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Das Solinger Klingenschmied-Denkmal

Über einen historischen Brunnen und das schwierige Unterfangen,
in Solingens Zentrum ein Handwerker-Denkmal aufzustellen


 

 
-   Ein martialisches Monument?
-   Tatsachen
-   Der Laufbrunnen von 1895
-   Nach dem Krieg
-   Knatsch 1995
-   Das neue Denkmal 2007 / 2008 / 2009 / 2010 / 2011
-   Nachschlag: Albermanns Werke

  Peter Hahn, der Schmied von Solingen




Vor Nov. 1944
Der "Klingenschmied-Brunnen"
auf dem Alten Markt.
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen



Ein martialisches Monument?

Im Solinger Tageblatt vom 07.04.2006 wurde unter der Überschrift "Kehrt der Klingenschmied zurück?" angekündigt, dass der legendäre "Schmied von Solingen" evtl. wieder in Form eines Denkmals in der Stadt präsent sein soll. Vielleicht eines, das allen Solinger Handwerksberufen gewidmet ist. Nur nicht so "martialisch" wie der "Waffenschmied", der bis 1944 auf dem Alten Markt gestanden hat.

  Martialisch = kriegerisch, grimmig, wild, verwegen.

Gestalten soll das neue Denkmal der Höhscheider Bildhauer Henryk Dywan, der neben vielen anderen Werken im Solinger Straßenraum und in Solinger Kirchen (z.B. St. Josef Krahenhöhe, St. Suitbertus Weeg) auch das Schleiferdenkmal in Solingen-Wald und die Plastik an der Solinger Clemenskirche geschaffen hat.

Inzwischen steht fest, dass der "neue" Schmied mit seinem Gesellen, in Bronze gegossen, 2008 auf dem Alten Markt aufgestellt werden soll. [ST im Juni 2007] Die Meinungen der Solinger zu dem künstlerischen Entwurf sind geteilt. Man stört sich am Gesamteindruck oder an Details. Mancher wünscht sich gar eine Kopie des historischen Standbildes, das aber von den Gegnern dieser Idee über die Jahrzehnte immer wieder als "kriegs- und waffenverherrlichend" bezeichnet und als unzeitgemäß abgelehnt wird.

Dabei wird angenommen, das Standbild habe den angeblich kriegslüsternen vermeintlichen Waffenschmied Peter Hahn dargestellt.

Kein Wunder, denn so steht es geschrieben:

-   z.B. 1931 bei Julius Günther: "Zum Andenken an Peter Hahn wurde vor Jahren auf dem Altenmarkt in Solingen eine Brunnensäule, das 'Peter Hahn-Denkmal', errichtet, das nach der Gestaltung der Brunnenfigur ein Symbol für die alte Solinger Schwertschmiedekunst darstellt."

-   z.B. 1989 in dem Buch "Damals und heute - Solingen in Bildern": "Ein Blick zurück in die Kirchstraße in Richtung des Tückmantelschen Hauses. Im Zentrum steht das Textilhaus Baecker. Rechts vor dem kleinen Fachwerkhaus (Tapetenhandlung Altwickler) der Brunnen mit dem Denkmal des Waffenschmiedes Peter Hahn." [Peters S. 43]

-  z.B. 1975 bei Heinz Rosenthal, der den "auf dem Solinger Marktplatz errichteten Laufbrunnen, das sogenannte Peter-Hahn-Denkmal" erwähnt. [S. 14]

"An dieser Figur entzündete sich später auch eine politische Debatte. SPD und auch Bündnis 90 / Die Grünen fanden ein Denkmal, das jemanden in den Mittelpunkt stellt, der den Krieg verherrlicht, nicht mehr zeitgemäß. Aus der Diskussion entstand die Idee, das künftige Denkmal allen Solinger Handwerksberufen zu widmen." [ST v. 07.04.2006]

Warum nicht. Auf den bekannten Abbildungen erscheint mir allerdings der historische Trinkwasserbrunnen mit dem Standbild keineswegs martialisch; das Gesicht des Schmieds ist ausdrucksvoll gearbeitet, die Haltung selbstbewusst, die Gestalt kräftig, was bei einem Schmied nicht sonderlich überrascht. Zwar wäre mir ein Zöppken als Werkstück auch lieber gewesen als ein Schwert; nur hätte der Betrachter ein solches Kleinteil "von unten" kaum erkennen können.

Da mir also die kriegerische Deutung nicht recht einging (was ist eigentlich mit den Schwertern im Solinger Stadtwappen?) und Zweifel an der Identität des dargestellten Waffenschmieds bestanden, habe ich ein bisschen im Solinger Stadtarchiv gegraben - mit nicht ganz eindeutigen Ergebnissen.




