur Walde,
Wygont Stegerwalt,
Metzen Hentgen,
Hentgenn Stonwert,
Contz Heylmann,
Andries am Reyn,
Hanss Hecmann,
Heyntz Wynter,
Koentz Oertmann,
Koenis Heseler,
Brentz Coestener,
Frederich im Hoiff,
Frederich Kremer,
Bartell Kestener,
Hanns an der Lair,
Hanns Ertmann,
Hanns Meyer,
Koentz am Reyn,
Frederich Bouman,
Frederich Roesbecher,
Nyckell Hesseler,
Hentgen Seitz,
Hans ime Hoyff der junge,
Conrait Coentzman,
Andriess Roesbecher,
Koentz Heberer,
Fryck Koen,
Hentz Heckmann,
Hanns van Steyn,
Hoeff Hanne,
Hoef Hannes der jonnge,
Bartell am Reyn,
Baltesar an der Lair,
Henns Helmann,
Hans Anwell,
Heinrich Kunckell,
Moell Koentz,
Hanns Winter,
Joirgen Wenssell,

inn unnsern schyrm, beschuttenisss ind veirdedinge annemen ind entfangen, darup sy unns ouch hulde ind eyde gedain haven, unns getruwe ind hoult zuu synn, unnse best zuu werven, argt z warnen, ind hain daromme den vur (genannten) voirludenn sementlich innd igligem inn sonnderheit myt iren lyven, haven ind geuderen, komenschafft ind gesynnde, unnse vry sicher strack vurwarde ind geleyde bynnen unnsen landen innd gebiedenn zuu wasser innd zu lande gegeven innd geven vestlich myt diesem brieve vur unns, unnse lannden luyden undersaissen innd den unseren, der wir ungeverlich mechtich synn ind vur alle denne ghenenn, de umb unnserentwille doin ind laissen, willent dewilhe unnse vurwarde ind geleyde vurss (creyen) uff huyde datum dis brieffs angainde vort duyren innd wern sall bis so lange innd zur zyt dat denn vurg(eannten) voirluden veirtzien dage zuvoir upsagenn off upschryven doin sonnder argelist.

Begeren daromme vann allen ins igligenn, da de obgenannte voirlude herkomen, zieheun ind wandelen werden, umb unserntwille gnedich gunstich vorderlich innd behulflich zuu synn innd sy veilich ungeletzt ind unverhindert myx iren lyven, haven ind guederen na yrer noitturfft up gewonligen zoll ind weggelt komen ind faren zu laissen innd unns darinne zu ern ind leeve, angesien de foirlude vurgenannt unns, we vurss (creven), zo verantweren innd zu verdedingen behoeren, tghen deselven grundtlich int gutwillicklich bewisenn. Darane geschuyt unns besonnder danckneme fruntschafft innd gefallenn, willent umb eynen iglichen na syme gebure vruntlich verdienen, verschulden ind na gnaiden weder erkennen.

Bevelhen ouch allen unnsen amtluden undersaissen ind den unnseren unnser furstendomen ind lande, dese unnse vurwarde innd geleyde vurss (creven) van unnser wegenn vast reyne ind unverbrochen zu halden, darweder nyt zu doin noch geschien laissen inn gheynerlei wiss. Dys zuu urkunde der wairheit hain wir Johann alste sonn zu Cleve, hertzoch zu Guylge, zu dem Berge etc., vurg(enannt) unnse siegell an desen brieff doin hangen. Gegeben zuu Hamboich in den jarenn unns h(e)rnn duysent vunffhondert ind drutzien uff deme sonndach Reminiscere in der vasten."

Betrachten wir diese Urkunde näher, so stoßen wir bei den Namen der Fuhrleute auf eine ganze Anzahl gleicher oder fast gleicher Familiennamen, aus denen hervorgeht, daß der Beruf des Landfuhrmanns häufig von vielköpfigen Fuhrmannsfamilien ausgeübt und vom Vater auf den Sohn (dem "alten" auf den "jongen") vererbt wurde. Typisch bergische, insbesondere vom Wohnsitz (Hof) hergeleitete Namen sind dagegen nur selten vertreten. Neben dem oft vorkommenden "ym Hoiff" usw. (= Imhoff) klingen u.a. Koen, Moyll (Moll), van Steyn (vom Stein) bekannt bergisch. Der letzte in der Reihe, Hanns vur Wald, kann in Rodevormwald [Radevormwald] gewohnt haben.

Wermelskirchen, an der Kölner Landstraße, war ein besonders bekannter Sitz bergischer Fuhrleute, indes sind die später (1587) vorkommenden Namen der Wermelskirchener Fuhrmannsfamilien: Claessen, Printz, Henckels, Ringel, Theil Wilhelms, Hermann von Wermelskirchen, in der Urkunde von 1513 noch nicht vertreten. Der Wohnort der Fuhrleute ist leider nicht angegeben.

Schutz und Geleit, zu Wasser und zu Lande, wurde den 59 Fuhrleuten insgesamt und jedem einzelnen zugesichert für ihr Leben, Hab und Gut, Komenschaft (Kaufmannschaft, beförderte Kaufmannsware) und Gesinde.

Das Geleit konnte nach 14tägiger Aufsage (Kündigung) aufgehoben werden. "Völlig ungeletzt und unverhindert" sollten fortan die durch das Geleit geschützten Fuhrleute ihre Straße ziehen können.

