"Rudolf Kettner, ein bergischer Amtsjäger, übernahm 1788 den Postbetrieb, der - wie schon zuvor - den Verkehr zwischen Düsseldorf und Köln und auch nach Solingen vermittelte. Schon ein Jahr nach seinem Dienstantritt beantragte Kettner, der seine Einnahmen verbessern wollte, die Abfahrtszeiten in Düsseldorf und Köln so zu legen, daß in Opladen längere Übergangszeiten erreicht wurden, damit die Passagiere Zeit fanden, sich in der Postwirtschaft bewirten zu lassen oder auch dort zu übernachten. Die Direktion in Regensburg lehnte das Gesuch jedoch ab. Sie gewährte dem Posthalter allerdings eine Aufbesserung seiner Bezüge um 208 Reichstaler im Jahr.
1791 gehörten zur Opladener Station 21 Pferde. In den reitenden und fahrenden Dienst teilten sich acht Postillione. Weil sich die Klagen der Passagiere über den schlechten Zustand der Pferde und den häufig unter Verspätungen leidenden Postverkehr mehrten - oft wurden in Köln und Düsseldorf Anschlüsse verpaßt -, begab sich der Kölner Postkommissar persönlich nach Opladen, um hier nach dem Rechten zu sehen. Damals sind der Posthalter und drei Postillione von ihm vernommen worden.
Der Fahrer des Kölner Wagens, Laurenz Wenzler, sagte aus, die ihm anvertrauten Pferde seien für die Route Opladen - Köln bestimmt. Dreimal in der Woche verkehre sein Wagen zwischen Opladen und Köln. Montags, mittwochs und samstags führen die Postwagen nach Köln, während dienstags, donnerstags und sonntags die Rückfahrten angesetzt seien. In die Fahrzeit von vier Stunden, die für die Reise von Opladen nach Köln vorgeschrieben waren, war die Wartezeit von einer Stunde an der fliegenden Rheinbrücke in Mülheim [stationäre Rheinfähre] und die Abfertigung am Kölner Stadttor eingerechnet.
Auf die Frage des Kölner Postkommissars, wieviel Lohn er erhalte, antwortete Laurenz Wenzler: »Ich bekomme keinen Pfennig Lohn. Ich muß mich mit der Verpflegung, der Unterkunft und einem Trinkgeld begnügen, das die Summe von 90 Talern im Jahr selten übersteigt. Mir davon alle vier Jahre ein Posthorn anzuschaffen, ist nicht möglich. Meine Montur entspricht auch nicht immer der vorgeschriebenen Bekleidungsordnung. Ich besitze schon seit zwei Jahren keinen Posthut und muß mich mit einer Mütze begnügen.«
Nicht besser wird es auch dem Postillion Johannes Flath ergangen sein, der den Düsseldorfer Wagen fuhr. Postillion Laurenz Munsteiffel war für die Fahrt auf der Solinger Route zuständig. Zwei Pferde wurden für die Fahrt nach Solingen angespannt, die laut Fahrplan in vier Stunden bewältigt werden mußte, während für die Rückfahrt drei Stunden kalkuliert wurden.
Wegen seiner liderlichen Geschäftsführung erregte Rudolf Kettner sowohl bei den Fahrgästen als auch bei seinen Vorgesetzten höchstes Ärgernis. Am 13. Februar 1790 beschwerte sich sogar der pfalz-neuburgische Kanzler von Nesselrode beim Fürsten von Thurn und Taxis. Er schrieb:
»Anbei muß Euer Exzellenz vermelden, daß der Posthalter Kettner zu Obladen mit so schlechten Pferden versehen ist, daß noch kürzlich, als ein Passagier kaum eine Viertelstund von dorten mit vier Pferden abgefahren war, ein Pferd am Wagen gefallen und also mit den übrigen dreyen die Fahrt hat fortsetzen müssen. Allem Anschein nach werden nur abständige Pferde eingestellt. Ich habe Exzellenz ersuchen wollen, gemelten Posthalter zu Obladen zur Anschaffung tüchtigerer Pferde zur Rede zu stellen.«
Am 26. Dezember des gleichen Jahres schickte der Kanzler von Nesselrode wieder einen Beschwerdebrief ab. Darin hieß es: »Wegen der zu Obladen mit so schlechten Pferden versehenen Posthalterei laufen noch täglich Klagen ein, so wie noch kürzlich ein Bekannter von mir der Reise nach Düsseldorf von Obladen aus sieben Stunden hat zubringen müssen, wo nur solches denen Passagieren allerdings zum größten Nachteil gereichet, und dadurch die diesseits mit so vielen Kosten eingerichtete Chausseeroute zum Abbruch der Ararii und Gewerbes mit der Zeit vollends verlassen wird.«
Mehr als drei Jahre lang scheinen diese Übelstände trotz Verwarnung und Strafe angehalten zu haben, denn am 16. März 1793 beschwerte sich die Solinger Kaufmannschaft über die Mißstände in der Opladener Poststation. Der Wortlaut dieses Schreibens:
»Die Posthalterei des Amts-Jägers Kettner in Obladen, welche schon lang der Gegenstand des Mißvergnügens hiesiger Commercianten gewesen ist, wird mit jedem Tag schlechter und verdient daher mit Recht die Aufmerksamkeit unseres Handlungs-Vorstandes. Nicht nur ist der auf Düsseldorf, Köln und zurück abgehende Wagen mit äußerst elenden Pferden bespannt, mit keiner Decke für die Pakete versehen; die denselben führen, sind junge unerfahrene Burschen, sondern derselbe bleibt auch öfters ohne die geringste Ursache aus oder kommt willkürlich, je nachdem es die Convenienz oder vielmehr das Interesse des Posthalters mit sich bringt. Mit der Briefpost hat es die nemliche Bewandtnis: Verhungerte, elende Pferde, Kinder, welche solche reiten oder vielmehr leiten und treiben, Burschen zu Fuß ohne Pferd sind dem Posthalter gut genug, unsere oft wichtigen Briefe hierher zu bringen, und die Zeit, wann solche hier ankommen, ist demselben was gleichgültiges. Von der Extrapost mögen wir gar nicht reden; genug, die Poststation Obladen ist in allem Betracht die schlechteste so in ganz Deutschland besteht.«
Um den hier geschilderten Mißständen, die nicht nur dem Handel und Wandel im Solinger und auch im Elberfelder Gebiet, sondern dem ganzen rechtsrheinischen Kölner Postbereich sehr schadeten und die Post bei der Bevölkerung in Mißkredit brachten, ein Ende zu machen, beantragte der Kölner Postkommissar Grub, Kettner abzusetzen."
[Hinrichs S. 5-7]
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