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Langerfeld   (Wuppertal)   1



Haupt-Informationsquelle zur folgenden Übersicht "im Zeitraffer" über die Geschichte Langerfelds und der Schilderungen über die Zeit Anfang des 20. Jh. ist Günther Voigt (Jg. 1927, Studium der Geschichte und Pädagogik, zuletzt Rektor der Grundschule an der Germanenstraße).


Aus der Geschichte von Langerfeld -
von den Anfängen bis zum 20. Jahrhundert

Das heutige Langerfeld ist ein Ortsteil der Stadt Wuppertal mit etwa 24.000 Einwohnern. Anders als die anderen ehemals selbstständigen Gemeinden und heutigen Stadtteile, die sich 1929 zur Großstadt Wuppertal zusammengeschlossen haben, führt Langerfeld nicht die Bezeichnung eines Stadtteils. Es war schon vor der Städtevereinigung im Jahr 1922 zum Missfallen der Langerfelder zur damaligen Stadt Barmen eingemeindet worden.

Die Verwaltungsgrenzen des Stadtbezirkes Langerfeld entsprechen etwa den Grenzen der ehemaligen westfälischen Gemeinde. Die alte Gemeindegrenze verlief von der Kemna im Süden entlang der Wupper, über Rauental zum Grünenbaum, östlich der Klippe in Richtung Höfen nach Beckacker. Im Norden grenzte die Gemeinde Nächstebreck an Langerfeld, die östliche Grenze ging von Jesinghausen über Neuenhof, Steinhauser Berg, Heusiepen zur Kemna.

Durch dieses Gebiet führte schon in der Frühzeit eine alte Straße. Sie kam vom Rhein über Hilden und Elberfeld und verlief durch das Schwelmetal weiter ostwärts. An diesem uralten Verkehrsweg liegt Jesinghausen, eine sächsische Siedlungsstelle, die schon um 800 bestanden haben dürfte. Um 1000 ist vermutlich der Hof Rauental erbaut worden, ein festes Haus am Grenzfluss Wupper.

Die erste bekannte urkundliche Erwähnung Langerfelds stammt von 1304, als der Abt von Siegburg die Höfe Langerfeld neu belehnte. Die aus einer Anzahl von Einzelhöfen bestehende Bauerschaft Langerfeld ist wohl in der Zeit des großen Ausbaus zwischen dem 9. und 13. Jh. besiedelt worden. In der Ortsbezeichnung Langerfeld wird der Personenname Langer vermutet. Das Grundwort -feld bezeichnet ein baumfreies Wiesengelände.

Ende des Mittelalters gab es über das Langerfelder Gebiet verstreut eine Anzahl Siedlungen, die dem Grafen von der Mark oder dem Herzog von Berg abgabepflichtig waren. Auch die Herren von Volmestein, der Dom zu Xanten und das Kloster Beyenburg hatten hier Besitz.

In einer Schatzliste von 1486 werden 31 Höfe der Bauerschaft namentlich aufgeführt [bei Voigt o.J. S. 30]. Die meisten lagen an der alten Wegekreuzung in der Mulde des Hedtbergbaches, also in Langerfeld selbst, das 1432 im Volmesteiner Lehnbuch als "dorp" bezeichnet wird.

Bauerschaft wurde das kleinste Gebiet bäuerlicher Selbstverwaltung genannt. Ihr gehörten die Wege, Brücken und Stege, die Bäche, Teiche und Brunnen, das Backhaus, der ungeteilte Wald (Mark) und die ungeteilte Wiese (Dorfwiese). An der Spitze dieser Bauerschaft stand der Burrichter, der mit Hilfe anderer Bauern alle Angelegenheiten der Allgemeinheit erledigte. Die Bauerschaft Langerfeld gehörte zum Gogericht Schwelm in der Grafschaft Mark.

