Sind die Maschinen, welche bey Fabricken die arbeitenden Hände ersparen, nützlich oder schädlich?
Von D. Johann Heinrich Jung, Hofrath und Professor in Marburg. 1798.
Auszug:
1. Ersetzung von Handarbeit durch Maschinen
Diese Frage ist nicht etwa eine von der unnützen Spekulation, womit sich philosophische Köpfe die Zeit vertreiben. Sie ist vielmehr in jeder Rücksicht äußerst wichtig. Dies gilt besonders jetzt, da der Kunsttrieb [1] der Weberei-Fabrikanten ernstlich bemüht ist, eine Maschine zu erfinden, womit eine Person viele Fäden zugleich spinnen kann.
A. Herrschende Meinung verurteilt die Mechanisierung
I. Allgemeine Befürchtungen
In dem ehemaligen so beliebten "Journal von und für Teutschland" [2] trat ein Ungenannter im 5. Stück des 7. Jahrgangs 1790 auf und fragte: "Hat noch kein Schriftsteller erwogen, oder will keiner erwägen, den unendlichen Schaden, den die Welt, und Deutschland insbesondere, erleiden wird durch die vielen neuen und täglich sich vermehrenden Spinn-, Band-, Dresch-, Wirk-, Hechel-, Web- und andere dergleichen Maschinen, die den Witwen und Waisen das Brot nehmen, indem sie ihnen die Arbeit rauben?"
Besonders macht dieser gute menschenliebende Mann bemerklich, daß wenn auch das Publikum die Waren durch die Maschinen wohlfeiler bekomme, es auch dagegen viel mehr Armen zu erhalten habe. Folglich verliere man beträchtlich bei solchen Erfindungen.
II. Urteile der Fachökonomen
Meines Wissens blieb diese Frage damals unbeantwortet. Jetzt aber fordert mich eine besondere Veranlassung auf, meine Meinung darüber zu sagen. Ich hoffe, es werde meinen Lesern nicht unangenehm sein, wenn es in diesen Blättern öffentlich und im Druck geschieht.
Dies scheint mir deshalb geraten, da nicht jener Ungenannte allein, sondern nebst anderen wichtigen Männern auch der große Sonnenfels [3] jenen Satz zu unterstützen scheint. Denn er sagt in seiner "Grundlehre der politischen Handlung" [4], § 155 (nachdem er vorher die Vorteile der Maschinen bei Fabriken erwogen hat): "Jedoch in Beziehung auf das Ganze wird die Einführung der Maschinen nicht ohne alle Beschränkung, nicht unter allen Umständen anzuraten sein. Die Wohlfeilheit ist dem Staat bei den Manufakturen ein bloß untergeordneter Endzweck, der dem Hauptendzweck, die Beschäftigung zu vervielfältigen, nicht entgegenstehen darf. Überall also, wo die Wege der Beschäftigung mit der Bevölkerung in einem sogenannten Ebenmaß [5] stehen, daß derjenige Teil von Menschen, deren Stelle durch Maschinen vertreten wird, nicht zu anderen Arbeiten verwendet werden kann, würde die Einführung von Maschinen schädlich sein."
Ungefähr auf die nämliche Weise urteilen alle, die der Meinung des großen Verbesserers der staatswirtschaftlichen Gelehrsamkeit sind. [6] Ich halte es deswegen auch nicht für nötig, mehrere Zeugen für diese Sätze anzuführen, sondern gehe lieber zur Prüfung derselben über.
B. Beispiele gelungener Mechanisierung
Die Vorurteile gegen die vielwirkenden Maschinen (denn über den Nutzen der veredelnden oder verschönernden [7] kann kein Zweifel entstehen) rühren aus Erfahrung her, deren Wahrheit niemand bestreiten kann. Nur darauf kommt es an, ob jene allgemeine Sätze logisch richtig aus diesen gefolgert werden. Ich will ein paar Beispiele anführen, um die Sache vollkommen deutlich und anschaulich zu machen [8]
I. Bandwebemaschine
Ehemals webte man das leinene Band [9] einfach, nur ein Stück auf einmal. Nun kam aber ein Schreiner aus dem Dorfe Wichtinghausen [10] (eine Stunde entfernt von der blühenden Fabrikstadt Elberfeld im Herzogtum Berg gelegen) vor ungefähr 80 Jahren auf den Gedanken, ob man nicht eine Maschine erfinden könnte, auf welcher man mehrere Stücke Band zugleich weben kann?
Diese Frage weckte und entwickelte sein mechanisches Genie dergestalt, daß er die Maschine zu Stande brachte. Er machte sie bekannt und verfertigte sie für viele. Zu meiner Zeit zählte man in dortiger Gegend etwa 300 dieser Bandstühle. Auf jeder dieser Maschinen konnte durch eine Person vom breiten Leinenband 12, vom schmalen aber 18 bis 20 Stück zugleich gewebt werden. Dies geschah mit einer Geschwindigkeit, mit welcher man sonst nur ein Stück webte.
