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Von den Anfängen des Solinger Klingenhandwerks
- Sagen und Legenden -

Geschichte(n) und Vermutungen
aus dem 9. Jahrhundert
aus dem Jahr 2975 v. Chr.
aus dem 11.-14. Jahrhundert
von Albert Weyersberg
von Heinz Rosenthal
über Adolph VII
über die Stahlfabrikation
 
Die Sagen
von Meister Ruthard und seinem Gesellen
von Wieland dem Schmied
Hirschfänger, Klingenmuseum
"Wo ferne Ereignisse verlorengegangen wären im Dunkel der Zeit,
da bindet sich die Sage mit ihnen und weiß einen Teil davon zu hegen."
[Jakob Grimm]



Geschichte(n)  und  Vermutungen...

... aus dem 9. Jahrhundert

Um die Entstehung und frühe Geschichte der Solinger Klingenindustrie, die bis ins tiefe Mittelalter zurück reicht, ranken sich in Ermangelung konkreter Belege viele Vermutungen, Sagen und Legenden. So oder vielleicht auch anders könnte es gewesen sein:

Der Norden des Bergischen Landes mit seiner Metallbearbeitung wurde von Karl dem Großen (742-814 oder 747-814) gefördert, einem "Freund der königlichen Waffe, des Schwertes". Er soll schwäbische Schleifer ins Tal der Wupper geholt haben. Nachweisen lässt sich das nicht. "In Frankreich soll heute noch die alte Überlieferung bestehen, daß Karl der Große seine langen und gefürchteten Schwerter aus dem Bergischen Land erhalten habe. Jedenfalls wurden bei Elberfeld-Barmen und im Ittertal bei Solingen Schwertfunde gemacht, die einwandfrei als Erzeugnisse aus Rennstahl identifiziert wurden." [Beermann S. 13-17]

  Rennfeuer, offenes Feuer mit Handblasebälgen zur Eisengewinnung direkt aus Erz; veraltet. [Knaur]


Karl der Große
 
Karl der Große
mit Schwert

"Bereits von den Römern soll das Schmieden von Schwertern in Köln, schon damals der Hauptort am Rhein, eingeführt worden sein. (Im 9. Jahrhundert sind Schwertschmiede dort nachweisbar.) Es wird vermutet, dass von dort aus das Handwerk ins Bergische Land, an die untere Wupper, verbreitet wurde, hauptsächlich, um die hier vorhandene Wasserkraft auszunutzen." [Beermann S. 13-17. Der Autor bezieht sich bei seinen Ausführungen auf Heinrich Kelleter (1924).]

  Demnach wäre die Wasserkraft zunächst an der Wupper genutzt worden. Allerdings bezieht sich die älteste urkundliche Erwähnung eines Schleifkottens in Solingen nicht auf einen Wupperkotten, sondern auf einen Bachkotten an der Itter oder - weitaus wahrscheinlicher - am Lochbach im heutigen Solinger Stadtteil Ohligs. Aber das war erst anno 1484.

Im Jahr 870 fiel das Gebiet an Ludwig den Deutschen (804-876 oder 805-876). Er soll - Geschichte oder Legende? - aus einer Schwertprobe eine feierliche Staatsaktion gemacht haben: Im kaiserlichen Ornat, auf dem Thron sitzend, soll er mit den üblichen Handgriffen höchstpersönlich die Klingen einer Gesandtschaft geprüft haben, die von Normannenkönigen an ihn abgeordnet war.

"Ihr Gold hatte er verächtlich auf den Erdboden fallen lassen, mit großer Umsicht erprobte er aber die Normannenschwerter. In seinen starken Fäusten bestand nicht eins die Beugeversuche, die er damit ausführte, nur das Schwert des Häuptlings erwies sich als starr und biegsam zugleich, eine hohe Forderung, der auch Schwerter der fortgeschrittensten Technik späterer Zeiten kaum genügen können." [Kelleter S. 27] Die nordischen Schwerter befriedigten jedenfalls die Ansprüche des waffenkundigen deutschen Königs nicht.

