Ausbildung - Munitionskolonne - Diedenhofen
29. Aug. 1917 - Gegen 9 Uhr fuhren wir dann über Colmar, Schlettstadt, Zabern, wo wir nachmittags 5 ½ Uhr verpflegt wurden; dann über Mörchingen, Metz nach Diedenhofen, wo wir am
30. Aug. - morgens 4 ½ Uhr ankamen. Am Bahnhof wurden wir mit Kaffee, Brot und Wurst verpflegt. Gegen 7 Uhr Abmarsch zur Artillerie-Kaserne, wo wir einquartiert wurden.
31. Aug. - Die älteren Jahrgänge, soweit sie K.V. sind, sollen als Munitions-Kolonne ausgebildet werden. Dazu gehört Reiten und Pferdepflegen und dergl., aus diesem Grund Einteilung in Beritte, Ernst, Richard und ich im 4. Beritt.
1. Sept. - Von 7 bis 8 ½ Uhr Instruktion übers Pferd und dessen Behandlung. 8 ½ bis 12 Uhr Putzen. 3 bis 6 Uhr wieder Putzen und Füttern.
2. Sept. - Morgens Kirchgang, nachmittags Pferde weiden. Nachdem besuchte ich meinen Freund Karl Theis aus Ohligs in Mallingen, der, weil G.V., z. Zt. mit Ernst Specht in Diedenhofen geblieben und bis dato Bahnwachen hatte.
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3. Sept. 1917 - Um 8 Uhr antreten. Die Kompagnie wird aufgelöst.
Bin mit ca. 100 Mann, darunter auch Ernst und Richard, für Metz bestimmt; nur K.V. Wir sollen in oben gesagtem weiter ausgebildet werden bei der Ersatz-Bespannungs-Abteilung des Rhein. Fußartillerie-Regiments No. 8 in Metz.
4. Sept. - Nachts schrecklicher Fliegerbesuch. Viele Bombenabwürfe. Unterschreiben der Stammrolle. Brot-, Kontributions- und Kantinengeld empfangen.
Ausbildung - Ersatz-Bespannungs-Abt. - Metz, Martinsbann
5. Sept. - Nachts wieder Fliegerbesuch, noch schlimmer als vorher. Materialschaden in unserer Kaserne, Hospital, Collegiumstraße u.a. Mittags Abfahrt nach Metz, - für Viele auf Nimmerwiedersehen. Unser Ziel war die Reitbahn der 9. Dragoner-Kaserne, welche jetzt die vorgenannte Bespannungs-Abteilung zu Ausbildungszwecken benutzt. Einteilung in Beritte mit dem Ziel wie in Diedenhofen. Auch viele junge Rekruten für den allgemeinen Regiments-Bedarf [werden] hier ausgebildet.
6. Sept. - Meine Adresse:
Kanonier K. Mutz, Ersatz-Bespannungs-Abteilung,
Fußartillerie Reg. No. 8, 9. Dragoner-Kaserne, Metz.
Dienst: Instruktion über Pferdepflege aller Art, bei gesunden, kranken und verwundeten Tieren. Besuche wie Vorführungen im Krankenstall, sehr interessant! Dann Putzen, Füttern, Tränken, Führen, Satteln, damit kein Druck usw. Was man doch noch alles wird!
7. bis 8. Sept. - Dasselbe, dazu noch Geschirre putzen. Reit- und Arbeitspferde stehen zusammen, jeder hat zwei Tiere. Richard und andere verstehen mehr schon als wir von diesen Geschöpfen, haben auch keine Angst, wir doch noch, denn alle sind nicht fromm.
9. Sept. - Sonntag. 5 Uhr wecken. Von 5 ¾ bis 8 Uhr, von 11 bis 12 Uhr, von 5 bis 6 Uhr Stalldienst, dazwischen Instruktion. Die Küche ist gut.
10. Sept. Morgens bis mittags derselbe Dienst in den Ställen der Kaserne. Nachmittags muss unser Beritt nach Martinsbann [Le Ban-Saint-Martin] zur gleichen Arbeit. Von dort aus gehen jeden Abend Munitions-Kolonnen in Stellung, die dann gegen Morgen, oft auch gegen Mittag erst wieder zurück kommen. Diese Tiere müssen wir jetzt im Interesse unserer Ausbildung mit übernehmen. Die Beritte wechseln hierbei ab. Abends Stadturlaub.