Zoll und Wegegeld mußten entrichtet werden. Das war für den Fuhrmann zwar eine lästige, aber unabwendbare Nebenpflicht in der Ausübung seines Berufes.

Anfänglich, als noch das Saumroß allgemein als Tragtier verwandt wurde, wurden die Zölle nach Pferdelasten und Eselslasten, seit dem 14. Jahrhundert jedoch zugleich, neben den Pferdslasten, nach Karren- und Wagenlasten berechnet. Die Handelsware nannte man "Kaufmannsgut" und auch, was dasselbe bedeutete, "Karrengut". Die Karre blieb auch später neben dem größeren Wagen noch in Gebrauch.

Die Zollstätten waren allenthalben über das Land verstreut. Im Herzogtum Berg lagen sie besonders dicht am Rhein und an den Landesgrenzen. Bei uns war es in älterer Zeit besonders die mitten durch das Landesgebiet führende alte Kölner Heerstraße, an der die Zollstätten in Dünnwald, Fettehenne [Leverkusen], die Landzollstätte Lennep [Remscheid] mit dem Beizoll in Wermelskirchen bestanden. Später kamen ihrer immer mehr hinzu. Um die Wende des 18./19. Jahrhunderts waren im Herzogtum Berg schließlich rund 125 Zollstätten vorhanden. Bei uns lagen davon in westöstlicher Richtung die Zollstätten in Gräfrath, Wald, Kohlfurth, Solingen, Burg [Solingen], Ostringhausen (Osterkausen), Wermelskirchen, Kreckersweg, und in Barmen, Rittershausen, Beyenburg [Wuppertal], Filde, Remlingrade, Radevormwald an der Nordostgrenze des Landes.

Schon im 15. Jahrhundert wurde dem die Zollstätten passierenden Fuhrmann ein "Zeichen" (Zollquittung) gegeben. Im 18. Jahrhundert hießen diese Quittungen "Zeichenbriefchen" und schließlich "Zollbriefchen". Auf diesen Briefchen wurden die Quantität und die Qualität - über die der Fuhrmann also genau Bescheid wissen mußte - nebst dem entrichteten Zoll bescheinigt. Außer dem Zoll mußte der Fuhrmann 3 Stüber Gebühren bezahlen, die er bei der Durchfahrt an der letzten Zollstätte des Landes zurückerhielt. Blieb die Ware im Lande, dann wurde neben der Gebühr auch der halbe Zoll zurückerstattet.

Zu den Landzöllen gesellten sich noch die verschiedenen Akziseabgaben in den zur Erhebung berechtigten Städten, und als dritte Verkehrsabgabe das Wegegeld. Auch das Wegegeld wurde an vielen Stellen von den dazu Berechtigten, die dafür die Landstraßen in ihrem Gebiet zu unterhalten hatten, erhoben. In Düsseldorf war das Wegegeld schon seit 1395 eingeführt. Andere Städte erhielten die Berechtigung erst später, so Mülheim am Rhein 1568, Solingen 1571, Lennep 1575.

In Mülheim betrug das Wegegeld von jedem Karren- oder Wagenpferd 2 Heller. In Lennep, dem Durchgangspunkt der besonders viel befahrenen und stark abgenutzten Kölner Landstraße, wurden dagegen von einer Karre Kaufmannsgut mit einem Pferd 6 Heller, mit 2 Pferden 10 Heller, mit 3 Pferden 14 Heller erhoben.

Alle diese Abgaben, die sich auf weiter Fahrt ständig wiederholten, samt der Sorge für Wagen und Pferd und der Einkehr in den Fuhrmannsherbergen auf der oft viele hundert Stunden weiten Reise hatte der bergische Fuhrmann in seine Fracht- und Gewinnberechnung sorgfältig einzubeziehen. Nicht zuletzt mußte er also genau wie der Kaufmann tüchtig zu rechnen verstehen.

Waren aber die Rosse geschirrt, die Wagendecke über die hochgeschichteten Warenballen straffgezogen und Abschied genommen von Weib und Kind, dann ging es mit lustigem Peitschenknallen hinaus in die Welt. Und mit ganz bestimmtem, den Seinen wohlbekanntem Peitschenknall kündigte der Heimkehrende auch schon von weitem seine Rückkunft an, wenn er, die pralle Geldkatze, mit guter Münze wohlgefüllt, nach monatelangem Fernsein mit seinen braven Pferden wieder Einzug hielt auf dem heimatlichen Hof. [...]

[W. Specht]



 
Diese antike lederne Kutschertasche ist im oberbergischen Bauernhofmuseum "D'r Isenhardts Hoff" in Reichshof-Eckenhagen ausgestellt (2004). Die Messingplatte auf der Tasche trägt die eingravierte Aufschrift:

"Mit Ordnung Fleiss
viel Glück und Geld
Fährt froh der Fuhrmann
Durch die Welt".
 


