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- Ein martialisches Monument? - Tatsachen - Der Laufbrunnen von 1895 - Nach dem Krieg - Knatsch 1995 - Das neue Denkmal 2007 / 2008 / 2009 / 2010 / 2011 - Nachschlag: Albermanns Werke Peter Hahn, der Schmied von Solingen Vor Nov. 1944 Der "Klingenschmied-Brunnen" auf dem Alten Markt. Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen |
Ein martialisches Monument?
Im Solinger Tageblatt vom 07.04.2006 wurde unter der Überschrift "Kehrt der Klingenschmied zurück?" angekündigt, dass der legendäre "Schmied von Solingen" evtl. wieder in Form eines Denkmals in der Stadt präsent sein soll. Vielleicht eines, das allen Solinger Handwerksberufen gewidmet ist. Nur nicht so "martialisch" wie der "Waffenschmied", der bis 1944 auf dem Alten Markt gestanden hat.
Inzwischen steht fest, dass der "neue" Schmied mit seinem Gesellen, in Bronze gegossen, 2008 auf dem Alten Markt aufgestellt werden soll. [ST im Juni 2007]
Die Meinungen der Solinger zu dem künstlerischen Entwurf sind geteilt. Man stört sich am Gesamteindruck oder an Details. Mancher wünscht sich gar eine Kopie des historischen Standbildes, das aber von den Gegnern dieser Idee über die Jahrzehnte immer wieder als "kriegs- und waffenverherrlichend" bezeichnet und als unzeitgemäß abgelehnt wird.
Warum nicht. Auf den bekannten Abbildungen erscheint mir allerdings der historische Trinkwasserbrunnen mit dem Standbild keineswegs martialisch; das Gesicht des Schmieds ist ausdrucksvoll gearbeitet, die Haltung selbstbewusst, die Gestalt kräftig, was bei einem Schmied nicht sonderlich überrascht. Zwar wäre mir ein Zöppken als Werkstück auch lieber gewesen als ein Schwert; nur hätte der Betrachter ein solches Kleinteil "von unten" kaum erkennen können.
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Tatsachen
1. Der historische Peter Hahn war Gabel- und nicht Waffenschmied. Seine Geschichte hat Montanus (Vincenz von Zuccalmaglio) im Jahr 1839 unter dem Titel "Peter Hahn, der biedere Schmied zu Solingen" veröffentlicht.
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Nun ist das Thema einer Neuauflage des Brunnens keineswegs neu. In Abständen von einigen Jahrzehnten berichtete die Solinger Lokalpresse über die Bestrebungen des Verschönerungsvereins, den Wünschen der Bürger entgegenzukommen und dem Solinger Klingenhandwerk wieder zu einem angemessenen Denkmal zu verhelfen. |
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2011 Ganz ohne Schmied muss der Alte Markt auch bisher nicht auskommen, und sei es auch nur als Relief an einer Hausfassade. (Links der Turm der Stadtkirche.) |
Der Laufbrunnen von 1895
Ein solches Denkmal in Gestalt eines Laufbrunnens, auf dessen Postament der bärtige Schmied mit konzentriertem Blick vor seinem Amboss steht, schenkte 1895 der Verschönerungsverein der Stadt Solingen. Spendable Bürger hatten sich an den Kosten von 5 000 Mark beteiligt. Geschaffen hat das auf dem Alten Markt aufgestellte Standbild der Kölner Bildhauer Wilhelm Albermann (1835-1913). Als lebendes Modell soll ihm "in etwa" der Klingenhärtermeister Karl Reinhard Voos (1837-1918) gedient haben, "ein sehr geachteter Mitbürger", der in der Hochstraße 40 gewohnt haben soll.
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Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 17. April 1895
* Sitzung der Stadtverordneten zu Solingen vom 17. April 1895. [...]
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Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 18. April 1895
Aus Stadt und Umgegend.