Im 16. Jh. erlebten die Bewohner der Bauerschaft zwei bedeutende Ereignisse, von denen die weitere Entwicklung Langerfelds bestimmt wurde: Erstens wurde Luthers Lehre im Kirchspiel Schwelm verkündet; die Reformation war hier um 1560 abgeschlossen. Zweitens schlossen die Langerfelder mit den Elberfelder und Barmer Bleichern 1549 einen Vertrag, nach dem auch in Langerfeld mit Genehmigung des Landesherrn das gewerbliche Bleichen weiterhin gestattet wurde.

Aber dann zogen schwere Zeiten herauf. Hungersnöte und Seuchen forderten große Opfer. Die Spaniereinfälle um 1600 und der Dreißigjährige Krieg brachten einen weiteren Niedergang für die Bauerschaft und das Gewerbeleben. 1648 waren von 85 Höfen 25 verwüstet oder verlassen. - Mit dem allmählichen Wiederaufbau kam auch das wirtschaftliche Leben erneut in Gang. Die Grafschaft Mark fiel 1666 an Brandenburg, 1701 wurde sie preußisch. - Ein neuer Gewerbezweig entstand: die Bandwirkerei.

1711 wurde mit dem Bau einer Schule (am heutigen alten Friedhof) ein erster Mittelpunkt in der ausgedehnten Streusiedlung mit schätzungsweise 1.000 Einwohnern geschaffen. Den eigentlichen Aufschwung nahm Langerfeld in der Folgezeit. Die Bleicher in der Oehde ließen das Schulhaus zu einem Kirchhaus ausbauen, in dem an Sonntagnachmittagen Predigten verlesen wurden.

1766 fragte man in Berlin um Erlaubnis zur Errichtung einer lutherischen Kirchengemeinde. Der Erlaubnis folgte die Trennung von der Muttergemeinde Schwelm. Man begann mit dem Bau einer Kirche, der sich bis zur Fertigstellung über zwei Jahrzehnte hinzog. 1786 endlich konnte darin der erste Gottesdienst gehalten werden.


Langerfeld
1999   Alte ev. Kirche
 
Die alte lutherische Kirche
ist das Wahrzeichen Langerfelds. Nach einer Bauzeit von 20 Jahren fand hier am 25.09.1786 mit der Gedächtnisfeier zum Tod Friedrichs des Großen der erste Gottesdienst statt. 1896 und 1966 wurde die Kirche umgebaut. Sie steht unter Denkmalschutz.

  Kirchen in Wuppertal

Nach 1740 ließen sich Wuppertaler Weber in Langerfeld nieder. Ein neuer Fabrikationszweig, die Herstellung von Litzen und Schnürbändern, beschäftigte bald viele Bewohner. Der Riemengang [eine Flechtmaschine] soll um 1750 in der Fleute erfunden worden sein. Führend wurde die Bandwirkerei, und nach einem Bericht aus dem Jahr 1789 "klapperte das ganze Dorf".

Zwar hatten die preußischen Werbungen um "lange Kerls" 1720-1740 und der Siebenjährige Krieg 1756-1763 mit seinen Einquartierungen und Abgaben große Belastungen mit sich gebracht. Dennoch stand die Industrie am Ende des 18. Jh. trotz mancher Rückschläge in voller Blüte.

Der Platz an der alten Wegekreuzung (heute Langerfelder Markt) blieb weiter Mittelpunkt für das ausgedehnte Gebiet vom Ehrenberg bis zum Beckacker, von der Oehde bis zum Neuenhof. Hier entstand 1784 eine wichtige Poststation. Die Kaiserliche Reichspost und die Preußische Post endeten an dieser Stelle. Sechs Jahre lang fuhren die Postkutschen noch über die alte Straße, bis die Kunststraße (heute Langerfelder Straße, Odoakerstraße und Schwelmer Straße) auch durch Langerfeld gebaut wurde. Damit waren die Verbindungen zu den Nachbarorten besser und schneller geworden.

Zur Zeit der französischen Besetzung kam mit den Rekrutierungen, der Geldentwertung und der Arbeitslosigkeit neues Elend über die Bevölkerung. Das französische Verwaltungssystem wurde eingeführt. An der Spitze der "Mairie" (mit 1.964 Einwohnern) stand nun ein Bürgermeister.