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Die alte Fuhrmannsherberge an der Landstraße (Wermelskirchen)

Eugen Rahm aus Wermelskirchen berichtete im "Heimatkalender 1956" des Rhein-Wupper-Kreises über eine alte Fuhrmannsherberge mit Fuhrbetrieb bei Wermelskirchen im Bergischen Land:

"Von Hilgen kommend, wanderte ich die alte 'Kölner Landstraße' - jetzt heißt sie Bundesstraße 51 - aufwärts in Richtung Wermelskirchen. Die weit ins Land nach Südwesten schauende eindrucksvolle Fensterfront der Pfeifferschen Schuhfabrik in Neuenhaus hatte mich gerade in ihren Bann gezogen, als ich gleich oberhalb derselben an der rechten Straßenseite zwei mit weißen Blütenkerzen übersäte Kastanienbäume erblickte. Beim Näherkommen gewahrte ich, daß diese betagten Riesen der Vorderfront eines stattlichen Schieferhauses Schatten zu spenden hatten.

Die Glasinschrift über der Eingangstür verriet, daß es sich um ein Wirtshaus handelte, das jedoch in seiner Gesamtanlage aus dem üblichen Rahmen alter bergischer Gasthäuser heraustrat. Breit ausladend, mit einer ungewöhnlichen Tiefe und einem mächtigen Schieferdach, das oberhalb der beiden Stockwerke zwei übereinanderliegende Speicherräume umfaßte, zeugte es von Wohlstand, Weitblick und Ordnungssinn seines Erbauers, über den Bretterzaun hinweg, der zu beiden Seiten der Hausfront den Hofraum von der Straße abtrennte, erblickte ich langgestreckte, geräumige Stallungen und andere Wirtschaftsgebäude, die die Hinterfront und die beiden Seiten des Haupthauses umschlossen." [Rahm S. 62 f]


Wermelskirchen Fuhrmannsherberge
 
2003
Wermelskirchen,
die frühere Fuhrmannsherberge
an der B 51

Ein alte Abbildung der Fuhrmannsherberge ist in der Schrift von Fritz Hinrichs (1969, S. 3) zu finden. Dieses Haus, das eine lange Tradition als alte bergische Fuhrmannsschenke aufweist, steht auch heute noch, im Jahr 2003, an der B 51. Auch Pferde gibt es hier - wie früher, aber die einst vorhandenen Kastanienbäume sind verschwunden.

An dieser Stelle stand bereits um 1750 ein Gasthaus mit großen Stallungen. Als in den folgenden Jahren die Hauptverkehrsader und Heerstraße Köln-Berlin gebaut wurde, gewann es als Ausspannschenke zunehmend an Bedeutung. Das Gasthaus war Ende des 18. Jh. im Besitz von Konrad Heider.

"Das Lebenswerk dieses weitschauenden, tüchtigen Mannes, der neben seiner Gastwirtschaft und Fuhrmannsherberge selbst auch ein Fuhrgeschäft unterhielt, findet seinen Niederschlag in zahlreichen Aufzeichnungen, von denen die aufschlußreichsten in einem Transportregister und Fahrtenbuch zu finden sind. [...] Hier eine kleine Auswahl aus der Vielzahl der Buchungen:

  • »Wilh. Berg aufgeladen den 29. 9bris (lies: November) 1822 von Joh. Maria Farina E eine Kiste Köllnisch Wasser Nr. 3 wiegt 115 Kilo, per 115 Kilo = 18 Thl. an Sr. Hochwohlgebohren Herrn Engelke, Premier Leutinant im Garde Drajoner Regiement auf Zimmerstraße Nr. 60 in Berlin.«
  • »An den Königl. Preusischen Major im 4. Corassier Regiment, Herrn Rolle de Rose, Hochwohlgebohren, in Paderborn am 28. Jan. 1824 ein Väßchen ,Militair-Effecten' wiegt 155?«
  • »11/4 ohm Wein Sr. Durchlaucht des Fürsten Anton von Radziwill, Stadthalter der Festung Posen.«
  • »1 Fuder Wein und 1 Zulast: Sr. Exellenz des Herrn General Grafen von Gneisenau in Berlin.« "

Konrad Heider war oft wochen- und monatelang unterwegs. Im Fahrtenverzeichnis finden sich neben zahlreichen anderen immer wieder Städtenamen wie Münster, Braunschweig, Hildesheim, Gütersloh, Warendorf, Paderborn, Osnabrück, Herford, Lippstadt, Hamburg, Bremen, Kassel, Halberstadt, Magdeburg, Berlin. Hauptsächlich transportierte er die hochwertigen Erzeugnisse der  Papierfabrik Zanders in Bergisch Gladbach nach Berlin. Als 'Zulast' oder Nebenfracht nahm er auch andere Güter wie Tabakwaren, Kölnisch Wasser, Wein, Pulver und Flandrische Tuche mit auf die Reise. Auf der Rückfahrt brachte er meist Strang- und Schnupftabak mit ins Bergische und den damals viel begehrten 'Nordhäuser', der in der Gastwirtschaft als 'Ellinghauser Kognak' ausgeschenkt wurde. [Rahm S. 62 f]

1825 wurde das alte Gasthaus abgebrochen und ein neues erbaut. Das Bauholz bezog Heider damals aus Mühlheim.