Nach und nach ist dieses Werkzeug so verbessert worden, daß man durch bloßes Drehen einer Welle nicht nur ungebildetes, sondern auch gebildetes Band [11] mit äußerster Geschwindigkeit und nach den schönsten Mustern wirken kann. Leid tut es mir, daß ich den Namen dieses geschickten Künstlers nicht weiß. Ebenso wenig ist mir bekannt, ob die Seidenband-Stühle schon früher in Gebrauch gewesen sind. Genug: ein Bauernschreiner zu Wichtinghausen [12] war der Erfinder der Leinenband-Stühle.
II. Handbediente Flechtmaschine
Von einer anderen Erfahrung dieser Art bin ich selbst Augenzeuge gewesen. Gegen das Ende der sechziger Jahre erfand ein Schlosser zu Krefeld eine Maschine, vermöge welcher durch bloßes Drehen Schnürnestel (schmale Schnüre, womit das Frauenzimmer die Kleider zuschnürt) in größter Geschwindigkeit geflochten werden konnten. Die Elberfelder Kaufleute machten bald Gebrauch von dieser Erfindung. Zu meiner Zeit [13] waren mindestens fünfzig dieser Maschinen in dortiger Gegend. Damit verdiente sich der Arme sein Brot, wenn er nur gesunde Hände und Augen hatte.
Bis dahin waren die Schnüre sehr langsam mit den Fingern geflochten worden. Nun aber konnte jeder, der eine Maschine hatte, durch bloßes Drehen und ohne jenes Flechten zu lernen, weit mehr von dieser Ware verfertigen. Zudem waren auch die Geflechte viel gleichförmiger und schöner.
III. Wassergetriebene Flechtmaschine
Während der Zeit nun, da man sich dieser Erfindung erfreute, sie fleißig benutzte und auch mancher Arme Gott dafür dankte, baute ein Elberfelder Bürger namens Bockemühle [14] in aller Stille ein Gebäude an den Wupperfluß. Allmählich kam auch ein Wasserrad mit allerhand Kammrädern [15] und Getrieben dazu. Als man endlich recht zusah, was aus dem Ding werden sollte, siehe: so stand da eine Wassermaschine, die jener Flechtmaschinen eine erstaunliche Menge zugleich drehte und in Bewegung setzte.
Die Kaufmannschaft staunte. Die armen Nesteldreher jammerten. Denn dieser Künstler [16] war nun im Stande, durch die Hilfe von ein paar Aufsehern ganz allein den gesamten Handel mit Nesteln zu versehen.
Was war zu tun? Die Kaufleute beratschlagten sich, ob man dem Bockemühle das Nestelwirken nicht verbieten solle? Allein, nach reiflicher Überlegung beschlossen sie sehr weislich, lieber den ehrlichen Mann für sich arbeiten zu lassen. Er möchte sonst drei Stunden weiter ins Preußische, nach Schwelm [17] ziehen. Dadurch würde ihnen dann dieser Handelsartikel ganz und auf immer entgehen.
IV. Spinnrad und Strumpfstuhl
Ehemals sponn man Flachs und Hanf langsam und mühsam an der Spindel. Im Jahre 1530 erfand dann der Bildschnitzer Jürgen [18] von Braunschweig das Spinnrad, mit dem man nun viel geschwinder und leichter arbeitet.
Weit merkwürdiger aber und zu meinem Zwecke belehrender ist die Geschichte der Strumpfstrickerei. Ehemals war das Strumpfwirken ein in ganz Europa weit ausgebreitetes zünftiges [19] Handwerk. Viele tausend Menschen ernährten sich davon. Ungefähr gegen Ende des 16. Jahrhunderts aber erfand wahrscheinlich ein Engländer (oder, wie die Tradition sagt: ein Schottländer) den Strumpfstuhl. [20] Dieser ist ein Meisterstück der menschlichen Erfindungskraft. Man kann damit geschwinder wirken als mit den Strickstöcken.
Noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts, als die Strumpfstühle in Deutschland bei weitem nicht allgemein waren, konnte der gemeine Mann keine gestrickten Strümpfe tragen. Der Schneider mußte sie vielmehr aus wollenem oder leinenem Tuch machen. Die gestrickten Strümpfe waren zu teuer. Ein wohlhabender Bauer trug allenfalls ein solch kostbares Kleidungsstück an den Feiertagen. Da aber die französischen Flüchtlinge [21] nebst anderen wohltätigen Künsten auch die Strumpfmanufaktur durch ganz Deutschland verbreiteten, so kam es bald dahin, daß jedermann gewirkte Strümpfe tragen konnte. Aber nun war es auch um die Stricker-Zunft geschehen! Sie erlosch ebenso wie das Harnischmacher-Handwerk [22] nach der Erfindung des Schießpulvers.
