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Das Haus auf der Bech in Hilden
und seine Bewohner

 
Haus auf der Bech
Juli 2002   Haus auf der Bech. Der Baum steht nicht mehr.
 
Das ältere Haus - Eigentümer Hülsen / Hoff
Das jüngere Haus - Eigentümer Hoff / Kohl
Die Öl- und Getreidemühle
Das Fachwerkhaus
Legenden




Das auffallende Fachwerkhaus "auf der Bech" an der Schwanenstraße 17 steht gleich neben der Itterbrücke, und sein malerisches Abbild darf in keiner Publikation über die Stadt fehlen. Wahrscheinlich über fünf Generationen war es im Besitz der einstmals prominenten Hildener Familie Hoff, die etliche Schultheißen und andere wichtige Amtspersonen gestellt hat, und es ist immer noch eine gute Adresse.

Aber je mehr Quellen man zu Rate zieht, um etwas über die bewegte Historie des Hauses zu erfahren, umso mehr Varianten an möglichen Fakten, Vermutungen und erwiesenen Legenden erhält man. So wurden die Ausführungen des Hildener Chronisten Anton Schneider (von 1900 !) sowie anderer Autoren einschl. Otto Schell längst in späteren Quellen modifiziert oder relativiert, insbes. 1961 durch Wilhelm Joseph Sonnen.

Dennoch steckt auch in zweifelhaften oder widerlegten Aussagen oft ein wahrer Kern oder zumindest eine interessante Geschichte. Und wie heißt doch: Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht:

Das "Haus auf der Bech" ist wahrscheinlich 1588 auf dem schon 1150 urkundlich genannten erzbischöflichen Lehnsgut 'Auf der Bech' erbaut worden. Nach neuerer Literatur ist das heute vorhandene Fachwerkhaus aber erst nach 1680 errichtet worden sein. Oder 1670/75? Die Differenzen beginnen schon beim Baujahr.




Das ältere Haus

Erbauer und Eigentümer Hülsen / Hoff  -  Das Gasthaus

"1588-89 Bau des Hauses 'auf der Bech'" schreibt Strangmeier in den 'Hüls-Forschungen' im Kapitel über Gertgen zu den Hülsen [A III] *). Sie war die Hofeserbin des Hildener Gutes zu den Hülsen, wahrscheinlich meine Ur...ahnin, und in erster Ehe verheiratet mit dem Schultheißen Dietrich im Haan, der nach der Heirat den Namen 'zu den Hülsen' annahm. Vermutlich hat er 1587 das Anwesen 'auf der Bech' erworben und ist vom abgelegenen Hof Hülsen ins Ortszentrum umgezogen.

Dietrich hat sein neues Haus nicht mehr genießen können; er starb 1589. Als Witwe Gertgen um 1590 den Heinrich Hoff [B III a] heiratete, brachte sie das 'Haus auf der Bech' als Mitgift in die Ehe. "Das Paar nahm in dem neuerbauten Hause 'auf der Bech' Wohnung und eröffnete darin eine Gastwirtschaft." [Strangmeier HJ S. 162] Heinrich ist als geschäftstüchtiger 'Wirt auf der Bech' aktenkundig:

"Um 1590 wenden sich die Hildener Bauersleute gegen eine Bestallung des Gastwirtes Heinrich Hoff zum Hildener Gerichtsschreiber, weil ihnen ihre schmale Börse nicht erlaube, »wan wir etwas zu schreiben hatten, stetig im Weinhaus zu sitzen«. [HStAD / Sonnen S. 175]

Gertgens Sohn aus erster Ehe, der um 1575/76 geborene Anton zu den Hülsen, verzichtete 1596 "zugunsten seiner Mutter und seines Stiefvaters Heinrich Hoff auf das Haus 'auf der Bech', worauf ihm diese die Erbgüter 'zu den Hülsen' überließen." [Strangmeier NB 28 S. 7-9 u. 59 f] Wenn Anton Erbe gewesen ist, muss das Haus zuvor noch seinem 1589 verstorbenen Vater gehört haben, d.h. das Haus war zu seinen Lebzeiten bereits vorhanden. Dies spricht tatsächlich für ein Baujahr 1588, unabhängig von einem angeblichen Inschriftenbalken mit dieser Jahreszahl, der durch die frühere Literatur geisterte, aber nicht nachweisbar ist.