Die einzelnen Fertigungsstufen eines "guten deutschen Schwertes", das Härten, Schärfen und Polieren, waren damals allgemein bekannt. "Schwertschmied und Vorschläger geben dem rohen Stahl die erste Form. Dann geht die Klinge zum Härter, der ihr die Federkraft giebt, hierauf zum Schleifer, der sie blank macht. Je nach dem Grade der Feinheit, welche die Klingen besitzen, werden sie ein- oder mehrere male mit Schmirgel und Oel auf einer Holzscheibe 'gepließt'; dann wandern sie zum Monteur [= Reider], der sie mit Griffen versieht, an denen wieder mehrere Arbeiter ihre Kunst versucht haben. Die Scheiden, Ringe u.s.w. erfordern abermals vielfache Arbeitskräfte. [Hocker S. 406]

Mit der Entdeckung des Härteverfahrens hatte die Schwertindustrie im Bergischen wohl um diese Zeit ein lange bestehendes Geheimnis der Stahlfabrikation lüften können. Das naheliegende "Geheimnis" besteht im mehrmaligen Eintauchen der zu einem bestimmten Grad erhitzten Klinge in kaltes Wasser. [Beermann]




... aus dem Jahr 2975 v. Chr.

Nach Pagé soll dieses Verfahren in Indien schon im Jahr 2975 v. Chr. zur Herstellung von Stahl angewandt worden sein. [Kelleter S. 28 / Pagé, Camille: La Coutellerie (7 Bde.). Chatellerault 1898.]

  Lt. Kelleter schreibt Pagé den Indern just zu dieser Zeit die Erfindung des Stahls zu "aufgrund der Nachrichten ihrer heiligen Bücher für dieses Jahr". Sicher ein interessanter Hinweis. Aber was auch immer sich in den Jahren 2975 v. Chr. (oder auch 870 n. Chr.) abgespielt hat, scheint mir heute nicht mehr so ganz sicher nachvollziehbar zu sein.




... aus dem 11.-14. Jahrhundert

Beermann: "Es gibt jedenfalls viele Stimmen, die die Ulfberth-, Ingelred- und Gicelinschwerter als bergische Schwerter bezeichnen."

  d. s. Schwertfunde mit eingeschlagener Schmiedemarke bzw. Meisternamen aus dem 11.-14. Jh.

Ulfberht-Schwerter:
"Als Denkmale karolingischer Schwertindustrie stellen sich ... jene zahlreichen Klingen dar, die meistens in Skandinavien, seltener aber auch in Deutschland auf Grabfeldern und in Flüssen und Mooren gefunden und in der Literatur nach der regelmäßig auf diesen Klingen vorkommenden Inschrift Ulfberht (spr. Ulfbercht) mit dem Namen der Ulfberhtschwerter bezeichnet werden." [Kelleter S. 21]

Ingelred-Schwerter: 11.-13. Jh.

Gicelin-Schwerter: Bis 14. Jh. [Ausführlich bei Kelleter S. 21-33]


Ulfberthschwerter
 
Ulfberthschwerter aus den Museen
Bergen und Kopenhagen.
Abb. bei Kelleter Tafel II



... von Albert Weyersberg

"Über den Zuzug von Klingenschmieden stößt man auf mancherlei Familienüberlieferungen. Man hört von einer Einwanderung aus Illyrien, dem alten Eisenland Noricum und zumal aus der Steyermark, die als das Stammland u. a. der Schwertschmiede Wirsberg (Weyersberg) vermutet wird."

  Noricum, im Altert. die Landschaft zw. Donau, Inn, den Karnischen Alpen u. dem Wienerwald, von den kelt. Norikern bewohnt; 16 v. Chr. röm.; Hptst. Noreja (heute Neumarkt in d. Steiermark).

  Illyrien, histor. Name für die Länder der westl. Balkanhalbinsel (Krain, Kroatien, Dalmatien, Serbien, Albanien), urspr. von den indoeur. Illyriern bewohnt; 168 v. Chr. Süd-I. röm. Prov., 1809 bis 1813 napoleon. Provinz. [Knaur 1991]


"Nicht viel sicherer steht es um die Nachrichten von einer Beeinflussung durch die Werkstätten der Waffenschmiede zu Nürnberg, Passau, Mailand, Brescia, Belluno, Toledo oder gar Damaskus. An Kriegsmannen oder im Gefolge der bergischen Landesherren - erprobte Klingenschmiede nahmen eine bevorzugte Stellung ein - werden Solinger, zumal in den Kreuzzügen [1096-1270], Gelegenheit gehabt haben, Einblick in fremde Werkstätten zu erhalten, wenn auch schwerlich in die von Damaskus. Manche der so begehrten Damaszener Klingen hatten sie aber gewiß in den Händen, und große Mühe werden sie sich gegeben haben, die eigene Arbeitsweise nach den draußen kennen gelernten zu verbessern."

