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Eisenerzrevier Haan

Anders als in Solingen, scheint im Haaner Raum der Erzbergbau zeitweilig eine nennenswerte Rolle gespielt zu haben. Er wird mehrfach in der heimatkundlichen Literatur erwähnt, etwas ausführlicher in dem folgenden Artikel von Harro Vollmar. Darüber, ob diese Erzvorkommen für die frühe Solinger Klingenindustrie von Bedeutung gewesen sein könnten bzw. ob die bergische Kleineisen- und Klingenindustrie des Mittelalters im Raum Remscheid, Cronenberg, Solingen und Haan auf eigene Eisenerzvorkommen zurückgreifen konnte, sind die Ansichten geteilt. Es ist eher unwahrscheinlich.


Eisenerzrevier der Bürgermeisterei Haan

von Harro Vollmar (1979)

[...] Auf Erzvorkommen im Haan-/Hildener Raum weist [...] ein Antrag zur Erlangung von Erzschürfrechten am Jaberg an den Kurfürsten von Köln im Jahr 1750 hin. Aber erst ein technisches Ereignis von weittragender Bedeutung sollte zur Entdeckung (Wiederentdeckung?) der reichen Haaner Eisenerzlager führen: Der Bau der ersten westdeutschen Eisenbahn zwischen Düsseldorf - Haan - Elberfeld in den Jahren 1838 bis 1841.

Diese beim Bahnbau angeschnittenen Erzlager in Obgruiten und Oberhaan führten 1847 zur Gründung der Hüttenwerke 'Eintracht' in der Nähe des Gutes 'Hochdahl' in der Gemeinde Millrath, Bürgermeisterei Haan. [...]

Am Obgruitener Bach finden sich noch heute Ortsbezeichnungen wie 'Iserkuhl', 'Erzsiefen' und 'An der Wäsche' (= Erzwäsche). Grün überwachsene Abraum- oder Erzhalden sind für den Eingeweihten nördlich der Bahnlinie immer noch zu sehen. Hans Seeling ('Die Eisenhütte Hochdahl 1847-1912', Wuppertal 1968) berichtet in seiner Veröffentlichung, daß die Grube 'Kraft' in Obgruiten 38prozentiges Brauneisenerz in einer Mächtigkeit von zwei bis drei Metern Dicke abbaute. Die Gewinnung erfolgte im Tagebau, doch trieb man vom Obgruitener Bach her einen Stollen von 140 Metern Länge auf das Erzlager vor. Östlich dieser Haaner Grube bis fast zur heutigen Schwebebahnstation Vohwinkel hin arbeiteten die Gruben 'Bestand', 'Mut' und 'Harmonie' mit bis zu acht Schächten und Teufen bis zu 60 Metern.

Wegen eines Wassereinbruchs in großer Tiefe, den man ohne leistungsfähige Maschinenpumpen damals nicht bewältigen konnte, wurde der Abbau 1862 eingestellt. Dabei war die Förderung für damalige Zeiten nicht unerheblich. Die Grube 'Harmonie' förderte aus Erzlagern von zehn Metern Mächtigkeit.

Der Erzabbau hinterließ seine Spuren: Noch heute treten in diesem Gebiet dolinenartige Einbrüche in den Äckern auf, vor allem in der Zone der ehemaligen Grube 'Mut' bei Krutscheid. Der Boden rutscht plötzlich bis in Metertiefe ab, weil die unterirdischen Hohlräume nachgeben. Diese Dolinen hat man als 'Naturereignis' unter Naturschutz gestellt, weil man ihre Ursache nicht kannte. So rasch war das Wissen um den Erzbau verlorengegangen.

  Doline: Eintiefung im Kalk- und Salzgestein, entstanden durch Auslaugung und Einsturz von Höhlen (Einsturzdolinen) bzw. durch Sickerwässer (Trichterdolinen). [Knaur 1991]

Nicht nur im Oberhaaner Raum wurde Erzabbau betrieben. Noch heute liegen im Hildener Stadtwald, in der Nähe des Sandbachs am Gut 'Kesselsweiher', zwei überwachsene Erzhaufen aus Raseneisenerz und Brauneisenstein. August Lomberg berichtet 1928, daß im Ittertal unweit der Heidberger Mühle früher ein Erzstollen tief in den Berg getrieben worden war. Größere Mengen Eisenerz wurden auch in Unterhaan in der Nähe der Siedlung 'Pütt' gewonnen. Die letzten aufgeschütteten Erzhalden fanden 1880 Verwendung als Untergrund zum Bau der Ohligser Straße.