C. Auswirkungen der Mechanisierung
Diese Beispiele sind hinreichend, um die Idee zu erläutern, die ich in diesen Blättern darzulegen gedenke.
I. Mehrabsatz und Verbilligung
So lange man das Band einzeln webte und die Strümpfe alle mit Strickstöcken wirkte, so lange waren beide Waren unvergleichlich teurer als nachher, da sie mit Maschinen verfertigt wurden. Nun ist es aber eine ausgemachte Sache, daß ein allgemein nützliches Befriedigungsmittel, so lange es für die gemeinen Klassen noch zu teuer ist, nur nach dem Verhältnis abgesetzt wird, in welchem es von dem einzelnen jener Klassen bezahlt werden kann. Folglich wird der Absatz oder der Verkauf einer solchen Ware in dem Grad zunehmen, in welchem sie wohlfeiler wird.
So wie aber der Verkauf zunimm[n]t, so wächst auch die Fabrikation. Mithin können nun beiläufig eben so viele Bandwirker mit ihren vielwirkenden [23] Maschinen arbeiten, als ehemals mit einfachen. Gleicherweise werden jetzt ungefähr eben so viele Strumpfweber in Europa sein, als ehemals Strumpfstricker durch dasselbe verbreitet waren.
Die beschäftigte Bevölkerung hat also wenigstens nicht merklich gelitten. Wahrscheinlicher ist, daß sie eher gewonnen habe. Der Fabrikhandel aber und mit ihm die bequemere Lebensart haben sichtbar dadurch viele Vorteile erhalten.
II. Pioniergewinne bringen Reichtum
Hierzu kommt aber noch der große, nicht zu berechnende Gewinn, den der Ort oder die Nation erwirbt, wo solche Maschinen erfunden werden. [24] Denn ehe die Erfindung zu anderen Orten und Völkern übergeht, erhält jene den Vorsprung im Handel. Sie bekommt Kunden, die sie nicht eher wieder verlassen, bis andere besser und wohlfeiler arbeiten.
Der Einwurf, daß die vielwirkenden [25] Maschinen mehr Arme erzeugen, ist bloß scheinbar. Im Anfang des Gebrauchs der neuen Erfindung gibt es freilich müßige Hände. Aber wie bald sind diese wieder beschäftigt? Die 50 oder 60 Nesteldreher hatten allerdings nichts zu tun, als Bockemühle [26] anfing zu fabrizieren. Allein, das währte nicht lange. Denn Bockemühle mußte Leute haben, die ihm spulten: und dazu waren sie zu gebrauchen.
Gesetzt, es würde eine Spinnmaschine erfunden, auf welcher eine Person 20 Fäden zugleich spönne. Dann würden mit der Zeit alle, die jetzt einfach spinnen, auf der 20fädigen Maschine arbeiten. Welche Wohltat würde das für die Menschheit sein! Denn nunmehr müßten alle Weberei-Waren beträchtlich wohlfeiler werden.
III. Ausgleich der Beschäftigungseffekte
Dem allem ungeachtet könnte mir noch der Einwurf gemacht werden, daß ein Armer zwar ein Spinnrad, aber schwerlich eine 20fädige Maschine anschaffen könne. Auch kann nicht jeder eine Wassermaschine wie Bockemühle bauen.
Allein, auch darauf läßt sich befriedigend antworten. Denn es gibt so vielerlei und unzählbare Beschäftigungen, wodurch der Arme sein Brot verdienen kann (wenn anders die Armen-Anstalten gut sind), daß in einem wohlpolizierten [27] Staat darüber nie Klage entstehen wird. Wo die technischen Künste und Erfindungen blühen, da gedeihen auch Fabriken. Denn jene erleichtern die Mühe, verschönern die Fabrikate und machen alles wohlfeiler. Mithin wird der Absatz ins Große befördert. Wo aber die Fabriken blühen, da fehlt es auch an Beschäftigung der Armen nicht.
IV. Arbeitserleichterung und Fortschritt
So einleuchtend auch diese Erfahrungssätze sein mögen, so können sie doch noch immer durch Rechthaberei bestritten und mein Sieg noch immer zweideutig gemacht werden. Aber folgende Bemerkung schlägt alle nur immer möglichen Einwürfe gegen die Erfindung der vielwirkenden Maschinen zu Boden.
Ich frage meine Gegner: War die Erfindung des Pfluges, des Webstuhles, der Wassermühle usw. nützlich oder schädlich? Antwortet man mir, diese Erfindungen seien schädlich gewesen, so habe ich kein Wort mehr zu sagen. Ein solch seltsamer Kopf müßte unter die Wilden gehen. Dort findet er, was er sucht. Er hat aber die ganze kultivierte Welt gegen sich.