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Hier ist zwar von einem berühmten "Schmied von Solingen" die Rede; ein Name wird aber nicht genannt. Ob die Beteiligten die Dichtung von Montanus über Peter Hahn im Kopf hatten oder Simrocks Gedicht über den Schwertschmied Bügel oder keines von beiden, ist nicht überliefert. |
Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 19. April 1895
Aus Stadt und Umgegend. |
So eine Präsentation wäre auch anno 2007 für den aktuellen Denkmal-Entwurf eine gute Idee gewesen. |
Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 31. August 1895
Solingen, 31. August. Der vom Verschönerungsverein der Stadt geschenkte Zierbrunnen auf dem alten Markt ist fertig und konnte heute Morgen zum ersten Male in Thätigkeit gesetzt werden. Die Uebergabe des schönen Brunnens an die Stadt soll ohne großes festliches Gepränge am Montag erfolgen. Solingen erhält damit eine monumentale Zierde, um die es von mancher anderen Stadt beneidet werden dürfte. Das Kunstwerk übt namentlich dann seine volle Wirkung auf den Beschauer aus, wenn letzere sich an der linken Ecke Gold- und Kirchstraße aufstellt; hier wendet der wackere, hammerbewehrte Schmied von Solingen dem Beschauer das bärtige Antlitz zu und der prächtige lockige Charakterkopf kommt so zu voller Geltung. |
Nach der wegen des Sedantages vorverlegten unspektakulären Einweihung wunderte sich die Presse über diese Geheimniskrämerei:
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Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 3. September 1895
Solingen, 3. Sep. Die Uebergabe des Laufbrunnens auf dem Altermarkt an die Stadt hat in aller Stille schon am Samstag Nachmittag stattgefunden. Herr Oberbürgermeister a.D. van Meenen übergab den Brunnen Namens des Vorstandes des Verschönerungsvereins Herrn Bürgermeister Haumann als dem Vertreter der Stadt. Danach fand eine kleine Festversammlung der Betheiligten im Deutschen Hause statt. Merkwürdig ist, daß der Zeitpunkt der Uebergabe des Brunnens selbst vor den Mitgliedern des Verschönerungsvereins geheim gehalten worden ist. |
Spätenstens zwei Tage später hatte "das Volk" das neue Denkmal angenommen: |
Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 5. September 1895
Solingen, 5. Sept. Heute Morgen präsentirte sich der Schmied von Solingen auf seinem hohen Postamente mit einem Strohhut geschmückt, den ihm lose Burschen während der Nacht aufs Haupt gestülpt hatten. Dieser übrigens etwas laffe "Witz" hatte leider auch für das Monument selbst bedauerliche Folgen, indem Profile an der Säule zertreten und die glatten Flächen mit Schmutz besudelt hat. Man sollte, um das prächtige Standbild zu schützen, nicht die Kosten für ein dasselbe umgebende Gitter scheuen, denn wenn dasselbe auch ähnliche Dummenjungenstreiche nicht gänzlich verhindern kann, so werden dieselben dadurch wenigstens erschwert. Auch der gegen den Brunnen gerichtete Unfug der Kinder, welcher den Anwohnern bereits Ursache zu Klagen giebt, würde dadurch erschwert werden. |
Ein knappes halbes Jahrhundert stand der "Schmied von Solingen" unumzäunt an seinem Platz. Dann zerstörten die am 4. und 5. November 1944 vom Himmel geworfenen Bomben mit der gesamten Solinger Altstadt auch den Laufbrunnen. Der Kopf des Schmiedes konnte aus den Trümmern geborgen werden und gelangte auf Umwegen in den Besitz der Casinogesellschaft.
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Der ausdrucksvolle Kopf der im Krieg zerstörten Brunnenfigur. Foto: Christian Beier, Solinger Tageblatt vom 08.03.1995 |
Nach dem KriegViele Bürger wünschten sich nach dem Krieg eine Wiedererrichtung von Brunnen und Standbild. Bei der Stadt Solingen stieß dieser Wunsch auf wenig Gegenliebe. Dennoch machte man sich im Verschönerungsverein schon Anfang der 1950er Jahre dazu Gedanken, und das Solinger Tageblatt präsentierte ausführlich die bekannten Fakten. Autor des Artikels war vermutlich Hans Brangs. Einige Auszüge: |
Solinger Tageblatt vom 1. September 1955 - B.
