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Die Kleidung

 

Frühes 19. Jh.: Solingen, Straßenszene
 
Solingen (19. Jh.)
Elberfeld (18. Jh.)
Bekanntmachung eines Kleider-Diebstahls (1846)
Medizinische Aspekte (1823)


Wie haben sich unsere bergischen Vorfahren gekleidet? Hilfreich wären zeitgenössische Abbildungen, die auch das "einfachere" Volk zeigen, aber geeignete Bilder, ältere als aus dem 19. Jh., scheinen rar zu sein. Auf den vorhandenen Darstellungen sind Personen nur Staffage und entsprechend winzig abgebildet. Unverzichtbare Requisiten des Herrn: Hund und Pfeife.




Solingen (19. Jh.)

In Ermangelung einer bergischen Volkstracht hat Max Schmidt die typische Bekleidung der "alten" Solinger Bauern, Handwerker, Bürger und Bürgerinnen beschrieben (1922), jedoch ohne sich zeitlich festzulegen. Manche Bezeichnungen für die Kleidungsstücke dürften heute kaum noch geläufig sein.


Kleidung und Trachten

"Eine Kleidung, die wir als unsere Heimattracht ansprechen könnten, hat es nicht gegeben. Wie auf so manchem anderen Gebiete, läßt sich in dem heimischen Trachtenwesen der Vergangenheit, wenigsten insoweit, als wir uns durch alte Bilder hierüber unterrichten können, immer wieder erkennen, daß sich hier Anlehnungen an andere Gegenden bemerkbar machen. Dieses ist denn auch erklärlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Solinger, um sich Absatzgebiete für seine Waren zu verschaffen, weit in die Welt hinein mußte. [...]

Die hohe seidene Mütze, ohne die man sich in früheren Zeiten den Solinger nicht vorstellen konnte, wird aus den Niederlanden zu uns gekommen sein. Der "Vatermörder", unserem jetzigen Schillerkragen ähnlich, wird aus Frankreich stammen; ebenso der lange Leinenkittel. So wird man denn das eine von diesem und das andere von jenem Lande Mitgebrachte zuerst zaghaft getragen haben, bis es nach und nach "Allgemeine Mode" wurde. [...]

Das einzige Solinger Kostüm ist der Schleiferanzug, und als Einzelstück, wenn es als Kleidungsstück angesprochen werden soll, das Schurzfell des Schmiedes, "Barfell" wie es hier genannt wurde. [...]

Das "Barfell" spielte ehemals in Solingen eine größere Rolle, wie der Schleiferanzug. In allen Lehrverträgen waren darüber Bestimmungen enthalten, wie und wann es der Lehrherr zu stellen hatte. Allgemeine Bedingung war, daß der Lehrling das Fell auf dem Rücken schnallen mußte, während der Geselle vorne unterhalb der Brust "schürzen" durfte. Hatte er sein Meisterstück gemacht, dann war ihm gestattet, die Schnalle mit seinem Namen zu versehen. In unserer Zeit ist diese alte Regel vergessen, wie überhaupt das Schurzfell gegenüber früher weniger Verwendung findet.

 
Bauer
Bauer, zur Arbeit gehend.
Bildquelle: Stadtarchiv Solingen


 
Schleifer mit Liefersack
Scherenschleifer mit Liefersack.
Bildquelle: Stadtarchiv Solingen


 

In den Trachten der Fabrikanten und Arbeiter war wenig Unterschied. In jedem Stande trugen die Männer den Siamosenkittel; hatte der Träger eine schmutzige Arbeit, trat an Stelle dessen der blauleinene. Wo die Hausfrau etwas Wert auf die Machart legte, wurde der Kittel mit einem "platten Stücke" gemacht, d.h. er war vorne und hinten unterhalb Schulterhöhe angesetzt und gekräuselt, und zudem mit Perlmuttknöpfen zur Verzierung besetzt.

Der Schulbursche trug den Kittel, wie der Vater. Sollte die Kleidung für den Jungen besonders nett sein, so war die Hose aus demselben Stoff angefertigt. Für die Jugend wurden auch blauleinene Anzüge bevorzugt. Jackett und Hose war mit weißer Litze besetzt. Als Fußbekleidung wurde der Stulpstiefel getragen, den an Wochentagen der Holzschuh ersetzte.

Ging der Kaufmann auf Reisen, nahm er seinen Kaufmannsanzug mit, der draußen seine Standeskleidung war. Dieser war aus blauem Tuch und gelb paspeliert, ähnlich, wie wir heute vielfach Uniformen auf der elektrischen Bahn sehen, nur mit dem Unterschiede, daß der Kragen breiter geschnitten war und an Stelle des Vorhemdes eine tüllähnliche breite Schleife trat. Der Arbeiter trug in der Woche die blauleinene Jacke. Ging er zum Fabrikanten abliefern, wurde der Jagdsack umgeschnallt, in dem die Ware getragen wurde.