Sagt man mir aber, sie seien nützlich und sehr wohltätig gewesen, so schließe ich ferner so. Man hält sehr viele, von Anfang her erfundene vielwirkende Maschinen allgemein für höchst wohltätig und zum Glück der Menschheit für unentbehrlich. Andrerseits erklärt man nun aber eben dergleichen Erfindungen für höchst schädlich. Mithin müßte es auf dem Wege des Fortschritts der technischen Kultur einen Ruhepunkt geben. Ab diesem fängt jede fernere Erfindung an, schädlich zu werden. Sie sollte dann durch Gesetze verboten werden.
D. Behinderung der Mechanisierung
Wo aber ist nun dieser Ruhepunkt? Wie kann er ausfindig gemacht oder bestimmt werden? Wie wird es der gesetzgebenden Macht möglich, dem Geist solcher Erfindungen auf eine wirksame Weise Einhalt zu gebieten? Kann man das, ohne durch den allerschrecklichsten Despotismus die heiligsten Menschenrechte [28] auf der empfindlichsten Seite zu kränken?
I. Beschäftigungseinwand
Auf die erste Frage scheint schon Herr von Sonnenfels in der oben angeführten Stelle geantwortet zu haben, wenn er sagt:
"Überall, wo die Wege der Beschäftigung mit der Bevölkerung in einem sogenannten Ebenmaß stehen, daß derjenige Teil von Menschen, deren Stelle durch Maschinen vertreten wird, nicht zu anderen Arbeiten verwendet werden kann, würde die Einführung der Maschinen schädlich sein."
Es kommt also hier auf die Untersuchung an, ob es Fälle gäbe, in welchen die durch Maschinen müßig gewordenen Menschenzahl nicht beschäftigt werden könne? Fragt man nun die Erfahrung aller Zeiten, so findet man allerdings, daß die Erfindung einer vielwirkenden Maschine eine gewisse Anzahl Menschenhände eine Zeitlang müßig macht.
Allein, wo Industrie [29] herrscht, da vervielfältigen sich die Beschäftigungen und Broterwerbungen von Tag zu Tag. Jeder Fleißige findet bald wieder eine andere Arbeit. Und gesetzt auch, die Eltern würden nahrungslos. Dann lernen doch die Kinder andere Professionen [30], und die Lücke wird bald wieder ausgefüllt.
II. Gemeinwohlfortschritt und Einzelwohl
Dann frage ich: Soll man das allgemeine Beste (das doch unstreitig bis daher durch solche Erfindungen befördert worden ist und noch fernerhin befördert werden wird) um einiger Weniger willen in seinem Fortschritt aufhalten? Was wären wir jetzt, wenn man diese Maxime von Anbeginn befolgt hätte?
Durch die Erfindung des Pfluges wurden Hände zum Graben müßig gemacht, durch den Webstuhl Hände zum Flechten, durch die Mühle Hände zum Reiben und durch den Strumpfstuhl Hände zum Stricken. Aber wo sind diese Hände müßig geblieben? Sollte denn der Fall, den Herr von Sonnenfels angibt, bisher noch niemals eingetroffen sein? Sollte er nur für
unsere Zeiten und für die Zukunft aufbehalten werden?
Hätte Columbus Amerika und Vasco da Gama den Weg um Afrika herum nach Ostindien nicht erfinden sollen, damit Venedig reich bleiben möchte? Oder könnte man jenen einen Verderber des Menschengeschlechtes nennen, der durch eine Durchgrabung der Erde zwischen dem Mittelländischen und dem Roten Meer einen näheren Weg nach Ostindien eröffnete? [31] Nur weil dadurch der Handlung eine andere Richtung gegeben wird, wodurch die europäischen Seemächte wieder arm würden?
Dergleichen Dinge gehören im Kleinen wie im Großen vor das Forum der göttlichen Regierung. [32] Keine irdische Macht sollte sich vermessen, das Ding besser machen zu wollen! Diese meine Behauptung wird nun zur sonnenhellen Wahrheit, wenn ich die Antwort auf meine obige zweite Frage darlege.
III. Wirkungslosigkeit von Verboten
Wie kann eine gesetzgebende Macht solche Erfindungen ohne den fürchterlichsten Despotismus nur hindern? Gesetzt, ein mechanisches Genie erfände eine vielwirkende Maschine, durch deren Gebrauch viele Menschen ihr Brot verlieren. Was sollte nun die gesetzgebende Gewalt tun?
Will man antworten, sie solle die Verfertigung und den Gebrauch solcher Maschinen verbieten, so wird notwendig eine allgemeine Übereinstimmung aller gesetzgebenden Mächte der ganzen Menschheit erfordert, eine solche Maschine nicht in Wirksamkeit kommen zu lassen. Ohne jenes würde der Erfinder mit seiner Maschine auswandern. Dann verlöre sein Vaterland den ganzen Beschäftigungs-Zweig.
