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Nach einiger Zeit wurden wir verlegt, Sivry gegenüber, unweit der Straße, die auf Dannevaux bezw. den Forgeswald zugeht. Bis dahin kamen, wenn es die Franzosen erlaubten, nachts still Vollbahnzüge mit Truppen und Munition, wie auch sonstiges Kriegsmaterial, mit dem wir uns abzufinden hatten. Hier traf ich Max Engels aus Wald, Ernst Stein, Kraftfahrer, aus Haan, Kluth aus Wilzhausen bei Ohligs. Ich besuchte meinen Schwager Heinrich in Velosnes wie auch in Brieulles, dem Dörfchen links der Maas, wo die bekannte "Jungfrau von Orleans" getauft worden sein soll.
Rückverlegung zur Kompagnie - SamonieuxschluchtSeptember 1916! Wir wurden wieder zur Kompagnie verlegt, Bewegung und Veränderung muss sein. Der Dienst war jetzt bei Höhe 340 u.a., der Weg führte durch den bekannten Haumont-Wald, das zerschossene Dorf, durch die Samognieuxschlucht. Hier gab es Stellungsbau und dergl., und ich kam hier zum ersten Male zum Schuss; 15-cm-sch.F.H. [schwere Feldhaubitze] 16
Die Gegengrüße von drüben ließen uns auch schonmal die Ablösung gerne herbeiwünschen, denn die Einschläge waren gut berechnet. Ein Granatloch griff ins andere, alles zerwühlt. Links von uns, in der Mörser- oder Todesschlucht (genannt nach dem, was diese Worte sagen), war eine Batterie 21er, die schon in den zwei Jahren 66 neue Rohre benötigt hatten. Die Munitions-Kolonnen konnten den zerschossenen Berg fast nicht mehr nehmen; nun wurde ein Feldbähnchen schräg heran gelegt. Zum Teil lag es schon, dann hatten die Pferde auf den Schienen leichteres Ziehen. Leider war es oft unbrauchbar, dann musste getragen werden. In jedem möglichen Versteck standen Geschütze, neben uns die 4. Magdeburger.
Mitte Oktober 1916 wurde für einen Teil der Dienst geändert, es gab Schanzarbeiten bei Louvemont auf Fort Vaux zu. Von einem zum anderen sollte ein Lauf- und Kabelgraben von 1,50 Mtr. Tiefe und oben breit gemacht werden. Alle umliegenden Regimenter und Formationen mussten hierfür Kommandos stellen. Vor uns arbeiteten Jäger.
Wie weit die Arbeit erledigt oder ob sie zu Ende geführt wurde, weiß ich nicht, denn Ende Oktober, als wir morgens zurück kamen, nachdem wir etwas geschlafen hatten, kam der Befehl: Kanonier Mutz und Kanonier Klein sowie Unteroffizier Bellinger in einer halben Stunde an der Schreibstube feldmarschmäßig zwecks Abkommandierung antreten. Da ich mich noch mit meiner Wäsche beschäftigt hatte, ersuchte ich in Anbetracht dessen einen anderen zu nehmen, jedoch blieb es so, meine nasse Wäsche ging mit.