  Klingen waren im früheren Solinger Sprachgebrauch nur größere, von Schwertschmieden angefertigte Stücke, nicht dagegen Messerklingen.




... von Heinz Rosenthal

Während in Köln Schwertschmiede bereits im 9. Jh. nachweisbar sein sollen [Beermann], nennt Heinz Rosenthal für die Anfänge in Solingen erst einige hundert Jahre später mehr oder weniger einleuchtende Anhaltspunkte:

"Nachweisbar wird das Solinger Klingenschmiedehandwerk erst im 14. Jahrhundert. ... Man kann auch nicht an der Tatsache vorübergehen, daß Köln, aus rheinisch-römischer Tradition heraus, selbst ein ausgebildetes Schmiedehandwerk gehabt hat, das im 11. und 12. Jahrhundert zu dem Ruf der »Kölnischen Schwerter« beitrug. In erster Linie ist das jedoch eine Handelsbezeichnung gewesen, die noch nichts darüber aussagt, daß diese Schwerter ausschließlich in Köln geschmiedet worden seien und gar keines in Solingen.

Kurt Heuser hat gute Gründe angeführt dafür, daß im 14. Jahrhundert weder die Kölner Messerschmiede, noch die Schwertfeger Klingen herstellten; die Produktion hatte sich verlagert. ... Aber das 14. Jahrhundert war nicht der Anfang dieses Gewerbes in Solingen; höchstens konnten die vorhandenen Ansätze dazu durch Zuwanderung aus Köln noch verstärkt werden."


Nach Rosenthal darf man das "früheste Zeugnis eines Solinger Klingenhandwerkers ... in dem zwischen 1212 und 1232 genannten »Terricus scerping« erblicken" - wenn man denn bereit ist, diesen Begriff mit "Waffen- oder Klingenschmied" zu übersetzen. Es bestehen allerdings Zweifel an dieser Übersetzung. [Rosenthal 1. Bd. S. 99]   Wenn ich die Formulierung des Autors richtig deute, stammt dieser Begriff aus einem Gerresheimer Heberegister. Rosenthal zieht die Schlussfolgerung:

"So darf man zur Solinger Handwerksgeschichte sagen: um 1200 war das Handwerk vorhanden. Der Sprung bis zum nächsten Nachweise 1312 ist nur deshalb so groß, weil wir für Solingen ... nur ganz wenige dokumentarische Belege besitzen... Das Fehlen solcher Belege für das arbeitende Volk kann man nicht als Beweis für das Nichtvorhandensein von Handwerkern ansehen. Im 14. Jahrhundert treten sie deutlicher hervor." [Rosenthal 1. Bd. S. 99 f]


Rosenthal bezieht sich mit dem letzten Satz u. a. auf eine Brüchten- und Amtsrechnung [Brüchten = Strafen], ausgefertigt von Amtmann Dietrich Smende am 20. Februar 1363, die Gerichtsstrafen und sonstige "Amtseinkünfte" enthält. Einige hierin aufgeführte Berufsbezeichnungen (wie "knopsliper") wecken evtl. Assoziationen zum Schleiferhandwerk.

Einen Satz zur Jahreszahl 1312 liefert Rosenthal nach: "Nimmt man zu diesen Berufsangaben noch den 1312 erwähnten Gerhard, der Schleifer genannt, so ist das Vorhandensein des Klingengewerbes im Amte Solsage1.htmingen im 14. Jahrhundert urkundlich hinreichend gesichert." [Rosenthal 1. Bd. S. 100] In welcher Quelle Gerhard erwähnt wird, verrät er leider nicht.