Oder soll man einen solchen Künstler [33] lebenslang gefangen setzen? Sollte man ihm die Augen ausstechen? Oder sollte man ihn gar um des gemeinen Besten willen, wenn dieses darunter litte (was aber nicht der Fall ist) hinrichten? Das wird doch wohl kein vernünftiger Mensch im Ernst behaupten wollen! Denn diejenigen, welche glauben, der Zweck heilige jedes Mittel, zählen nicht zu den vernünftigen Menschen. Sie gehören zu den Rasenden in das große Tollhaus.
E. Förderung von Erfindungen
Hieraus folgt also, daß man weder die Erfindung noch den Gebrauch der Maschinen hemmen könne und dürfe. Eben so unwidersprechlich gewiß ist sogar der Heischesatz [34], daß die Gewerbepolizei [35] sich nicht bloß leidend verhalten solle. Sie muß vielmehr die Erfindung sowohl der vielwirkenden Maschinen als auch der verschönernden und vervollkommnenden Maschinen [36] befördern und die Erfinder belohnen.
I. Beschäftigungsgründe
Daß dieser Satz wahr sei, das beweist die Geschichte aller Völker und Zeiten. Alle Nationen ehrten solche Wohltäter des Menschengeschlechtes hoch, und verschiedene gaben ihnen gar den Rang von Göttern. Wie stolz sind wir Deutschen auf unsere Nation! Und das mit Recht, weil sie fast alle technischen Künste erfunden hat.
Man braucht aber auch nur einige praktische Kenntnisse von Gang der Fabriken überhaupt zu haben, so sieht man im Augenblick ein, daß die ganze Besorgnis bei solchen Erfindungen ein leeres theoretisches Phantom ist. Wenn man bei der Seidenmanufaktur keine Wickelmaschinen, keine Zwirnmühlen und keines dergleichen vielwirkender Werkzeuge hätte, so könnten viele tausend Menschen mehr beschäftigt werden. Aber würden diese dann auch wirklich Arbeit haben?
Gewiß nicht! Denn in einem solchen Falle würden die seidenen Zeuge so teuer werden, daß sie nur königliche und fürstliche Personen tragen könnten. Folglich würde Europa an einigen wenigen Seiden-Manufakturen genug haben. Diese wären aber auch nur fähig, wenigen Menschen Arbeit zu geben.
II. Anregungsfunktion
Noch ein Beispiel. Gesetzt, einer baute eine Wassermaschine, die zwanzig Webstühle in geschwinde Bewegung setzte. Weiter sei angenommen, daß er in diesen Maschinen Garn verwebt, das auf zwanzigfädigen Rädern gesponnen und abermals mit Spulmaschinen gespult würde.
Auf diese Weise verfertigten jetzt zwar einige wenige Menschen mehr Tücher als vorher viele hunderte. Aber welch ein Gewinn würde für die Menschheit daraus entstehen! Denn sobald diese Methode, Tücher zu wirken, allgemein würde, so entstünde eine große Erleichterung in dem so weitschichtigen Aufwand zur Kleidungsherstellung. Nun müßten dadurch alle Produzenten und Fabrikanten in eben dem Verhältnis ihre Waren wohlfeiler geben. Diese Wohlfeile vermehrte wieder die Konsumtion, und diese die Fabrikation und Handlung. Dadurch würde dann auch wieder die Arbeit vermehrt und vermannigfaltigt. In wenigen Jahren würden alle müßig gewordenen Hände Beschäftigung genug finden.
F. Schlußfolgerung und Mahnung
Es bleibt also ewig fest, daß jede Einschränkung der Gewerbefreiheit sich an einer Nation genau in dem Grad rächt, in welchem diese Einschränkung geschehen ist. Ebenso richtig ist, daß man das mechanische Genie [37] auf keinen Fall einschränken dürfe. Denn es ist Werkzeug zur Beförderung der Gewerbe. Folglich hat es auch mit ihnen gleiche Gesetzgebung und muß die gleichen Rechte genießen. Die vielwirkenden Maschinen sind also schlechterdings nützlich und in keinem Falle schädlich.
Eine Bemerkung, die sich mir hier gleichsam mit Gewalt aufdrängt, kann ich doch nicht verschweigen. Sobald ein Mann das öffentliche und allgemeine Zutrauen sowie das Vorurteil [38] des Ansehens für sich hat, so muß er außerordentlich vorsichtig in seinen Äußerungen sein, besonders wenn er im staatswirtschaftlichen Fache arbeitet. Denn wenn er unreife oder gar schädliche Sätze aufstellt und diese werden dann hie und da befolgt, so richtet er Unheil an. Er macht, ohne es zu wollen, Menschen unglücklich. Er verabsäumte die Pflicht, erst gründlich zu prüfen und dann zu behaupten. Von Justi [39] ist in diesem Falle ein sehr belehrendes Beispiel.