Insgesamt sechszehn Eisenerzgruben wurden im Jahre 1851 im Bereich der Bürgermeisterei Haan gezählt:

-  'Auf dem langen Kamp' in Obgruiten,
-  'Vereinigtes Deutschland' in der Hilden/Haaner Heide,
-  'Mut' östlich Krutscheid,
-  'Bestand' in Obgruiten,

-  'von Gagern' zwischen Haan-Qualerheide und Hochdahl,
-  'Kraft' in Obgruiten,
-  'Eintracht' auf dem Grundstück Caspers in Gruiten,
-  'Neander' auf dem Grundstück Pieper in Millrath-Hunsklipp
    [das heutige 'Neandertal' hieß bis 1850 'Hunsklipp']

-  'Morgenröthe' auf dem Grundstück Drenker in Gruiten,
-  'Entscheidung' auf dem Hof Düsselberg in Gruiten,
-  'Robert' an der Schlickumer Quelle in Millrath, Steinbruch Lingmann,
-  'Johann' auf dem Grundstück Keusenhoff in Gruiten,

-  'Pluto' im Wiedenhoferfeld in Gruiten,
-  'Ausdauer und Flachskamp' in Gruiten,
-  'Vereinigung' in Vohwinkel,
-  'Vorwärts' auf dem Grundstück Schulten im Höfchen in Haan.

In den darauffolgenden Jahren wurden noch andere Fundorte in Haan und in der zur Bürgermeisterei Haan gehörenden Umgebung aufgeschlossen. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts [des 19. Jh.] jedoch waren die intensiv abgebauten Eisenerzfelder im Haaner Raum stillgelegt.

1850 wurde der erste Hochofen der Hüttenwerke 'Eintracht', errichtet südlich neben dem Bahnhof Hochdahl, unter Beschickung mit Haaner Eisenerz, in Betrieb genommen. Nach einer längeren Konjunkturperiode bekam die Hütte die Konkurrenz der erst später (!) aufstrebenden Ruhrindustrie zu spüren. Von dieser Existenzfrage war auch die Haaner Bevölkerung betroffen: Haan stellte nicht nur einen Großteil der Grubenarbeiter, sondern zahlreiche Haaner gingen in der Hütte Hochdahl ihrem Broterwerb nach.

Da die Gemeinde Haan gegen 1850 noch keine 4000 Einwohner hatte, war die Konjunkturkrise der Hochdahler Hütte sozialpolitisch nicht unbedeutend. Zeitweilig waren in der Hochdahler Hütte um 400 Arbeiter beschäftigt! Gegen 1870 konnte sich das Werk nur dadurch behaupten, daß es den Großteil des als Erschmelzungszuschlag benötigten Kalkes für die Hochöfen aus dem Neandertal aus werkeigenen Steinbrüchen beziehen konnte.

In dieser wirtschaftlich schweren Zeit versuchte man außerdem, die Rentabilität der Eisenerzgewinnung durch Erzeugung von Nebenprodukten zu steigern. Bereits um 1855 hatte man im Raum Oberhaan (Krutscheid, heute Vohwinkel) südlich der Eisenbahnlinie Braunkohle in ergiebigen Lagern gefunden. Diese Kohle wurde mit gewünschtem Erfolg verkauft. So fand zum Beispiel diese Braunkohle auch Verwendung in den Oberhaaner Ziegelbrennereien (deren letzte erst im vorigen Jahrzehnt ihre Pforten schloß!). [= 1960er Jahre] Auf verbliebene Nester dieser Kohlevorkommen griff noch im Weltkrieg 1914-1918 die notleidende Bevölkerung mit absolut sicherem Erfolg zurück.

Ein weiteres Nebenprodukt der Eisenerzförderung waren die Farbstoffpigmente: Die rein gewaschenen und gemahlenen bzw. geglühten Eisenerze wurden für die einheimische Lackindustrie zu Umbra, rotem und gelbem Ocker hergestellt.

Die Roheisengewinnung der Hochdahler Hütte war nicht gering. Im Jahre 1865 entfielen beispielsweise 3,7 Prozent der gesamten Roheisenproduktion des Deutschen Reiches (= 12,4 Prozent der Ruhrgebietsproduktion, 36 000 Tonnen Roheisen) auf dieses Unternehmen. Die Hochofenleistung betrug noch 1895 insgesamt 120 Tonnen in 24 Stunden. Nach mehreren Krisen und einer vorübergehenden Stillegung im Jahre 1874 wurde die Fabrikation der Hochdahler Hüttenwerke 1912 endgültig eingestellt. Die Betriebsanlagen kamen 1913 zur Demontage.

Rund 50 Jahre später wurde der 'Nachlaß' der Hüttenwerke ausgebeutet: Zwischen 1960 und 1966 wurden auf einem Areal von rund 34 Morgen Hochofenschlacken in einer Dicke bis zu 30 Metern abgebaut und zu Straßenbaustoffen verarbeitet.

