Verlegung - Munitionsstollenbau
Velosnes, Vigneulles-Wald, Varnevill, St. Mihiel
Da, am 20. Februar 1917, kommt Befehl: Alles zur Kompagnie zurück, die Kompagnie wird verlegt; unsere Ablösung waren 20er aus der Flabasschlucht. Da die Folgezeit wechselvoller, werde ich mich mehr als bisher an die Eintragungen mit Tag und Datum halten.
Wir fuhren, da gerade Gelegenheit, mit dem Bähnchen bis "Köhlersdorf," auch "Molde-Ville-Ferme" genannt. Dieses Gut, das ich schon einmal erwähnte, lag am Bergabhang fast im Tale, rechts der Straße, die von Consenvoye über den Höhenrücken nach Etraye geht. (Etwas vorher, links von der Straße in dem großen Wald lag auch der Kronprinzenstand.) Die Tochter dieses Gutes soll 1914 als Spionin erschossen worden sein, da sie durch ein geheimes Telefon mit den Franzosen die auf wie neben dem Gut liegenden Deutschen oft in Gefahr und Not gebracht hatte.
Ich bin öfter über dieses Gut gegangen, als den kürzeren Weg zu unserem jetzt verlassenen Standort, von der Kompagnie kommend, fand und sah dann auch dort die vielen Kreuze und Gräber im Garten.
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Noch etwas weiter im Tale, kurz vor dem sogenannten "Jägerbusch", war der Fesselballon, bei dem auch ein Kommando von unserer Kompagnie Dienst hatte.
Da die ganze Kompagnie, d.h. alle Kommandos zusammengezogen waren, lagen wir wie Heringe im Fass, es war kein Platz mehr! Was uns nun noch an Läusen und Flöhen fehlte, bekamen wir hier dazu.
Am 21. Febr. 1917 wurden wir wieder in Korporalschaften eingeteilt, hatten Appelle und Exerzieren, auch an dem folgenden Tag.
Am 23. Febr. morgens um 7 Uhr hieß es antreten zum Essenempfang in Köhlersdorf, später durch die Wälder nach Velosnes, wo wir um 5 Uhr nachmittags verladen wurden.
Am 24. Febr. morgens 4 Uhr kamen wir im Vigneulles-Wald an und marschierten über Heudicourt in ein eine Stunde entfernt liegendes Waldlager ein. Am anderen Tag hatten wir Ruhe.
Am 26. Febr. - morgens 7 ½ Uhr Abmarsch nach Varneville-Apremont in der südlichen Einbeulung des Wetterbogens [?] von St. Mihiel, Ankunft nachmittags 2 ½ Uhr. Zu unserer Unterkunft auf dem kilometerlangen tunnelisierten Bergrücken führte eine breite Treppe von vielen hundert Stufen. Ein langsam sich hinwindender Weg führte auch hinauf.
In einigen dieser Stollen fanden wir Unterkunft. Die Stollen waren sehr schön eingerichtet, ziemlich trocken, tief, mit elektrischem Licht, hatten schöne Ausgänge, kurz gesagt: tadellose Unterstände. Die Stellung war sehr ruhig gegen Verdun, nur ab und zu mal etwas Störungsfeuer. Der ganze lange Höhenrücken war bewaldet. Die Infanterie-Stellungen waren nur einige hundert Meter auseinander, ein sächsisches Landwehr-Infanterie-Regiment lag dort.
27. Febr. bis 3. März Batterie- und Munitionsstollenbau. Abends Alarmbereitschaft. Ein schönes Kirchlein und Friedhof waren dort.
Am 5. März mittags 1 Uhr Abmarsch von Varneville über Woinville, Buxerulles, Buxières, Heudicourt, Vigneulles nach Vigneulles-Wald. Dort abends 8 ¾ Uhr Abfahrt in den kalten überfüllten Viehwagen. Nach längerer Zeit bekamen wir Post.
Am 6. März morgens 5 Uhr Verpflegung in Sedan, dann weiter über Reims nach Coucy-lès-Eppes (vor Laon), Ankunft 4 Uhr nachmittags. Auf einer Wiese in Regen und Schnee bis abends 8 ¾ Uhr gelagert, dann Abmarsch über Festieux, Festieux-Berg nach Arrancy. Gegen 11 ¼ Uhr waren wir dort, suchten und fanden zu acht bis zehn Mann, darunter auch Ernst und Richard Kolk, eine alte Scheune. Oben unter dem Dach fanden wir noch ein wenig Heu und krochen mit unseren Sachen hinauf.
