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Langerfeld um 1900 bis zum Ersten WeltkriegWie sah es damals in dieser aufstrebenden Zeit "im Dorf" aus? Günther Voigt beschreibt in seinem Buch "Langerfeld. Aus der Geschichte eines Stadtteils in Wuppertal" die lebhafte Straßenszenerie und die Lebensverhältnisse im Ort zu einer Zeit, als die täglichen Bedürfnisse noch nicht immer und überall sogleich befriedigt werden konnten: |
"Im Abstand von einer halben Stunde brachte die Elektrische Bahn die Langerfelder für einen Groschen nach Schwelm oder Barmen. Pferd und Wagen, Flachkarren, Handwagen oder Schubkarren, vereinzelt Fahrräder, beherrschten das Straßenbild.
Viele Geschäfte spielten sich früher auf der Straße ab. In jeder Woche kam zweimal der Gemüsewagen, mittwochs der Müllwagen. Donnerstags ließ Spellmanns Fritzken seine Lieder zum Orgelskasten erklingen.
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Gewerbeleben vor dem WeltkriegDie Elektrifizierung schritt in Riesenschritten voran, und für meinen Großvater, einen versierten Elektrotechniker, gab es ungeheuer viel zu tun. Die Elektrifizierung führte - wie im Solinger Industriebezirk bei den Schleifern - in Langerfeld bei vielen Bandwirkern dazu, dass sie die Fabriken mit ihren Dampfmaschinen verließen und wieder Heimarbeiter in der eigenen Werkstatt wurden. |
"Im Jahre 1905, nach dem Bau der Ennepe-Talsperre, stellte das Wasserwerk der Gemeinde seine eigene Wasserförderung ein und bezog seinen Wasserbedarf aus dem Kreiswasserwerk. Zwei Jahre später war das Elektrizitätswerk für den Kreis Schwelm betriebsfähig. Viele Betriebe schlossen sich an das Stromnetz an, und allmählich erfolgte eine Umstellung von Dampfkraft auf Kraftstrom.
Nach der Jahrhundertwende wurden auch die Zukunftsaussichten für das alte Handwerk wieder besser.
Der Handel spielte eine größere Rolle. Sechs Handlungen in Bändern, Litzen, Spitzen, Gummiband waren neu entstanden, dazu eine Baumaterialhandlung, vier Chemikalien- und Farbwarenhandlungen, fünf Drogenhandlungen, sieben Eisenwarenhandlungen und eine Anzahl Großhandlungen in Lebensmittel.
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2009 Langerfeld, "Neues Viertel" mit Kreuzkirche |
Die soziale Lage der ArbeiterÜber Arbeitszeiten und Verdienste in den einzelnen Branchen sowie die Lebenshaltungskosten der Bevölkerung schreibt Voigt: |
"In der Zeit vor dem ersten Weltkrieg hatte sich die Lage der Arbeiterfamilien etwas gebessert, doch reichte der wöchentliche Verdienst gerade für Miete, Wasser und Gas, Kleidung, Winterbevorratung und Lebensunterhalt. Zwar war die große Sorge vor Krankenhaus- oder Arztkosten und der Altersversorgung durch die gesetzlichen Kranken- und die Rentenversicherungen genommen, doch blieben weiterhin die geringsten Wünsche oft unerfüllbar.
Die wohl größte Last bei der Versorgung der Familien trugen die Hausfrauen. Sie mußten nicht nur in einer viel größeren Familie als heute für die täglichen Lebensbedürfnisse sorgen, ihre Arbeit war auch körperlich schwerer im Haushalt, im Garten, beim Einkauf, bei der Wäsche oder als Hilfe ihres Mannes in seinem Beruf. Täglich brachte sie ihm das Essen in die Firma. Eine kleine Pause bedeutete der Einkauf, wenn sie im Laden warten mußte und dabei Informationen bezog. Doch ihre Abwesenheit aus der Wohnung war immer zeitlich vom Beachten des Feuers bestimmt. Das durfte im Herd nicht ausgehen, der damals als Koch- und HeizsteIle diente.
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Behörden und Verwaltung
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"Das Amt Langerfeld bestand aus den Gemeinden Langerfeld und Nächstebreck. Es gehörte seit 1887 zum Kreis Schwelm im Regierungsbezirk Arnsberg. An der Spitze der Verwaltung stand der Amtmann. Amtmannn war im Jahre 1912 Günther Ernst. Mit ihm waren insgesamt 38 Verwaltungsbeamte, Angestellte und Arbeiter für das Amt tätig.
