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Hexen

Im Bergischen Land gibt es eine Unzahl von Sagen und Legenden über Hexen und Hexerei, die allein der volkstümlichen Phantasie entsprungen sind. Da geht es um Hexen in Gestalt von Hasen oder Katzen oder um hilfreiche Hexenmeister, die durch die Lüfte sausen, um verhexte Kühe, verzauberte Milch oder nächtliche Spektakel auf den Hexentanzplätzen. Vielleicht haben letztere ja sogar wirklich stattgefunden.



Bergische Sagen, gesammelt von Otto Schell (1922)

Hexentanzplatz bei Solingen.
Die Wiese zwischen dem Bock und Klauberg bei Solingen war ehedem beim Volke sehr gefürchtet, weil dort der Sammelplatz und Tanzboden der Hexen sein sollte. [Schell 1922 S. 185 (VI.533)]


Die Gegend von Remlingrade (Radevormwald) soll "in der weitesten Umgegend 'Hexenland'" geheißen haben. "Darum kannten die Leute dort auch nicht weniger als drei Hexentanzplätze: Der Altenhof bei Eistringhausen, bei dem Gehöft Kamp und bei Ober-Oenkfeld." [Potthast, MBGV 6/1896 S. 139]

Die Konsequenzen, die bei Zaubereien ertappte Hexen zu tragen hatten, sind in vielen alten Erzählungen passenderweise eher märchenhafter Natur. Andere Überlieferungen dagegen erinnern an die wahren Grausamkeiten der Hexenverfolgung im 15.-18. Jh., wie z.B. das bittere Ende der "Hexe zu Eulswag".



Die Hexe zu Eulswag bei Solingen.
Eine gewisse Frau zu Eulswag, namens "Mutte", wurde der Hexerei bezichtigt. Man beschuldigte sie, den Schleifern im Kirschberger Kotten das Oel ausgetrunken zu haben. Ein andermal soll sie in einer Milchmulde über den dortigen Teich gefahren sein. Für alle diese Vergehen wurde sie gefänglich eingezogen und auf dem Ohliger Tor in Solingen gefangen gehalten, später aber verbrannt. [Schell 1922 S. 185 (VI.534)]


Ohliger Tor
 
1747
Solingen,
Ohliger Tor

  Was hat man sich unter einer Milchmulde vorzustellen, in der Frau Mutte über den Teich gefahren sein soll? Den Begriff "mulde" fand ich in Grimms Wörterbuch von 1885: "mulde, länglich rundes, flaches gefäsz zum aufbewahren von flüssigkeiten, wanne, vgl. bademulde, waschmulde: multen [...]; von holz oder metall: hölzerne multe, [...]; milch in die mulden gieszen." [Grimm Sp. 2652 f]
Dazu passt der Begriff 'Mollen', der z.B. in Niedersachsen für Backtrog verwendet wurde (oder noch wird).

Ein historisierender Roman von Ernst Knupp, 1925 erschienen im Ohligser Anzeiger, schildert das Schicksal einer als Hexe angeklagten Bewohnerin von Schloss Caspersbroich in Solingen im 15. Jh. Pure Phantasie oder wahrer Kern?

Aus Neuss ist die Geschichte der 1635 als Hexe gefolterten und hingerichteten kräuterkundigen Hebamme Hester Jonas überliefert, die aus Monheim stammte. Eine andere Hexenverbrennung - ohne Zeitangabe - ist aus Gruiten (Haan) überliefert:



Gris-Micken in der Düsseler Mühle. (Gruiten.)
Etwas oberhalb Gruiten am Düsselbach liegt die Düsseler Mühle. Der Mühlenteich umschließt eine kleine Insel. Auf dieser ist 'Gris-Micken' als Hexe verbrannt worden. Seit jener Zeit geht sie in der Mühle um. Oft wird die Wäsche in der Mühle von unsichtbarer Hand in einem Augenblick zusammengerafft; zu anderen Zeiten fallen die Fässer in der Mühle übereinander, oder es läßt sich ein großes Getöse vernehmen. Segen ruht aber seit vielen Generationen nicht mehr auf der Mühle. Sie wechselt häufig ihre Bestimmung und ihre Besitzer. Aber niemand kommt dort zu Wohlstand. Das bewirkt Gris-Micken.
[Schell 1922 S. 70 f (IV.192)]


Düsseler Mühle
2009   Düsseler Mühle, Haan-Gruiten.
Heute spukt hier bestimmt niemand mehr.
 