... über Adolph VII

Auch der Ökonom Dr. Nicolaus Hocker bemühte sich in seinem 1869 veröffentlichten Bericht über "Die Großindustrie Rheinlands und Westfalens" um einen Beitrag zur frühen Solinger Industriegeschichte:

"Wann die ersten Fabriken begründet wurden, ist unbekannt. Vermuthungen sind es, wenn behauptet wird, die ersten Solinger Schmiede seien aus Steyermark oder Elsaß eingewandert. Dagegen ist es wahrscheinlich, daß Adolph VII., Graf von Berg, der für Eduard III., König von England gegen König Philipp von Frankreich ins Feld zog, aus England einige Eisen- und Stahlschmiede nach seinem schönen Lande der Berge verpflanzt hat. Die hanseatischen Kaufleute Kölns werden die Entwickelung des neuen Industriezweiges eifrig gefördert haben, da der Artikel überall guten Absatz fand."
[Hocker S. 175 f]


  Der Absatz von Waffen boomt in kriegerischen Zeiten, und Adolph VII war ein streitbarer Herzog, der keine Fehde ausließ. Eine alte Chronik charakterisiert ihn so: "Ind hei was sine dage ein kriegende here gewest ind hadde alle sin lant versat ind verschult." [Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins Bd. XIV, 1900, S. 1. A., zitiert bei vom Berg]

Insofern ist es plausibel, wenn er das Klingenhandwerk im eigenen Land nach Kräften förderte und Fachleute aus dem Ausland zur Qualitätsverbesserung kommen ließ. Zur Zeit Adolphs VII. war aber dieses Handwerk im Bergischen Land wahrscheinlich schon mehr als 200 Jahre alt.

  Gerieten die Fertigkeiten in England und Frankreich später in Vergessenheit? Im 17. und 18. Jh. wanderten angeworbene Solinger Klingen- und Messerhandwerker aus und brachten ihre Kenntnisse dorthin zurück.




... über die Stahlfabrikation

"Die Stahlfabrikation muß in Gegenden mit uralten Waffenfabriken schon seit Jahrhunderten in Betrieb stehen. Es ist unbekannt, aus welchen Fabriken die Solinger Klingenfabriken ihren Stahl bezogen, indessen kann man annehmen, daß derselbe im Lande selbst verfertigt worden sei. Es spricht dafür die Sage, daß englische Arbeiter Leuten des Grafen Adolph VII. von Berg die Kunst, den Stahl zu bearbeiten und zu härten, gelehrt hätten." So schrieb Hocker 1867. [S. 363]

Sehr viel konkreter sind auch die Auskünfte von Heinz Rosenthal 1973 nicht: Das Solinger Schmiedehandwerk "fußte nicht auf örtlich anstehendem Eisenerz". Zwar wurde im Burgholz bei Cronenberg (heute Wuppertal) in der Nachbarschaft Solingens Eisenerz abgebaut. "Aber es ist nicht erwiesen, daß aus dem dortigen manganhaltigen Brauneisenstein Stahl für Solinger Schmiede geschmolzen worden wäre. ... Um 1200 waren die alten Eisensteinnester im Cronenberg-Remscheider Gebiet schon erschöpft, und im Siegerland, das nachmals Liefergebiet für Remscheid und Solingen wurde, hat man 1311 die erste Blashütte mit Wasserantrieb errichtet; um diese Zeit beginnt der Handel mit Stahlluppen [Luppe = Eisenklumpen] nach Köln und ins Bergische Land." [Rosenthal 1 S. 98 f]


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Die Sagen

... von Meister Ruthard und seinem Gesellen

Aber wie ist denn nun eigentlich das Geheimnis des Klingenhärtens gelüftet worden, das so entscheidend für die hohe Qualität der Solinger Erzeugnisse war? Natürlich kennt jeder Solinger und jede Solingerin die Sage von Meister Ruthard und seinem Gesellen. Oder nicht? In meinem alten Schul-Lesebuch habe ich eine Kurzfassung wiedergefunden, hier ist sie.


Wie die Solinger Klingen erfunden wurden

Aus dem Bergischen Land

Im Mittelalter lebte in Solingen der Waffenschmied Ruthard. Vergeblich zerbrach er sich den Kopf darüber, wie er es anfangen müsse, um die Solinger Schwerter den weltberühmten Klingen von Damaskus gleichwertig zu machen.