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Von vaterländischen FestenVor dem ersten verlorenen Krieg war es auch in Deutschland noch keineswegs anrüchig vaterländische Feste zu feiern, vergangener Siege zu gedenken und den Kaiser zu ehren. |
"Das erste vaterländische Fest im neuen Jahr war Kaisers Geburtstag am 27. Januar. Besonders wichtig: Die Kinder hatten schulfrei. Die jüngeren sangen: "Der Kaiser ist ein lieber Mann und wohnet in Berlin, und wär es nicht so weit von hier, so führ ich heut' noch hin!" Die größeren Schüler versammelten sich wie die Erwachsenen zu einer kurzen Gedenkstunde, die jeweils mit dem Kaiserhoch und der Nationalhymne endete: "Heil Dir, im Siegerkranz, Herrscher des Vaterlands, Heil, Kaiser, Dir ... !"
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2009 Grabmal Emil Rittershaus (1834-1897) und Gattin Hedwig auf dem Heckinghauser ev. Friedhof |
2009 Denkmal für Emil Rittershaus in den Barmer Anlagen, geschaffen von Fritz Schaper |
"Alle Vereine Langerfelds hatten sich 1913 zusammengeschlossen, um die Jahrhundertfeier zur Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig 1813 feierlich zu begehen. Es bestand zur Feier ein weiterer Grund: Der Kaiser und König beging zur gleichen Zeit sein 25jähriges Regierungsjubiläum. Unter der Leitung des Kriegervereins von 1854 wurde das Fest vom 21.-23. Juni gefeiert. Im Dorf war große Kirmes. In einem Festzeit auf Holzmanns Wiese (zwischen Timpen und Gibichostraße) fanden Aufführungen, Festveranstaltungen, Feierstunden und Bälle statt. Ein großes Aufgebot an bekannten Militärkapellen begleitete den Festzug, der durch die Hauptstraßen des Ortes führte.
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Der Maschinenfabrikant Wilhelm Hedtmann (1841-1914) erfand 1877 die Spitzen-Klöppel-Maschine und versorgte Langerfeld ab 1886 mit neuen Wasserleitungen.
Der Sonntagnachmittag
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"Die einzige Freizeit, in der die Familie beisammen sein konnte, war der Sonntagnachmittag. Im Frühjahr, Sommer und Herbst ging es dann im 'Sonntagszeug' hinaus ins Grüne. Rings um Langerfeld lag eine Anzahl von Ausflugslokalen, die oftmals den Namen Schlößchen führten. Es gab Schloß Eckstein an der Wittener Straße, das Lokal Starenschloß im Hebbecketal oder das Bergschlößchen auf Wulfeshohl. Die meisten Lokale hatten eine Attraktion zu bieten. Beim Lokal Grünenbaum gab es einen kleinen Zoo, am Starenschloß einen Gondelteich, am Bergschlößchen Füchse und Dachse zu sehen, und das Lokal Gut Röttgen führte einen Biergarten mit Grotten und Türmen.
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2009 Das denkmalgeschützte "Gut Röttgen" an der Schwelmer Straße 200; Anfang des 19. Jh. erbaut; nach einer Erweiterung im Jahr 1890 Ausflugslokal und Gaststätte |
Genealogisches
Gemessen an der langen Geschichte des Ortes Langerfeld beginnt meine Langerfelder Familiengeschichte erst relativ spät: Ende des 19. Jh. kam mein beruflich weitgereister Großvater Otto Frensel aus der Großstadt Magdeburg zu seinem neuen Arbeitgeber nach Barmen. Dort wohnte er bei Familie Lehna in der Oberdörner Straße, bis er mit seiner Frau 1903 kurz nach der Heirat nach Langerfeld zog. Kurz darauf folgte ihm sein Schwager und 1918 auch die verwitwete Schwiegermutter aus Goslar.
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2009 Die Badische Straße im Neuen Viertel, die vor der Städtevereinigung Bahnstraße hieß. |
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2009 Die ehemalige Südstraße, aus der die Oldenburgstraße geworden ist. |
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1912 Das neu erbaute Haus Höhenweg (später Weddigenstraße) 37 |
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1918 Blick vom Höhenweg auf Langerfeld und Buschens Wiese: Frensels Kinder und Gänse |
Mein Großvater Otto Frensel erbaute das Haus in der Weddigenstraße 37, die damals noch Höhenweg hieß, um 1910/12. Die vier Frensel-Kinder verbrachten hier eine paradiesische Kindheit und Jugend.
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Höhenweg / Weddigenstraße
Die Straße scheint 1911 Neubaugebiet gewesen zu sein. Zumindest die Häuser Nr. 35, 37 und 39 wurden um diese Zeit mit dem Bauverein Langerfeld e.G.m.b.H. errichtet. Gegenüber standen alte Fachwerkhäuser, die 2009 noch vorhanden sind.
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Quellen:
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