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Altbergische Wohnstube. Abb. bei W. Müller |
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- Max Schmidt - Museum Schloss Burg - Dr. Spiritus - Prof. Bindhardt - Änne Wagner - Verkäufe und Versteigerungen |
Max Schmidt beschreibt 1922 das bergische Wohnhaus des 19. Jh. und seine Einrichtung:
"In Urgroßmutters Jugendzeit galten noch mehr als heute die Worte: »Mein Haus ist meine Welt.« Man war bescheidener als in unserer Zeit, aber trotzdem liebte man Behaglichkeit.
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Ehemaliges Ittertaler Schleifer- und Heimatmuseum. In der Mitte ein Tackenofen, im Gestell an der Wand Zinngerät, hinter dem Ofen Tabakmesser und weitere Gefäße. Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen |
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2004 Alte Dröppelminnas "zinnerne Kaffeekanne mit zwei Ohren und drei Füßen" |
"Eine reichhaltigere Ausstattung hatte die Wohnstube. Ihr Hauptstück war der blanke Tackenofen, dessen Tacken im Winter so schöne Gelegenheit zum Fußwärmen gab. Hier versammelten sich an den kühlen Abenden die Nachbarn; hier war der Ort, wo die Männer ihre Neuigkeiten austauschten und Politik trieben. Am derben Eichentische mit den Fußlehnen saßen die Frauen bei der Handarbeit.
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2011 Bergische Truhe, 18. Jh., zu besichtigen im Bergischen Museum Schloss Burg |
Es handelt sich hier um eine "Niederrheinische Brauttruhe mit reicher Schnitzerei. Auffällig ist das in diesem Zusammenhang nur selten verwandte Traubenmotiv" [Die Heimat Nr.11/1963, S. 43], das hingegen an anderer Stelle als "beliebt" bezeichnet wird, also vielleicht doch nicht so selten ist.
"Wichtigstes Ausstattungsstück [des Schlafzimmers] ist das freistehende zweischläfrige Kastenbett mit seiner geschlossenen, aus Rahmen und Füllungen bestehenden Rückwand und den gedrechselten Säulen, die den Betthimmel tragen. Der geräumige, zweitürige Kleiderschrank und die Truhe sind unentbehrliche Verwahrmöbel. Daneben gehörten der korbgeflochtene Kinderwagen und die hölzerne Wiege zum notwendigen Inventar, und nicht fehlen durfte auch die blinkende, runde Bettpfanne zum Wärmen der Schlafstatt, das zinnerne Nachtgeschirr und der Kerzenhalter.
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Den Solinger Kreis-Physikus Dr. Spiritus interessierten im Jahr 1823 bei der Wohnungsfrage ganz andere Aspekte. - Ob der "gemeine Mann" damals wohl selbst gekocht hat? - |
§ 57 Wohnungen
"Die Häuser der Fabrikarbeiter und Bauern sind durchgehends zu niedrig, so daß in den Wohnzimmern ein großer Mann fast bis unter die Decke reicht. Im Winter und Sommer sind diese Gemächer, da dem gemeinen Manne die Wohnstube auch zur Kochstube dienen muß, aufs stärkste geheitzt und, zumal Abends, von Jung und Alt vollgepfropft, wobei die Luft durch den Qualm der Öhllampe [227] und der Tabakspfeife vollends verpestet wird. Wenn auch die Gewohnheit vieles ertragen hilft und den Nachtheil solcher fatalen Einflüsse auf den menschlichen Körper mindert, so ist es doch nicht zu leugnen, daß durch den steten Aufenthalt in solchen dunstigen, übermäßig erhitzten Stuben mancher fruchtbare Krankheitskeim gelegt wird, besonders bei Kindern, für welche eine frische oft erneuerte Luft so großes Bedürfnis ist.
Die Salubrität [Gesundheitszuträglichkeit] der hiesigen Wohnungen wird nicht wenig durch das häufige Abwaschen des Fußbodens oder das sogenannte Schrubben gefährdet, welches in den Häusern der Vornehmen fast täglich, der Geringern aber wenigstens Samstags geschieht. Eimerweise wird dabei das Wasser durch die Zimmer gegossen, wodurch vor und nach Häuser feucht werden, die es früher nicht waren; und man nimmt keinen Anstand, ein solches Gemach wieder zu beziehen, bevor noch die Feuchtigkeit in etwa aufgetrocknet ist.