Anfang des 19. Jh. war auch die Wermelskirchener Landstraße unter die Verwaltung Napoleons gekommen. Ein Strecken- und Entfernungsplan aus dieser Zeit gibt Auskunft über die minutengenau veranschlagten Fahrtzeiten auf schlechten Wegen, auf denen kein heutiger Lieferwagen fahren könnte:

    Strecke Elberfeld bis Unterbarmen .................... 25 Min.
    Strecke Elberfeld bis Ronsdorf ................ 1 Std. 27 Min.
    Strecke Elberfeld bis Lennep .................. 2 Std. 49 Min.
    Strecke Elberfeld bis Born .................... 3 Std. 51 Min.
    Strecke Elberfeld bis Wermelskirchen .......... 4 Std. 43 Min.
    Strecke Elberfeld bis Straßerhof bei Burscheid  7 Std. 11 Min.

    Strecke Elberfeld bis Fettehenne .............. 8 Std.  1 Min.
    Strecke Elberfeld bis Schlebusch .............. 8 Std. 30 Min.
    Strecke Elberfeld bis Dünnwald ................ 9 Std. 25 Min.
    Strecke Elberfeld bis Mülheim / Rhein ........ 10 Std. 22 Min.
    Strecke Elberfeld bis Köln ................... 11 Std. 14 Min.
    [Hindrichs 1969 S. 10]

Und wie lange braucht heute ein LKW für die etwa 55 Kilometer lange ausgebaute (Schnellstraßen-)Strecke zwischen Wuppertal-Elberfeld und Köln-Mühlheim?

Der Herbergsbetrieb des Hauses Heider war wohl am umfangreichsten um die Mitte des 19. Jh. Abend für Abend flankierte eine oft mehrere hundert Meter lange Kolonne schwerbeladener Fuhrwerke eine Seite der Straße. "Und während die Fuhrleute nach einem deftigen bergischen Abendessen in der Gaststube noch lange rauchend und schwatzend beisammensitzen, ehe sie die im ersten Stockwerk gelegenen Schlafstellen aufsuchen, und während aus den Ställen das Stampfen von sechzig kraftstrotzenden Zugpferden bis auf die in nächtlicher Ruhe daliegende Straße dringt, schreiten vier Nachtwächter mit ihren Wachhunden die Wagenreihe ab, um das kostbare Frachtgut unter der schützenden Plandecke zu hüten.

Beim ersten Tagesgrauen erwacht das Leben in der Schenke und ihren Stallungen wieder, die Straße widerhallt von Hottruf und Peitschenknall, und unter übermütigen Scherzworten und fröhlichen Abschiedsgrüßen löst sich ein Fuhrwerk nach dem anderen achsenknarrend aus der langen Kette, um die Weiterfahrt in den neuen Tag anzutreten."

Nach dem Tod Konrad Heiders 1856 führte sein Sohn Gottfried mit seiner Frau die Gastwirtschaft weiter. Das Fuhrgeschäft wurde zum Nebenerwerb. "Jahrzehntelang aber bleibt die alte Ausspannschenke in Neuenhaus noch ein Begriff bei der Zunft der Fuhrleute, bis in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen [= 19.] Jahrhunderts das immer dichter werdende Netz der Eisenbahnwege das gesamte Verkehrsleben in gänzlich neue Bahnen lenkt, und als Gottfried Heider im Jahre 1893, siebzigjährig, für immer die Augen schließt, ist die ehedem so stolze nächtliche Wagenfront bereits bis auf einige wenige Fahrzeuge zusammengeschrumpft. In Haus und Stall wird es im Verlaufe der nächsten Jahrzehnte still und stiller."
[Rahm S. 62-69]

Ausführlich geht Fritz Hinrichs in Heft 7 seiner Schriftenreihe über das Bergische Land auf "Die Wermelskirchener Landstraße und ihre Fuhrleute" und insbesondere auf die alte Fuhrmannsherberge Heider (Heyder) ein. Die Pferde der Fuhrleute kommen auch hier nicht vor.


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Über den oberbergischen Fuhrmann

C. Dahlmann aus Wiehl hat 1951 über die oberbergischen Fuhrleute einen kurzen Aufsatz veröffentlicht, in dem auch nicht unmittelbar von den Pferden die Rede ist, der aber neben genealogischen Angaben einen kleinen Einblick in dieses Gewerbe gewährt:


Dahlmann, C.: Der oberbergische Fuhrmann früherer Zeiten.
Oberbergische Heimat. Heimatblätter für den Oberbergischen Kreis.
Beilage der Kölnischen Rundschau. Köln 1951

"Heutzutage denkt die Allgemeinheit etwas geringschätzig von diesem einst so blühenden Gewerbe, als das oberbergische Land noch keinen Bahn- und Omnibusverkehr kannte. Aber gerade dieser Beruf besaß früher eine besondere Bedeutung und genoß daher auch hohe Achtung. Jahrhundertelang war vom bergischen Fuhrmann mancher andere Stand, so auch die Industrie unserer Heimat, völlig abhängig.

Noch vor hundert Jahren lagen die Straßen- und Wegeverhältnisse in unserer Heimat sehr im argen. Daß aber der Fuhrmann mit den oft steilen Fahrwegen, aber auch mit Bächen und kleinen Flüssen fertig werden mußte, beweisen die Ortsbezeichnungen auf 'Fuhr' und 'Furt', wie beispielsweise Angfurten bei Oberwiehl und Wasserfuhr bei Gummersbach. An steilen Wegstrecken und zahlreichen Furten, z.B. der Aggerfurt bei Niederseßmar-Krummenohl, wurde mit Vorspann das Hindernis überwunden.