Tatsachen

  1. Der historische Peter Hahn war Gabel- und nicht Waffenschmied. Seine Geschichte hat Montanus (Vincenz von Zuccalmaglio) im Jahr 1839 unter dem Titel "Peter Hahn, der biedere Schmied zu Solingen" veröffentlicht.

  2. Das bekannte Gedicht von Karl Simrock über den "Schmied von Solingen" wurde am 31.07.1839 im Solinger Kreis-Intelligenzblatt abgedruckt. Es bezieht sich lt. Fußnote auf einen Schwertschmied namens Bügel. Der Inhalt des Gedichts entspricht allerdings dem Text von Montanus über P. Hahn aus demselben Jahr.

  3. Im Zusammenhang mit der Aufstellung des Laufbrunnens im Jahr 1895 wurde P. Hahn nicht namentlich erwähnt. Die Brunnenfigur sollte den "Schmied von Solingen" darstellen. Ein Denkmal für Herrn Hahn war nicht ausdrücklich beabsichtigt, auch keine wie auch immer geartete "Kriegsverherrlichung" oder "militaristische Heldenverehrung". Vielleicht Nostalgie: Als man dem Klingen- bzw. Waffenschmied als Vertreter des Solinger Traditionshandwerks ein Denkmal setzte, war sein Handwerk gerade verschwunden.

  4. Der Laufbrunnen wurde nicht, wie z.B. in dem Bildband "Solingen. Ein verlorenes Stadtbild" zu lesen ist, am Sedanstag eingeweiht, sondern am Samstag zuvor "in aller Stille", ohne Festakt und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit.

  5. Wenn auch nicht beabsichtigt, so hat sich die Bezeichnung "Peter-Hahn-Denkmal" dennoch schon kurz nach der Aufstellung eingebürgert. 1897 verfasste der Heimatdichter Erich Dunisch für den Solinger Schützenverein ein "Solinger Lebensbild mit Musik und Gesang" mit dem Titel: "Peter Hahn. Der biedere Schmied von Solingen." Hier heißt es bei der Aufzählung der handeln Personen des 4. Aktes: "Peter Hahn, bei Lebzeiten Waffenschmied während des 7jährigen Krieges, jetzt Standbild auf dem Laufbrunnen des alten Marktes zu Solingen."

  6. Im Lauf der Zeit haben sich offenbar Personen, Histörchen und Legenden untereinander vermischt, wie es ja in der Geschichte üblich und immer wieder festzustellen ist. Spätestens seit Ende der 1920er Jahre wurde die Brunnenfigur nicht nur von der Bevölkerung, sondern auch in offiziellen Druckschriften mit der Person des Peter Hahn assoziiert.




Nun ist das Thema einer Neuauflage des Brunnens keineswegs neu. In Abständen von einigen Jahrzehnten berichtete die Solinger Lokalpresse über die Bestrebungen des Verschönerungsvereins, den Wünschen der Bürger entgegenzukommen und dem Solinger Klingenhandwerk wieder zu einem angemessenen Denkmal zu verhelfen.



 
2011
Ganz ohne Schmied
muss der Alte Markt
auch bisher nicht auskommen,
und sei es auch nur als Relief
an einer Hausfassade.
(Links der Turm der Stadtkirche.)



Der Laufbrunnen von 1895

Ein solches Denkmal in Gestalt eines Laufbrunnens, auf dessen Postament der bärtige Schmied mit konzentriertem Blick vor seinem Amboss steht, schenkte 1895 der Verschönerungsverein der Stadt Solingen. Spendable Bürger hatten sich an den Kosten von 5 000 Mark beteiligt. Geschaffen hat das auf dem Alten Markt aufgestellte Standbild der Kölner Bildhauer Wilhelm Albermann (1835-1913). Als lebendes Modell soll ihm "in etwa" der Klingenhärtermeister Karl Reinhard Voos (1837-1918) gedient haben, "ein sehr geachteter Mitbürger", der in der Hochstraße 40 gewohnt haben soll.

Am 31. August 1895 wurde der Brunnen "in aller Stille" eingeweiht. Bei einem patriotisch-symbolträchtigen Denkmal hätte man auf Publicity sicher nicht verzichtet.


Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 17. April 1895

* Sitzung der Stadtverordneten zu Solingen vom 17. April 1895. [...]

3. Mitteilung des Verschönerungsvereins betreffend Ueberweisung eines monumentalen Laufbrunnens. Bewilligung der erforderlichen Mittel.