Meister Ruthard hatte einen tüchtigen Gesellen, der arm an Geld und Gut war. Als dieser um die Hand seiner Tochter anhielt, sagte ihm der Meister, dass nur der Mann sein Kind zur Frau erhalten würde, der Stahlklingen zu härten vermöge, die von den Damaszener Klingen nicht übertroffen würden. Die Bedingung des Meisters war hart. Aber die Liebe des Gesellen war so groß, daß er das Hindernis zu überwinden hoffte. Er nahm Abschied von der Geliebten, um in das Morgenland zu ziehen und die Kunst der dortigen Schwertschmiede zu erlernen.

Er wanderte südwärts und kam nach einigen Tagen gegen Abend in den Spessart. Als er sich nach einem Nachtlager umsah, bemerkte er ein Licht, das aus einer ärmlichen Blockhütte kam. Er klopfte an. Ein altes Weib öffnete ihm die Tür und gewährte ihm Herberge. Während des Nachtessens erzählte er der Frau, warum er auf die Wanderschaft gegangen war.

Auf seinem Nachtlager konnte der Geselle nicht einschlafen. Gerade um die Stunde der Mitternacht polterte plötzlich etwas Schweres durch den Schornstein, und kurz darauf sprach jemand mit dem alten Weib. Neugierig schlich sich der Geselle an die Bretterwand. Da sah er durch einen Riss einen finsteren Mann am Herd sitzen, der ein rotes Wams trug und dem eine lange Hahnenfeder auf dem Hut wehte. Anscheinend trug die Alte dem Fremden eine Bitte vor. Als sie sich der Schlafkammertür zuwandte, sprang der Geselle schnell auf sein Lager und stellte sich schlafend.

Wirklich trat seine Wirtin in sein Zimmer, rüttelte ihn und sagte ihm, dass draußen in der Küche ein Fremder sei, der ihn die Kunst der Schmiede von Damaskus lehren wolle, ohne dass er dazu ins Morgenland reisen müsse.

Hocherfreut sprang er auf und stand bald vor dem Mann. "Ich will dir behilflich sein", sprach dieser, "aber ich tue nichts umsonst. Du sollst bessere Schwerter als die Damaszener schmieden können; nur mußt du mir ein Schriftstück unterschreiben, dass du nach sieben Jahren und sieben Monaten mein Eigentum mit Leib und Seele sein wirst. Gehst du nicht auf den Vorschlag ein, so wirst du nie zu deiner Braut zurückkehren."

Hirschfänger, Klingenmuseum

Da nahm der arme Bursche die Hahnenfeder, die der Fremde aus seinem Hut gezogen und in die brodelnde Flüssigkeit eines Kessels getaucht hatte, und unterschrieb den Vertrag. Er empfing einen versiegelten Brief, der nach der Angabe des Fremden die Anweisung für die Herstellung der Klingen enthalten sollte. Dann legte der Geselle sich schlafen. Wüste Träume verfolgten ihn bis zum nächsten Morgen. Als er aufwachte, war die Hütte leer. Der versiegelte Brief aber erinnerte ihn an die Erlebnisse der Nacht.

Der Geselle trat nun die Rückreise an, und der Meister wunderte sich nicht wenig, ihn schon nach so kurzer Zeit wiederzusehen. Der Geselle erzählte ihm von der nächtlichen Zusammenkunft mit dem Fremden und zeigte den Brief vor. Da erschrak der fromme Meister aufs Heftigste. Er erkannte aber auch, wie sehr der Geselle seine Tochter liebte - war er doch bereit gewesen, seine Seele dem Teufel zu verschreiben. Auf den Rat des alten Meisters hin wurde der Brief ungeöffnet in ein Geheimfach eines Schrankes gelegt. So wurde der Vertrag mit dem Teufel nicht gültig. Der Geselle aber heiratete des Meisters Tochter.