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Munitionsdienst - Festieux
Es war kalt, wir waren nass, und als wir morgens unsere Augen öffneten, waren wir alle weiß von Schnee. Das Dach war undicht. Vor Übermüdung hatten wir nichts davon gemerkt!
Am 7. März abends 7 Uhr war ich mit oben Genannten auf Wache auf Festieux Berg, wo ein Lager gefangener Belgier war.
Am 8. März abends 7 Uhr kamen wir von der Wache zurück. Die Scheune war von Feldartillerie belegt, doch fanden wir noch einen leeren Pferdestall, an dem die Fenster allerdings ausgebrochen waren. Richard sorgte für einige Bunde Stroh, hängte seinen Mantel ins Fensterloch, und dafür deckten wir ihn mit zu. Das Dorf war kurz vorher geräumt worden.
Am 9. März morgens 8 ½ Uhr Rückmarsch nach Festieux. Wir wurden mit 40 Mann auf einem Dachboden untergebracht. Die wenigen Einwohner, die noch dort sind, müssen auch noch das Städtchen verlassen. Von Bespannungen aller Formationen werden sie rückwärts gefahren, trauriger Anblick! Alte Leute, Frauen und Kinder, jeder hat ein Paket mit nötigen Sachen, fast alle weinen. Beim Einmarsch traf ich Hermann Dornhaus aus Schnittert bei Ohligs, der bei einem Fesselballon dort war, er hat mich später aufgesucht.
Am 10. März - Munitionsdienst aller Art an einer größeren Höhle (Stollen) bei La Maison Rouge und St. Croix. Abends 6 Uhr von dort zurück, mussten unsere 10 Mann und ein Unteroffizier nach Coucy lès Eppes. Da das ganze Dorf stark belegt war, fanden wir noch Unterkunft auf dem Steinflur eines Hauses, immer noch besser als draußen. Unser Dienst war von morgens bis abends Munition verladen. Sehr gefahrvoll, da ständig Fliegerbesuch; Ernst und Richard waren auch dabei.
Am 12. März ging es zurück nach Festieux; habe dann Hermann Dornhaus und die gute Kantine aufgesucht.
Am 13. März - morgens 4½ Uhr Alarm, um 5½ Uhr stand die ganze Kompagnie fertig zum Abrücken. Gegen 6½ Uhr zurück in die Quartiere, um 7½ Uhr einteilen zu diversen Diensten.
Am 14. März werden wir einem Sägewerk modernster Einrichtung im Walde bei Festieux-Berg zugeteilt; je nach Zivilberuf wurde die Zuweisung gehandhabt. Dienst hatten wir von 8 bis 12 und von 2 bis 6 Uhr. Ich musste die geschnittenen Bretter, Bohlen, Pfosten usw. genau notieren, den evtl. direkten Abgang vom Werk an ein Regiment oder Batterie auf der Schreibstube angeben, denn ohne vorherige Anmeldung konnte nichts abgegeben werden.
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Die Nachfrage überstieg stets das Angebot. Dann musste ich die gefangenen Franzosen und Belgier, die dort beschäftigt waren, mit beaufsichtigen. Der Betrieb war elektrisch und von Fachleuten technisch geleitet. Das Holz wurde im Walde gefällt und mit vielen Gespannen zum Sägewerk über einen Bohlenweg geschleppt. Hier hätte ich gerne den Krieg beendet. Viele Füchse wurden hier gefangen, es war ja noch Winter, Schnee lag und es war sehr kalt.
Am 19. März - nachmittags Alarm. Um 4 Uhr Befehl: Die Kompagnie hat am 20. März morgens 6 Uhr marschbereit zu stehen.
Batterie-/Stollenbau - Chamouille, Neuville, Colligis, Pancy
20. März 1917 - Schneegestöber und Regen. Wir stehen und warten und warten und stehen, bis endlich gegen 12 Uhr der Abmarschbefehl kommt. Es geht über Vaurville [?], Bièvres, Chavailles nach Chamouille. Ankunft dort um 4 Uhr. Es war ein verlassenes Dorf, Quartier bezogen wir in einer Schule.