Da von allen Fuhrleuten die gleichen Wege benutzt wurden, zeigten sich nach längerer Zeit Schlaglöcher und tiefe Wasserrinnen. Das Zuschütten überließ man den Steinfuhrleuten, die hierfür die Schlacken oberbergischer Hammerwerke holten und Grauwacke als Füllmittel benutzten.

Erst als um 1850 die preußische Regierung den teilweise unter napoleonischer Herrschaft begonnenen Straßenbau fortsetzte und statt der schnurgeraden, schwer zu befahrenden Wege die für bergiges Gelände besser geeigneten Serpentinenstraßen einführte, besserte sich das Los der Fuhrleute. Die ständigen Vorspanne verschwanden zum Teil.

Das Auf- und Umladen der Waren sowie das Uebernachten der Männer, ebenso das Auswechseln und Füttern der Pferde geschah in den alten Wirtshäusern an den Knotenpunkten des Straßennetzes. Fast in jedem größeren Dorfe gab es damals Fuhrleute, die die vom Handwerk und der Industrie gefertigten Erzeugnisse, dazu Spezereiwaren und Güter aller Art an ihre oft weit entfernten Bestimmungsorte brachten.

Im Oberbergischen waren noch in den letzten 150 Jähren viele Familien für das Fuhrgewerbe tätig, wobei sich der Beruf des Vaters durch viele Generationen hindurch vererbte, so daß sich allmählich eine stolze Tradition herausbildete. Zu solchen oberbergischen Fuhrleuten zählten aus dem Südteil des Oberbergischen Kreises folgende namhafte Vertreter, deren Nachfahren teils noch in denselben Herkunftsorten wohnen:

Johannes Rothstein, Groß-Bantenberg, geb. um 1780;
Caspar vom Schemm, Harscheid, geb. 1772, gest. 1833 in Geringhausen;
sein Vater Job. Peter Wilhelm vom Schemm, geb. 1739 in Börlinghausen, Kirchspiel Kierspe, gest. 1810 in Harscheid;

sein Großvater Joh. Wilhelm vom Schemm, geb. 1696 auf Hof Schemm bei Brüninghausen (Lüdenscheid), Fuhrmann im Kirchspiel Kierspe, gest. 1747 in Börlinghausen;
Peter Kuhl, Bomig, geb. um 1725, gest. 1783,
sein Sohn Joh. Heinrich Kuhl, Bomig, geb. 1762, gest. 1815;
sein Enkel Johann Henrich Kuhl, Bomig, geb 1807;
Friedrich Peters, Marienhagen, geb.1807;
Christian Jung, Dieringhausen-Brück, geb. 1814;
Johann Christian Wiskop, Kehlinghausen, geb. 1766, gest. 1815;
Hermannus Leyman zu Großen-Fischbach, geb. 1761, gest. 1818;
Christian Kemper, Wiehl-Dörnen, geb. 1777, gest. 1815;
Henricus Heerhausen, Erbland, geb. 1755, gest. 1810;
sein Sohn Henrikus Heerhausen, Erbland, geb. 1786;
Wilheln Theodor Jürgen, Bünghausen, geb. 1785;
Christian Dick, Hömel, geb. 1818;
Friedrich Helmenstein, Erbland, geheiratet 1858;
Friedrich Heerhausen, Breidenbruch, geb. um 1765;
Christian Krieger in der Bremig, geb, um 1770;
Johannes Krieger in den Dörnen, geb. um 1790;
Gerhardus Heerhausen zur Linden, geb. um 1775;
Henrich Schmid, Soelseiffen, geb. 1766, gest. 1816;
Johann Heinrich Klein, Dreisbach, geb. 1760, gest. 1816 in Hunstig;
Henrich Dick, Sölsiefen, geheiratet 1848;
Johann Friedrich Kreitz, Waldbröl-Boxberg, geb. 1833;
Christian Faulenbach, Wiehl-Dörnen, geb. 1746, gest. 1814;
sein Sohn Caspar Faulenbach, Dörnen, geb. 1786, gest. 1851;
sein Enkel Christian Faulenbach, Dörnen, geb. 1811, gest. 1889;
der Urenkel Christian Faulenbach, Dörnen, geb. 1849, gest. 1932;
dessen Schwiegersohn Philipp Fuldauer, geb. 1878, gest. 1943,
und dessen Sohn Erich Fuldauer, Wiehl, geb. 1913,
also sechs Generationen der Beruf des Fuhrmanns in einer Familie.

Von diesen vorgenannten Fuhrleuten beförderte der weit und breit bekannte 'Fulenbachs Christ', geb. 1849 in Dörnen, fertige Achsen der Achsenfabrik der Gebrüder Reusch am Ohlerhammer, der jetzigen Bergischen Achsenfabrik Fr. Kotz u. Söhne, zur Firma Reusch in Hoffnungsthal, fuhr Eisen des Bionhammers und des Bielsteiner Hammers nach Solingen und Remscheid, Stück- und Leergüter nach Hagen, Elberfeld, Schwelm, Düsseldorf, Köln, Deutz, Krefeld, Linz a. Rh., Rheinbach und vielen anderen Orten.