*) [In Klammern die von Strangmeier zugewiesenen genealogischen Ordnungsziffern.]

  Mehr über die handelnden Personen: Familie Hüls (16.-17. Jh.)



Eigentümer Hermann Hoff  -  Verbotene Gottesdienste

Hermann Hoff [B IV], um 1588 geborener Sohn aus 1. Ehe von Heinrich Hoff, war der nächste Eigentümer des Hauses 'auf der Bech'. - "Zuzubilligen ist Hermann Hoff eine führende Rolle im kirchlichen Leben seines Heimatortes, wenn man sie darin erblicken will, daß er bereitwillig seinen reformierten Glaubensgenossen in den Wirrjahren des Dreißigjährigen Krieges sein Haus 'auf der Bech' zur Abhaltung von Gottesdiensten zur Verfügung stellte und dafür Nachteile und Ungemach von seiten der staatlichen Verwaltungsorgane auf sich nahm." [Sonnen S. 198] Denn:

"[...] die Behörde verbot nun sowohl das Predigen, wie auch das Hören der etwa insgeheim stattfindenden Predigten. Jeder sollte bestraft werden, der dem Prediger Wohnung oder Herberge gäbe oder in seinen Räumen das Predigen gestatte. Die Thür des Hauses auf der Bech, welches damals dem ... [Hermann] Hoff gehörte und in welchem die letzten Gottesdienste stattgefunden hatten, wurde mit einem Schloß verhängt [...]. Der Befehl datiert vom 17. Mai 1641.

[...] Das Wetter gestattete die Abhaltung heimlicher Gottesdienste im Freien. Aber am 4. August, dem Tage der großen Prozession, kam der lang verhaltene Groll zum Durchbruch. Das vorgehängte Schloß wurde mit einer Axt zerschlagen und der Gottesdienst an der gewohnten Stelle abgehalten."
[Schneider S. 136]


Strafbefehle gegen den "uncatholischen prediger" und andere Beteiligte folgten.

Den vom protestantischen zum katholischen Glauben zurückgekehrten Herzog Wolfgang Wilhelm, der die Verbote und Maßnahmen veranlasst hatte, kritisert Kuhl vorsichtig: "Man kann den gutmütigen und schwachen Fürsten nicht von Einseitigkeit und Engherzigkeit in seinem Verfahren gegen seine früheren protestantischen Glaubensgenossen freisprechen" [zit. bei v. Berg S. 47]

Eigentümer Adolf Hoff  -  Bedeutender Schultheiß

Nach Hermanns Ableben († ?) erbte sein um 1613 geborener Sohn Adolf Hoff [B V c] das Haus "auf der Bech". Er heiratete 1640 die Düsseldorferin Sibylla Eikels und wohnte in Düsseldorf, ist aber später nach Hilden übergesiedelt. 1647-1675 war er Schultheiß von Hilden und Haan. "In der langen Reihe der Kirchspielschultheißen war er sicherlich der Bedeutendste. Das ihm aus dem väterlichen Erbe zugefallene Haus 'auf der Bech' umgab sein Regiment auch äußerlich mit einem gewissen Glanz." Adolf Hoff starb 1679. [Strangmeier Bd. 28  S. 69-72] - Aus seiner Amtszeit ist sein Siegel von 1656 erhalten, das eine Mondsichel und einen sechszackigen Stern zeigt.

Ob der Vorgängerbau (vermutlich ein weniger aufwändiges Bauernhaus als der heute vorhandene Bau aus dem 17. Jh.) auch schon den "gewissen Glanz" ausgestrahlt hat, ist ungewiss.