Langerfeld
Um 1880   Langerfelder Markt.
Bild-Quelle: Voigt o.J.
 
Langerfelder Markt:
Wegen der starken Steigung der Odoakerstraße wurde 1837 (nach anderer Quelle 1832) die Hauptstraße hinter die Kirche verlegt. Dadurch musste der Hof Pennekamp weichen, der an der Stelle des heutigen Marktplatzes lag. Die neue Straße wurde höher gelegt, und der Marktplatz rückte weiter nach Süden.


Auf die Befreiungskriege folgte eine lange Friedenszeit. Die Gewerbezweige konnten zunächst ihre alte Bedeutung wiedererlangen. In der Nähe der Bleichen entstanden die ersten Fabriken. Nach der Einführung der Dampfkraft und der Erfindung der Spitzenmaschine bahnte sich auch in der Band- und Spitzenfabrikation der Übergang von der Heimarbeit zum Fabrikbetrieb an.

Durch eine neue Gemeindeordnung wurde die Bürgermeisterei Langerfeld 1841 ein Preußisches Amt, dem die Gemeinden Langerfeld und Nächstebreck angehörten. Der Bürgermeister erhielt den Titel Amtmann. Das Gesicht der Stadtlandschaft wandelte sich. Wegen ihrer starken Steigung war die Hauptstraße um 1837 hinter die Kirche verlegt und der Marktplatz verändert worden. Neue Straßen entstanden. Als 1847 die erste Eisenbahn durch das Schwelmetal dampfte, stand Langerfeld an der Schwelle einer neuen Zeit.



Langerfeld  
Um 1911   Die Eisenbahnanlagen am Güterbahnhof
.
Rechts sind noch so eben die kath. Kirche St. Raphael und die alte ev. Kirche zu erkennen.
Bild-Quelle: Voigt o.J.


Die Entwicklung von einer Landgemeinde zum Industrieort verdeutlichen die Einwohnerzahlen, die von 4.157 im Jahr 1856 auf 14.832 im Jahr 1910 anstiegen. In diesem Zeitraum beginnt meine eigene Langerfelder Familiengeschichte. - Dieser Aufschwung wurde durch den Ausbruch des ersten Weltkriegs jäh unterbrochen.

  Über den Ersten Weltkrieg in Langerfeld

Nach dem Krieg wurde Langerfeld 1922 auf Beschluss des Preußischen Landtages nach Barmen eingemeindet und ging damit von Westfalen zum Rheinland über. Die Bemühungen um die Rückgewinnung der Selbstständigkeit endeten, als auch Barmen durch die Gründung der Großstadt Wuppertal 1929 seine Selbstständigkeit verlor.

  Städtevereinigung von 1929 und Folgejahre

Auch der Zweite Weltkrieg hinterließ tiefe Spuren in Langerfeld.

  Vorkriegszeit und Zweiter Weltkrieg in Wuppertal

Heute gibt es im Ort wieder malerische Winkel; eine Anzahl jahrhundertealter Fachwerk- und Schieferhäuser sind erhalten geblieben, und viele stehen unter Denkmalschutz.

  Wer Langerfeld näher kennenlernen und sich vor Ort einen Eindruck verschaffen möchte, ob auf eigene Faust oder in der Gruppe mit fachkundiger Führung, dem sei z.B. die "Route 11 - Vom Dorf zur Stadt - Urbanisierung im Umland" empfohlen, ausgearbeitet von der Geschichtswerkstatt des Bergischen Geschichtsvereins, Abt. Wuppertal.