21. März - Batteriebau an der Siegfried-Stellung bei Neuville. Wir mussten umziehen in Haus No. 9. Kleine Scheibengardinen sind noch an den Fenstern, auch stehen noch einige Möbel da, von uns bleibt alles, wie es war und ist. Eine schöne nummerierte Steinsammlung sowie Kinderspielsachen sind auf dem Speicher.
22. März - Andere Einteilung; meistens mussten wir in Stellung, Ernst, Richard, ich und andere zum Stollenbau bei dem Dorfe Colligis.
Hier wurden verschiedene Naturhöhlen von größerem Ausmaß zu einem Divisionsbefehlsstand für eine zu erwartende Offensive eingerichtet, woran schon viele Kommandos von vielen Regimentern mit Hochdruck arbeiteten. Zerschossene Häuser gaben noch brauchbares Holz für die Inneneinrichtung ab. In dem etwas zerschossenen Schloss fand ich unter anderen herumliegenden Büchern auch den Klavierauszug von Karl Maria von Weber: "Der Freischütz", auch noch andere Sachen, die ich als Andenken und vor weiterem Untergang bewahrend nach Hause besorgte.
[Das Chateau de Pancy bei Colligis wurde während der schweren Kämpfe 1917-1918 vollständig zerstört und 1925, einen Kilometer entfernt, wieder aufgebaut.]
Auf dem Wege dorthin kamen wir auch durch das Dorf Pancy. Die besagten Höhlen lagen bei einem großen Steinbruch am Berge rechts von Colligis, an dem Wege, der von hier über die Höhe auf Fort "Montberault" zu führt und auf die Straße mündet, die von Cerny - Chamouille - Laon geht. Hinter dem Steinbruch auf schöner Höhe war ein großes Steindenkmal unserer 13. Reserve-Division und des 18. französischen Armeekorps als Andenken an die Gefallenen von 1914. Ein Wahrzeichen des schon Gewesenen, --- und was kommt noch?! ---
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Ein anderes Wahrzeichen waren die großen Militärfriedhöfe, wo Freund und Feind damals zusammen gebettet lagen und dem großen Auferstehungsmorgen entgegen schlummern.
Die Stellungen waren gegen Verdun ruhig. Munitions-Kolonnen fuhren bei helllichtem Tage in Stellung, was wir noch nie gesehen hatten. Die Dörfer Chamouille, Pancy, Colligis und weitere lagen in einem schönen breiten Tale, anscheinend eine fruchtbare Gegend. Rechts von Pancy auf dem Bergrand stand ein hohes, weithin sichtbares Kreuz. Es wurde gesagt, dass dort auch ein katholischer Passionsweg sei. Ob dem so war weiß ich nicht, für mich aber stets ein Fingerzeig nach oben, ebenso die vielen Heilandbilder, die an den Wegen standen.
Unserem Standort gegenüber auf lang ansteigendem Berge lag das total zerschossene Dorf Cerny [Cerny-en-Laonnois], dabei die oft erwähnte Zuckerfabrik, wovon aber sozusagen nichts mehr vorhanden war. Als ich einmal mit Franz Schröder aus Solingen dort war, fand ich auf dem Friedhof neben der zerschossenen Kirche auch Gräber von "Franz Hochkeppel" und "Graf", diese mussten wohl aus Haan sein.
24. März 1917 - starker Frost. Jetzt Feldpost 375.
25. März - Sonntag. Vormittags Dienst, wie immer. Am Negerdorf, rechts der Straße auf Cerny zu, werden von uns auch Batteriestellungen wie Unterstände gebaut. Nachmittags 3 Uhr in der katholischen Kirche in Pancy evangelischer Gottesdienst mit Austeilung des heiligen Abendmahls. Dies war der zweite Gottesdienst, den ich hören konnte. Divisionspfarrer Müller sprach sehr ernst und eingehend über Joh. 18.38 "Was ist Wahrheit?" - Das Kirchlein war überfüllt, meist von in Stellung gehender Infanterie. Am Abendmahl nahmen wenige teil, auch von uns. Die Katholischen hatten öfter Gottesdienst als wir Evangelischen.
Während des Gottesdienstes wurde das Dorf in überraschender Weise ziemlich beschossen, so dass es etwas Unruhe gab. Auf dem Rückweg mussten wir uns durch den Bergwald schleichen, da die Franzosen die ganze Gegend stark abstreuten.