Auf der Rückfahrt brachte er Kohlen, Eisenschrott, Kolonialwaren, Möbelstücke und allerlei Gebrauchsgegenstände mit. Auch Briefe und Pakete hatte er zu besorgen. Oft holte er in Rothemühle Bier, das aus Hörde in Westfalen stammte. Wenn sein Fahrweg ihn von Dörnen über Wiehlmünden, Overath nach Siegburg führte, übernachtete er dort im Gasthaus der Geschwister Ennenbach, wie viele andere Fuhrleute auch.

Für eine Fahrt von Wiehl nach Deutz, auf der er mehrmals Vorspann nahm, benötigte er mit Uebernachten und Auf- und Abladen fünf Tage. In seinem über den Leib zusammengeknoteten, blauen bergischen Kittel mit dem rotgetupften, schwarzen Halstuch und der schwarzseidenen Kappe oder dem breitkrempigen, schwarzen Wetterhut ging er auf Fahrt neben seinem Wagen her oder setzte sich auf den 'Fulsack' an der linken Wagenseite zwischen den Rädern, seine halblange Pfeife schmauchend, die 'Schmecke' in der Hand. Von reckenhafter Gestalt, wuchtete er seine schweren Ladegüter in kühnem Schwung auf den Wagen.

Bis ins hohe Greisenalter von 87 Jahren behielt er seine Rüstigkeit und Leistungsfähigkeit in seinem ihm liebgewordenen Berufe, zuletzt noch als Bahnspediteur in Wiehl. Von seinen vielen Fahrten wußte er aufmerksamen Zuhörern seine zahlreichen Erlebnisse mit Humor zu erzählen. Er war mit seiner reichen Lebenserfahrung im wahrsten Sinne des Wortes ein 'alter Fuhrmann'."

[Dahlmann 1951]


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Zum Speditionswesen im Solinger Bezirk

Wie aus einem Bericht von Philipp Andreas Nemnichs von 1808 über seine "der Kultur und Industrie gewidmete Reise" hervorgeht, wurde das Fuhrwesen für die Solinger und Elberfelder Kaufleute zu dieser Zeit von den Einwohnern Somborns [= Sonnborn] betrieben. Sonnborn gehörte damals zum Amt Solingen.
[Zit. bei Huck / Reulecke S. 161]

Die Fuhrleute brachten natürlich auch die Waren der Solinger Kaufleute zu den Messeplätzen wie Frankfurt am Main oder Leipzig. Mitte der 1820er Jahre führten die Verbesserungen im Straßenbau dazu, dass die Überlandfahrt zur Leipziger Messe 'nur' zwanzig Tage dauerte. "Die Fuhrleute, auch Hauderer genannt, des bergisch-märkischen Bezirks trafen sich zwanzig Tage vor Beginn der Leipziger Messe bei Hagen und formierten sich zum großen 'Leipziger Messezug'. Durch Beiladung konnten die Frachten verbilligt werden. Unterwegs trieben die Fuhrleute Pferdehandel." [Rosenthal 2. Bd. S. 280]

1832 vermerkt der königlich-preußische Landrat Georg Frh. von Hauer in seiner Statistischen Darstellung des Kreises Solingen, dass das Frachtfuhrwesen und schon der Vorspann an den Straßenhöhen einen "nicht unbedeutenden Erwerb" gewährten. "Beide kommen jedoch selten einzeln, sondern meist nur als Nebengeschäft der geringeren Landleute und der an Straßen wohnenden Wirthe vor. Lohnfuhrleute von Gewerbe sind, einschließlich der Miethkutscher, 27 mit 43 Pferden vorhanden." [v. Hauer S. 108]




Spediteure gab es in Solingen bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jh., allerdings beschränkte sich ihre Tätigkeit meist auf den innerdeutschen Verkehr. Um die Wende zum 20. Jh. wurde in Ohligs die Firma J. Dahmen & Co. gegründet, die sich auch mit dem Bahnsammelladungsdienst für den ausländischen Güterverkehr befasste. Von dieser Firma wird noch die Rede sein.

Zum Güterversand wurde zwar längst die Eisenbahn genutzt, aber natürlich war mit dem Be- und Entladen der Waggons der Weg des Sammelverkehrs nicht abgeschlossen. Und waren die Pferde mit dem eigentlichen Fuhrgeschäft nicht ausgelastet, wurden ihnen auch andere Aufgaben übertragen.


Solinger Tageblatt vom 6. Februar 1942

"Die einzelnen Waren müssen auch zu und von den Bahnhöfen geschafft werden. Zu diesem Zweck unterhielten die Solinger Speditionsfirmen auch größere Fuhrparks, die ununterbrochen unterwegs waren, Waren heranzuschaffen und abzufahren. Neben Ohligs tendierten Merscheid und Weyer fast völlig zum Bahnhof Ohligs.

In den ersten Jahren des Ohligser Speditionswesens war indessen die Arbeit für die Pferde noch nicht so umfangreich, als daß für sie keine andere Arbeit mehr übrig geblieben wäre.

Die Firma Dahmen & Co. richtete daher mit ihren Gespannen die erste Müllabfuhr im Auftrag des Ohligser Haus- und Grundbesitzvereins ein, die zunächst einmal, später zweimal wöchentlich erfolgte. Damals kannte man in Ohligs eine städtische Müllabfuhr noch nicht. Auch für die Fäkalienabfuhr stellte die Firma ihre Pferde. Bemerkenswert ist hier, daß die Stadt Ohligs später diese Einrichtung käuflich erwarb und damit also bekundete, wie wertvoll diese Einrichtung war. Diese erfolgte auch in Ohligs nach dem Danielmeier'schen 'Prinzip'.