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Alte Ortsbezeichnungen in Wuppertal-Langerfeld

Langerfeld (ohne den Bezirk Beyenburg) erstreckt sich heute von der Kemna an der Wupper bis zur Bramdelle nördlich Jesinghausen, von der Oehde und Rauental an der Wupper bis zur Grenzöhde an der Stadtgrenze zu Schwelm. Eine ungefähre Vorstellung, wie es hier vor vielen hundert Jahren ausgesehen haben könnte, lässt sich aus den alten Orts- und Flurnamen ableiten. Günther Voigt hat einige Deutungen zusammengetragen:


"Die älteste Siedlungsstelle ist Jesinghausen, eine -inghausen-Siedlung, die schon um 800 bestanden haben dürfte. Der nördliche Abhang zwischen Jesinghausen und Höfen, der zur Schwelme hin abfällt, war einst mit Wald bedeckt. Darauf weisen die Namen mit Loh hin. Loh bedeutet Wald, und in diesem Gebiet finden wir Stelloh (Hof Kämper), Werloh (von Werth = Insel), Dornloh und Webersloh.

Nördlich davon liegen Beckacker (Acker am Bach), Löhrerlen (Loher Erlen) und Bramdelle (Delle = Vertiefung, kleines Tal; Bram = Ginster). Ein alter Buchenbestand wächst noch auf dem Kalkstreifen in den Dolinen.

Eine Straße heißt Bökenbusch, die auf die Buche hinweist.
Neben der Hilgershöhe gab es vor 100 Jahren das Nesselnbüschken. Bekannt ist der Ecksteinsloh.

Die Siedlung an der Klippe hieß früher am Kirchloh (Gelände der Reformierten Gemeinde). Die alte Straße führte einst durch den Lüttgenloh (kleiner Wald), der sich auf beiden Seiten der heutigen Straße in Höhe der Parksiedlung erstreckte.

Für Wald stand auch das Wort Busch. Bekannt ist der Leibusch. Ley bedeutet Schiefer. Sternenbergs und Kickers Busch lagen in der Oehde, Böllings, Kämpers und Siepmanns Busch nahe der Kemna. Eine Straße heißt noch Adamsbusch nach der Familie Adam.

Mit Heide, mundartlich Heed, bezeichnete man ebenso Waldgebiete. Nördlich der Straße Zu den Dolinen lag 'dä Dicken Hei' (Wald des Bauern Dicke), und der Hedtberg ist noch heute bewaldet. An ihm fließt ein Bach (=Becke) entlang, die Hebbecke (= Heedbecke) heißt. Ein abgegrenztes Waldstück nannte man Hagen, der noch am Wulfeshohl steht. Das ausgedehnteste Waldgebiet befand und befindet sich noch auf dem Ehrenberg.

Nach der Überlieferung gab es bis zur Jahrhundertwende auffallend viele Bäume im Ort. Neben den Kastanien an der Langerfelder Straße und den Linden an der Schwelmer Straße wird berichtet vom Grünen Baum an der Grenze, von einer mehr als 600 Jahre alten Eiche und einer 200jährigen Silberpappel auf der Pülsöhde, von einer Jahrhunderte alten Linde am Haus Rauenthal, von Bachs Bauke auf dem Ehrenberg und dem hohen Birnbaum in Cleffs Hof.

Ein alter und mächtiger Kirschbaum gab der Kreuzung Leibuschstraße/Marbodstraße den Namen 'Im Kirschenbaum'. Alle diese Bäume sind längst gefällt.

Die Einmündung Kurze Straße/Spitzenstraße hieß früher 'im Feigenbaum'. Der Name konnte noch nicht gedeutet werden. Unter jenem Baum fanden die Versammlungen der Bauern im Mittelalter statt.

Die Öhde ist eine schlechte Wiedergabe des mundartlichen Wortes Öh, das mit öde und leer nichts zu tun hat. Es stammt vom Hochdeutschen Aue ab. Wir kennen die Oehde an der Wupper, die Wilde Öhde, die Beyeröhde, die Pülsöhde, die Noldenöhde, die Hölkesöhde und die Grenzöhde. Früher gab es noch die Tönnisöhde und die Johannesöhde. In diesen Namen stecken die Familiennamen Beyer, Puls, Nolde, Hölken, Tönnies und Johannes.