 
Bauer
 
Bauer in Sonntagstracht.
Bildquelle: Stadtarchiv Solingen
 

Das Sonntagskleid war im allgemeinen das "Abüß"; ein "Kamisol", an dem sich ähnlich wie beim Frack hinten Verlängerungen befanden. Hierzu kam, wie bei jedem anderen Anzuge, die hohe seidene Mütze, deren Lederschirm immer wieder Verwendung fand, wenn eine neue angefertigt werden mußte. Mit der "Schmucke" in der Hand ging man so gekleidet des Sonntags in das Grüne, durchwanderte Wald und Feld.

Der "vorschriftsmäßige" oder allgemeine Festanzug, zu Kirmessen und dergleichen, bestand aus dem Glockenrock, zu dem eine kurze Hose, mit langen geringelten Strümpfen, niedrigen Schuhen, auf denen sich eine große Silberschnalle als Schmuck befand, getragen wurde. In der Hand den wuchtigen Stock mit der geschnitzten Knopfkrücke und im Munde die halblange Pfeife, das ist die Tracht des ehemaligen Solingers.

Der Besitzer eines größeren Gutes hatte seine Herrentracht, das "Herl" genannt. Es war ein schwarzer Rock mit großen silbernen Knöpfen, dazu trug er einen dreizackigen Hut. Nur wenige Güter hatten in unserer Gegend dieses Trachtenvorrecht. Wo es aber war, da war es vom Gute unzertrennlich, d.h., beim Verkauf des Gutes wurde das "Herl" mit übernommen.

 

 
1891
Bergische Hausfrau
Bildquelle: Stadtarchiv Solingen

Die Wochenkleidung der Frau war das gedruckte Kleid. Als Kopfbedeckung diente das Kopftuch; im Sommer aus hellem Kattun und im Winter aus dunklerem Wollstoff. Wurde in der Woche ein Gang in die Stadt unternommen, trat an Stelle des gedruckten das gestreifte, seltener das karierte Siamosenkleid. Im Hause zierten sich die Frauen mit dem weißen Häuptchen und bei den jungen Damen war in der Mitte des vorigen Jahrhunderts [= 19. Jh.] ein Eisenrähmchen beliebt, das mit Bändern geschmückt, das Haar zusammenhielt.

Ging man zu Festlichkeiten, trat das schwarze Kasemirkleid und bei wohlhabenderen Leuten das Seidenkleid in seine Rechte. In der bekannten Prinzeßkleidart angefertigt, hatte es, am Halsbort die weiße Rüsche als Verzierung, die jedesmal, wenn das Kleid getragen, mit einem Eisen in Wellen gebrannt wurde.


Eine Eigenart, die jedem Fremden auffiel, war die Lieferfrau, die man in unserer Zeit noch vereinzelt in der Stadt sieht. Aus den Wupperbergen bringt sie die fertige Ware. Einen weißen runden Korb (Mange), der die Ware enthält, trägt sie auf einem gepolsterten Tuchringe auf dem Kopfe. Der Ring, mit Blumen und Perlen bestickt, gilt zugleich als Zierstück und stets ist er eigene Arbeit der Trägerin. Die Lieferfrau mit dem Kopfring, der Schleifer mit dem Jagd- oder Liefersack und der Schwertarbeiter mit dem Schwertkorb, sind für das Solinger Industriegebiet typische Figuren.

Die Stickerei war in alter Zeit geradezu ein Hausvergnügen. Die Frau oder die Töchter des Hauses stellten geschmackvolle Stickereien für die besonders beliebten gestickten Schuhe, zu Hosenträgern und für die kleinen runden Großvatermützen her. Kunstwerke waren aber die gestickten Schürzen und Kopftücher, die an Sonntagen von älteren Damen getragen wurden. Immer seltener werden solche malerischen Trachten und Stücke. Die wenigen, die noch vorhanden sind, sollte man in Hände geben, wo sie der Nachwelt noch lange erhalten blieben und als Muster dienen könnten."

[Schmidt S. 141 f]



 
1850
Solinger Lieferfrauen mit Wespentaille.
Die eine trägt Schwerter über der Schulter,
die andere eine Liefermang auf dem Kopf.


  Über die Solinger Lieferfrauen


"Zur Geschichte der Volkstracht in Solingen.