Und nicht zuletzt verdanken auch Landwehr und Aufderhöhe ihre Erschließung einem geregelten Fuhrverkehr zwischen diesen beiden Orten und Ohligs. Bis um die Jahrhundertwende, als man eine Straßenbahn in diesen Bezirken noch nicht kannte, wurden irgendwelche Stückgüter oder was es sonst immer zu bringen oder holen gab, gelegentlich von Milchhändlern oder Fuhrleuten mitgenommen. Dann besorgte die Firma J. Dahmen & Co. die Transporte zwischen Ohligs und Landwehr/Aufderhöhe, womit nicht nur eine geregelte Zustellung, sondern auch eine wesentliche Verbilligung der einzelnen Frachten verbunden war.

Inzwischen ist die Firma aber auf ihr ureigenstes Gebiet, die Spedition, Transportversicherung, Reisebüro und Möbeltransport zurückgekehrt, und von den Zeiten, in denen sie die Umschläge des Benrather Hafens zu steigern bemüht und den Bauern willkommene Düngung aufs Feld zu fahren bestrebt war, trennt allein die Erinnerung."


Wenn zwischen Solingen und dem Hitdorfer Rheinhafen oder Köln Waren transportiert werden mussten, nahmen die Fuhrleute bis zum Bau der Eisenbahnstrecken (und auch später noch) den Weg über die heutige Neuenkamper Straße - Brücke - Aufderhöher Straße - Landwehrstraße, die B229 also. Aber die erheblichen Steigungen auf dieser Strecke waren für ein Pferdefuhrwerk nicht ohne weiteres zu bewältigen. Wie sich die Fuhrleute halfen, beschreibt ein Artikel aus dem Solinger Tageblatt vom 31. Mai 1933:


Solinger Tageblatt vom 31. Mai 1933
Aus der Vergangenheit von Aufderhöhe.

Der alte Fuhrmannsbetrieb.

Bis in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, als die Transporte zum größten Teile noch mit Pferdefuhrwerk ausgeführt wurden, gab es in Aufderhöhe mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden. Der nicht immer gute Straßenzustand, der noch durch verschiedene Steigungen zum Landwehrberg und bei Brücke verstärkt wurde, machte es erforderlich, daß Vorspann genommen werden mußte, denn mit den eigenen Pferden der Transporte konnten die Höhen nicht überwunden werden.

Zu dem Zwecke waren an den schwierigsten Straßenstellen Pferdehalter etabliert, die den Vorspann stellten. Mit dieser schönen Einrichtung waren aber für die Fuhrleute Kosten verbunden, die nicht unerheblich waren. So betrug die Leihgebühr für die Benutzung eines Vorspannpferdes auf der Strecke von Landwehr bis auf den Landwehrberg hinauf 75 Pfennige. Der gleich Betrag mußte für ein Pferd entrichtet werden zur Ueberwindung der Strecke von Brücke bis zur "ersten Dreh", also der Kurve in der Nähe von Schirpenberg. Von dort bis zur alten Fuhrmannswirtschaft Decker, später "Kaisers Daniel" am Neuenhaus, war der doppelte Betrag an Leihgebühren üblich. Für die ganze Strecke von Brücke bis Höhscheid-Neuenhof betrug die Leihgebühr für ein Pferd 2 Mark.

Vielfach halfen sich die Fuhrleute, sofern sie die Strecke zu gleicher Zeit passierten, mit ihren eigenen Pferden aus. Damit konnte sich unter Umständen die Transportzeit erheblich verlängern, jedoch waren in diesem Falle die Leihgebühren erspart.

Mit dem Ausbau der Eisenbahnstrecken ließ der Verkehr auf der damaligen Hauptverkehrsstraße von Solingen zum Hafen bei Hitdorf am Rhein oder nach Köln erheblich nach, und der Fuhrwerksbetrieb der alten Art hörte schließlich ganz auf. In den letzten Jahren hat sich der Lastverkehr auf den Straßen wieder mehr eingestellt, indem vielfach an Stelle der Eisenbahnbeförderung der Lastkraftwagenbetrieb in Anwendung kam, bei dem auch größere Steigungen überwunden werden.


Vorspann- oder Beispannpferde wurden u.a. auf dem Hof Lohmann in Landwehr vorgehalten, gelegen unterhalb von Solingen-Aufderhöhe an der heutigen B 229 zwischen Ohligs und Langenfeld - und damit unmittelbar vor der ersten größeren Steigung.


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Knapps Kuckuck
Eine Fuhrmanns-Anekdote aus Wald (Solingen)


Hotel Knapp
 
Fuhrwerk vor dem Hotel Knapp
in Wald (Solingen),
Stresemannstraße 30, um 1890.
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen

Als letztes Haus in der Dorfstraße (Stresemannstraße) hatte in der in Wald (Solingen) seit Ende des 18. Jh. das Gasthaus "Wester" gestanden. Der Eigentümer Johann Abraham Wester war nicht nur Wirt, sondern auch Posthalter von Wald: 1827 war in Wald eine Postexpedition eingerichtet worden, eine Station der Fahrpost zwischen Solingen und Düsseldorf. Der Posthalter hatte nicht nur für den Brief- und Paketdienst zu sorgen, sondern musste auch den Reisenden eine Stube für Wartezeiten zur Verfügung stellen.