Zwischen Pülsöhde und Noldenöhde liegt Gut Röttgen. Röttgen leitet sich von Roden ab, wie auch der Bach in der Nähe eigentlich Röheker Becke heißen müßte. Zahlreiche alte Flurnamen wiesen in Langerfeld auf Rodungszeiten hin wie Gerotte, Rottland, im Rott, im Hacken oder Hackert. Im Rauental (früher Ruwendelle, das heißt 'rauhes Tal') befand sich früher die Mehlmühle der Gemeinde, die mit Wasserkraft aus dem Mühlengraben angetrieben wurde. Dort lagen die Siedlungen 'am Strange' und 'Mühlenkamp'.

Ein kleines, enges Tal wurde früher mit 'hohl' bezeichnet. Auf dem Wulfeshohl wohnte einst eine Familie Wulf. Mit 'hohl' verwandt ist auch Hölken.

Mit Siepen bezeichnet man ein nasses Wiesengelände. Wir sprechen heute noch von 'siepennaat', wenn unsere Kleidung sehr durchnäßt ist. Die kleinen, feuchten Wiesentäler kennen wir unter den Namen Siepen (bei Haus Waldstein), Wurmsiepen südlich davon, Heusiepen, Burensiepen und Kucksiepen auf dem Ehrenberg.

Mit dem Wasser hat auch der Name Kattendieck zu tun (Katte von Wildkatze) und der Name Schmitteborn (= Schmiede an der Quelle).

Eine tiefe Stelle in Langerfeld ist das Schwelmetal. Hier wohnen die Leute 'im Dahl', früher im Wittendahl.

Auch seltene Namen gab und gibt es im Ort. Die 'Insel' ragte wie eine Insel über dem Dorf Langerfeld (Feld des Landger), das nach Osten in einen Zipfel (Timpen) mündete.

Die Kreuzung Arioviststraße/ Odoakerstraße hieß früher 'am goldenen Berg', die Kreuzung Arioviststraße /Inselstraße am Postberg (nach der Poststation dort).

Manche Namen wurden den Fluren auch von den Kohlentreibern gegeben, die für Namengebungen bekannt waren. In Jesinghausen gab es den Hippenkopp, der steile Weg hinter dem Ehrenmal auf der Buschenburg (= Busches Berg) hieß 'Am Stiewen Köttel', das Tal der Hebbecke 'im Lurhasen' und das in Pülsöhde 'im Kellerken'.

Es dürfte nicht schwer sein zu sagen, woher die alten Familien ihren Namen haben, wenn sie Dahl oder Dahlmann, Beck oder Beckmann, Beiers oder Beiersmann, Sieper oder Siepmann, Berg oder Bergmann, Loh oder Lohmann heißen."

[Voigt o.J. S. 222 f]


  Zur Bedeutung weiterer alter Orts- und Flurnamen in Wuppertal und im Bergischen Land

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Bänder und Spitzen

Die Langerfelder und Barmer Bänder, Kordeln, Litzen und Spitzen sind mir seit meiner Kindheit geläufig, da mein Großvater Otto Frensel in den ersten Jahrzehnten des 20. Jh. u.a. für die Langerfelder Spitzenfabrik Henkels tätig war und meine Mutter noch Erzeugnisse aus der damaligen Produktion aufbewahrt und verarbeitet hat. Aus diesem Grund sollen die Bänder und Spitzen auch an dieser Stelle besonders erwähnt werden. Günther Voigt hat dem Thema in seiner Geschichte Langerfelds mehrere Kapitel gewidmet.


Henkels
  2006
Hauptgebäude der
ehemaligen Spitzenfabrik Henkels,
Langerfelder Straße 129


Bänder und Riemen

In den letzten Jahrzehnten des 17. Jh. ließen sich in Langerfeld zu den wenigen einheimischen Webern und Bandwirkern weitere nieder, die wohl aus dem Wuppertal zuzogen. Auch einzelne Einwohner der Bauerschaft begannen mit der gewerblichen Produktion.