Viele Jahre vergingen. Ruthard sank als Greis ins Grab. Sein Schwiegersohn wurde alt und starb. In der Schmiede arbeiteten nun seine Söhne. Die wussten nichts mehr von dem Brief. Endlich fand ein Enkel des ehemaligen Gesellen den Brief, öffnete ihn und erfuhr das Geheimnis der Härtung des Stahls. Von ihm lernten die anderen Solinger Waffenschmiede, und bald waren Solinger Klingen in der ganzen Welt berühmt. Und wenn er nicht gestorben ist...


Mit Erklärungen solcher Art gibt sich die Wissenschaft natürlich nicht zufrieden. An der Technischen Universität Dresden hat man inzwischen möglicherweise das uralte "Geheimnis des Damaszener Stahls gelüftet". Unter dieser Überschrift veröffentlichte der Spiegel online am 16.11.2006 einen Artikel von Markus Becker. Danach bestand die mittelalterliche Schmiedetechnik der Araber aus einer komplizierten thermomechanischen Behandlung des Stahls.

"Die genaue Temperatur ist bis heute nicht bekannt [...]. Wahrscheinlich konnten die mittelalterlichen Schmiede sie an der Farbe des glühenden Stahls ablesen. Die europäischen Schmiede konnten das nicht. Anstatt den Damaszener Stahl auf chemische Art herzustellen, wie es die orientalischen Schmiede taten, versuchten sie es auf die althergebrachte mechanische Art: Sie versuchten, hartes und sprödes Eisen mit weichem und biegsamem Stahl durch Verdrillen und mitunter hundertfaches Falten zu vereinen. Dabei kamen zwar auch gute Klingen heraus - aber eben kein echter Damaszener Stahl."

[Becker, Spiegel online v. 16.11.2006]



... von Wieland dem Schmied

Bekannter ist die Sage von Wieland dem Schmied - zumindest der Name dürfte geläufig sein. Wielands (authentisches?) Konterfei prangt groß und bunt am Eingang des Familienparadieses im Solingen-Walder Ittertal. Die Meinungen darüber gehen auseinander, wo Wieland wirklich geschmiedet hat. Vielleicht in Skandinavien - vielleicht aber auch im Bergischen Land, wo die Bedingungen für Stahlgewinnung und Schwertherstellung so günstig waren.

Was ist von Wieland dem Schmied überliefert? Mancher hat schon Exkremente zu Geld gemacht. Aber Wieland hat Schwerter daraus gemacht, und seine Gänse waren ihm notgedrungen dabei behilflich.

Franz Hendrichs, Autor des Standardwerks zur "Geschichte der Solinger Industrie", hat - da frühe Fakten fehlen - im ersten Kapitel eine Variante dieser Sage wiedergegeben. Die Methoden der Qualitätskontrolle sind wohl in den sagenhaften Zeiten sehr scharf gewesen. Wahrscheinlich würden sie heute in dieser Form nicht mehr behördlich genehmigt werden.


Wieland der Schmied

erzählt von Franz Hendrichs

Leider sind keinerlei unmittelbare Nachrichten über die Stahlgewinnung und die Art der Schwertfertigung in jenen frühen Zeiten auf uns gekommen. Was wir wissen, verdanken wir der Sage, die am reinsten wohl und schönsten im Amelungen-Liede zu uns spricht. Es heiß darin, daß Wieland der Schmied mit dem weithin berühmten Panzerschmied Amilias, beide am Hof des Königs Neiding, einen Kampf auf Leben und Tod vereinbart hatte, um darzutun, ob das Schwert des einen vor der Rüstung des anderen den Vorrang verdiente. Die Frist der Vorbereitung war auf ein Jahr bemessen worden. Amilias hatte unablässig an seiner Rüstung geschafft, und wer sie werden sah in ihrer Stärke und Schöne, der mußte fest an des Panzerschmiedes Sieg glauben.

Wieland dagegen hatte sorglos seine Zeit verstreichen lassen bis zum letzten Monat der bedungenen Frist. Erst auf Neidungs dringende Vorstellung hin begann er sein Werk. In sieben Tagen ward ein Schwert fertig, so scharf und zäh und hart, daß König Neiding bereit war, es mit Gold aufzuwiegen. Wieland aber wollte nichts von einem Lobe wissen, bis er sein Schwert erprobt hätte.