Anmerkungen:
[*] Originaltitel: "Sind die Maschinen, welche bey / Fabricken die arbeitenden Hände er- / sparen, nützlich oder schädlich?", in: Staatswirthschaftliche / Ideen. / Von / D. Johann Heinrich Jung, / Hofrath und Professor in Marburg. / Erstes Heft. / Marburg, / in der neuen Akademischen Buchhandlung / 1798. / - Ein zweites Heft ist nicht erschienen.
Jung-Stilling gab 1803 seine Professur in Marburg auf und trat als Berater in die Dienste des Großherzogs von Baden. Im Vorwort meint Jung-Stilling, daß "jetzt, da auf den ehemals blühenden und gesegneten Landstrecken Deutschlands, die der Krieg getroffen hat, Armut und Jammer aus leeren Palästen und nackten Bauernhütten zu uns herüberächzen; wo Hunger und Schwermut, dieses Ehepaar aus dem Hades gebürtig, die einsamen hallenden Gemächer aller Stände durchschleicht und die verschimmelten Brosamen des ehemaligen Überflusses aufliest - jetzt wird doch wohl eine belehrende und Staa[st]wohlfahrt bezweckende Schrift wie diese keine Kontrabande sein."
[1] Kunsttrieb = Erfindungsgeist. Das Wort Kunst bezeichnet bei Jung-Stilling erfinderisches Schaffen; siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft. Berlin (Duncker & Humblot) 1987, S. 89. - Die Kunst im heutigen Wortsinn (also Musik, Malerei, Theater usw.) heißt bei Jung-Stilling schöne Kunst und die Kunstschaffenden in diesem Sinne sind Schönkünstler.
[2] Das die Schicht der Gebildeten bedienende "Journal von und für Teutschland" erschien zunächst 1784 in zwölf Stücken in Fulda und Nürnberg bei Grattenauer. Verfasser war Leopold Friedrich Günther von Göckingk (1748-1828); siehe über ihn DBA 400, 309 ff. Eine Fortsetzung gab danach von 1785 bis 1792 Freiherr Philipp Anton Siegmund von Bibra (1750-1803) heraus; siehe über diesen DBA 98, 359 ff.
[3] Joseph Heinrich Reichsfreiherr von Sonnenfels (1732-1817), ein vielseitiger, genialer Gelehrter, Künstler und Politiker, in vielen Jung-Stilling ähnlich. Er wirkte als Professor der Staatswissenschaften in Wien. Siehe Walter Braeuer: Handbuch zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre. Frankfurt (Klostermann) 1952, S. 55 f. Sonnenfels "fehlt es nicht an Reformvorschlägen, die ihrer Zeit weit vorauseilen", stellt wohl zu Recht Luigi Cossa: Einleitung in das Studium der Wirthschaftslehre. Freiburg (Herder) 1880, S. 142 fest.
[4] Das dreibändige Lehrbuch "Grundsätze der Polizei, Handlung und Finanzwissenschaft" erschien 1765-1767 zum ersten Male und erlebte die 8. Auflage 1819-1822 sowie 1808 auch eine Übersetzung ins Lateinische, die Wolfgang Beke besorgte und bei Pelany in Preßburg erschien. Jung-Stilling zitiert Sonnenfels häufig, ohne ihm jedoch in allem zu folgen; siehe Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 95 sowie Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen, hrsg. von Gustav Adolf Benrath, 2. Aufl. Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 1984, S. 682. - Auch am Ende dieser Abhandlung rügt Jung-Stilling von Sonnenfels ob seiner Lehre von der Hemmung des technischen Fortschritts.
[5] Ebenmaß = Gleichgewicht; eben = genau, symmetrisch, siehe Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 3. Leipzig (Hirzel) 1862, Sp. 15.
[6] Siehe Anmerkung [3].
[7] Vielwirkende Maschinen = arbeitsparender technischer Fortschritt. Veredelnde oder verschönernde Maschinen = Solow-neutraler technischer Fortschritt; siehe zur Erklärung die Übersicht bei Gerhard Merk: Programmierte Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Bd. 3: Geldwesen, Makrogleichgewicht und Wachstumskräfte. Wiesbaden (Gabler) 1974, S. 204.
[8] Jung-Stilling wirkte sieben Jahre lang (von 1755 bis 1762) als Grundschullehrer im Siegerland. Dort eignete er sich den Unterrichts-Grundsatz "Beispiele belehren am besten" an. Er veranschaulicht verwickelte Zusammenhänge mit Vorliebe anhand praktischer Fälle, und zwar bis in seine späte Werke. Siehe hierzu Johann Heinrich Jung-Stilling: Sachgerechtes Wirtschaften. Sechs Vorlesungen. Berlin (Duncker & Humblot) 1988, S. 139 sowie Johann Heinrich Jung-Stilling: Theorie der Geister-Kunde, in einer Natur- Vernunft- und Bibelmäsigen Beantwortung der Frage: Was von Ahnungen, Gesichten und Geistererscheinungen geglaubt und nicht geglaubt werden müße. Nürnberg (Raw'sche Buchhandlung) 1808 (Reprint Leipzig [Zentralantiquariat der DDR] 1987), S. 269.