Im 18. Jh. war die Herstellung von Bändern in Langerfeld ein verbreitetes Gewerbe. Die Kinder der Bandwirkerfamilien halfen schon im Alter von sechs Jahren beim Spulen und Aufwinden mit. Typisch für die alten Bandwirkerhäuser sind die vielen Fenster, da für die Arbeit viel Licht nötig war.

Neben der Bandwirkerei entstand in Langerfeld ein neuer Fabrikationszweig, die Riemendreherei. In Langerfeld wurden schon früh von Frauen und Kindern Schnürriemen auf Kissen geklöppelt und diese Erzeugnisse auch für fremden Bedarf geliefert. Aber erst um 1750 gelang die maschinelle Herstellung von Schnürriemen. Nach der Überlieferung soll der erste Riemengang [So wurde in Barmen die Flechtmaschine genannt] in Langerfeld in der Fleute erfunden worden sein, nach anderen Berichten an der Flötepiepe in Nächstebreck. [Voigt S. 58 und 92]



 
1789
Eine Schnürriemen"fabrik".
Arbeitsplatz, Wohnstätte, Schlaf- und Kochstelle befanden sich in einem Raum.
Zeichnung des Schwelmer Theologen und Kartographen Friedrich Christoph Müller (1751-1808)


 
1789
Eine Bandwirkerei.
Zeichnung von Friedrich Christoph Müller

In der Einwohnerliste von 1784 bezeichnet sich kein Einwohner als Schnürriemenhersteller. Vermutlich rechneten sie sich zu den Bandmachern. Aus einem Text von Pastor Friedrich Christoph Müller über die Schnürriemenfabrik: "Das Flechtwerk, welches die Festigkeit eines Schnürbandes erfordert, war durch den Mechanismus eines Bandstuhles nicht heraus zu bringen. Damit nun keine Bandsorte fehlen möchte, hat man andere, ebenfalls sehr künstliche Maschinen, erdacht, wodurch dies bewerkstelligt wird. Auf diesen Maschinen, welche Schnürriemensgetauen heißen, können 6 bis 8 Stück auf einmal gewirket werden." [zit. bei Voigt o.J. S. 92 f]

In Elberfeld hatte die Firma Bockmühle eine Maschine in Betrieb genommen, die vom Wasser der Wupper angetrieben wurde. Diese Maschine konnte stündlich 1000 Ellen wirken. [Voigt S. 92] Nach langen Versuchen hatte Johann Heinrich Bockmühl (1738-1802) dem Kurfürsten Karl-Theodor von Jülich und Berg im Jahre 1767 seine neue Erfindung persönlich vorgeführt, als dieser sich im Wuppertal aufhielt. Bockmühl hatte damit die erste wirklich brauchbare eiserne Flechtmaschine konstruiert, auf der sich zunächst vor allem Schnürriemen für Schuhe industriell herstellen ließen (daher der Name "Riemengang"). [Leithaeuser S. 144] Jung-Stilling hat Bockmühl und seine Erfindung 1798 in seiner Arbeit über die "Ersetzung von Handarbeit durch Maschinen" als Beispiel für eine 'gelungene Mechanisierung' erwähnt.

"Auf diese Bockmühlsche Erfindung, die bald weiter ausgebaut und vervollkommnet wurde, gründet sich unsere große Barmer Flecht- oder Riemengangindustrie, welche dann nach der Erfindung der Dampfmaschine (durch James Watt 1736-1819) einen gewaltigen Aufschwung nahm und die ganze Welt mit ihren Spitzen und Besätzen versorgte." [Leithaeuser S. 144]

Jahrzehnte später waren vierspulige Riemengänge in Langerfeld in Betrieb, und die hölzernen Gänge erhielten zahlreiche Verbesserungen. Neben dem allgemein üblichen Fuß- und Handbetrieb standen in Elberfeld immer mehr solcher Gänge, die durch die Wasserkraft der Wupper angetrieben wurden.