4. April - Mit kleinen Verschiebungen hin und her blieb der Dienst fast immer derselbe. Durch eine starke Detonation, die ihren Ausgangspunkt in Cerny hatte, gehen alle Fensterscheiben entzwei.
5. April - Überall sind die Arbeiten gut voran gegangen, und weil nicht mehr so ruhig, steht alles in gewisser Erwartung, was kommen wird. Noch herumlaufende Katzen werden von einigen Kameraden eingefangen und später gebraten. Dann haben die und auch wir keinen Hunger mehr, sagen sie.
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Ein großer offener Herd auf dem Flur (Küche) gab Gelegenheit hierzu. Überall waren nur Steinfußböden. Auf dem Speicher lagen versteckt auch viele Bücher. Ob ein Lehrer da gewohnt hat? Nur fand man nirgends Aborte. Im Zimmer stand auch ein großer Spiegel, in dem wir uns selbst einmal bewundern konnten. An der Wand hing ein Kruzifix, das Kreuz wunderschön aus allerhand Holz zusammengesetzt. Darunter war ein feines Brettchen, worauf ein seidenes Deckchen lag, und darauf stand eine Schale mit Weihwasser.
Ich sagte zum katholischen Kameraden Heinrich Pfeiffer aus Fischbach a.d. Nahe, er solle zum Andenken das schöne Kruzifix mitnehmen, da es anscheinend doch bald unter den Trümmern liegen würde. Er wollte das aber aus religiösen Gründen nicht. Als Andenken habe ich mir dann das Deckchen und ein Salzfässchen aus Glas, Entenfigur, mitgenommen. Einige Tage später wurden wir tatsächlich ausgeräuchert, und das Dörfchen war nur noch ein einziger Trümmerhaufen.
Den ganzen Tag stärkeres Feuer. Besuchten Cerny bis an die Drahtverhaue und Umgebung, da M. Schröder das Grab eines Bekannten suchte. Da das beiderseitige Feuer stärker wurde, wir auch vergeblich gesucht, gingen wir am bekannten Negerdorf vorbei zurück.
6. April 1917 - Charfreitag. Welch ein stiller Gedenktag! Und hier den ganzen Tag starkes Feuer, welches gegen Abend zum Trommelfeuer auswächst. Als wir vom Dienst kommen, müssen wir uns durch unsere feuernden Batterien einzeln in unser Dorf schleichen. Am Dorfrand, die anderen hatten an dem Tag dort Wache, wo die Straßen Cerny - Laon und Pancy - Chavailles sich kreuzen, war die Wache schon hin, alles zerschossen. Munitions-Kolonnen, die die Straße von Laon herunter kamen und fast am Dorf waren, wurden vollständig vernichtet.
Das Blut der vielen Menschen und Tiere kam bis zum Dorf. Alle Zufuhrstraßen lagen unter schwerstem Feuer. Dies war heute der Auftakt zu der geahnten "Aisne-Offensive". Wie schon erwähnt, wunderten wir uns stets über die frühe Einfuhr der Munitions-Kolonnen; bei Verdun nur bei dunstigem, nebligem Wetter, sonst ausgeschlossen.
Ein anscheinend aus dem Urlaub kommender Infanterist wollte zu seinem Truppenteil, ging durch unser Dorf auf die Straße nach Cerny zu. Wir sahen, wie eine Granate vor ihm einsetzte und er tot hinfiel. Einer von uns (aus der P***) , der bei uns nicht im besten Ansehen stand, auch nicht lesen noch schreiben konnte, lief und wollte diesen armen Menschen untersuchen, doch, da wir dessen Vorhaben sofort erkannten, wurde nichts daraus. Eine Kolonne nahm ihn später mit zurück.
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In der Nacht wurde unser Dorf derart befunkt, dass wir in den Kellern Schutz suchen mussten, d.h. die nicht gerade draußen waren.
Munitionsdepot Montberault - Schloss Cellier
7. April 1917 - Charsamstag. Frühmorgens Alarm. Während einer Feuerpause verlassen wir das Dorf Chamouille und gehen gegen 7 Uhr im Nebelregen über Monthenault, Montberault in ein Waldlager in einer Schlucht auf Laon zu. - Montberault war ein französisches Fort von Laon und diente dazumal als Feldrekrutendepot und Munitionslager aller Art. Nachmittags wieder überall Dienst, auch vorne in den Stallungen. Regen.