Herr Vorsitzender bringt ein Schreiben des Verschönerungsvereins zur Verlesung, worin letzterer den in diesem Blatte bereits eingehend beschriebenen Laufbrunnen der Stadt als Geschenk anbietet, falls die Stadt die Kosten für die Aufstellung und Unterhaltung des Brunnens übernehmen wolle.

Herr Bürgermeister Haumann hat bezüglich der einmaligen und der laufenden Kosten eine Aufstellung machen lassen; darnach sind für die Röhrenanlagen, Fundamentierungsarbeiten ec. rund 700 M. erforderlich. Für Speisung des Brunnens sind 908 M. erforderlich, falls der Brunnen jährlich 6 Monate und täglich 10 Stunden lang im Betriebe ist.

Was die Platzfrage angehe, so habe Herr Bildhauer Albermann, der Schöpfer des Brunnens, den Altenmarkt als den einzig geeigneten Platz bezeichnet. Im Uebrigen empfiehlt der Herr Bürgermeister die Annahme des Geschenkes. An die Ausführungen des Vorsitzenden knüpft sich eine längere Debatte. [...]

[... mit Bedenken, Einwänden, das ganz normale Sitzungs-Procedere...]

Hierauf beschließt die Versammlung, den Brunnen als Geschenk des Verschönerungsvereins mit bestem Dank anzunehmen und die einmaligen Kosten der Aufstellung zu bewilligen. [...]


Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 18. April 1895

Aus Stadt und Umgegend.

Solingen, 18. April. Der gestrige Beschluß unserer Stadtverordneten, den der Stadt vom Solinger Verschönerungsverein als Geschenk angebotenen Laufbrunnen mit bestem Dank anzunehmen, sowie für Aufstellung, Einrichtung und Unterhaltung des prächtigen Geschenkes zu sorgen, wird in den weitesten Kreisen der Einwohnerschaft mit Befriedigung begrüßt werden. Erhält unsere an hervorragenden Bauten und an Kunstddenkmälern so arme Stadt doch dadurch eine wirkungsvolle Zierde, die sich besonders auf dem Altenmarkt gut ausnehmen wird.

Denn dieser öffentliche Platz ist gewissermaßen der Mittelpunkt Alt-Solingens, und wenn ihn auch nicht mehr so zahlreich wie vor mehreren Jahren alterthümliche Gebäude einfassen, deren interessante Bauart den Typus des alten bergischen Hauses repräsentiren, so ist uns doch gerade am Altenmarkt und in seiner unmittelbaren Nachbarschaft (Kirchstraße, Kirchplatz, Goldstraße und Johannisstraße) aus den "umstürzlerischen" Bestrebungen der bauenden Neuzeit noch eine Anzahl charakteristischer Gebäude erhalten geblieben, die mit ihren geschichtlichen Erinnerungen an jene Zeit heranreichen, welche jenen berühmten "Schmied von Solingen" hat schaffen und sterben sehen, der den herrlichen Brunnen mit seinem Standbilde so sinnig krönen soll.

Die Ausführung des Brunnens wird seinem Schöpfer, dem Herrn Bildhauer Albermann in Köln unverzüglich übertragen werden, und es steht zu hoffen, daß die Aufstellung und Enthüllung des Brunnens noch im Laufe des Sommers oder im Herbste erfolgen kann. -

Ließe es sich nicht ermöglichen, das Modell des Brunnens für einige Tage in dem Schaufenster irgend eines hiesigen Geschäfts öffentlich auszustellen, damit die Einwohnerschaft Solingens das Geschenk kennen lernen kann, mit dem sie der unermüdlich vorausstrebende Verschönerungsverein erfreuen will?


Hier ist zwar von einem berühmten "Schmied von Solingen" die Rede; ein Name wird aber nicht genannt. Ob die Beteiligten die Dichtung von Montanus über Peter Hahn im Kopf hatten oder Simrocks Gedicht über den Schwertschmied Bügel oder keines von beiden, ist nicht überliefert.


Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 19. April 1895

Aus Stadt und Umgegend.
= Solingen, 19. April. - Das Modell des zukünftigen Solinger Laufbrunnens ist von heute ab in einem Schaufenster des Kaufhauses "zur goldenen Feder" (Jul. Tückmantel und Söhne) am Neumarkt ausgestellt.


So eine Präsentation wäre auch anno 2007 für den aktuellen Denkmal-Entwurf eine gute Idee gewesen.

Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 31. August 1895

Solingen, 31. August. Der vom Verschönerungsverein der Stadt geschenkte Zierbrunnen auf dem alten Markt ist fertig und konnte heute Morgen zum ersten Male in Thätigkeit gesetzt werden. Die Uebergabe des schönen Brunnens an die Stadt soll ohne großes festliches Gepränge am Montag erfolgen. Solingen erhält damit eine monumentale Zierde, um die es von mancher anderen Stadt beneidet werden dürfte. Das Kunstwerk übt namentlich dann seine volle Wirkung auf den Beschauer aus, wenn letzere sich an der linken Ecke Gold- und Kirchstraße aufstellt; hier wendet der wackere, hammerbewehrte Schmied von Solingen dem Beschauer das bärtige Antlitz zu und der prächtige lockige Charakterkopf kommt so zu voller Geltung.


Nach der wegen des Sedantages vorverlegten unspektakulären Einweihung wunderte sich die Presse über diese Geheimniskrämerei:

  Sedantag = festlich begangener patriotischer Gedenktag im deutschen Kaiserreich anlässlich der entscheidenden Schlacht am 2. September 1870 im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71), in der preußische Truppen nahe der französischen Stadt Sedan über die Franzosen siegten.

Lutz Peters schreibt 1994 im Solingen-Bildband: "Die Übergabe des Denkmals am Sedanstag beweist aber, daß in dem Monument tatsächlich nationale Symbolik steckte." [S. 37]

  Und ist nun aus der Tatsache, dass der Brunnen (ein Monument?) nun gerade nicht am Sedanstag eingeweiht wurde, das Gegenteil zu schließen?


Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 3. September 1895

Solingen, 3. Sep. Die Uebergabe des Laufbrunnens auf dem Altermarkt an die Stadt hat in aller Stille schon am Samstag Nachmittag stattgefunden. Herr Oberbürgermeister a.D. van Meenen übergab den Brunnen Namens des Vorstandes des Verschönerungsvereins Herrn Bürgermeister Haumann als dem Vertreter der Stadt. Danach fand eine kleine Festversammlung der Betheiligten im Deutschen Hause statt. Merkwürdig ist, daß der Zeitpunkt der Uebergabe des Brunnens selbst vor den Mitgliedern des Verschönerungsvereins geheim gehalten worden ist.


Spätenstens zwei Tage später hatte "das Volk" das neue Denkmal angenommen:

Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 5. September 1895

Solingen, 5. Sept. Heute Morgen präsentirte sich der Schmied von Solingen auf seinem hohen Postamente mit einem Strohhut geschmückt, den ihm lose Burschen während der Nacht aufs Haupt gestülpt hatten. Dieser übrigens etwas laffe "Witz" hatte leider auch für das Monument selbst bedauerliche Folgen, indem Profile an der Säule zertreten und die glatten Flächen mit Schmutz besudelt hat. Man sollte, um das prächtige Standbild zu schützen, nicht die Kosten für ein dasselbe umgebende Gitter scheuen, denn wenn dasselbe auch ähnliche Dummenjungenstreiche nicht gänzlich verhindern kann, so werden dieselben dadurch wenigstens erschwert. Auch der gegen den Brunnen gerichtete Unfug der Kinder, welcher den Anwohnern bereits Ursache zu Klagen giebt, würde dadurch erschwert werden.


Ein knappes halbes Jahrhundert stand der "Schmied von Solingen" unumzäunt an seinem Platz. Dann zerstörten die am 4. und 5. November 1944 vom Himmel geworfenen Bomben mit der gesamten Solinger Altstadt auch den Laufbrunnen. Der Kopf des Schmiedes konnte aus den Trümmern geborgen werden und gelangte auf Umwegen in den Besitz der Casinogesellschaft.

Das Standbild muss in der Bevölkerung auf sehr viel Wohlwollen und Akzeptanz gestoßen sein: "Von Albermanns Klingenschmied sind auch verkleinerte Wiedergaben in Bronze hergestellt worden. Eine gute, 85 Zentimeter große Nachbildung auf hohem Sockel machte die Solinger Handelskammer im Jahre 1904 ihrem Vorsitzenden Herrn Albert Schnitzler zu seinem 25jährigen Jubiläum zum Geschenk. Sie steht jetzt zum bleibenden Gedächtnis im Präsidentenzimmer der Kammer." Das schrieb Weyersberg im Jahr 1931.
Ob es diese Miniaturausgaben wohl noch gibt?
Ein Leser beantwortete inzwischen diese Frage, und ich konnte mich selbst davon überzeugen: Ja, gibt es! Ein Exemplar steht als Blickfang auf der Verkaufstheke einer Apotheke am Dreieck!