Dieses hauptsächlich von Durchreisenden und Fuhrleuten genutzte Gasthaus ging in der 2. Hälfte des 19. Jh. in den Besitz des Hauderers [= Lohnfuhrmann] und Wirts Friedrich Wilhelm Knapp über und führte nun den Namen "Hotel Knapp". Es blieb bis 1904 im Besitz der Familie.

Zufällig fand ich im Solinger Stadtarchiv einen vergilbten, über 60 Jahre alten Zeitungsausschnitt, in dem von einem Walder Fuhrmann und dem reputierlichen Hotel Knapp in Wald (heute ein Solinger Stadtteil) die Rede ist. Knapps Hotel - so viele Aufnahmen sind ja um 1890 noch nicht gemacht worden. Sollte etwa...? Und tatsächlich - die kleine, in herrlich-blumiger Sprache eingeleitete Geschichte bezieht sich auf eben diese alte Photographie. Wenn das Pferd darin auch nur eine kleine und eher betrübliche Rolle spielt, so zeigt sie doch, was einem Gespann unterwegs so alles passieren konnte.


Solinger Tageblatt vom 23. Oktober 1943

Eine Erinnerung aus Alt-Wald
Vom 'Knapps Kuckuck'

"Als wir einem in punkto Heimatkunde ganz und gar beschlagenen Walder 'Dorfältesten' ein aus den Anfängen des Photographierens stammendes Heimatbild zur Betrachtung vorwiesen, fiel eine rosenrote Wolke über das Gesicht des biederen Mannes, und ein stilles Lächeln huschte über seine Züge. Erinnerungen wurden wach. Der Blick enteilte auf leichten Schwingen in die selige Traumlandschaft der Jugendzeit. Er haftete an den alten freundlichen Häusern, die längst der Spitzhacke zum Opfer gefallen sind, glitt über das derbe Kopfpflaster der Walder Hauptstraße, die noch keine Straßenbahn, keinen durchgehenden Bürgersteig und keine Kehrmaschine kannte, und verweilte einen Augenblick bei der bierhutgeschmückten Männergruppe auf der Freitreppe des einst so reputierlichen Hotels Knapp, das seinen guten Küchenruf weit in der Solinger Landschaft verbreitet hatte. Dann blieb der Blick wie angewurzelt auf dem Dreiklang von Mann und Roß und Wagen im Vordergrund haften - -

»Datt es jo dr Knapps Kuckuck!« - hörten wir den Alten freudig ausrufen. Und vom Knapps Kuckuck vernahmen wir die folgende Geschichte, die, ob wahr oder halbwahr, des Nacherzählens wert erscheint.

Er war bürgerlich Wilhelm Born geheißen. Ein gutmütiger, treuer Mensch. Im Volksmunde kannte man ihn nur unter dem Namen 'Knapps Kuckuck'. Den hatte er zur ersten Hälfte um deswillen erhalten, weil er ein Leben lang in der Hauderei des Hotels Knapp zu Wald seinen Dienst bei den Pferden verrichtete. Kuckuck aber wurde er geheißen, weil er jeder kleinen, hübschen Maid, jeder 'Wauler Plümm', ein fröhliches und zärtliches 'Kuckuck' nachrief und diese Zuneigung stets mit einem zackigen Peitschenknall zu begleiten pflegte.

Seine Pferde hütete der Kuckuck wie den eigenen Augapfel. Von ihm und den Gäulen ging anno dazumal - es sind seitdem mehr als 50 Jahre verflossen - manch lustige und schnurrige Geschichte durch die Stammtischrunde im Hotel Knapp und die der Walder Bürgerschaft. Die lustigste, die wir hörten, ist diese:

Knapps Kuckuck fuhr eines Tages mit seinem Gespann gen Burg und Oberberg. In Wermelskirchen, das damals wie heute fast eine Tagesreise von Wald entfernt lag, ging plötzlich und unerwartet das Pferd am Schlage ein. Kuckuck wußte zunächst nicht aus noch ein, auf welche Weise er seinem Brotherrn die betrübliche Nachricht von dem Ende seines Gaules übermitteln sollte. Dann dämmerte ein Lichtblick. Da war doch schon der Telegraph in Betrieb. Und ihm vertraute er seine Eilnachricht nach Wald an. Der Biedere telegraphierte also: 'Perd putt - - Kuckuck'.

Das war des alten Wilhelm Born aus Wald erstes und einziges Telegramm im Leben."



Quellen:
  • Dahlmann, C.: Der oberbergische Fuhrmann früherer Zeiten. Oberbergische Heimat (1951)
  • Frhr. von Hauer (1832)
  • Hinrichs (1969)
  • Huck / Reulecke (1978)
  • Müller, Rolf (1992)
  • Rahm (1956)
  • Rosenthal 2. Bd. (1972)
  • Solinger Tageblatt vom 31.05.1933
  • Solinger Tageblatt vom 06.02.1942

Literaturhinweis:
  • Böseke, Harry: Der Bergische Fuhrmann. Eine Zeitreise in Geschichten, Erinnerungen und Bildern. Wiehl 2001.

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