[9] Band heißt allgemein ein schmales Gewebe mit beiderseitiger Webkante. Bänder dienen Binde-, Einfassungs-, Besatz-, Putz- und Schmuckzwecken. - Weil Gürtel aus Leder (oder gar aus Metallglieder[]) um 1780 sehr teuer waren, benutzte man vorwiegend gewebte Gürtel auch bei Uniformen. Dies machte mengenmäßig das Hauptgeschäft der Elberfelder Bandweber aus.
[10] Wichtinghausen = Wichlinghausen, heute Teil der Stadt Wuppertal, Ortsteil Barmen. Jung-Stilling lebte vierzehn Jahre lang (von 1762 bis 1778) im Herzogtum Berg in der Gegend um das heutige Wuppertal bzw. (von 1771 bis 1778) als Arzt direkt in Wuppertal-Elberfeld. Siehe zum Namen auch Heinrich Dittmaier: Siedlungsnamen und Siedlungsgeschichte des Bergischen Landes. Neustadt/Aisch (Ph.C.W. Schmidt) 1956, S. 43.
[11] Gebildetes Band = veredeltes Band, in diesem Falle zunächst wohl gaufriert (vom Französischen gaufrer: in Waffelmuster drucken) oder moiriert (vom Französischen moirer: ein flammiges oder welliges Aussehen geben). Es gab daneben eine große Zahl vielfältiger Veredelungsverfahren, bis hin zu goldfadendurchwebter Ware.
[12] Siehe Anmerkung [10].
[13] Siehe Anmerkung [10].
[14] Gemeint ist hier der Elberfelder Fabrikant Johann Heinrich Bockmühl (1738-1802); siehe Bernhard Koerner und Edmund Strutz (Hrsg.): Bergisches Geschlechterbuch, Erster Band. Görlitz (Starke) 1913, S. 18. Beinebens schreibt Jung-Stilling Familiennamen selten richtig! - Zur Vertiefung siehe Wolfgang Hoth: Die Industrialisierung einer rheinischen Gewerbestadt - dargestellt am Beispiel Wuppertal. Köln (Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv) 1975 (Schriften zur Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsgeschichte, Bd. 28). Über die von Johann Heinrich Bockmühl erfundene Schnürriemen-Maschine siehe dort S. 138 f. (mit vielen Einzelheiten zu dieser Erfindung).
[15] Kammrad = ein in der Ebene des äußeren Umfangs mit Zähnen besetztes Rad.
[16] Künstler = ein neue produktionstechnische Wege beschreitender Unternehmer: siehe Anm. 1.
[17] Schwelm = zu Jung-Stillings Zeit gewerbereicher Ort, zur preußischen Grafschaft Mark gehörend und nach einem Großbrand 1722 modern aufgebaut. Heute ist Schwelm Stadt im Ennepe-Ruhr-Kreis des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Sie grenzt unmittelbar an das östliche Stadtgebiet von Wuppertal an.
[18] Um 1530 fügte der Bildschnitzer und Steinmetz Jürgens(s) in Watenbüttel (heute Stadtteil von Braunschweig) das Tret-Rad an die Handspindel hinzu. Braunschweig war zu jener Zeit ein Zentrum der Tuchproduktion. Siehe auch Almut Bohnsack: Spinnen und Weben. Entwicklung von Technik und Arbeit im Textilgewerbe. Reinbek (Rowohlt) 1981 (Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und der Technik, Bd. 2).
[19] Zünftig = hier: in einer Zunft (Genossenschaft von Handwerkern mit bestimmten, verpflichtenden Regeln) geordnet.
[20] Strumpfstuhl = Rundwirkstuhl als Wirkmaschine zur Erzeugung von Schlauchware mit kreisförmig angeordneten Nadeln. - Bei Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (Deutsches Wörterbuch, Bd. 10, 4. Leipzig [Hirzel] 1942, Sp. 128) wird das Wort als "literarisch selten" klassifiziert und lediglich bei Johann Heinrich Jung-Stilling nachgewiesen!
[21] Der französische König Heinrich IV. sicherte 1598 im Edikt von Nantes (Edikt = landesherrliche Verordnung; Nantes = Hafenstadt an dem schiffbaren Fluß Loire, 47 Kilometer vom atlantischen Ozean entfernt) den Reformierten die vollen bürgerlichen Rechte zu. König Ludwig XIV. hob dieses 1685 auf. In der Folge wanderten sehr viele (die Zahlen schwanken zwischen 48.000 und 200.000) "gewerbefleißige" französische Reformierte {Hugenotten, wahrscheinlich hergeleitet von Eidgenossen = Schweizer) nach England, Holland und vor allem nach Deutschland aus. Sie brachten eine Reihe von in Frankreich blühenden Fabrikationen mit und führten sie in Deutschland ein. Siehe Hermann Schreiber: Auf den Spuren der Hugenotten. München (List) 1983.