 
Der ausdrucksvolle Kopf
der im Krieg zerstörten Brunnenfigur.
Foto: Christian Beier,
Solinger Tageblatt vom 08.03.1995



Nach dem Krieg

Viele Bürger wünschten sich nach dem Krieg eine Wiedererrichtung von Brunnen und Standbild. Bei der Stadt Solingen stieß dieser Wunsch auf wenig Gegenliebe. Dennoch machte man sich im Verschönerungsverein schon Anfang der 1950er Jahre dazu Gedanken, und das Solinger Tageblatt präsentierte ausführlich die bekannten Fakten. Autor des Artikels war vermutlich Hans Brangs. Einige Auszüge:


Solinger Tageblatt vom 1. September 1955 - B.

Das Denkmal war nicht für Peter Hahn

In alten Fremdenführern stand "Laufbrunnen am Altenmarkt"

In letzter Zeit wurde verschiedentlich die Frage erörtert, ob das sogenannte "Peter-Hahn-Denkmal" zur Verschönerung und Belebung des Stadtbildes wieder entstehen soll. Das erinnert daran, daß der Laufbrunnen auf dem Altenmarkt vor 60 Jahren, am 31. August 1895, vom Solinger Verschönerungsverein übergeben wurde. [...]

Die Uebergabe des Brunnens fand nicht, wie es damals üblich war, in feierlicher Weise statt, sondern, wie es heißt, "in aller Stille". Nicht einmal allen Mitgliedern des Verschönerungsvereins war der Termin der Uebergabe bekannt. Oberbürgermeister a.D. von Meenen übergab den Brunnen namens des Vorstandes des Verschönerungsvereins dem damaligen Bürgermeister Haumann, der in Begleitung des Beigeordneten Kühne als Vertreter der Stadt den Brunnen in die Obhut der Stadt übernahm. Am Abend versammelte sich eine kleine Festversammlung im Deutschen Haus.

Da, wie eingangs erwähnt, heute das Thema "Peter-Hahn-Denkmal" wieder aktuell ist und das Für und Wider erörtert wird, erhebt sich die Frage, ob die Bezeichnung "Peter-Hahn-Denkmal" überhaupt ihre Berechtigung hat. Aus allen Veröffentlichungen in den Tageszeitungen bei der Planung und Uebergabe des Brunnens ist zu schließen, daß der Verschönerungsverein nicht daran gedacht hat, dem unprivilegierten Gabelschmied Peter Hahn ein Denkmal zu setzen. Es ist immer nur von dem Laufbrunnen, dem Waffenschmied-Laufbrunnen und dem Waffenschmied-Denkmal die Rede, niemals aber von einem "Peter-Hahn-Denkmal". [...]


Tatsächlich wurde auf dem Alten Markt um 1960 ein neues Denkmal platziert, geschaffen von der Bildhauerin Lis Ketterer (1905-1976), die in Solingen mit weiteren Werken vertreten ist. Aber es hatte nichts mit dem "anrüchigen" Solinger Klingenhandwerk zu tun, sondern stellt den Heimatdichter Peter Witte dar, mit seinem Notizbuch friedlich neben einem Brunnen sitzend.

  Über Peter Witte

Im Solinger Tageblatt vom 27.10.1978 wurde erneut über das Vorhaben des "Verschönerungsverein Solingen e.V. - Heimatverein Solingen" berichtet, sich in Zukunft verstärkt mit der Schaffung eines Klingenschmied-Denkmals zu befassen. "Gedacht ist an eine eventuelle Aufstellung auf dem Fronhof." Bei den Gedanken blieb es dann bis auf Weiteres.


 
2009
Alter Markt,
Peter Witte-Denkmal
von Lis Ketterer

Während sich das neue Klingenschmied-Denkmal noch im Beratungs-, Planungs- und Vorbereitungsstadium befand und befindet und sich bis heute (Februar 2011) durch Abwesenheit auszeichnet, ist ein nach dem Krieg entstandenes Peter-Hahn-Relief an anderer Stelle schon wieder verschwunden.

1954 waren im Zuge des Wiederaufbaus der im Krieg zerstörten Solinger Innenstadt zahlreiche neue Mietwohnungen entstanden. Die nüchternen und uniformen Bauten verlangten förmlich nach dekorativen, belebenden Elementen an der Fassade. Und so wurde angesichts des vielfach vorhandenen Bedürfnisses nach einem "Andenken" an das alte Solingen an einer freien Wandfläche der neuerbauten Mietwohnungen des Beamten-Wohnungsbau-Vereins an der Ecke Oststraße / Kyffhäuserstraße am 19.10.1954 "in aller Stille" ein 4,25 m hohes Relief des Solinger Schmiedes enthüllt. Geschaffen hatte es Stukkateurmeister Hafeneger. "Damit besitzt Solingen wieder seinen Peter Hahn, das alte Wahrzeichen der Klingenstadt", meldete damals das Solinger Tageblatt.