Düsseler Mühle
2004   Hof Pütt, Düsseler Mühle

In Gerresheim (Düsseldorf) wurde noch 1737 ein Hexenprozess gegen Helene Mathilde Curtens eingeleitet. Die Angeklagte wurde verurteilt und hingerichtet. Helene Mechthild Curten soll am 15.(19.?)08.1738 in Gerresheim verbrannt worden sein. Ihr Vater: Kirchmeister Casimir Curten, Heirat in Gerresheim am 13.09.1687; ihre Mutter: Elisabeth Jager, am 08.10.1729 im Kindbett gestorben.

Ebenfalls aus Gerresheim ist die folgende Geschichte aus der Regierungszeit des oft als kunstsinnig und fortschrittlich beschriebenen, in höherem Alter aber mit ganz anderen Attributen zu versehenden Kurfürsten Carl Theodor überliefert (Erbauer des dritten Benrather Schlosses).



Eine Hexenverbrennung zu Gerresheim.
Nach schriftl. Mitteilungen von Johann Trostorff in Krefeld.

Am 24. April 1750 verbrannte man eine als Hexe verschrieene Frau mit ihrer Tochter zu Gerresheim, und zwar auf der sogenannten hohen Hardt. Die Richter hatten beschlossen, der jugendlichen Tochter das Leben zu schenken. Doch damit war der Vater des Mädchens nicht einverstanden. Er überreichte dem Mädchen ein Tuch, und als es aus demselben einen Eimer voll Milch molk, wurde es ebenfalls verbrannt.
[Schell 1922 S. 86 (IV.247)]



Hexenstein
 

Was davon Wahrheit, was Dichtung ist, soll an dieser Stelle nicht untersucht werden. In Gerresheim steht seit 1989 zur Erinnerung an diese furchtbaren Justizmorde ein eigenartiger Hexengedenkstein, den man von allen Seiten auf sich wirken lassen muss. Gut gefallen hat mir dazu diese Ausarbeitung:

  Der Hexengedenkstein in Gerresheim, Düsseldorf

2008
Hexengedenkstein der Künstlerin Gabriele Tefke
in Düsseldorf-Gerresheim,
Dreherstraße / Ecke Schönaustraße

Aus gleichem Anlass steht in Odenthal (Rheinisch-Bergischer Kreis) seit 1988 ein Hexenbrunnen in Form eines Bronzekessels, der von fünf Fabelwesen getragen wird. Auf einer Informationstafel ist zu lesen, dass die letzte Odenthaler "Hexe", Katharina Güschen (genannt "Scheuer Tring"), wegen eines solchen Schmierpotts (Hexenkessels), mit dem sie Unheil angehext haben soll, 1613 hingerichtet wurde. Das Ausmaß des Hexenwahns in Odenthal zeige sich durch Überlieferungen wie "Hexen-Ohnder" (ohnder = Odenthal) oder "Sie breeten zu Ohnder Hexen wie Hohnder" (Hohnder= Hühner).


Hexenbrunnen
2012   Hexenbrunnen in Odenthal, gestaltet nach einem Entwurf des Bildhauers Walter Jansen
 
Hexenbrunnen
2012   Hexenbrunnen in Odenthal


Eine weitere Geschichte aus Hilden:


Die Hexe auf dem Jaberge. (Hilden.)
Mündlich mitgeteilt v. E.B. in Bialstok (Rußland), früher in Hilden [Eugen Becker]

Nach einer oft wiederholten Erzählung meines Großvaters, welcher seit dem Jahre 1816 in Hilden auf dem Pfutsch wohnte, ist im vorigen (18.) Jahrhundert auf dem Jaberge eine alte Frau als Hexe verbrannt worden. Am oberen Ende des Ortes, damals "an der Kullen" genannt, hatten sich viele Menschen angesammelt, welche die Hexe sehen wollten. In der Menge befand sich auch ein kleiner Knabe, ein Nachbarskind der armen Hexe. Diesen gewahrte die Frau, erkannte ihn und rief ihm zu: "Johännchen, Johännchen, um Goddes Willen, wie gont se met mie armen Frau üm!"

Als die Eltern von dieser Beschreiung der Hexe erfuhren, lebten sie in der größten Furcht, ihr Kind möchte ebenfalls der Hexerei verdächtigt werden.