Das Denkmal war nicht für Peter HahnIn alten Fremdenführern stand "Laufbrunnen am Altenmarkt"
In letzter Zeit wurde verschiedentlich die Frage erörtert, ob das sogenannte "Peter-Hahn-Denkmal" zur Verschönerung und Belebung des Stadtbildes wieder entstehen soll. Das erinnert daran, daß der Laufbrunnen auf dem Altenmarkt vor 60 Jahren, am 31. August 1895, vom Solinger Verschönerungsverein übergeben wurde. [...]
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Tatsächlich wurde auf dem Alten Markt um 1960 ein neues Denkmal platziert, geschaffen von der Bildhauerin Lis Ketterer (1905-1976), die in Solingen mit weiteren Werken vertreten ist. Aber es hatte nichts mit dem "anrüchigen" Solinger Klingenhandwerk zu tun, sondern stellt den Heimatdichter Peter Witte dar, mit seinem Notizbuch friedlich neben einem Brunnen sitzend.
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2009 Alter Markt, Peter Witte-Denkmal von Lis Ketterer |
Während sich das neue Klingenschmied-Denkmal noch im Beratungs-, Planungs- und Vorbereitungsstadium befand und befindet und sich bis heute (Februar 2011) durch Abwesenheit auszeichnet, ist ein nach dem Krieg entstandenes Peter-Hahn-Relief an anderer Stelle schon wieder verschwunden.
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1954 Peter-Hahn-Relief an einem Neubau an der Oststraße. Solinger Tageblatt vom 21.10.1954 |
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2011 Oststraße / Ecke Kyffhäuserstraße Die Wand ist leer. |
Knatsch 19951995 sorgte das Denkmal-Thema erneut für Diskussionsstoff: Peter Witte sollte umgesetzt werden, um an seiner Stelle nun Platz für einen "neuen" Klingenschmied zu schaffen. |
Solinger Morgenpost vom 22. Februar 1995 - DW
Verschönerungsverein möchte Stück Stadtgeschichte wiederbeleben
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Wobei letzteres mehr oder weniger auslegungsfähig ist.
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Solinger Tageblatt vom 8. März 1995 - Herbert Weber
"Klingenschmieds" RückkehrDer Laufbrunnen, 1895 aufgestellt,wurde beim großen Bombenangriff 1944 zerstört
Die Bezirksvertretung Mitte ist sich mit dem Verschönerungsverein weitgehend einig: Ein Solinger "Klingenschmied" soll als Denkmal eines alten Solinger Berufsstandes wieder auf den Alten Markt. [...]
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Außerdem extra fett und eingekastelt - wobei der Begriff "Vorurteil" sprachlich eher verwirrend ist: |
Vorurteil ist nicht auszurotten"Peter Hahn" ist die falsche Bezeichnung
[hw] Was anscheinend nicht auszurotten ist - und worauf das Tageblatt kürzlich leider auch wieder hereinfiel -, das ist die falsche Bezeichnung des Brunnens als "Peter-Hahn-Denkmal".