Heute ist die Wandfläche leer. Irgendwann ist das Wahrzeichen - sei es aus politischen, geschmacklich-gestalterischen oder Kostengründen - "in aller Stille" abhanden gekommen, während ein anderes Relief weiterhin eine Hauswand am Alten Markt zieren darf.


 
1954
Peter-Hahn-Relief
an einem Neubau an der Oststraße.
Solinger Tageblatt vom 21.10.1954

 
2011
Oststraße / Ecke Kyffhäuserstraße
Die Wand ist leer.



Knatsch 1995

1995 sorgte das Denkmal-Thema erneut für Diskussionsstoff: Peter Witte sollte umgesetzt werden, um an seiner Stelle nun Platz für einen "neuen" Klingenschmied zu schaffen.


Solinger Morgenpost vom 22. Februar 1995 - DW

Verschönerungsverein möchte Stück Stadtgeschichte wiederbeleben
Knatsch wegen des Klingenschmieds

Der Verschönerungsverein Solingen möchte mit der Umsetzung des Denkmals des Poeten Peter Witte auf den neugestalteten Fronhof sowie der Heimführung des Klingenschmiedes auf den Alten Markt ein Stück Stadtgeschichte wiederbeleben. Deshalb gibt's reichlich Ärger.

Geschäftsführer Hans Gerhold stellte den Plan in der Bezirksvertretung Mitte vor und betonte, weder die Umsetzung des Peter Witte noch die Neugestaltung und Aufstellung des Klingenschmiedes würde die Stadt einen Pfennig kosten. Gerhold erzählte, für einen Künstler-Wettbewerb für den Klingenschmied und die Witte-Umsetzung habe der Verein 20 000 Mark gesammelt. Der Kopf des alten Klingenschmiedes befinde sich heute im Besitz der Casino-Gesellschaft, berichtete der Geschäftsführer. Die Gesellschaft habe sich bereiterklärt, das Teil zur Verfügung zu stellen.

Doch der Kopf des alten Denkmals sei viel zu martialisch. Es wäre ein Skandal, den Klingenschmied als Symbol der Solinger Waffen- und Rüstungsindustrie wieder auferstehen zu lassen, erregte sich Dietmar Gaida von Bündnis 90 / Die Grünen. Auch die Umsetzung des Peter Witte sei somit nicht sinnvoll. Auch für die vergangenen fünfzig Jahre müsse es in Solingen ein Geschichtsbewußtsein geben. In dieser Zeit habe das Denkmal eben seinen Platz auf dem Alten Markt gehabt.

Eva-Maria Nagy (CDU) sah diese Einwände als "grotesk" an. Sie sei stolz auf die traditionsreiche Geschichte der Solinger Klingenindustrie. Überhaupt handele es sich bei dem Denkmal ja nicht um einen Waffen-, sondern um einen Klingenschmied.


  Wobei letzteres mehr oder weniger auslegungsfähig ist.

Wenige Tage später erschien im Solinger Tageblatt ein Bericht von Herbert Weber, der sich aufs Neue auch um Richtigstellung möglicher Irrtümern bemühte; allerdings vergeblich. Dass Poet Witte nicht umgesetzt wurde und es 1995 auch kein neues Klingenschmied-Denkmal gab, ist bekannt. Hier einige Auszüge aus dem Artikel:


Solinger Tageblatt vom 8. März 1995 - Herbert Weber

"Klingenschmieds" Rückkehr

Der Laufbrunnen, 1895 aufgestellt,
wurde beim großen Bombenangriff 1944 zerstört

Die Bezirksvertretung Mitte ist sich mit dem Verschönerungsverein weitgehend einig: Ein Solinger "Klingenschmied" soll als Denkmal eines alten Solinger Berufsstandes wieder auf den Alten Markt. [...]

Den Klingenschmied auf dem Alten Markt zu errichten und Peter Witte auf den Fronhof umzusetzen: Das hatte schon im Dezember 1994 ein Arbeitskreis des Ausschusses "Klingenschmied-Denkmal" unter Vorsitz von Oberbürgermeister Gerd Kaimer einstimmig empfohlen. [...] Wie verlautet, soll der neue Klingenschmied kein Abklatsch des alten martialischen Monuments werden. [...]

Im Protokollbuch des Solinger Verschönerungsvereins, der den Brunnen zu einem Drittel finanzieren wollte, tauchte der Plan für den Brunnen erstmals 1892 auf. [...] Der Plan zur Errichtung des Brunnens stand dann am 18. Mai 1894 als erster Punkt auf der Tagesordnung einer Vorstandssitzung des Verschönerungsvereins. [...]