[Schell S. 101 (IV.287)]


In Deutschland soll 1775 die letzte vermeintliche Hexe zum Tode verurteilt worden sein - im Stift Kempten (Allgäu) wegen "erwiesener Teufelsbuhlschaft".

Die Hexenverfolgung war im Bergischen Land weniger ausgeprägt als in anderen Gebieten Deutschlands. Im Sachwortverzeichnis der dreibändigen Solinger Stadtgeschichte von Heinz Rosenthal z.B. ist dieses Stichwort gar nicht enthalten. Aber wie die Beispiele oben zeigen, kamen solche Justizmorde auch in dieser Gegend vor.




Zu den ersten, die diesem Geschehen auf schriftlichem Wege entgegenzuwirken versuchten, zählten im 16. Jh. der Arzt Dr. Johannes Weyer und im 17. Jh. der Jesuit und Lyriker Friedrich Spee. Wie bei geschichtlichen Themen nicht unüblich, ist sich die Literatur hinsichtlich der Biographien dieser beiden Herren nicht ganz einig. Hier die Version des bergischen Lehrers und Lokalhistorikers August Lomberg aus dem Jahr 1922:


Der Hexenwahn und seine Bekämpfung (15.-17.)

Von August Lomberg

1. Der Hexenwahn.

Der Hexenwahn betörte im Mittelalter nicht nur das niedere Volk, sondern auch die Gebildeten. Die Hexen, so glaubte man allgemein, ständen mit dem Teufel im Bunde, der ihnen die Macht verleihe, ihren Mitmenschen Schaden zuzufügen. Alles Unheil, alle Unglücksfälle, wovon Land und Stadt betroffen, wurden ihnen zugeschrieben. Schlug ein Blitz in ein Haus ein, vernichtete ein Hagelschlag die Fluren, wurde das Vieh von einer Seuche befallen, trat eine anhaltende Dürre ein, so war man gewiß, daß eine Hexe in der Gemeinde ihr Unwesen treibe. Nun fahndete jung und alt nach der Schuldigen, und es währte nicht lange, so wurde irgend ein unglückliches Weib als Hexe ausgeschrieen und zum Kerker und Holzstoß gezerrt.

Fast drei Jahrhunderte lang wurden die Hexen verfolgt. Fürsten und Bischöfe, statt das Volk aus dem Irrtum herauszuleiten, reichten sich die Hand, um den Wahn immer wieder von neuem anzuschüren. Ein berüchtigt gewordenes Buch, der Hexenhammer, gab Anleitung, die Hexen ausfindig zu machen. Das Buch lehrte namentlich den Gebrauch der Folter. Sie wurde angewandt, um die Verdächtigen zum Geständnis zu zwingen. [...]"

  Der "Hexenhammer" ("Malleus Maleficarum") wurde 1487 von den Dominikanern und päpstlichen Inquisitoren Heinrich Krämer (Institoris) und Jacob Sprenger in lateinischer Sprache veröffentlicht.

"Unter den fürchterlichsten Qualen bekannten endlich die Gemarterten alles, was man von ihnen verlangte. Nun galt die Schuld für erwiesen, das Todesurteil wurde gefällt, worauf die Unglücklichen bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. Die halbverkohlten Marterpfähle, die allenthalben Dorf und Stadt umgaben, legten Zeugnis ab von dieser entsetzlichen Barbarei.


2. Johannes Weyer.

Gerade zu der Zeit, als die Greuel der Hexenverfolgung den Gipfel erreichten, trat am Niederrhein ein Mann auf, der sich mit heldenhafter Kühnheit der schuldlosen Opfer annahm und mit den Waffen der Aufklärung die ganze Torheit des Hexenwahns bekämpfte. Es war Doktor Johannes Weyer, der Leibarzt des Herzogs Wilhelm IV. zu Düsseldorf. Er überzeugte seinen Herrn, daß die vermeintlichen Hexen sämtlich schuldlos verbrannt würden und daß nur ihre Verfolger von einem bösen Geiste besessen seien; er erbot sich, die Einbildungen der krankhaften Menschen durch ärztliche Mittel zu heilen.

Der Landesherr, der solchen Belehrungen zugänglich war, verbot darauf die geistliche Gerichtsbarkeit in seinen Ländern; ja mehr noch, allerorts ließ er große leinene Säcke aufhängen und drohte darin diejenigen einzufangen und zu ersäufen, die sich fernerhin der Hexenverbrennung schuldig machten. Das wirkte. Die Hexenprozesse und Hexenbrände hörten in den niederrheinischen Herzogtümern gänzlich auf.