11. bis 15. Sept. - Immer dasselbe. Wir sind in die Kaserne verlegt, hier Wanzen und nochmals Wanzen.
16. Sept. - Sonntag. Sonntagsdienst. Um 9 Uhr Kirchgang.
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Abends in die Stadt, auch im Soldatenheim gewesen. Sind z.T., auch ich, wegen der Wanzen wieder auf die Reitbahn gezogen. Das Regiment hat auch Landwirtschaft dabei, können billig Buttermilch und Pflaumen kaufen.
17. Sept. - Von morgens 4 ¾ Uhr bis mittags Dienst. Nachmittags Pferdevorführung und Besichtigung. Dann in Martinsbann.
18. Sept. - Wie immer. Nachmittags: Alarmbereitschaft.
19. Sept. - Morgens Dienst in Wappingen, nachmittags Antreten zum Abrücken. 6 ½ Uhr Abmarsch zum Bahnhof, 8 Uhr Abfahrt über Diedenhofen nach Longuyon. Dort am 20.9. morgens 4 Uhr alles aussteigen.
Artillerie-Pferde-Ersatz-Depot - Longuyon, Lopigneux
20. Sept. 1917 - Von Longuyon ins Lager der 1. Batterie Fußartillerie Ersatz-Abt. 5. Von dort ins Art.-Pferde-Ersatz-Depot ins Dörfchen Lopigneux und Umgebung. Mittags Einteilung in Beritte, Putzzeug-Empfang, und 6 ½ Uhr abends Parole. -
Von hier aus erhalten die Fußartillerie-Bespannungs-Abtlg., Batterien, Munitions-Kolonnen etc. Ersatz für gefallene bezw. eingegangene Tiere. Zudem erhalten diese hier auch, wenn sie kommen, die Erkennungszeichen aufgebrannt.
21. Sept. - Gegen 4 Uhr wecken zum Pferdeabholen in Longuyon. Die Tiere sind durch die lange Bahnfahrt unbändig, wild, hungrig, alle Arten, von überall her zusammen rekrutiert, haben schlechte Halfter. Jeder muss drei aus dem Wagen holen und zur Tränke führen, dann geht's ab, alles schnell. Die Stöcke treten in Erscheinung. - Daran anschließend Stalldienst.
Unsere Unterkunft ist zeitgemäß. Wir kommen mit sechs Mann, darunter Ernst und Richard, auf einen Hühnerstall eines früheren Hofes. Was mag früher hier alles gestanden haben? Richard gibt sich daran, den noch reichlich liegenden Hühnermist fortzuschaffen. In der Zeit suchen und bauen wir etwas zum Liegen. In der Mitte kann man stehen, dann fällt das Dach nach beiden Seiten schräg ab. Die alten Dachziegel sind ohne Strohunterlagen, Regen geht durch. Der Fußboden ist schlecht und fällt fast zusammen.
Unter uns, im gewesenen Schweinestall, haben die Serganten und Unteroffiziere ihre Heimstätte gefunden und schimpfen andauernd über die Gaben, die ihnen von oben durch die breiten Ritzen unaufgefordert zukommen. Das Gebäude stand an einem Abhang, wo oben ein Weg herging. Von da aus gingen oder krochen wir durch ein Holzfenster direkt in unsere Behausung.
Unweit von uns stand ein leeres Fabrikgebäude, jetzt Stall. Ein großer Bach fließt durch das breite schöne Wiesental. Wir liegen 5 Minuten vom Dörfchen ab. Am westlichen Ausgang desselben, an vorgenanntem Bach, liegt ein Elektrizitäts-Werk, früher Mühle, von Turbinen getrieben.
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Bedient wird es von soldatischen Fachleuten. Die Felder ringsum sind z.T. wieder in Ordnung und fruchtbar. Wenig Häuser hat das meist am Berge liegende Dörfchen. Ältere Leute, Frauen und Jungfrauen sind einige da. Am Tal liegt ein größerer eingeschlossener Hof, wo sehr alte sowie jüngere Leute noch drauf sind. Diese stammen aus Luxemburg und nennen sich Schneider. Meist sind es Weinbauern, die hier ihrem Beruf nachgehen.
Ställe, Scheunen etc. sind der Aufsicht der Militärverwaltung, d.h. einem Ortskommandanten, unterstellt, die Erzeugnisse an Getreide, Milch, Eier und Vieh ebenso. Die Zugpferde, Beschlag, Reparaturen usw. wird auch von derselben gestellt. Der engere Hof bei größeren Gütern ist fast überall mit einer Mauer umgeben, die die Ställe, Scheunen und dergl. mit einschließt und nur durch ein Tor betreten werden kann.