Munitionslager - CaureswaldDer Marsch nachmittags gegen 3 Uhr ging an den Caureswald, von uns "Chorwald" genannt, zwischen Flabas und Beaumont, Velle - Azannes. Wer kennt ihn nicht, diesen entkronten Wald, der einmal vor Verdun gelegen? Diese weißgelbe klebrige Erde, die stets von den Stiefeln abgewaschen werden musste. Oft waren wir schon durch diesen Wald in die verschiedenen Stellungen gegangen, daher ein für uns nicht unbekanntes Gelände. Schon längst war es uns auch zur Gewissheit geworden, dass gründliche vielseitige Geländekenntnis bei Tag und Nacht zum Kriegerhandwerk gehört. --- 18
Da wir in der letzten Zeit wenig Ruhe gehabt hatten, wurden unsere Sachen gefahren. Im oder am Walde sollte auf Befehl des Artillerie-Oberkommandos von uns ein kleines Not-Munitionslager eingerichtet werden, wo die Munitions-Kolonnen je nach Bedarf zum zweiten Mal holen konnten. Das Wetter war schön, der 2½ stündige Weg, von Zukunftsgedanken erfüllt, interessant. Alte französische Unterstände aus Beton sollten wir beziehen am Waldrand, doch fanden wir diese sämtlich mit Grundwasser bis obenan gefüllt, -- also nicht! Als wir uns umsahen, fanden wir zwei Wellblechbogen, die sonst als Stütze in den Unterständen gebraucht werden. Unter diesen mussten wir vorerst kampieren. Wir richteten dieselben notdürftig etwas her und hatten eine Unterkunft, denn die Hauptsache war das Munitionslager, nicht unsere Wohnung.
Unteroffizier B., ein früherer einjährig-freiwilliger Fußartillerist, war stolz auf diesen Posten, dachte gewiss dabei an eine schnellere Beförderung nach oben, deshalb oft ein sonderbarer Mensch; am liebsten sah er uns Tag und Nacht im Dienst. Konnte einer es auch alleine schaffen, mussten wir doch stets beide heran, wodurch wir oft Auseinandersetzungen mit ihm hatten.
Ein schon vorerwähntes Feldbähnchen mündete bei uns, welches auch uns Munition und Artillerie-Sachen brachte und Leermaterial mit zurücknahm. Dasselbe brachte auch schon mal Gepäck für in Stellung gehende Infanterie, die dies dann hier bei der Ausmündung wieder in Empfang nahm. Alle in Stellung gehenden Truppen, die diese Straße als Anmarschstraße benutzten, wurden bei uns am Walde von einem der Ablösenden (meistens einem Vize) abgeholt und in die betreffende Stellung geführt.
Ende November 1916! Die Witterung lässt zu wünschen übrig. Wir arbeiten an einer geräumigeren Unterkunft, teils in, teils auf der Erde, am Ausgangspunkt des Bähnchens, am Damm angelehnt. Der freiere Platz zwischen den Wäldern, früher Felder, wird von uns "Müllerplatz" genannt. Von den vormals stehenden Gebäuden einer Ferme (Bauerngut) steht nichts mehr; nur ein Brunnen, der uns das Wasser gibt, ist eine Erinnerung an Gewesenes. Gegenüber an der Straße liegt der uns für die Not zugedachte Unterstand, nicht besonders tief und weit, meist von Ratten bewohnt. Wir haben ihn wenig benutzt. Ein anderer, besserer, gehörte zur Pionier-Abteilung, war stets bewohnt, hatte aber auch nur einen Ausgang.
Unser Unteroffizier bekam von seiner Frau (Kinder hatte er keine) sehr viel geschickt, und er sagte mir einmal: du brauchst mir nicht mehr so viel Essen mitzubringen, ich komme so aus. Bei der Küche nahm ich aber die Portion für ihn doch in Empfang und bekam so für uns alle mehr. Unterwegs aß ich aus dem Kochgeschirr des Unteroffiziers so viel heraus, wie ich für gut hielt, und so waren wir alle zufrieden.
Wenn man zu den kurzen Tagebuch-Einzeichnungen noch ein wenig in dem dadurch aufgezogenen Andenken blättert, ergibt sich so vieles, was sich in Bezug auf Bewahrung in dem Vers zusammenfassen lässt:
Aus der neben uns am Walde gelegenen Pionier-Abteilung ging fast jede Nacht eine Tragtierkolonne mit Minenwerfergeschossen und anderem in Stellung; ich hatte oft dort zu tun; es gehörte mit zu unserer Aufgabe alle durch uns mit bedachten Batterien je nach Bedarf aufzusuchen, was mir meistens zufiel. Daher war ich überall, bei vielen Offizieren und Mannschaften, bekannt. Ich kannte die Umgebung von Verdun mit ihren Wäldern und Schluchten sowie die versteckten Stellungen fast wie meine Heimat. Ich habe mich aber auch von Jugend auf für die Natur interessiert.
