Pferde-Alltag in alter Zeit |
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Über die Straßen- und Verkehrsverhältnisse im Bergischen Land (17.-19. Jh.) |
- Max Schmidt: Heimatliche Straßenbilder alter Zeit |
Die bergische Wirtschaft war in besonderem Maße auf Rohstoffzufuhr und Fernhandelsverbindungen angewiesen, und so hing sehr viel von guten Verkehrsverhältnissen ab. Den bergischen Kaufleuten konnte die Aktivität der Franzosen im Straßenbau - wenn sie wohl auch aus strategischen Gründen erfolgten - nur recht sein, denn in diesem Bereich lagen die Dinge im Bergischen Land vor der sog. Franzosenzeit (Ende 18./Anfang 19. Jh.) noch sehr im Argen.
"Ferner war der Weg von Langenfeld nach Elberfeld »so abscheulich und gefährlich, daß es in der Tat für jemanden, der ihn nicht kennt, unmöglich ist, sich davon einen wahren Begriff zu machen, ausgefahrene Felsen, Procipissen (steile Abhänge), ungeheure Berge, und zwar immer bei Nacht zu passieren...« Kein Pferd halte diese Strapazen länger als ein Jahr aus, »weil in den tiefen und schmalen in die Felsen eingreifenden Geleise besonders bei dem nächtlichen Ritt in gar kurzer Zeit der Huf des Pferdes zugrunde geht...« Die Klagen blieben im ganzen ohne Wirkung." Kunststraßen, d.h. befestigte Chausseen, gab es im Bergischen Land fast gar nicht, anders als in der damals schon besser ausgestatteten preußischen Mark, statt dessen vorwiegend unbefestigte Polizeystraßen. Trotz eines ausgeklügelten Wegewartungssystems bedeutete das Sand, Lehm und Staub im Sommer und im Winter tiefe morastige Löcher, dicke Steine, Wurzeln und Geröll. Unfälle mit umgestürzten oder zerbrochenen Kutschen und Wagen kamen ebenso vor wie Verkehrsunfälle heute, und auch damals konnten die Folgen tödlich sein. Da die Wirte und die einheimischen Handwerker möglichst viel an den Durchreisenden verdienen wollten, hatten sie kaum Interesse an besseren Wegen und mussten immer wieder von den Behörden an ihre Pflicht erinnert werden. [Huck/Reulecke S. 18 ff]
"Die Verkehrstechnik im 17. und 18. Jahrhundert befand sich ganz und gar noch auf mittelalterlichem Niveau. Sicher fehlten weithin auch die Geldmittel, mit denen man die Straßen in einen guten Zustand hätte bringen könne. Entscheidend aber dürfte die Einstellung der Menschen im Mittelalter zum Straßenverkehr überhaupt gewesen sein.
Ein typisches Beispiel für die schleppende Straßenentwicklung ist die Straßenverbindung von Elberfeld über Cronenberg, die Kohlfurther Brücke nach Solingen und weiter nach Hitdorf an den Rhein, wo man die teuren Kölner Stapel- und Umladerechte umgehen konnte.
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Einiges ist auch aus den Briefen eines französischen Emigranten im Wuppertal der Jahre 1792/93 zu erfahren: "Die Landstraße von Düsseldorf nach Metmann ist mit Wirtshäusern im Ueberfluß versehen, wovon wenigstens ein Drittel erst seit sechs bis zehn Jahren neu angelegt ist. [...] Dagegen sind aber die meisten zu Herbergen für Fuhrleute sehr bequem eingerichtet und mit guten Ställen versehen." [Huck / Reulecke S. 51] Über Mettmann schreibt er:
"Die Straßen sind größtentheils schlecht, schmal, uneben, und deswegen eben so unbequem zum Gehen, als zum Reiten und Fahren. Der Magistrat dieses Orts hat aber im vorigen Jahre, in einigen Strassen, auf welchen alles durchpassiren muß, was von Düsseldorf nach Elberfeld, oder zurückkommt, einen sehr guten Steinweg anlegen lassen, und dadurch den ehmaligen Klagen der Reisenden Einhalt gethan. Den halben Stüber, welcher dafür von einem Pferde als Weggeld am Thore bezahlt werden muß, achtet gewiß Niemand.