Um das Übel an der Wurzel zu fassen und weitere Kreise zu dessen Bekämpfung heranzuziehen, schrieb Weyer ein großes, gelehrtes Werk, worin er den Hexenwahn an der Hand der Naturforschung nach allen Seiten hin widerlegte. Die umfangreiche Schrift, die er im Winter von 1561 auf 62 auf dem Schlosse Hambach bei Jülich vollendete, trug den Titel: "Über die Blendwerke des Teufels".

Sie begann mit der Untersuchung der Schriftlehre vom Satan. Weyer leugnete zwar nicht die Plackerei des Teufels - darin war er ein Kind seiner Zeit; im übrigen aber führte er die erzwungenen Bekenntnisse der Hexen auf Seelenstörungen zurück. Er bewies aufs klarste, daß Gewitter, Hagelschlag, Raupen und alle Krankheiten bei Menschen und Vieh, die dem Einflusse der Hexen zugeschrieben wurden, nur Waltungen der Natur seien. An vielen Beispielen zeigte er, daß Habsucht, Neid, Bosheit und Rache die Anklagen gegen die schuldlosen Weiber geschmiedet und Folterschmerz die unsinnigsten Geständnisse erpreßt hätten, und entlarvte viele Geistliche als falsche Ankläger und viele Richter als blutdürstige Tyrannen.

Um seinen Zeitgenossen zu zeigen, wie töricht die Hexenfurcht sei, rief er zum Schlusse seiner Schrift aus: »Ihr Zauberer und Hexen der ganzen Welt, euch fordere ich auf, eure Kraft einmal an mir zu erproben. Was es irgend Übles gibt, das dürft ihr mir zufügen, wenn es in eurer Macht steht. Aber ich weiß, daß alle eure Gespenster eitel sind; eure Blendwerke und Schrecknisse schrecken mich keine Spur, eure Unholde und Beschwörungen verlache ich. Dich, Gott im Himmel, rufe ich zum Zeugen der Wahrheit an!«

Das war die Schrift, die der unerschrockene Mann, als alle Welt dem Irrwahn verfallen war, als ein lauteres Zeugnis der Wahrheit hinausgehen ließ. Sie wirkte ' wie eine Brandfackel in dunkler Nacht'. Allen, die der Belehrung zugänglich waren, gingen die Augen auf, und Tausende unschuldiger Opfer wurden der Folter und dem Holzstoß entzogen. Viele Landesherren, darunter auch der deutsche Kaiser, ferner geistliche und weltliche Gelehrte, sandten dem wackeren Arzte Dankbriefe und wünschten ihm Glück für die Rettung so vieler armer Weiber.

Die tiefste Wirkung erzielte die Schrift bei dem Herzog Wilhelm zu Düsseldorf. Er duldete in seinen Ländern fortan weder Hexen- noch Ketzerverfolgung. Nur wirkliche Verbrecher hatten den Henker zu fürchten.

Als in der Grafschaft Mark einem reichen Bauer die Kühe trocken wurden, übergab er die eingefangene junge Hexe ihrem Pfarrer zur Belehrung und entließ aus ihrem Gefängnis auch ihre sechzehn Helferinnen, worauf auch die Milch der Kühe wieder wie früher floß. Als zu Unna eine Dirne, die angeblich ein ganzes Jahr nichts gegessen und getrunken hatte, sich als heilige Magd aufspielte, ließ er sie durch seinen Leibarzt untersuchen und scharf beobachten, bis sie, in die Enge getrieben, ihr Gaukelspiel eingestand, worauf er dem erstaunten Rat der Stadt empfahl, künftig für besseren Schulunterricht zu sorgen.

Es konnte nicht ausbleiben, daß Weyer, der so eindringlich und derb einen festgewurzelten Wahn bekämpfte, auf allen Seiten auch Gegner und Feinde fand. Bald erschien eine Flut von Gegenschriften. Man schalt ihn einen Verbündeten des Satans und einen Spießgesellen der verruchten Menschen. Selbst Ärzte, die eigenen Berufsgenossen, griffen ihn heftig an und stießen laute Verwünschungen gegen ihn aus.

Bei solcher Gegnerschaft blieb sein Erfolg im allgemeinen nur gering, zumal er in den ersten zwanzig Jahren völlig allein stand in dem aufregenden Kampfe. In späterer Zeit aber traten Männer auf, die, angeregt durch Weyers Vorgehen, mutig in seine Fußstapfen traten und der Barbarei ebenfalls Trotz boten. Der erfolgreichste unter ihnen war der Jesuit und fromme Liederdichter Friedrich Spee aus Kaiserswerth.