8. April - Ostern. Die ganze Nacht und den ganzen Tag starkes Feuer auf beiden Seiten, auch unser Waldlager wird ausgiebig bedacht. Dienstfrei. -- Ruhelos. --
9. April - Vormittags Dienst am Befehlsstand und in den Stellungen, nachmittags Alarmbereitschaft.
10. April - Einteilung in verschiedene Kommandos. Abends 7 Uhr abrücken. Unteroffizier Vogt (Düsseldorf) kommt mit 14 Mann, darunter auch ich (Ernst und Richard nicht) als Verstärkung zu einer bayerischen Fußartillerie-Abteilung auf Schloss Celliers, die u.a. auch das Munitionsdepot Montberault, welches z.T. auch in dem Schlosswald an der Straße Montberault - Parfondru hin und her untergebracht war, zu betreuen hatte. Dort wurde uns der große nasse und kalte Stollen (leerer Weinkeller) als Unterkunft angewiesen.
Aus dem hohen Bruchsteingewölbe tropfte es stets auf uns. Ein schmaler Gang führte hinein, und durch eine Rinne floss stets Wasser nach außen. Ein schmaler Luftschacht kam in den Anlagen heraus. Weil die Erde so nass war, suchten wir uns allerhand Holz, worauf wir uns und unsere Sachen legten. Da es auch bei Tage stockfinster in dem Stollen war, mussten wir uns mit Kerzen zurechthelfen. Bombensicher geschützt waren wir, denn der Stollen sollte 14 Meter Deckung haben.
Auch kam eine Sanitätskompagnie ins Schloss und Wirtschaftsgebäude. Diese brachten bald jede Nacht bis zum Morgen mit anderen die Schwerverwundeten auf Tragbahren zu uns in den Stollen und andere Unterkunftsräume. Manche waren beim Absetzen schon tot. Dann gab es ein Stöhnen und Jammern, ein Sterben so qualvoll, welches nur der versteht, der mit in dem Schlamassel gewesen ist. In jeder Nacht dasselbe traurige Bild. Hier war die erste Verbandsstation, d.h. soweit nicht schon in Stellung verbunden worden war. Marschfähige kamen nicht hierhin, diese mussten weiter zurück. Soweit man nicht Nachtdienst hatte, war es fast unmöglich, bei solchem Elend in einer anderen Ecke den nötigen Schlaf zu finden.
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Das Röcheln der Sterbenden, das Bitten um Wasser, was nicht immer gereicht werden durfte, nötigte oft Manchen hinaus zu gehen. Kam man gegen Morgen vom Dienst, blieb man möglichst so lange draußen, bis einigermaßen Ruhe war. Die Ärzte mit den Sanitätern hatten die Hände voll zu tun. Nach den ersten Verbänden wurden sie dann mit Fuhrwerk oder Autokolonnen in die Feldlazarette gebracht. Auch die Toten wurden in Zeltbahnen mitgenommen.
11. April 1917 - Müde und steif sind wir alle von der Kälte und der Stollenluft. Das Kommando hatte angefangen, einen großen tiefen Unterstand zu bauen als Sicherheit in der Nähe der Munitionslager. Nun sollten wir weiter mithelfen, damit er rasch fertig wurde. Das starke Feuer seit dem 5. April übergeht auch unsere Umgebung nicht, und viele Einschläge in direkter Nähe machen das Arbeiten fast unmöglich. Fast keiner will noch über Tag arbeiten, denn die Granaten zischen ganz kurz über oder neben demselben her, um in nächster Nähe zu krepieren. Obschon Unteroffizier Vogt einen gerechten Wechsel hierin will, melde ich mich für stets oben, wusste ich mich doch in Gottes Hand.
12. April - Das Schloss steht auf einem hohen Bergabhang. Am Südabhang in einer Talmulde liegt das Dörfchen Courpierre. Heute steht auch dies unter schwerem Feuer, und gegen Abend ist es nur noch gewesen! Auch das Schloss wird gestreift. Die Verpflegung bei den Bayern ist soweit gut. Viel Dienst!
13. April - Im Tale am Bach liegt das Waschhaus des Schlosses. Dort reinigen wir, so gut es geht, unsere Wäsche noch mal. Seife oder dergleichen fehlt meist. Nachmittags Dienst, das Feuer wird schwächer.