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Ich kannte dies alles vom damaligen Oberfeuerwerker und anderen. Wir beide wollten das Angebot zur Versetzung nun gerne annehmen, doch es ging nicht.
Der Winter hatte eingesetzt. Wer kennt ihn nicht, den strengen Gesellen 1916/17. Auch unsere Wohnung konnte noch eine Dachauflage gebrauchen. Eine Abteilung unserer Kompagnie hatte bei Azannes in einer Baracke gelegen, war aber ausgeräuchert worden, sie war zerschossen. Nun meinte unser Unteroffizier, dort wäre jedenfalls noch etwas Dachpappe zu erben, wir möchten einmal nachsehen. So gingen wir denn eines Nachmittags los. Wir suchten zuerst weniger an Pappe als an Kantinen, und da wir so selten einmal frei bekamen, so nutzten wir den Urlaub bis abends spät 9 Uhr aus.
Weil es sehr kalt war, bekamen wir schon reichlich Alkohol. Ich wurde ohne ihn fertig und vertauschte ihn bei anderen gegen Brot. Ein Paket vom Roten Kreuz in Köln war mein Weihnachtsgeschenk. Gute, nützliche Sachen konnte ich auspacken, nur das beiliegende Kartenspiel wanderte in den Ofen. Zahnschmerzen führten mich in die Zahnklinik nach Damvillers, wo ich diese Quälgeister los wurde.
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Anfang Januar. Besondere Verhältnisse gaben Veranlassung zu erweitertem Nachtdienst. Einer von uns musste die weitere Nacht, zu allem bereit, draußen sein. Kalt und etwas scharf war der Wind. Der Mond warf sein Licht auf Wälder, Schluchten und Berge zwischen Feind und Freund. Die Anmarschstraße bei uns war schon seit Dämmerung sehr belebt, auch unsere Filiale ausnahmsweise. Die Fronten waren ziemlich ruhig, nur hin und wieder ein Aufblitzen in unserer Nachbarschaft, und der Franzmann sandte einiges über uns hinweg ins Niemandsland.
Ein Feldwebel erzählte und frug manches, glaubte auch, dass sie mal den fraglichen Abschnitt "Verdun" jetzt erledigen würden. Da die Abholer zu lange auf sich warten ließen, zogen sie so ab. Später hörte man, dass dies Regiment sich die Hölle hier leichter vorgestellt hätte und manchen Irrtum habe schwer büßen müssen. Der Anmarsch zur unbekannten Stellung sei schon wegen Irrwegen reich an Opfern gewesen. Eine benachbarte Pionierabteilung ging auf der Straße zur Ablösung, kurz darauf kamen sie schon mit einigen Toten und Schwerverletzten zurück; unweit war eine Granate in die Kolonne auf der Straße eingeschlagen.
Mitte Januar 1917! Der erhoffte Friede blieb aus, der Winter war noch sehr streng. Sollte der Krieg noch ernster und schärfer werden? Es schien fast so. Die Anforderungen steigerten sich nach jeder Art und Weise. Hinter und neben uns fuhren noch Batterien auf, die Tiere fielen in dem aufgewühlten Boden und konnten nicht mehr hoch. Sie blieben liegen, und es ging mit anderen über sie hinweg.