Siegel
 
Siegel des Hildener Schultheißen
Adolf Hoff - 1656
mit Mondsichel und 6-zackigem Stern
Abb. bei Sonnen



Eigentümer Heinrich Hoff  -  Bauherr eines Neubaus?

Der nächste Herr im Haus "auf der Bech" war Heinrich Hoff [B VI i], 1645 geborener Sohn des Vorbesitzers Adolf Hoff und Chur-Cölnischer Gerichtsschreiber zu Hilden und Haan. 1680 heiratete er Johanna Margaretha von Diepenbruch ufr Knip.

"Das junge Paar nahm im Hause 'auf der Bech' Wohnung, das nach dem Testament der Eltern zur Hälfte Heinrich Hoff und zur anderen Halbscheid dessen Schwester Sibylla zugefallen war. In der Erbauseinandersetzung entschied das Los, daß Heinrich Hoff das Haus bekommen und die Schwester durch Grundstücke und eine Geldabfindung von 500 Talern entschädigt werden sollte." [Strangmeier NB 28 S. 89]

Bei Unger / Ebert ist (1998) zu lesen, dass Heinrich Hoff und seine Frau Johanna Margaretha nach ihrer Heirat "das bis heute erhaltene 'neuere' Haus auf der Bech erbauten. [S. 10]

1687-1695 war Heinrich Hoff Schultheiß in Richrath. Er starb 1722. "Die Angabe Schneiders, nach der Heinrich Hoff 1711 gestorben sein soll, ist irrig." [Sonnen S. 201]

  Demnach hätte Heinrich das alte Haus geerbt und dann das neue gebaut...

  In einer Broschüre des Museumsvereins von 2005 wird das Haus als "Eichenfachwerkgebäude von 1670/75" bezeichnet. Wenn dies zutrifft, kann nicht das Ehepaar Hoff / Diepenbruch Bauherr gewesen sein (da sie erst 1680 geheiratet haben), sondern Adolf Hoff.

  Bei der Taufe seines 4. Kindes 1686 war übrigens eine "Margreth Keusenhoff, Adolfs Hausfrau" Taufzeugin.




Das jüngere Haus

Eigentümer Anna Sibylla Hoff und Matthias Kohl  -  Verpachtung

Nach dem Tod von Heinrich Hoff "fiel das schöne Fachwerkhaus seinem Schwiegersohn zu, der es aber alsbald verpachtete." [Unger S. 10] - Der Schwiegersohn war der Kaufmann Matthias Kohl (auf dem Kohlsberg in Höhscheid bei Solingen), Ehemann von Anna Sibylla Hoff. Sie verpachteten das Haus in mehrfacher Folge 1734-60 an die Hildener Familie Heinrich Volmer und Anna Gertrud geb. Kirberg. [Strangmeier NB 28 S. 98]

  "Zu Anfang des XVIII. Jahrhunderts erlosch die Familie Hoff [...] im Mannesstamm, und als Besitzer des Hauses auf der Bech folgten nacheinander Johann Peter Kirberg, Heinrich Kirberg, 'der Mollnar' (Müller) und dessen Bruder Wilhelm." [Schneider S. 187]


Haus auf der Bech
 
2007
Haus auf der Bech,
Schwanenstraße 17



Die Öl- und Getreidemühle

Eigentümer Kirberg

1762 erwarb Tilman Kirberg das Haus auf der Bech, 1762/63 errichtete er auf dem dortigen Grundstück an der Itter eine Öl- und Schälmühle. [Strangmeier zit. bei Müller S. 23; u.a.]

Die landesherrliche Konzession für die 'Öl- und Gerstenschälmühle' wurde am 29. April 1762 von Kurfürst Karl Theodor erteilt. Ein gerichtliches Obligationsprotokoll vom 28. November 1764 besagt, dass Tilman Kirberg und Helena Vollmer, genannt Kirberg, sowie deren drei Söhne bei dem Düsseldorfer Geheimrat Grein 8 000 Reichstaler aufgenommen haben, und zwar u.a. auf ihr "Guth, die Bech genannt, samt der darzu gebauten Öhl- und Pellmühl".