14. April - Stollenbau, klares Wetter. Starkes Feuer. Der Schlossplatz, der als Verbandsplatz dient, wird trotz des Roten Kreuzes mit Granaten belegt. Der Chefarzt tot, zwei andere tödlich getroffen, bei Anbruch des Tages.
15. April - Munitionsdienst. Alle Straßen liegen unter starkem Feuer. Die Geschosse ziehen über uns hinweg nach Chérêt und Umgebung. Seit Mittag liegt auch das Schloss wie Fort Montberault unter Feuer schwerster Kaliber und Gas. Nachmittags kommt Befehl, von allen Formationen sollen gegen 6 Uhr abends Abteilungen in das Fort Montberault stürmen und die dort lagernde Munition heraus holen. Von uns sollen sieben Mann und der Unteroffizier Vogt dabei sein. Letzterer ließ uns antreten und bat um Freiwillige für den Gang.
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Da sich keiner meldete und mehrere darauf hinwiesen, dass dieses ein offensichtliches in den Tod Laufen wäre und diesen Gang verweigerten, meldete ich mich freiwillig. Unteroffizier Vogt wollte mich aber nicht, da ich der Älteste war und zudem Frau und vier Kinder hatte. Aber ich blieb dabei, sprach den anderen noch von Gottes Bewahrung, und auf mein Zureden meldete sich noch Robert S*** aus Gera (?). Darauf bestimmte Unteroffizier Vogt noch die fünf Jüngsten, und so waren wir zu acht Kameraden zusammen. Bei etwas ruhigerem Feuer ging es mit sprungauf, hinlegen usw. durch Gräben etc. dem Fort zu.
Als wir gegen 6 Uhr eintrafen, liefen gleichzeitig von allen Seiten Abteilungen aller Formationen heran, doch war es unmöglich ins Fort zu kommen, da alle Eingänge verschüttet waren. Ein höherer Offizier kommandierte dann "Alles zurück". Das Feuer setzte auch wieder stärker ein, als wir noch da standen, alles bebte von den schweren Einschlägen, doch langsam und gesund kamen wir wieder zurück. Lt. Tagebuch habe ich dem Herrn für diese besondere Bewahrung gedankt. - Psalm 116, 1-9.
16. April 1917 - Starkes Feuer bei unklarem Himmel. Seit dem 5. April bis heute mit wenigen Ausnahmen ununterbrochenes Trommelfeuer. Materialschlacht!
17. April - Nacht, Tag und Nacht - immer Dienst. An der Straße, in der Nähe unserer Munitionslager, ist bereits eine Batterie 15 cm. in Stellung gefahren. Unterkunft im Schloss. Seit einigen Tagen viel Fliegerbesuch. Ein motorisierter Flak tut sein Möglichstes auf der Straße im Schlosswald, ebenso sehen wir über uns die interessant traurigen Fliegerkämpfe. Hinter uns bei Chérêt sollen auch schwere Geschütze eingebaut worden sein.
Gegen Abend schießt sich unsere Batterie ein, wir sind zugeteilt. Hüben wie drüben ist es nur noch ein Aufblitzen wie donnern; Trommelfeuer! Es vergeht einem fast Hören und Sehen. Die Franzosen und Engländer haben uns erkannt, Einschlag folgt auf Einschlag; gilt es nur uns? Eine Hölle auf Erden, und wir mitten darin. Ein Munitionsschuppen geht durch Volltreffer in die Luft. Gut, dass wir gerade abseits bei den Geschützen waren; grässlich! Auch hier ein Treffer nach dem anderen. Viele sind schon erledigt, - wann du?
Um und über uns werden Bäume entkront, alles umgepflügt. Munitionsstapel neben den Geschützen gehen in die Luft. Es wird noch geschossen, aber nicht mehr von allen. Die ganze Straße wird belegt, auch Chérêt. In den frühen Morgenstunden (lt. Tagebuch nach Mitternacht) ist unsere Batterie erledigt! Aber Bäume fallen und Äste fliegen wie Streichhölzer. Wir liegen hinter Bäumen, einige sind schon fort in den Stollen, wir wollen ihnen nach.