Bei einer weiteren Sitzung wurde beschlossen, daß der Verein bis zu 4 000 Mark beisteuern solle. "Sollte zu diesem Preis die Ausführung des Laufbrunnens mit der allegorischen Figur des Waffenschmiedes von Solingen möglich sein, so würde das von der Mehrheit des Vorstandes gewünscht; im anderen Fall wird darauf verzichtet." [...] Inzwischen hatte sich der Preis des Brunnens ohne Fundamentierung auf 5 000 Mark erhöht. Bei einer Sitzung erklärte Bürgermeister Haumann, den Mehrbetrag bei den Stadtverordneten auf Stadtkosten zu beantragen. Die stimmten am 17. April 1895 zu. [...]


Außerdem extra fett und eingekastelt - wobei der Begriff "Vorurteil" sprachlich eher verwirrend ist:

Vorurteil ist nicht auszurotten
"Peter Hahn" ist die falsche Bezeichnung

[hw] Was anscheinend nicht auszurotten ist - und worauf das Tageblatt kürzlich leider auch wieder hereinfiel -, das ist die falsche Bezeichnung des Brunnens als "Peter-Hahn-Denkmal".

Diese dubiose Figur des 1720 am Jacobshäuschen geborenen Solingers wurde früher in den Schulen als Kriegsheld verherrlicht, unterstützt durch Dichtungen von Simrock ("Der Schmied von Solingen") und von Montanus ("Peter Hahn, der biedere Schmied von Solingen").

Dabei hatte Hahn in seinem damals jungen Leben auch niemals Waffen, sondern einfach Gabeln und Messer geschmiedet. Die "Bajonette" hat er nur im Gedicht geschmiedet, weil das sich so schön auf die Worte reimte "... ach, daß der Fritz es hätte" [...]

  Wer weiß schon so genau, was Simrocks Held geschmiedet und wie er geheißen hat?

Noch einmal: Bei der Planung vor 100 Jahren hatte man nur an einen Laufbrunnen, aber kein Denkmal, gedacht. Erst recht nicht an einen "Peter Hahn". Der war spätere Zugabe. Auch heute denkt niemand an jene zweifelhafte geschichtliche Person. Es ist also müßig, die immer schon falsche Bezeichnung als Argument gegen die Errichtung eines neuen Denkmals vorzubringen.

  ... eine Bezeichnung, die sich mit Heimatdichters Segen aber schon spätenstens zwei Jahre nach der Einweihung eingebürgert hatte.


Wilhelm Busch: Der Schmied und der Teufel

Das neue Denkmal 2007 / 2008 / 2009 /2010 / 2011

Die Kontroversen zum neuen Denkmal (Juni 2007) sowie Bürgermeinungen dazu sind (hoffentlich) noch "online" im Solinger Tageblatt nachzulesen (Suchbegriff "Klingenschmied" eingeben).

  Entscheidungsfindungsprozesse und Standortwahl... Beschlussvorlage vom 24.05.2007 (pdf mit Abb.)
  Das Solinger "Wahrzeichen" aus der "Totterblotschen-Perspektive"

Am 03.11.2008 vermeldete die Presse, der Vertrag zwischen Verschönerungsverein und Künstler sei unter Dach und Fach. Der Vorsitzende des Vereins: "»Der Vertrag konnte nur zustande kommen, weil Künstler Henryk Dywan auf einen Teil seines Honorars verzichtete und die Sparkasse eine großzügige Spende leistete«, sagte van de Loo." [Solinger Tageblatt vom 03.11.2008] Nun darf man also auf die Umsetzung des Entwurfs gespannt sein.


 

Am 25.09.2009 wurden die aus Polyurethan-Hartschaum-Blöcken gefertigten Modelle des künftigen Handwerker-Denkmals im Höhscheider Atelier des Bildhauers Henryk Dywan vorgestellt. Die Gesichtszüge des Meisters erinnern ein wenig an die des "alten" Klingenschmiedes.