Es finden sich hier fast keine andern als Federbetten; Matratzen sieht man blos bei Vornehmen [214], und auch diese schlafen selten darauf. Ganz arme Leute müssen sich wohl mit Betten von Schaafwolle und geschnittenem Stroh begnügen; ihr erster Einkauf, so bald sie sich etwas erworben haben, ist aber stets ein Federbett.
Anmerkungen des Herausgebers Ralf Stremmel:
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Aber zurück zur Idylle. Auch der Solinger Fachschuldirektor Prof. Bindhardt beschrieb in Schmidthäusslers Sammelwerk (1922) unter der Überschrift "Kunsthandwerk" das Innenleben alter bergischer Häuser der etwas betuchteren Bevölkerungskreise und deren Wohn-Philosophie: "Im Hause herrschen holländische Sauberkeit und bescheiden sich gebender Wohlstand. Die Häuser der Reicheren sind im Prinzip dieselben wie die des Mittelstandes und der Arbeiter; sie haben den Grundriß und den architektonischen Stil des bergischen Hauses. Mit entsprechendem Reichtum werden sie größer und reichhaltiger in der Ausstattung; im Detail bleiben sie dasselbe." |
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Altbergische Stube; Besitzer: Haus Schmolz, Solingen. Abb. bei Schmidthäussler S. 33 |
"Der stark demokratische Zug der Bevölkerung, die Möglichkeit (soweit es die Zeit vor dem Kriege anbetrifft) als Heimindustrieller mit verhältnismäßig geringen Barmitteln, allein gestützt auf die persönliche Intelligenz und Arbeitskraft, eine Fabrikation zu erringen, haben es fertig gebracht, daß keiner den anderen mehr achtet als sich selbst; das sichtbare Betonen des Wohlstandes nach außen wurde im allgemeinen vermieden. [...]
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"Altbergische Innenkunst, Fritz Schmolz, Solingen" Nach einer Bildpostkarte von 1912 Bild-Quelle: Axel Birkenbeul. |
Dies ist eine weitere Abbildung (um 1912) aus dem Hause Schmolz, das an der Kaiserstraße in Solingen stand, heute Hauptstraße. |
Zu den bergischen Möbeln, die schon Anfang des 20. Jh. vollständig verschwunden waren, "gehört das Höttenbrett, eine Eckpyramide oder ein Gestell mit mehreren Fächern, welches in einer Ecke des Zimmers angebracht wurde, um kleine Schmucksachen, Porzellan usw. daraufzustellen." Das Höttenbrett kann zur Zeit des Rokoko entstanden sein, "dem es auch seine Formen entlehnte". [O. Schell, MBGV 4/1915 S. 78 f] Wie mag es in der Biedermeierzeit im Inneren der Solinger Hofschaftshäuser kinderreicher Familien ausgesehen haben? Für die Zeit 100 Jahre später vermitteln die Lebenserinnerungen von Änne Wagner aus Widdert einen kleinen Eindruck:
"Die Tage verliefen fast immer in gleichbleibendem Rhythmus. Ob Sommer oder Winter, geweckt wurde man frühmorgens vom Wettkrähen der Hähne oder vom Gequieke der hungrigen Schweine, dem sich die Ziegen mit ihrem Gemecker anschlossen. Fast alle Bewohner unseres Ortes waren Selbstversorger. Zu den Fachwerkhäusern, ob es sich um Eigentum oder Mietwohnungen handelte, gehörten Hühnerhof, ein Garten sowie ein Baumhof mit vielerlei Obstbäumen.
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Häufig sind in den alten Zeitungen Inserate zu finden, in denen gebrauchte Möbel, andere Einrichtungsgegenstände und Hausrat angeboten werden. Es sind zum einen die "ganz normalen" Verkaufsanzeigen, zum anderen aber auch, besonders in Zeiten wirtschaftlicher Not, sehr viele Zwangsversteigerungen. |
Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 21. May 1845
Ein zweitheiliger Küchen-Schrank, mit gläsernen Thüren und eine fast noch neue eichene Badewanne, mit eisernen Reifen zu verkaufen. Wo? sagt die Expedition dieser Blätter. |
Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 14. Dezember 1853
Gerichtlicher Verkauf. |
Quellen:
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