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Das neue Denkmal 2007 / 2008 / 2009 /2010 / 2011Die Kontroversen zum neuen Denkmal (Juni 2007) sowie Bürgermeinungen dazu sind (hoffentlich) noch "online" im Solinger Tageblatt nachzulesen (Suchbegriff "Klingenschmied" eingeben).Entscheidungsfindungsprozesse und Standortwahl... Beschlussvorlage vom 24.05.2007 (pdf mit Abb.) Das Solinger "Wahrzeichen" aus der "Totterblotschen-Perspektive" Am 03.11.2008 vermeldete die Presse, der Vertrag zwischen Verschönerungsverein und Künstler sei unter Dach und Fach. Der Vorsitzende des Vereins: "»Der Vertrag konnte nur zustande kommen, weil Künstler Henryk Dywan auf einen Teil seines Honorars verzichtete und die Sparkasse eine großzügige Spende leistete«, sagte van de Loo." [Solinger Tageblatt vom 03.11.2008] Nun darf man also auf die Umsetzung des Entwurfs gespannt sein. |
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Am 25.09.2009 wurden die aus Polyurethan-Hartschaum-Blöcken gefertigten Modelle des künftigen Handwerker-Denkmals im Höhscheider Atelier des Bildhauers Henryk Dywan vorgestellt. Die Gesichtszüge des Meisters erinnern ein wenig an die des "alten" Klingenschmiedes. Der kommende Aufreger (25.09.2009) Schmied ist fertig zum Gießen (ST 26.09.2009) Das Werk ist vollendet (RP 28.09.2009) Im Frühling kommt der Schmied (ST 29.10.2009) |
Am 10. August 2011 findet die scheinbar unendliche Geschichte endlich doch ein gutes Ende:
Die Klingenschmiede sind angekommen (RP 11.08.2011) |
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10.08.2011 Wenige Minuten vor der Enthüllung des von Henryk Dywan neu geschaffenen bronzenen Klingenschmied-Denkmals auf dem Alten Markt |
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10.08.2011 Es ist vollbracht. |
Nachschlag: Albermanns Werke
Wilhelm Albermann, der Schöpfer des alten Klingenschmied-Denkmals, entwarf auch das Kriegerdenkmal, das in Solingen an der Ecke Cronenberger und früherer Hauptstraße (heute Konrad-Adenauer-Straße / Schwesternstraße) gestanden hat. Die Inschrift lautete: "Solingen seinen im Jahre 1870-1871 für König u. Vaterland gefallenen Helden-Söhnen". Die tröstlich-verklärende Darstellung zeigt die geflügelte Siegesgöttin Victoria, die einem friedlich entschlafenden Soldaten des Deutsch-Französischen Krieges den "Weg nach Walhalla" weist.
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Kriegerdenkmal von Wilhelm Albermann. Solingen, Cronenberger Straße Bildquelle: Stadtarchiv Solingen |
1929 Clemenskirche mit Kriegerdenkmal |
Anderswo blieben die Arbeiten Albermanns erhalten und wurden nicht so pietetätlos entsorgt. Eine davon ist der aus Sandstein gefertigte romantische Märchenbrunnen im Zoo-Viertel von Wuppertal-Elberfeld (Donar-/ Baldur-/ Jägerstraße) mit den in Zink gegossenen Märchenfiguren. |
2007 Märchenbrunnen, Wuppertal-Elberfeld |
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2007 Figuren auf dem Märchenbrunnen von Wilhelm Albermann |
Drei weitere bildhauerische Werke von Albermann entdeckte ich per Zufall in Essen-Werden am Rande des alten Friedhofs an der Dückerstraße. Dort stehen im Schatten dichter Bäume in Überlebensgröße und mit unvollständigen Nasen Moltke, Kaiser Wilhelm I. und Bismarck, die früher ihren Platz auf der 1932 abgebrochenen Ruhrbrücke hatten.
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Auch in Köln ist Wilhelm Albermann mehrfach und unverkennbar mit seinebildhauerischen Werk vertreten, z.B. auf dem Alten Markt mit dem Jan-von-Werth-Brunnen (1884), am Waidmarkt mit dem Hermann-Josef-Brunnen (1894) und in der Straße An der Rechtschule mit den überlebensgroßen sitzenden Gestalten von Ferdinand Franz Wallraf und Johann Heinrich Richartz (1900) vor dem Museum für angewandte Kunst (bis 1986 Wallraff-Richartz-Museum). |
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2011 Köln, Alter Markt. Jan-von-Werth-Brunnen. Links der Rathausturm |
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2011 Köln, Waidmarkt Ecke Georgstraße, Hermann-Josef-Brunnen |
2011 Köln, An der Rechtschule. Bronzedenkmal für Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) |
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2011 Daneben das Denkmal für Heinrich Richartz (1796-1861) |
Quellen:
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