Die Milch des ganzen Dorfes wurde jeden Abend von einem Landmann fortgefahren und brachte dieser je nach Stärke der Haushaltungen Magermilch dafür mit. Einige Mädchen sind der Magnet! -
Wo nur etwas Platz ist stehen Pferde. Neben uns, wie in einem Steinbruch, der etwas zurück liegt, stehen Baracken für Pferde, möglichst versteckt. Oft ist alles voll, oft fast ganz leer. Soll Verdun doch allein 54.000 Pferde im Kriege gebraucht haben! In einiger Entfernung geht die Bahn auf Fentsch-Diedenhofen, neben uns eine auf Conflans zu. [Fentsch = Fontoy] Eine gut gepflegte Straße gibt es hier nicht; wie gesagt, mittelgute Wege in dem etwas bergigen Gelände.
Meine Adresse:
Kanonier K. M., Fußart.Ers.Abtlg. 5, Pferde-Depot, Feldpost 100.
22. Sept. 1917 - Von morgens 7 bis 11 Uhr, nachmittags von 2 bis 6 Uhr Stalldienst.
23. Sept. - Von morgens 7 bis 1 ½ Uhr Stalldienst, dann, weil Sonntag, von Nachmittag 3 bis andern Morgen 7 Uhr Stallwache.
24. bis 27. Sept. - Stalldienst wie immer. Nachmittags Pferde bewegen, d.h. auf einem reitet man und zwei andere sind mit angebunden. Weil die Tiere meist noch nie geritten, sich auch so fremd sind, so sind dies oft die schönsten Zirkus-Vorstellungen, wenn es nicht so ernst wäre.
28. Sept. - Ein Transport Tiere mit nach Arrancy gebracht und dort verladen. Von abends 7 bis morgens 7 Uhr Stallwache im Steinbruch. Die Tiere stehen zu eng. Die Entfernung von einem zum anderen ist ein Meter, zwischen jedem ein Querbaum an einem Draht hängend, die meist herunter geschlagen werden. An beiden Seiten stehen Tiere, die Stallgasse ist auch nur ein Meter. Schläger und Beißer sind immer dazwischen und machen aus der Pflege- dann eine Strafanstalt, wenn man Ordnung halten will.
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Beim Futtereinschütten ist die größte Lebensgefahr, - Hunger, - sie bekommen ja Hafer und Heu, und Wasser genug.
29. Sept. 1917 - Unser Hühnerstall-Quartier soll eine neue Fenstertür und ein Fenster haben. Lager haben wir notdürftig fertig. Ein Brett als Tisch und zwei als Bänke sind auch fertig. Weil gute Witterung noch erträglich, was wollen wir noch mehr. Die unter uns Wohnenden können wir sehr leicht zum Reden bringen. Die Wälder färben sich schon, und noch ist kein Friede in Sicht. Ein Unterstand dritter Güte ist noch viel besser als unsere Etagenwohnung.
30. Sept. - Sonntag. Morgens 5 ¼ Uhr am Bahnhof Arrancy 87 Pferde abholen. Eine unverantwortliche Forderung, dies von nur 10 Mann. Es ging auf Leben und Tod. Oft kommen die Tiere kaum in den Stall, haben sie die Zeichen aufgebrannt (schmerzhaft), gehen sie schon weiter zur Front; geholt oder fortgebracht. Selten sind welche eine Woche hier, meistens nur einige Tage. Reitpferde schon mal länger. Die armen Tiere könnten auch Bücher über den Krieg schreiben, die das Gruseln aufkommen ließen.
3. bis 4. Okt. - Nachtwache im Steinbruch. In der zugigen Baracke sehr kalt. Wenig Heu zum Liegen. Draußen stürmisch! Die Hälfte der Tiere reißt sich los, schlechte Halfter, beißen und treten sich. Als Streu dient Kohlasche. Tragende belgische Stuten werfen ab. Wegen Fliegern soll wenig Licht gemacht werden. Das Putzen der in Asche gelegenen Pferde, und vom Pferdebewegen her, ist eine Arbeit. Kommt ein Kommando zum Pferdeabholen, fragt es gewöhnlich nach guten, frommen Tieren. Natürlich holen wir dann die zuerst heraus, die wir gerne los sind. Haben auch kleine russische Panjepferdchen für die Tragtierkolonnen.