Aus einem Schriftstück vom 14. Juli 1763 geht hervor, dass sich Tilman Kirberg die Mühlenanlage "auf sein binnen Hilden gelegenes, neuerlich anerkauftes Guth, die Bech genannt", vom kurfürstlichen Hofmüller Rütger Flügel errichten ließ. [Sonnen S. 255-257]

Eigentümer Frauenhoff

1820 kam der Besitz an Familie Frauenhoff. Strangmeier erwähnt eine "Karte aus dem Jahre 1820, die beim Ankauf des Gutes 'auf der Bech' durch Johann Wilhelm Frauenhoff, dessen Nachkommen noch heute Eigentümer des Hauses sind, von dem Feldmesser Wilhelm Tilmans angefertigt worden ist". [HJ 1953 S. 335]

Lt. Schneider war die Familie des Eigentümers Johann Wilhelm Frauenhof hingegen um 1900 "schon seit 90 Jahren im Besitz des Hauses und hat die Getreidemühle eingehen lassen." [S. 186 f]

Die Oel- und Getreidemühle soll als 'mittlere Mühle' bezeichnet worden sein, später hieß sie Frauenhof'sche Ölmühle. 1915 wurde sie stillgelegt, das Wasserrad in den letzten Jahren des Ersten Weltkriegs abgebrochen. [Strangmeier zit. bei Müller S. 23; Sonnen S. 257] (Nach Unger war die Mühle noch bis 1917 in Betrieb.)

"Wohl um das Haus vor den Unbilden des im Jahresablauf gewiß manchmal ungebärdigen Bachlaufes wirksam zu schützen, womöglich mehr noch wegen des notwendigen Bachanstauens, um reichliches Mahlwasser zu erhalten, war zur Straße hin Mauerwerk errichtet und war auch das Bachufer durch solches entsprechend eingefaßt. Die heutige Schwanenstraße muß in der ersten Hälfte des vorigen [= 19.] Jahrhunderts nicht viel mehr als ein einfacher Feldweg gewesen sein. Für die ihn passierenden Fuhrwerke stand keine Fahrbrücke über die Itter zur Verfügung; für diese hatte man erst 1840 mit vieler Mühe die Baukosten beisammen." [Strangmeier HJ S. 337-339]




Das Fachwerkhaus

"Das Haus 'auf der Bech' ... war das Wohnhaus eines bäuerlichen Gehöftes, das zu den größeren Hildens zählte, mit getrennt erstellten Wirtschaftsgebäuden". [Sonnen S. 336-337] Lt. Schneider war es um 1900 auf der Hinterseite mit Schindeln bekleidet. [S. 187]

In einer Broschüre des Museums- und Heimatverein Hilden e.V. (2005) wird das unter Denkmalschutz stehende Haus beschrieben als "stattliches zweigeschossiges traufständiges Eichenfachwerkgebäude von 1670/75 von rechteckigem Grundriss mit Satteldach und beidseitigem Krüppelwalm. Dreiseitiges überkragendes 1. Obergeschoss mit Stichbalken und Knaggen, straßenseitig Brüstungsgefache mit Andreaskreuzen versehen. Ursprünglich vierachsige Fassadeneinteilung mit zweiflügeligen Sprossenfenstern und Schlagläden sowie Giebelverschieferung, die nach Restaurierung im Jahre 1977 leider unberücksichtigt blieb. Noch heute großzügige zweiflügelige Eingangstür mit Oberlicht." [S. 10]

2004 wurden durch die Stadt und private Mieter unter Aufsicht der Unteren Denkmalbehörde wiederum umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen durchgeführt. Das Haus ist langfristig an die Stadt vermietet. Ab 1979 residierte hier für lange Zeit die Geschäftsstelle der Hildener VHS; heute (2007) beherbergt das Gebäude andere Büros.