Das bedeutungsvollste 'Nebenprodukt' des Haaner Eisenerzbergbaus und der Hochdahler Hütte aber war die Entdeckung des Neandertalmenschen in der Feldhofer Grotte: Fast vor der Tür der Eisenhütte wurde er 1856 von Grubenarbeitern beim Kalkabbau für die Hochöfen der Hochdahler Hütte gefunden. Den Namen Neandertal hatte diese Landschaft erst 1850 [...] erhalten, vorher hieß dieses Tal 'Hunsklipp'. [...] Zur Zeit der Entdeckung des ersten gefundenen Vorzeitmenschen gehörte das 'Neandertal' zur Bürgermeisterei Haan!

  Neandertal-Museum
   Bilder aus dem Neandertal

Zum Abschluß dieses Berichtes zwei Zitate: August Lomberg schrieb 1928: »Ältere Leute in Haan gedenken noch oft der Zeit, da dort die Hochöfen flammten, die mit ihrem hellen Feuerschein allabendlich weithin den Horizont umsäumten.«

Und Hans Seeling 1968: "Eine zureichende Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Hochdahler Hütte fehlte bisher völlig, und die gelegentlichen kurzen Erwähnungen in Aufsätzen und anderen Publikationen sind flüchtig oder ungenau. Dies ist um so erstaunlicher, als die Hochdahler Hütte - zwar abseits des eigentlichen Reviers gelegen - unter den Eisenhütten des Ruhrbereichs einen der ersten Koksöfen erbaute und ihrer Produktionsmenge nach zeitweilig an dritter Stelle lag..."

Ich selbst habe zusammen mit einem Kollegen, der sich seit langem der Mineralogie verschrieben hat, im Februar des Jahres 1969 in der Haan-Gruitener 'Iserkuhl' gegraben. Sofort unter der grünen Grasnarbe kamen schlackenartige Eisenerzbrocken zum Vorschein. Gefunden wurden beliebig große Mengen von Eisenerz, 'Limonit' oder 'Brauneisenstein' mit einem Gehalt von 38 % Eisen!



Skizze: Harro Vollmar, 1979

In der Skizze die Grenzen der Bürgermeisterei Haan in ihrer Ausdehnung vom Jahre 1847, als die Eisenhütte 'Eintracht' aufgrund der Haaner Eisenerzvorkommen südlich vom Bahnhof Hochdahl errichtet wurde. Alle wichtigen Eisenerzfelder sind schraffiert und die Braunkohlenfelder gepunktet eingezeichnet. Das Amt Haan wird quer durchzogen von der ersten westdeutschen Eisenbahnlinie, erbaut 1838 bis 1841 von Düsseldorf bis Elberfeld.



 
Dieses schlackenartige Eisenerz (Limonit oder Brauneisenstein) wurde 1969 in der Haan-Gruitener "Iserkuhl" ergraben. Es enthält ca. 38% Eisen.

Foto: Harro Vollmar 1969



Über die weniger erfolgreichen Bergbauversuche im angrenzenden Solingen berichtet Rosenthal:

"Eisenerz. Der Boden Solingens ist von vielen Eisenvorkommen durchzogen, doch keines ist mit der Entstehung des Solinger Stahlwarenhandwerks in Verbindung zu bringen. Einer der ersten Versuche, auf Eisen zu schürfen, war der vergebliche um 1766, als Johann Abraham Ernen am Klauberg gegen den 'Bock' hin mutete und sich mit dem Grafen Adam von Velbrück zu Garath zusammentat.

Bei Friedrichstal legte man 1848 die Grube 'Gute Hoffnung' an, 1862 wurde dort am Mühlenberg nach Kupfer, Stahlkies und Stahlstein gesucht. Der Stolleneingang ist noch vorhanden. Zwischen Hoppenböcken und Hästen arbeitete man zu dieser Zeit auf den Zechen 'Ringeltaube' und 'Nelson'; in Kohlfurth im Eichholz fand man 1856 einige Stollen, die auf früheres Arbeiten schließen ließen, man schürfte wieder, aber dieses Eisenbergwerk ist nie in Betrieb genommen worden.

Bei Ohligs suchte man Bleierz und fand Eisenerz. Auch in dem Höhscheider Bleibergwerk kamen verschiedene Eisenerze vor, die man 1864 ausbeutete. Keine dieser Fundstellen ist von irgendwelcher wirtschaftlichen Bedeutung gewesen, nur das Höhscheider Bleibergwerk." [Rosenthal 2. Bd. S. 143]



 
2005
Solingen-Höhscheid,
ehemaliges Steigerhaus
der Zeche "Kleeblatt"
an der Neuenkamper Straße


Quellen:
  • Rosenthal Bd. 2 (1972)
  • Vollmar, Häuser und Höfe (ca. 1979)

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