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Jeder denkt an sein letztes Stündlein. Neben mir liegt der 28jährige Theatermensch Spijaltzky aus Berlin, dieser große Spötter weint und betet: Lieber Herrgott, bewahre mich doch nochmals, ich will auch jetzt ein anderes Leben führen, ein anderer Mensch werden, auch wieder zur Mutter gehen u.a. mehr. -
Auch Wilhelm Kunkel oder Runkel aus Frankfurt, ein aus der Kirche ausgetretener Freidenker, betet katholische Gebete. Dieser sonst so ruhige nette Mann, kein Spötter wie der andere, sieht sich im Augenblick am Tore der Ewigkeit und ringt um einen Durchblick, wie ich merke. Am anderen Tage sprach ich mit dem letzteren über Glauben, und er meinte, es gäbe doch ein höheres Wesen, das habe er vorige Nacht gefühlt. Spijaltzky hat in meiner Gegenwart später nie mehr gespottet. - In meiner ganzen Militärzeit hat mir nie einer Bemerkungen über die Bibel oder das Lesen christlicher Zeitschriften gemacht. - Lag das an der Zeit? -
* * *
Wir sind aus dem großen in zwei kleine Stollen umquartiert worden, die z.T. unter Wirtschaftsgebäuden am Waldabhang liegen; Eingang im Walde. Ein schmaler Fußweg führt an den Türen, die ein Loch für Licht und Luft haben, vorbei, weiter in den Wald. Jahrhunderte alte dicke Bäume und Sträucher stehen dort am Abhang bis dicht an unsere Türen. Wir verpflegen uns jetzt selbst, ein Ofen ist bald gefunden. Heinrich Pfeiffer, in Zivil Bäcker und Koch bezw. Wirt, ist unser Koch. Unteroffizier Vogt fährt in Urlaub, Bellinger löst ihn ab.
18. April 1917 - Die schreckliche Nacht ist vorbei, aber noch schweigt der Feind nicht. Der Tag bringt neue Aufgaben. Die Batterie ist erledigt, ja, vorläufig erledigt! Kein Toter oder Verwundeter liegt mehr da. Die Rohre weisen nach allen Richtungen. Die noch lagernde Munition wird gestapelt, die Einschläge hören noch nicht auf.
Der große in die Luft gegangene Munitionsschuppen hat, jedenfalls bis zum Feind hin sichtbar, schreckliche Folgen hinterlassen. Aus- und abgerissene sowie verbrannte Bäume und anderes zeichneten die Stelle des Gewesenen. Gut, dass die Schuppen alle ziemlich zerstreut auseinanderstanden, sonst wäre es nicht bei einem geblieben. Überhaupt ist es unverständlich, dass bei solchem Feuer und Einschlägen die anderen nicht getroffen wurden.
Wieder erhöhte Fliegertätigkeit. Motorisierte Flakgeschütze tauchen wieder auf. (Flak - heißt: Flieger-Abwehr-Kanone.) Die "Divisionswürste" (Fesselballons) sind beiderseits in großer Zahl aufgestiegen. Die Aisne-Offensive will noch nicht zu Ende gehen. Unsere Batterien vor, neben und hinter uns können auch noch nicht zur Ruhe kommen.
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Jede Nacht kommt Infanterie durch unseren Wald zur Stellung. Französischer Infanterie-Angriff wird durchgegeben, auf 40 Km breiter Front zwischen Reims und Soissons. Unsere Batterien rasen Trommelfeuer wie selten. - Geht die Welt unter, wird gesagt. - Der französische Angriff ist gescheitert, dürfen wir hören, unser Einsatz und Munitionsdienst hat mitgeholfen, wir haben uns eingesetzt bis zum Äußersten.
Das Schloss, als erster Verbandsplatz, wird sehr stark in Anspruch genommen. In einem 1 ½ Km südlich von uns gelegenen Walde wurde eine Verbandsbaracke trotz großer Rote Kreuz-Zeichen und Fahne zerschossen. - Krieg - !!! - - -
19. April 1917 - Mittelstarkes Feuer. Der Unterstandsbau ist schon länger eingestellt. Der Munitionsdienst wird nur noch von uns allein ausgeführt unter steter Lebensgefahr für alle.