Für einen Zuschauer ist das Pferdebewegen, weil meist immer andere Tiere geritten werden, belustigend. Hätten die Tiere Gebisse im Maul, könnte man sie besser zügeln. So rasen sie oft wie besessen, reißen die mit Angekoppelten durcheinander, wenden alle Tricks zum Abwerfen an. Unangesagte Hürden- und Grabensprünge werden gemacht, wobei schon mancher und oft einen Salto ins Niemandsland machte, ohne dass er sich vorher solcher Fähigkeiten bewusst war. Die Erinnerung daran ist schöner als mitmachen. --- Lieber in Stellung als dieses!
7. Okt. - Sonntag. Dies weiß man nur vom Kalender. Flieger haben uns besucht, beschädigt ist nichts, dann mit vier Mann nach Arrancy, drei Waggons Schlacken abladen für Stallstreu, vorher noch der übliche Stalldienst. Bei Regen und Sturm sind wir gegen 3 ¼ Uhr damit fertig. Arrancy liegt ¾ Stunde von uns entfernt. Von 5 bis 6 Uhr wieder Stalldienst. - Müde! -
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Granaten haben, wo wir waren, ihr Ziel gefunden; obschon noch im Schussbereich, sind wir hier bis heute unbehelligt geblieben. Die Park-Kompagnie 20, die wir von Verdun aus kennen, liegt auch bei Arrancy; habe den dahin versetzten Hugo Heine dort besucht.
8. bis 10. Okt. 1917 - Wache in der alten Fabrik. Sehr kalt. Sturm und Regen. Besser hier als auf dem Hühnerstall.
10. Okt. - In Sturm und Regen mit je vier Tieren Pferdebewegen, solche Unsinnsbefehle! Es ging wieder auf Leben und Tod. Moritz Broch aus Höhscheid kam zum Sturz beim Durchgehen seiner Pferde. Dies war stets eine Freude unseres jungen Reserveleutnants, [...], dieses unbeliebte [...]. Nass bis auf die Haut fing dann der Stalldienst an. Die Tiere mussten wieder trocken und rein gemacht werden, und wir?! Keine Gelegenheit zum Trocknen, kein Ofen ---.
Bis 19. Okt. immer dasselbe Bild. Nachtwache im Dorf. Serg. Büchter, Unteroffizier Vogt und Tempwolf [Dempwolf?] werden von dem Depot nach Metz entlassen. Wir vom Hühnerstall verlegen uns in eine Art Keller, den wir nebenan entdecken. Wenn auch hier vieles zu wünschen übrig [bleibt], so haben wir es doch von oben trocken.
21. Okt. - Einteilung in andere Ställe. Ernst und ich bleiben zusammen, Richard kommt zum ständigen Fuhrwerk ins Dorf.
22. bis 24. Okt. - Wie immer, Nachtwache. Hierfür gibt's ab heute keine freie Stunde mehr. Befehl: Nach jedem Pferdebewegen gründlich putzen. Morgens 5 ½ Uhr Abtransport von 27 erholungsbedürftigen Tieren nach Bahnhof Longuyon. Nachmittags Entlausung im Lager. Auf einem Kartoffelfeld noch Kartoffeln aufgesucht. Verpflegung mäßig.
25. Okt. - Decken- und Wintersachen-Empfang.
28. Okt. - Vormittags ärztliche Untersuchung. Gab Rheuma an. - K.V.
30. Okt. - Starker Frost mit Eis.
31. Okt. bis 1. Nov. - Wache. Als wir mittags zur Parole und zum Essensempfang gingen, kam der Landwirt Schneider mit schwerer Schiebkarre und konnte kaum voran. Hab ihm (trotz Bemerkungen einiger Kameraden) so viel ich konnte geholfen, bis er auf seinem Hof war. Als ich am anderen Tage wieder am Hof vorbei kam, klopfte mir eine ältere Frau ans Fenster, und als ich hintrat, wollte mir diese einige Eier für die gestrige Gefälligkeit geben. Ich lehnte dankend ab; da sie aber so drängte, bat ich mir hierfür etwas Milch zu geben. Da sagte sie, gerne, aber heute Abend 8 Uhr, wenn es dunkel ist, hinten herum durch's Tor. Ich ging dann unauffällig hin, denn ein Verkehr mit den Bewohnern sollte nicht sein, und bekam mein Kochgeschirr voll Magermilch.
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