Aus den Schnürriemensgetauen entwickelte sich im folgenden Jahrhundert der Riemengang oder Riementisch, auf dem in Langerfeld Spitzen hergestellt wurden. [Voigt S. 92 f]

Spitzen

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jh. entwickelte sich die Riemendreherei in Langerfeld stetig aufwärts. Die hölzernen Riemengänge, die bis dahin mit dem Fuß oder mit der Hand angetrieben worden waren, wurden nun mit Dampfkraft bewegt. Zu den Schnürriemen und Litzen traten in der Produktion verschiedene Muster feiner Litzen und Zackenlitzen.

Heimarbeiter setzten die Produktion von Spitze in Handarbeit fort. 1877 erfanden W. Hedtmann, A. Schmiedel und W. Flasdieck in Langerfeld die erste Spitzenmaschine. Sie hatten in der Maschinenfabrik Hedtmann und in der Bandfabrik Henkels im Dahl (gegr. 1874) ihre Versuche durchgeführt mit dem Ziel, handgeklöppelte Spitzen auf mechanischem Weg herzustellen. Zunächst hatten sie eine Flecht-Spitzenmaschine konstruiert (drei- bis vierfädig), die dem Riementisch ähnelte, bei der durch besondere Vorrichtungen einzelne oder ein Teil der Klöppel vorübergehend zum Stillstand gebracht werden konnten.

Die Firma A. & E. Henkels nahm die Spitzenfabrikation 1878 auf. Die Spitzenmaschine wurde laufend verbessert. 1880 konnte eine zweifädige Spitzenmaschine in Betrieb genommen werden. Diese Erfindung wurde bahnbrechend für die gesamte Spitzenfabrikation. Mit ihren Erzeugnissen wurde auch der Name Langerfeld in der Welt bekannt. [Voigt S. 152 f]


Spitzen
  Spitzen
  Maschinell hergestellte
Spitzen und Bänder
aus Langerfeld,
um 1910-1920

Bis 1895 liefen in der Firma Hedtmann Versuche, eine einfädige Klöppelspitzenmaschine zu konstruieren. Der in den 80er Jahren zur Spitzenfabrikation umgebaute Riemengang war mehrfach verbessert worden. Da gelang der französischen Firma Malaire die Herstellung einer ersten brauchbaren einfädigen Klöppelspitzenmaschine, nachdem sie die Patente der Firma Büsche aus Schwelm hatte erwerben können. Die Firma Henkels verschaffte sich das Mitbenutzungsrecht, das auch die britische Firma Birkin in Nottingham erhielt.

  Die Bezeichnung einfädig bedeutet, dass auf einem Teller nur ein Klöppel (auch Spule genannt) arbeitet. Er kann wie bei der Handklöppelei nach Belieben stillgesetzt werden, während bei der früher ausschließlich bekannten zwei-, drei- und vierfädigen Maschine stets alle Klöppel liefen. Heute wird ausschließlich mit einfädigen Spitzenmaschinen gearbeitet.

Zwischen den drei Firmen kam ein Vertrag zustande, wonach jede Firma im eigenen Lande das Alleinverkaufsrecht der Produkte erhielt und andere Länder mit Spitzenerzeugnissen frei beliefern konnte.

Mit der Erfindung und Patentierung des S-Dorns übernahm die Firma Henkels wieder die Führung in der Spitzenindustrie bis 1914, die sie zum Vorteil Langenfelds ausbaute. Die Waren der Band- und Spitzenfabrik A. & E. Henkels wurden in die ganze Welt exportiert. [Voigt o.J. S. 152 f]

Wuppertal ist ein bedeutender Produktionsort für die maschinengeklöppelte Spitze geblieben. Beim Maschinenklöppeln fertigt die Maschine in täuschend guter Nacharbeit die 'echten' handgeklöppelten Spitzen. Der einzige Unterschied zwischen Maschinen- und Handarbeit ist die absolute Regelmäßigkeit der Maschinenspitze.


Weiter: Langerfeld um 1900 bis zum Ersten Weltkrieg 


Quellen:
  • Leithaeuser (1927)
  • Voigt (1969)
  • Voigt (o.J.)
  • Webseite: "http://www.wilhelmrehage.de/" am 03.01.2003

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