3. Friedrich Spee.

Spee war im Jahre 1627 in den fränkischen Bistümern Würzburg und Bamberg als Beichtvater tätig. Er lernte hier den Hexenwahn in seiner furchtbarsten Gestalt kennen. Innerhalb eines Jahres wurden auf Betreiben der Jesuiten, seiner Amtsbrüder, in 30 rasch aufeinander folgenden Bränden mehr als 200 Personen beiderlei Geschlechts hingerichtet. Unter diesen Unglücklichen waren 70 Zöglinge des Priesterseminars, verschiedene Domherren, des Bischofs Kanzler und dessen Frau, dann die 19jährige Babelin, das schönste Fräulein der Stadt, ein Student, der viele fremde Sprachen erlernt hatte und ein ausgezeichneter Musiker war, ein blindes Mägdelein und viele Kinder unter zehn Jahren. Kein Alter, kein Geschlecht, kein Stand, kein Amt und keine Würde blieb von der schrecklichen Anklage verschont.

Dies alles sah der gefühlvolle Spee. Er hatte die Schriften seines Landsmannes Johannes Weyer gelesen, auch sich mit einigen Standesgenossen beraten, und es war ihm, namentlich auch aus den stillen Beichtverhören, klar geworden, daß die Angeklagten allesamt schuldlos waren. Von Amtswegen war er verpflichtet, die vermeintlichen Bösewichter zu bekehren und die armen Verurteilten persönlich zum Scheiterhaufen zu begleiten. Das Entsetzen über den ungeheuern gerichtlichen Mord erschütterte den edlen Mann so tief, daß seine Haare vor der Zeit eisgrau wurden.

Voll heiligen Eifers suchte er, wo er nur konnte, die Unglücklichen zu retten. Aber diese Versuche waren gefährlich; denn wer sich der Hexen annahm, machte sich verdächtig, ihr Mitschuldiger zu sein. Was sollte er tun? Als er sah, daß er nirgends Gehör fand, schrieb er, dem Beispiel Weyers folgend, auf Grund seiner Erfahrungen ein gelehrtes Buch, worin er bewies, wie unsinnig, empörend und rechtswidrig das Verfahren der Hexenmeister sei; zugleich schilderte er die entsetzlichen Folgen des Aberglaubens.

Das Buch, in lateinischer Sprache geschrieben, erschien im Jahre 1631, doch ohne seinen Namen. Der Titel gab an, es sei von einem römischen Priester verfaßt. Wer die Schrift aufmerksam liest, findet darin nichts, was nicht schon vorher von Johannes Weyer und anderen gesagt worden wäre. Aber Spee rief sie hinaus »mit der Stimme eines Propheten, der dem Volke Israel seine abscheulichste Sünde vorhält«.

Auf jeder Seite spürt man die tiefe Erregung eines Mannes, der all die Greuel und Schrecknisse aus nächster Nähe mit erlebt hatte. Dementsprechend war auch die Wirkung. Wenn auch die Hexenbrände nicht sogleich aufhörten, so war doch die Höhe jenes teuflischen Aberglaubens überschritten. Nicht wenige Fürsten wurden aufgeschreckt, einzelne Richter auch völlig bekehrt.

Spee war ein Vorkämpfer für eine glücklichere Zeit, worin es gelang, die Folter und Hexenverfolgung gänzlich zu unterdrücken.

[Lomberg 1922 S. 110-114]


Wilhelm IV
Wilhelm der Reiche (1539-1592),
in unterschiedlichen Quellen Wilhelm IV. oder V. genannt)
 
Weyer
Johann Weyer (1515-1588?)
"Über die Blendwerke der Dämonen, Zauberer und Giftmischer" ("De praestigiis daemonum et incentationibus ac veneficiis", 1562)
 
Spee
Friedrich Spee von Langenfeld
(1591-1635). Erlag der Pest.
"Cautio Criminalis" (1631)



Bis es in Deutschland soweit war, sollten allerdings noch knapp 150 Jahre vergehen. Immerhin versuchte die damalige bergische Regierung mittels folgender Verordnung gegen den Aberglauben vorzugehen:

"274. - Den 21. Juny 1634. - A.
Die Weißsager oder Wicheler, sollen des Landes verwiesen werden; den Unterthanen wird die abergläubische Hülfsuchung bei denselben, gegen Krankheiten oder Viehseuchen, untersagt." [Scotti 1. Teil]

Je ausgeprägter die Hexenphobie war, umso einfallsreicher mussten die Leute sein, um sich und ihre Kinder vor den befürchteten negativen Einflüssen zu schützen. Einige der teils komplizierten Rituale, die sie sich einfallen ließen, sind in folgendem Artikel aus dem Jahr 1900 beschrieben. Leider fehlt eine Zeitangabe.