Legenden

"Dem alten Hildener Hause 'auf der Bech' [...] ist solch kaum beneidenswertes Geschick zuteil geworden, daß sich die 'Sage' seiner bemächtigt hat. Nicht Hildener Volksmund, allein völlig unbekümmerte Phantasie hinterm Schreibtisch ist es gewesen, die seit Jahren um es ihr krauses Gerank gezogen hat. Es ist an der Zeit, dieses beiseite zu schaffen, um den Weg frei zu machen für das, was nun wirklich die Geschichte aus der Vergangenheit dieses Hauses und seiner Bewohner berichten kann." [Sonnen S. 170 f.]

Wilhelm Sonnen hat 1961 in seiner Abhandlung "Das Hildener Haus 'Auf der Bech' und die 'Sage' auf 89 spannenden Seiten die verschiedenen, teils phantasievoll angereicherten Überlieferungen aufs Korn genommen, die seit dem Jahr 1900 über dieses Haus veröffentlicht wurden.

Zwar sind neuere Publikationen damit sehr zurückhaltend geworden, aber über die Frage des Baujahres z.B. scheint man sich noch heute nicht einig zu sein. Und dass Sonnen mit seinen durchaus nachvollziehbaren Recherche-Ergebnissen immer richtig liegt, kann natürlich nicht garantiert werden. - Hier eine kleine Auswahl an 'Legenden', ausgehend von einem kurzen Absatz von Anton Schneider:

"Das Haus auf der Bech bestand schon im Anfang des XVI. Jahrhunderts. In seiner jetzigen Gestalt wurde es 1588 von Wilhelm Schlbroch erbaut. Die beiden links vom Eingang aus dem Fachwerk desselben hervortretenden Bilder stellen wohl den Erbauer und seine Ehefrau vor, und an der Giebelwand auf der Hofseite findet man auch ihr Wappen. Dasselbe zeigt den Halbmond und den Morgenstern neben gekreuzten Degen und deutet auf erworbene Verdienste in den Türkenkriegen hin. Wahrscheinlich war der Erbauer ein Glied der weit verbreiteten Familie Schalbruch." [Schneider S. 186 f]


Bauherr oder Baumeister Schalbroch?

Vermutlich handelt es sich um mündliche Überlieferungen, aber hier irrt Schneider in jedem einzelnen Satz. Schalbroch war nicht der Bauherr, wahrscheinlich aber Zimmermann und Baumeister des Hauses 'auf der Bech' und hat sich wahrscheinlich nach getaner Arbeit auf einem damals im Haus eingebauten, aber nicht mehr vorhandenen Inschriftenbalken verewigt.

Sonnen entdeckte bei Durchsicht des Hildener Verzichtbuches, dass es den Zimmermann Wilhelm Schalbruch Ende des 16. Jh. tatsächlich gegeben hat und dass seine Familie über Generationen hinweg den Beruf des Zimmermanns ausgeübt hat. [Sonnen S. 178]

Aber die Irrtümer pflanzten sich fort - bis in das 1998 erschienene Neue Bergische Wappenbuch.


Siegel
 
Allianzwappen Hoff - von Diepenbrock,
hier mit 5-zackigem Stern,
auf einem Türsturz an der südlichen Giebelseite
des Hauses 'auf der Bech'.
Abb. bei Sonnen

Mond und Stern: Schlbroch'sches oder Hoff'sches Wappen?

Das von Schneider erwähnte steinerne Wappen ist über der Türeinfassung an der Giebelseite noch vorhanden, jedoch den Blicken kleinerer Passanten weitgehend entzogen. Das Motiv mit Halbmond und Stern ist weiter oben schon einmal gezeigt: Auf dem Schultheißensiegel des Adolf Hoff, erhalten an einer Urkunde von 1656. Demnach ist es "... eine unumstößliche Tatsache, daß die Hildener Familie Hoff dieses Wappen geführt hat." [Sonnen]

Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass dieses Hoff'sche Wappen 1912 als 'Wappen der Familie Schalbroch' in das von Johannes Holtmanns zusammengestellte 'Bergische Wappenbuch bürgerlicher Familien' aufgenommen wurde [Sonnen S. 190 f und Holtmanns S. 209], und zwar mit folgenden Anmerkungen:


Wappen
Abb. bei Pies, Wappenbuch
 
"Schalbroch in Hilden
1) Im geradegestellten gespaltenen Tartschenschild rechts in Blau ein gesichteter goldener Halbmond nach links, links in Rot ein sechsstrahliger goldener Stern. Auf dem Bügelhelm (?) mit goldenem Halskleinod, rechts blau goldener und links rot-goldener Decke zwischen einem offenen Adlerflug (der rechte Flügel blau, der linke Flügel rot) der gesichtete goldene Halbmond wie im Schild.
2) JH (S. 209).
3) Die Familie war im 16. Jahrhundert in Hilden ansässig, wo sie das Haus Schwanenstraße 17 erbaute, das am Giebel dieses Wappen mit einem anderen (2 gekreuzte Schwerter) gekoppelt zeigte [also ein Allianzwappen]." [Pies; ebenso Holtmanns]

Verschwiegen werden in den Wappenbüchern hingegen die orientalischen Passagen der frei erfundenen Familien-Geschichten sowie die phantasievollen Erläuterungen zum zweiten Wappen mit den gekreuzten Schwertern, die im Wappenbrief standen. Sonnen hat sie ausführlich kommentiert, und man fragt sich, warum Herr Schalbroch, der Auftraggeber des Wappens, nicht misstrauisch geworden ist.

  Wie so etwas passieren kann?

Und noch etwas erstaunt: "Nirgends auf Widerspruch stießen die Schalbrochs, als sie mit der Anfertigung ihres Wappenbriefs der Hildener Schultheißen- und Gerichtsschreiberfamilie Hoff deren Wappen entwendeten. Im Gegenteil mußten sich die Hoffs nachher den Vorwurf gefallen lassen, sich unverfroren das 'Schlbroch'sche Wappen' angeeignet zu haben." [Sonnen]

Auslöser all dieser Irrtümer muss das steinerne Allianzwappen in Kombination mit der mysteriösen Inschrift auf dem Balken gewesen sein, die auf der Schalbroch'schen Wappentafel wiedergegeben ist und die da gelautet haben soll:

"Schlbroch
1588.
barbar sein
Hauss".

Nur dass keiner der Autoren diese Inschrift jemals selbst gesehen hat, da der Balken nicht mehr vorhanden war.



Gekreuzte Schwerter: Das Diepenbrock'sche Wappen

Auch die gekreuzten Schwerter im zweiten Wappen haben offenbar nichts mit Familie Schalbroch zu tun. Das steinerne Allianzwappen am Haus kann frühestens in Auftrag gegeben worden sein, nachdem sich Heinrich Hoff [B VI i] und Johanna Margaretha von Diepenbrock zur Heirat entschlossen hatten, also kaum vor 1680. Warum? "Heinrich Hoffs Gemahlin entstammte ... einem Zweige der ... westfälisch-niederrheinischen Adelsfamilie, die vom Hause Diepenbrock bei Bocholt ihren Ausgang genommen hat und in ihren Wappen zwei abwärtsgekehrte, ins Andreaskreuz gestellte Schwerter führt." [Sonnen S. 204]


Siegel
 
1426
Siegel des Heinrich van Diepenbroick,
Richter zu Ruhrort und im Lande Dinslaken
Abb. bei Sonnen


Königs- und Frauenkopf

Auch die von Schneider erwähnten "aus dem Fachwerk hervortretenden Bilder" sind 2007 noch vorhanden.

Über die beiden nicht wirklich zueinander passenden Köpfe ist in der heimatkundlichen Literatur viel gerätselt und spekuliert worden, denn üblich waren solche Figuren an Hildener Häusern keineswegs. Fest steht, dass sie weder den vermeintlichen "Bauherrn" Wilhelm Schalbroch und seine vermeintliche Frau Barbara darstellen (die in Wirklichkeit Gutgen hieß), noch die tatsächlichen Bauherren, und schon gar nicht  Wilhelm Fabry, der mit diesem Haus auch schon in enge Verbindung gebracht wurde, und seine Gattin.