20. April - Ruhigeres Feuer bei uns. Der Munitionsdienst drängt seit gestern.
21. April - Dienst wie immer, von uns lebhafteres Feuer. Erkundigungsgänge bei den Batterien sollen gemacht werden, Munitionsmangel? Unteroffizier S. hat mich diesbezüglich noch in guter Erinnerung von Verdun, und so war ich heute in und bei dem zerschossenen Dörfchen Courpierre am Fuße unseres Schlossberges. Eine Munitions-Kolonne war gestern gegen Abend darauf zugefahren; als mitten drin, konzentrierte sich das feindliche Feuer darauf und vernichtete sie in kurzer Zeit vollständig. Wir sahen es alle, von der Munitionskolonne war fast nichts mehr da. Menschen und Tiere waren von der Lebensbühne (wie's im Felde hieß) abgetreten. - Ersatz anfordern.
22. April - Nachtdienst. Die Fronten sind belebter. Fliegerkämpfe sind etwas Alltägliches.
23./24. April - Die Fronten sind besonders nachts und gegen Morgen sehr belebt.
25. April - Munition! Munition! Von Laon, Coucy-lès-Eppes u.a. wird Munition gebracht. Die Lager füllen sich, sind aber bald wieder leer. Bei Tage sind alle Straßen leer. Niemandsland! - Auf Reims zu heute stärkeres Feuer, welches zum Trommelfeuer auswächst.
26. bis 28. April - Dasselbe. Die Fronten werden etwas ruhiger. Bei Cerny in der Siegfriedstellung starke Infanterie-Grabenkämpfe. Die Stellungen sollen dreimal verloren und dreimal wieder zurück erobert worden sein, und etwas Geländegewinn. Ein großer schlanker Neger ist bei den vielen eingebrachten Verwundeten. Er sträubt sich, als er auf der Tragbahre in das Gebäude hineingebracht wird, doch leuchten seine Augen, als er verbunden wieder herauskommt und dann rückwärts geschafft wird. Er war Offizier.
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Wir sahen möglichst stets nach den eingebrachten Verwundeten, ob wohl ein Bekannter dabei war. Es tat mir stets leid, in den oft brechenden Augen noch Wünsche lesen zu können und doch nicht helfen zu können. Ein evangelischer und ein katholischer Geistlicher waren viel da, doch habe ich wenig von ihrem Zuspruch gesehen. Im Tagebuch habe ich dazu mal vermerkt: "Diese bittenden Kameradenaugen".
29. April 1917 - Sehr schönes Wetter. Bei uns und zu uns wieder stärkere Artillerie-Tätigkeit. Gasmunitions-Abgabe! In der Nacht zum 30. April soll eine französisch-englische Bestürmung unserer Stellungen stattfinden, wird durchgegeben. Aus diesem Grunde setzte Punkt 12 Uhr ein deutscher Gas-Großangriff ein, wodurch diese im Keime erstickt wurde. Wie man später hörte, wäre dieser Gasangriff sehr wirksam gewesen.
30. April - Starkes Feuer. Nachts viele Bombenwürfe in unserer Nähe.
1. Mai - Frühmorgens wieder bekannter Erkundigungsgang wegen Munition bei erledigten bezw. verlassenen Batterien, die dann abends oder nachts dort abgeholt wird. Mein Weg (nicht Straße) ging über Martigny (d.h. Gegend) Monthenault, Colligis, Pancy, Chamouille, Courpierre. Als steter Naturfreund kannte ich mich schnell überall aus und war mir auch hier die Gegend schon längst ein bekanntes Bild. Jetzt, wo ich dies schreibe, tritt mir das alles nochmals vor mein inneres Auge und möchte heute dies alles nochmals gerne durchreisen.
Bei diesem Geländemarsch, es war inzwischen hell geworden, erhielt ich bei Colligis gut gemeinte Morgengrüße französischer Feldgeschosse, die mich auch nicht kalt ließen, sondern ich mich noch mehr beeilte im Niemandsland zu verschwinden. Wofür sollten die Franzosen auch ihre Munition unnütz verschwenden.
2. Mai - Das Bild wie vorher. Unsere Batterien auf und am Neuvillerkopf lagen unter schwerstem englisch-französischem Feuer. Bei Colligis besah ich mir den seinerzeit hergerichteten Divisions-Befehlsstand im Steinbruch. Ein Blick hinein, zerschossen, verlassen, keine Menschenseele in der Nähe, auch die bekannten Batterien in der Nähe haben gewechselt. Der Weg Montberault - Colligis ist mit vielen aufgedunsenen Pferden und Wagen bedeckt, keine Frühlingsluft. Das einmal früher erwähnte Kreuz bei Pancy stand noch unversehrt, trotz der vielen Geschützstellungen rundherum.
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