  Der kommende Aufreger (25.09.2009)
  Schmied ist fertig zum Gießen (ST 26.09.2009)
  Das Werk ist vollendet (RP 28.09.2009)
  Im Frühling kommt der Schmied (ST 29.10.2009)

Am 10. August 2011 findet die scheinbar unendliche Geschichte endlich doch ein gutes Ende:

  Die Klingenschmiede sind angekommen (RP 11.08.2011)


 
10.08.2011
Wenige Minuten vor der Enthüllung des von Henryk Dywan neu geschaffenen bronzenen Klingenschmied-Denkmals auf dem Alten Markt


 
10.08.2011
Es ist vollbracht.


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Nachschlag: Albermanns Werke

Wilhelm Albermann, der Schöpfer des alten Klingenschmied-Denkmals, entwarf auch das Kriegerdenkmal, das in Solingen an der Ecke Cronenberger und früherer Hauptstraße (heute Konrad-Adenauer-Straße / Schwesternstraße) gestanden hat. Die Inschrift lautete: "Solingen seinen im Jahre 1870-1871 für König u. Vaterland gefallenen Helden-Söhnen". Die tröstlich-verklärende Darstellung zeigt die geflügelte Siegesgöttin Victoria, die einem friedlich entschlafenden Soldaten des Deutsch-Französischen Krieges den "Weg nach Walhalla" weist.

Das Denkmal soll 1875 aufgestellt und am 30. November 1955 entfernt worden sein und sein trauriges Ende als Bauschutt auf der Mülldeponie Demmeltrath gefunden haben. - Wie auf alten Fotos und Postkarten zu sehen ist, veränderte sich die Umgebung des Denkmals in diesem Zeitraum mehrfach erheblich. In den 1920er Jahren errichtete unmittelbar hinter dem Denkmal die Dt. Bank ihr Geschäftshaus.


 
 
Kriegerdenkmal von Wilhelm Albermann.
Solingen, Cronenberger Straße
Bildquelle: Stadtarchiv Solingen
1929   Clemenskirche mit Kriegerdenkmal

Anderswo blieben die Arbeiten Albermanns erhalten und wurden nicht so pietetätlos entsorgt. Eine davon ist der aus Sandstein gefertigte romantische Märchenbrunnen im Zoo-Viertel von Wuppertal-Elberfeld (Donar-/ Baldur-/ Jägerstraße) mit den in Zink gegossenen Märchenfiguren.



2007   Märchenbrunnen, Wuppertal-Elberfeld
 

2007   Figuren auf dem Märchenbrunnen von Wilhelm Albermann

Drei weitere bildhauerische Werke von Albermann entdeckte ich per Zufall in Essen-Werden am Rande des alten Friedhofs an der Dückerstraße. Dort stehen im Schatten dichter Bäume in Überlebensgröße und mit unvollständigen Nasen Moltke, Kaiser Wilhelm I. und Bismarck, die früher ihren Platz auf der 1932 abgebrochenen Ruhrbrücke hatten.

  Bilder von Albermanns Werken in Essen-Werden

Auch in Köln ist Wilhelm Albermann mehrfach und unverkennbar mit seinebildhauerischen Werk vertreten, z.B. auf dem Alten Markt mit dem Jan-von-Werth-Brunnen (1884), am Waidmarkt mit dem Hermann-Josef-Brunnen (1894) und in der Straße An der Rechtschule mit den überlebensgroßen sitzenden Gestalten von Ferdinand Franz Wallraf und Johann Heinrich Richartz (1900) vor dem Museum für angewandte Kunst (bis 1986 Wallraff-Richartz-Museum).


 
2011  
Köln, Alter Markt.
Jan-von-Werth-Brunnen.
Links der Rathausturm


 
2011  
Köln, Waidmarkt Ecke Georgstraße,
Hermann-Josef-Brunnen



2011   Köln, An der Rechtschule.
Bronzedenkmal für Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824)
 

2011   Daneben das Denkmal für Heinrich Richartz (1796-1861)


Quellen:
  • Dunisch, Erich: Peter Hahn. Der biedere Schmied von Solingen. Solinger Lebensbild mit Musik und Gesang in 4 Akten, unter Zugrundelegung der Dichtung gleichen Namens. Dem Solinger Schützen-Verein zur 100jährigen Geburtstags-Feier Kaiser Wilhelm I. des Großen! (1897)
  • Günther, Julius: Wer ist der 'Schmied von Solingen'? Die Heimat 1931 S. 26 f
  • Peters (1989) (1994)
  • Rosenthal 3. Bd. S. 14 (1975)
  • Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 31.07.1839, 18.04.1895, 19.04.1895, 03.09.1895, 05.09.1895 [SKIB]
  • Solinger Morgenpost vom 22.02.1995
  • Solinger Tageblatt vom 13.08.1924, 21.10.1954, 01.09.1955, 27.10.1978, 08.03.1995, 07.04.2006, 06./13./15./26./28.06.2007, 09.10.2008, 03.11.2008 [ST]
  • Weyersberg, Albert: Wer war der 'Schmied von Solingen'? Die Heimat 1931 S. 64

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