Dass die schmalschultrige männlichen Figur einen König darstellt, ist eigentlich klar ersichtlich und nicht nur an der Krone zu erkennen, sondern früher auch an den Farbanstrichen, die im Laufe der Jahre nacheinander aufgetragen worden sind. "... gelegentlich des ersten Farbanstrichs hatte man die Krone sorgfältig mit Blattgold belegt, während die Kopfhaube innerhalb des Kronreifs kardinalrot gehalten war." [Sonnen S. 193] Heute sind alle Farbschichten entfernt.



 


Woher die beiden Bildnisse stammen und wie lange sie schon von der Fachwerkwand auf die Passanten herabblicken, ist unbekannt. Es ist gut möglich, dass sie "zuerst woanders in massivem Steinmonument gesessen haben. Bei der Königsplastik insbesondere stellt sich der Eindruck ein, daß es sich um einen Konsolstein handeln könne." Z.B. aus der einstmals reichen Innenausstattung der ehemaligen Pfarrkirche, die im Zuge der Reformation rigoros entfernt wurde? [Sonnen S. 194 und 202]

Sonnen vermutet den Urheber dieser Verzierungen wie auch des steinernen Wappens in Heinrich Hoff [B VI i], "[...] bei dem wir am meisten zu der Annahme neigen, daß er sich und seiner Familie eine gehobenere Lebensführung gestattet hat, in welcher Neigung ihn seine Gemahlin bestärkt haben mag. [...] In den neunziger Jahren des 17. Jahrhunderts residierte er als Schultheiß von Richrath im Dienst des Grafen Max Heinrich von Velbrück längere Zeit auf dessen Wasserburg Haus Graven, dürfte öfter auf dessen übrigen Besitzungen Garath, Lanquit, Vorst, Ophoven und Mauel geweilt haben. Verwandtschaftliche Beziehungen führten ihn nach Haus Bürgel." [Sonnen S. 201]

Zum Umgang mit solch vornehmen Häusern würde dann auch der Neubau eines repräsentativeren Domizils im Hildener Zentrum passen.


Fabry?

Übrigens gibt es keinen Hinweis darauf, dass "[...] Hildens großer Sohn Guilhelmus Fabricius Hildanus, den in die dem ehrwürdigen Hause 'auf der Bech' angedichtete sagenhafte Vergangenheit hineinzukomponieren man sich nicht entgehen lassen zu sollen geglaubt hatte" [Sonnen!!], je im Haus 'auf der Bech' gewohnt oder praktiziert hätte. Die schwarzmarmorne Gedenktafel, die am 25.06.1935 anlässlich des 375. Geburtstages von Fabry am Haus angebracht worden war, ist längst wieder entfernt. Wilhelm Fabrys Elternhaus war das Haus 'in der Schmitten' gleich nebenan.


Fabry
 
Jan. 2007
Wilhelm Fabry
Die 1911 von dem Berliner Bildhauer Arnold Künne
geschaffene Bronze-Büste auf dem Alten Markt
in Hilden, gleich neben der Reformationskirche


Quellen:
  • Holtmanns, Bergisches Wappenbuch (1912)
  • Kuhl, Geschichte der Stadt Jülich, zitiert bei Carl v. Berg
  • Mueller, Gerd (1981)
  • Museums- und Heimatverein Hilden e.V.: Tag des offenen Denkmals 11.09.2005, S. 10
  • Pies, Neues Bergisches Wappenbuch bürgerlicher Familien (1998)
  • Schneider (1900)
  • Sonnen (1961)
  • Steinkopf NB 28 (1974)
  • Strangmeier (1938), zitiert bei Müller
  • Strangmeier, Zur Genealogie Wilhelm Fabrys. Hildener Jahrbuch (1953-55) S. 103-271 [HJ]
  • Strangmeier NB 28 (1974)
  • Unger / Ebert (1998) S. 10
  • Wenning (1977)

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