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Namen von ArtilleriegeschossenDa ich vorstehend einmal etwas von Geschossen und dergl. angedeutet, so will ich nach Tagebuch etwas davon auch hier anführen, wenn auch heute [1934] dies nicht mehr in Frage kommt. |
Albert | Feldkanone 7,7 cm. |
Alma oder Anna (?) | Feldkanone 7,5 cm. |
Bernhard | leichte Feldhaubitze 15 cm. |
Camillo |
schwere Feldhaubitze 15 cm. Granate 14 mit 6 Teilladungen, geschossen in den Netzbeutelkartuschen und Reibzündschrauben (alte Haubitze) |
Cicero |
für schwere Feldhaubitze 02,13 u. 14 15 cm. mit Hülsenkartuschen geschossen T-Granate, Grünkreuz x etc. = Gasmunition. Granate 14 - kurz waren 2 Hölzer unten im Korb = A.Z. - Aufschlagzünder B.Z. - Brennzünder Granate 12 - lang unten ein Holz im Korb = Verzögerung |
Ludwig |
für 15 cm. Ringkanone (Schiffsgeschütz) |
Nathan | 15 cm. schwere Kanone, für feste Ziele zu beschießen, Hülsenkartuschen. Schiffsgeschosse |
Daniel | 10 cm. schwere Kanone, als Granate oder Schrappnell |
David | für 10 cm. Kanone |
Eberhard | für 21 cm. (Mörser) kurz oder lang Sprenggranate aus Stahlmörser geschossen, Granate 14/kurz 96/lang |
Emanuel |
für 21 cm. Mörser aus Bronzemörser geschossen, Granate 14/kurz 96/lang |
Ferdinand | für 13 cm. |
Gottlieb (deutsch) |
für 15 cm. lange Kanone Granate 14 / roter Kopf, Schrappnell 15 / blauer Kopf |
Gottlieb (franz.) | 15,5 cm lange Kanone, blaue Farbe, nur Granaten mit Kartuschen geschossen |
Iwan | für 9 cm. Kanone |
Karl | für 12 cm. Kanone |
Gamma | für 42 cm. Kanone (Dicke Berta) |
Xerxes | für 3,7 cm. Revolverkanone |
Anna (?) | für 7,7 cm. m/getrennter Ladung, d.h. Geschoss und Kartusche |
Beta | für 28 cm. Mörser (Küstenmörser) |
Samuel | für 17 cm. |
Ypsilon | für 5 cm. für Grabenkampfgeschütze, Kartätschen oder Granaten |
Neckar | für 6,5 oder 7 cm. für Tankgeschütze. |
Der Kopf einer Granate ist rund, der Kopf eines Schrappnells abgesetzt. |
Wie erwähnt, wurde auch mit Gas geschossen und hatten wir auch diese Munition je nach Bedarf an Lager bezw. abzugeben (s. Seiten 57, 87, 91 dieses Tagebuchs). |
Weißes Kreuz = Tränengas, wird auch schon mal von der Polizei gebraucht. Blau-Kreuz = reizt Nase und Hals sehr. Grün-Kreuz = schlimm, besonders für Herz und Lunge. Gelb-Kreuz = schlimm, auch für die Haut, wie den ganzen Körper. |
Was wird womöglich im nächsten Krieg gebraucht und was wird er uns und der Welt bringen? Grün-Kreuz kam bei uns viel mehr in Frage als anderes, und beim Gegenüber war es nicht besser. Wer drin gewesen, weiß darum. - Krieg!!!!
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Durch den andauernden Schneefall wurden wir bezüglich Verpflegung der nahe liegenden Pionierabteilung, dann einer Abteilung der Parkkompagnie des 20. Fußartillerie-Regiments, die in der Flabasschlucht lag, zugeteilt. Letztere Küche war die beste, - Steckrüben.
Auch die schon erwähnte Tragtierkolonne, neben uns aus dem kleinen Pionierpark, mit ihren kleinen russischen ausdauernden Panjepferdchen, trug Munition, Stollenbretter und anderes in diese und andere Schluchten und Stellungen. Mancher hat dabei sein Leben hingeben müssen. - Hölle von Verdun!!! -
Seit Ende Januar 1917 hatten wir eigene Verpflegung. Die entkronten Bäume wurden gefällt, aber die Stämme waren alle so voller Granatsplitter, dass man sie fast nicht zerkleinern konnte. Alle zwei Tage gegen Abend kam einer zu Pferde von der Kompagnie und brachte die Verpflegung und Post.
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