[22] Harnischmacher = Hersteller von (Leib) Rüstungen. Die Geschosse aus den Feuerwaffen durchdrangen das Metallblech. Daher ging dieses Handwerk ab etwa 1530 völlig ein. - Das Wort Harnisch ist keltischen Ursprungs und von haiarn: Eisen abgeleitet.
[23] Siehe Anmerkung 7.
[24] Dazu wird auch noch eine Welle von weiteren Neuerungen angeregt ("clustering of innovations"), wodurch die ganze Volkswirtschaft positiv gefördert wird. Siehe hierzu Gerhard Merk: Pioniere und Pioniergewinne, in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, Bd. 95 (1959), S. 59.
[25] Siehe Anmerkung 7.
[26] Siehe Anmerkung 14.
[27] Wohlpoliziert = gut geordnet, passend eingerichtet. Das Wort Polizei bedeutet zu Jung-Stillings Zeit Ordnungsverwaltung: die Gestaltung und Leitung eines Sachbereichs, wie Gesundheitspolizei, Gewerbepolizei oder Kirchenpolizei. Siehe Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 1), S. 112.
[28] Jung-Stilling versteht unter Menschenrechten im Grunde (1) das Recht auf Selbsterhaltung und Vervollkommnung als Recht der Person, (2) das Recht auf Eigentum, (3) das Recht auf Ehre und (4) das Recht auf Freiheit. Diese Rechte ordnet er verschieden und benennt sie auch nicht einheitlich. - Siehe näher dazu die Definitionen im Jung-Stilling-Lexikon Religion. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1988, S. 106 sowie im Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 1), S. 99 f.
[29] Industrie = hier: (Gewerbe)Fleiß, Betriebsamkeit, ein günstiges Wirtschaftsklima; vom lateinischen industrius: fleißig, beharrlich.
[30] Profession = Handwerk, Gewerbe, Beruf; vom lateinischen professio in gleicher Bedeutung.
[31] Der heutige Suezkanal (168 Kilometer lang und 1859-1869 erbaut) war zu Jung-Stillings Zeit neben dem Rhein-Donau-Kanal (derzeit noch im Bau) eine häufig geforderte Schiffsverbindung; vgl. Jung- Stilling-Lexikon Wirtschaft (Anm. 1), S. 127.
[32] Jung-Stilling blieb zeitlebens davon überzeugt, daß Gott alles Erschaffene erhält und auch alles bis ins Einzelne zweckmäßig leitet; siehe Jung-Stilling-Lexikon Religion (Anm. 28), S. 178 f. sowie Christlieb Himmelfroh: Jung-Stilling belehrt. Kirchundem (AK-Verlag) 1991, S. 134 ff.
[33] Siehe Anmerkung 1.
[34] Heischesatz (postulatum) = eine aus sich heraus einsichtige und keines weiteren Beweises bedürftige Aussage. Der Begriff geht auf den deutschen Philosophen Christian Wolff (1679-1754) zurück, den Jung-Stilling schätzte. Siehe die genaue Definition bei Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 4,2. Leipzig (Hirzel) 1877, Sp. 901.
[35] Gewerbepolizei = (in heutiger Sprache) Wirtschaftspolitik; siehe Anm. 27.
[36] Siehe Anmerkung 7.
[37] Mechanisches Genie = Ingenieur, Erfinder; siehe Anm. 16.
[38] Vorurteil = hier: Vergünstigung, Glück; allgemein: ein Urteil, das die Gesellschaft im voraus auf jemanden bezieht. Im Textzusammenhang: der große von Sonnenfels (siehe Anm. 3) sollte nicht Dinge behaupten, ehe er sie richtig durchdacht hat.
[39] Der Sachse Johann Heinrich Gottlob von Justi (1705-1771), Professor zunächst in Wien, dann in Göttingen und ab 1765 im Dienste Preußens. Unter der (völlig unbewiesenen) Anschuldigung, öffentliche Gelder veruntreut zu haben, wurde von Justi unter dem preußischen König Friedrich II. (der "Große") eingesperrt. Er starb in Gefangenschaft auf der Festung Küstrin. Der "Fall Justi" wirkte stark dämpfend auf die seinerzeit verbreitete Borussomanie (Preußerei: kritikloses Eingenommensein für alles Preußische), zu der auch Jung-Stilling von etwa 1787 an (ab seiner Marburger Zeit) sehr neigte. Siehe auch Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand (Anm. 4), S. 94 f. Jung-Stilling meint hier mit "belehrendem Beispiel", daß von Justi (im Gegensatz zu von Sonnenfels) zunächst prüft und dann erst behauptet. Zu seiner Zeit galt nämlich von Justi als einer der besten Kenner der Landesökonomie sowie als ausgewiesener Experte auf den Gebieten der Agrarwirtschaft, des Bergbaus und der Bevölkerungspolitik.
|