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1987 Feldweg bei Mettmann. Über solche Straßen hätte sich ein Fuhrmann früher sicherlich gefreut. |
Aus dem Jahr 1810 berichtet Graf Jaques-Claude Beugnot, kaiserlicher Kommissar im Großherzogtum Berg, von einer Reise zu den Fabriken von Elberfeld, Barmen, Solingen, Remscheid etc., nicht ohne kritische Anmerkungen:
"Am 28. Mai [gemeint ist das Jahr 1810, d. Hg.] in Düsseldorf aufgebrochen, um die Fabriken in Elberfeld, Barmen Ronsdorf, Lennep, Remscheid, Solingen, etc. etc. im einzelnen zu besichtigen.
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1987, Haan / Rhld., Bahnhofstraße Inzwischen haben sich die Straßenverhältnisse weiter verbessert: Auch im Bergischen Land gibt es befestigte "Kunststraßen". |
Einen runden Überblick über Verkehrserfordernisse, Verkehrswege und Verkehrsmittel im Bergischen Land im 17.-19. Jh. - zugleich über die Unverzichtbarkeit der Pferdestärken für Mobiität und Fortschritt - gibt der Solinger Autor Max Schmidt in seinem 1927 erschienenen Aufsatz: |
Die Heimat Nr. 9 vom 20. Mai 1927
Heimatliche Straßenbilder alter Zeitvon Max Schmidt
Was muß das ein buntes Bild gewesen sein auf den alten Land- und Kohlenstraßen! Auf den holprigen und verhältnismäßig schmalen Verkehrswegen gingen einher die Wanderer, daneben kamen die zahlreichen Reiter und dann die Treiber mit ihren Pferden, die am Ende des 17. Jahrhunderts den Kohlentransport aufnahmen; als größerer Troß, soweit dieser nicht vom Kriegsvolk überboten wurde, Karren und Wagen, mit denen Handelsgüter aller Art transportiert wurden, und dazwischen wieder die Wagen mit den eigentlichen Reisenden, die die großen Touren machten.
Das außerordentlich interessante Kulturdokument besagt uns neben anderem, daß die zweitätige Reise für Mann und Pferd also nur etwa zwei Taler erforderte; nach unseren heutigen Begriffen ein geradezu kleiner Betrag; nach damaligen Verhältnissen aber eine erhebliche Summe.
Mit der Entwicklung des gewerblichen Lebens in und um Solingen ging selbstverständlich ein größeres Reisebedürfnis einher. Es kam hinzu, daß die Wälder unserer Gegend im 17. Jahrhundert den Schmieden nicht mehr genug Holz liefern konnten. Die Kohle wurde mehr benutzt. Es entwickelte sich der Stand der Kohlentreiber, die gegen Lohn die Kohle aus dem Ruhrgebiet hier nach den Kohlenbergen holten. Mit meist alten, abgetriebenen Pferden, die übergeschnallt die Körbe mit den Kohlen trugen, nahmen sie den Transport vor. Bessergestellte Handwerker oder Kaufleute, die zugleich Gutsbesitzer waren, gingen dazu über, ihre Gutspächter zum Holz- und Kohlenfahren in ihren Verträgen zu verpflichten.
Bereits im 16. Jahrhundert finden wir allenthalben den Stand der Fuhrwerksbesitzer fast ähnlich wie in unserer Zeit die Spediteure, nur mit dem Unterschiede, daß man mehr Pferde oder ganze Fuhrwerke verlieh. Nach und nach richteten diese einen Wagenverkehr auf größeren Strecken ein. Sie werden als die Schrittmacher der Personenposten, die, bis die Eisenbahnen rollten, den Personentransport für sich in Anspruch nahmen, zu gelten haben.
Reges Leben herrschte auf den primitiven Straßen, das besonders vor den verschiedenen Messen, wenn die großen, zahlreichen Meßgüter transportiert werden mußten, außerordentlich anschwoll. Dann kam es nicht selten zu Karambolagen und sonstigen Unannehmlichkeiten auf den Fahrstraßen, Vorkommnissen, die sich das Räubergesindel damaliger Zeit nicht selten zunutze machte.
Die Anfänge einer Briefpost finden wir hingegen schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts. In dem Solinger Erkundungsbuche wurde 1688 ein Johann Braches Bote der Düsseldorfer Post, * [* nach freundlicher Mitteilung des Herrn Albert Weyersberg.] und ein Johann Hertzog, Postbote aus Köln, als Hausbesitzer in Solingen genannt. Diesen Boten mußten die Briefe und kleineren Pakete übergeben werden, die sie nach Köln oder an die anderen Poststationen zur evtl. Weiterbeförderung brachten. Größere Pakete wurden Fuhrleuten, insbesondere denen, die zur Messe fuhren, mitgegeben. Sie mußten meist dem Anlieferer eine Kaution stellen, um die gewissenhafte Ablieferung zu verbürgen.
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Quellen:
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