Monatsschrift des Bergischen Geschichtsvereins, 7. Jg. Nr. 10/1900


Von Hexen und sonstigem Spuk im Bergischen Lande.

"Damit ein Kind nicht verhext werde, steckte eine Hebamme bei dem Kirchgange zur heil. Taufe Brot und Salz zu sich. Das Hauptmittel für ein verhextes und beschrieenes Kind, welches alle Zeit sollte geholfen haben, war: Sie maß das Kind mir ihren drei Schurzzipfeln drei Mal und sagte dazu:

Hat dich verhext ein Mann,
So komm es ihm selber an.
Hat dich verhext ein Weib,
so kommt es in ihren Leib.
Hat dich verhext ein Mädchen oder Knab,
So wisch ichs mit meinen drei Schurzzipfeln ab.
Im Namen Gottes, Sohnes und heil. Geistes. Amen.

Damit ein Kind nicht beschrieen und behext werde, muß man das Kind 14 Tage verkehrt in die Wiege legen, alle Abend seinen Kopf in den Brotschrank ungefähr 6 Minuten heben, den Besen umgekehrt in der Küche aufstellen, und so lange die Frau in Wochen ist, keinem Menschen was aus dem Hause leihen. Es wurde weiter empfohlen, damit die Kinder nicht behext werden, sollte man einen Saudreck in die Wiege legen, denn nichts könnten die Hexen und Teufel weniger vertragen, als diesen. [...]

Manche [Hexen] schmierten sich auch mit einer Hexensalbe ein, wonach sie in Schlaf fielen. In diesem Zustand glaubten sie weite Reisen über Berge und Meere gemacht zu haben und beim Teufel gewesen zu sein. Andere nahmen etwas von einer Salbe, wodurch sie in den gleichen Zustand kamen. Der Teufel kam dann in Gestalt einer großen Katze und führt sie zum Hexentanze. [...]

Zwischen 1780 und 1790 war noch ein Mann in Wermelskirchen, welcher viel besucht wurde, der wahrsagte aus der Hand und konnte die Diebe angeben. Viel gab man auch auf Ahnungen und Träume und legte ihnen Bedeutungen bei. Nächtliches Pochen im Hause, oder an dessen Fenster und Thüren, ein Schall, der dem Vernageln eines Sarges ähnelt, ein Krachen, darin sollte eine Todesahnung liegen. Auch das Herabfallen von Gemälden, zersprungene Gläser, Kreuzzeichen von sogenannten Eisenmahlen in Leinwand, das Hören des eigenen Namens, bedeutete den Todesruf."

[J.H. Klein S. 207 f]


Über die vielen Facetten des Hexenwesens, die Hintergründe der Hexenverfolgung (die nicht nur mit Aberglauben zu tun hatten, sondern auch mit sehr materiellen Interessen) und die schmerzhaften Details der "peinlichen Befragungen" informieren andere Webseiten.



Quellen:
  • Chronik (1983)
  • Diel (1872)
  • Grimm/Grimm 6. Bd. (1885)
  • Lomberg (1922)
  • Klein, J.H., MBGV 10/1900 S. 207 f
  • Knupp, Ernst: Schloß Caspersbroich. Erzählung aus dem 15. Jahrhundert. Ohligser Anzeiger, ca. 1925
  • Potthast, August Adolf (Gerresheim), MBGV 7/1896 S. 141
  • Schell, Otto: Historische Wanderungen durchs Bergische Land. MBGV 7/1901 S. 133
  • Schell (1922)
  • Scotti (1821)

Weitere Literatur:
  • Guntermann, Walter: Als Hexe verbrannt. Tatsachenbericht von den Hexenverfolgungen im Rheinland. Nach Prozessakten, Ortschroniken und Augenzeugenberichten. Rheinische Landeszeitung, Artikelserie ab 18.01.1939
  • Link, Olaf: Hexenglauben im Bergischen Land (2008)

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