Sie gingen beide hin zum nahen Fluß. Wieland warf einen fest gepreßten Wollflocken von eines Fußes Dicke ins Wasser da, wo sich eine reißend strömende Stelle befand, und hielt des Schwertes Schneide gegen den schnell anschwimmenden Wollflocken. Wie erfreut war der König, als dieser in zwei Stücke zerschnitten ward. Doch Wieland fand bei genauer Prüfung, daß der Schnitt noch glatter hätte erfolgen müssen, und begann sogleich ein zweites Schwert.

Er zerfeilte das erste, rührte die Feilspäne mit Milch und Mehl zu einem Brei, den er seinen Gänsen als Futter vorsetzte, nachdem diese drei Tage lang gefastet hatten. Sorglich sammelte er den Kot der Gänse und brachte ihn zum Schmelzen. Alles, was sich an Schlacken zeigte, schied er aus und, nachdem das geläuterte Metall erkaltet war, gab er sich erneut ans Schmieden.

Nach abermals sieben Tagen konnte ein zweites Schwert der Prüfung unterzogen werden. Wieland ging mit dem König an eine Stelle des Flusses mit nur geringer Strömung. Diesmal warf er einen zwei Fuß dicken Wollflocken hinein, der trotz der schwachen Strömung von der hingehaltenen Schneide des Schwertes zum Entzücken des Königs glatt durchschnitten wurde.

Aber auch diesmal war Wieland noch nicht ganz zufrieden; sein Schwert müsse noch besser schneiden können, und trotz der Ungeduld des Königs gab er sich ans dritte Schwert. Wieder zerteilte er das erst eben fertig gestellte zweite Schwert, mischte wieder seinen Brei für die Gänse, die diesmal schon fünf Tage vergeblich auf Futter gewartet hatten. Nach weiteren sieben Tagen eifriger Arbeit konnte der König endlich Zeuge der letzten und schwersten Probe sein.

Einen Wollflocken, drei Fuß dick und hoch, warf Wieland ins Wasser da, wo es nur noch ganz langsam dahintrieb. Trotzdem durchschnitt die entgegen gestellte Schneide des Schwertes den Flocken in seiner ganzen Höhe so glatt und sanft, daß selbst Wieland nach sorgfältiger Untersuchung der Wollflockhälften sein Schwert zu preisen begann. Der König, als geübter Fechter, schwang das Schwert in der Luft und rief begeistert: "Dem Schwert ist keines gleich, ich könnt' es nicht vergelten mit einem Königreich". Mit diesem Schwert, das Wieland nach seinem Lehrmeister Mime Mimung nannte, war er gewiß, den Zweikampf mit Amilias bestehen zu können.

Als Wieland zum festgesetzten Tag mit seinem Schwert vor König und allem Volk erschien, rief ihm der in weithin funkelnder Rüstung auf einem Steine sitzende Amilias zu: "Schlag nur zu mit aller Kraft, wenn Du gegen meine Rüstung etwas ausrichten willst". Da setzte Wieland Mimungs Schneide auf Amilias Helm, drückte stark zu und glatt ging das Schwert durch Helm, Brust, Rüstung und Leib bis auf den Gürtel hinab.

Amilias rief, ihm sei, als ob ihm kaltes Wasser durch den Leib führe, und Wieland antwortete: "Schüttle Dich". Als dies Amilias tat, zerfiel er in zwei Hälften.

[Hendrichs 1933 S. 7 f]


  Mehr Sagenhaftes aus dem Bergischen Land
  Wozu braucht man eigentlich ein Schwert, einen Säbel oder einen Degen?


Quellen:
  • Bärmann, Fritz u.a.: Auf großer Fahrt ins Heimatland. August Bagel Verlag, Düsseldorf 1960, S. 172 ff
  • Becker, Markus: Geheimnis des Damaszener Stahls gelüftet. Spiegel online v. 16.11.2006. Webseite: "http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,448539,00.html" am 18.11.2006
  • Beermann (1993) S. 13-17
  • vom Berg / Fülle 1926
  • Hendrichs (1933) S. 7 f
  • Hocker (1867)
  • Kelleter (1924) S. 19-33
  • Knaur (1991)
  • Lomberg (1922) S. 209
  • Rosenthal Bd. 1 (1973)
  • Weyersberg (1922) S. 11

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