Noch in den 40er Jahren dieses Jahrhunderts [= 1840er Jahre] trugen die Solinger Schmiede, Schleifer, Feiler, Reider, besonders die jüngeren Leute unter ihnen, Kamisole, welche hinten einen ganz kleinen Schwalbenschwanz hatten, also eine Art Frack bildeten. Hinten befanden sich Taschen für Pfeife, Tabak und Taschentuch. Die Knöpfe dieser Jacke waren blank versilbert oder vergoldet und etwas bunt gepreßt. Kam ein Junge in die Lehre, so wurde sofort ausgemacht, ob er schon im ersten oder zweiten Lehrjahre vom Meister wöchentlich ein Paket Tabak zu erhalten habe."
[Aug. Peiniger sen. (Elberfeld), MBGV 1/1898 S. 24]




Trägt dieser Solinger Schmied ein "Barfell"? Vermutl. 1870er Jahre
 

Solingen 1870er Jahre
 

Solingen 1870er Jahre



Elberfeld (18. Jh.)


"Zur Elberfelder Trachtengeschichte.

Im Anfang des 18. Jahrhunderts trug man einen hohen Hut 'mit runden Blättern, welche nur lose aufgezügelt' wurden. Doch trug man den Hut nur an Sonn- und Festtagen. An Wochentagen begnügte man sich mit einer ledernen oder 'rauhen' Kappe oder einer wollenen Mütze. Ein weißes Halstuch schlug man um die Schultern, und zwar ließen die Vornehmen solches lang und frei herunterfallen, verzierten es auch mit Fransen.

Der Sonntagsrock reichte bis auf die Waden herab, wies weite, faltige Ärmel und kastaniengroße runde Knöpfe, welche dicht aneinandergereiht waren, auf. Sonst trug man ein Kamisol, dessen Schleifen bis zu den Knieen reichten. Das Kamisol war bis zum Halse zugeknöpft, da Oberhemden noch unbekannt waren. Unter diesem Kamisol trug man das bunte Kalminken oder Unter-Kamisol (auch Wams genannt) mit Messingknöpfen, welches unter dem Ober-Kamisol teilweise zum Vorschein kam.

Die Beinkleider hießen zu jener Zeit Bruck, am Ausgang des vorigen [= 18.] Jahrhunderts Bocks. Sie waren aus Leder oder Leinen verfertigt, sehr weit und ohne Knöpfe. Sie wurden über dem Knie aufgerollt und waren vorne mit einer großen Vorklappe versehen, welche an beiden Seiten zugeknöpft wurde. An beiden Seiten wiesen die Beinkleider lange, tiefe Taschen auf, in welchen man eine lange Scheide mit Messer und Gabel und einen ledernen zugeschnürten Geldbeutel (letzteren stets an der rechten Seite) aufbewahrte.

Zur Winterszeit trug man blaue oder weiße Wollstrümpfe, im Sommer aber weißleinene. Bei der Feldarbeit und auf der Bleiche trug man keine Strümpfe und statt der gewöhnlichen Lederschuhe nur Holzschuhe, Blotschen genannt. Die Sonntagsschuhe wurden vorne von ledernen Riemen oder eisernen Schnallen gehalten; sie waren vorne stumpf und hießen Kuhmäuler. Lederstiefel trugen nur die Fuhrleute; sonst begnügte man sich mit Stiefeletten oder sogenannten Bundhosen aus Leder und schwarzem Steiftuch, welche an den Seiten geknöpft oder geschnürt wurden.

Lederhandschuhe mit Daumen wurden sorgfältig für den Sonntag aufgehoben. In der Woche genügten dicke Wollhandschuhe.

Das Bild eines Elberfelders von dazumal wird vervollständigt, wenn wir bemerken, daß sein Haar lang herunterhing und daß er seinen Knebelbart als seinen höchsten Schmuck betrachtete.

Die Elberfelderin trug in jener Zeit als höchsten Staat eine Jacke aus blauem oder schwarzem Bomesin-Stoff, darunter einen Rock aus Damast oder den Kalminken-Rock, darüber eine Kattun-Schürze oder eine geblümte Schürze aus Spitzen. Über der Brust prangte ein umgestecktes weißleinenes oder 'Süßter Stumpftuch'.

Den Kopf bedeckte eine Nachthaube (Reithuf) mit breiten Streifen oder eine einfach weiße Mütze. Bei der Arbeit trug die Tochter des Hauses sowohl als die Dienstmagd ein kurzes Wams, aus welchem sich die weißen Hemdärmel (Mauen) hervordrängten, dazu einen roten Rock und Holzschuhe an den nackten Füßen. Die Haarflechten hingen entweder lang herab oder waren wie ein Rost um einen blank geputzten eisernen oder messingenen Haarpin herumgelegt."

[Otto Schell, MBGV 8/9 1897 S. 189]



1788 Barmen
Bauer auf dem Feld in Kniebundhosen
 

1788 Barmen
Vornehmere Herrschaften in Kniebundhosen
 

Um 1845 Elberfeld
Lustwandelnde Familie in Sonntagstracht



Bekanntmachung eines Kleider-Diebstahls

Im Solinger Kreis-Intelligenzblatt des 19. Jh. sind fast in jeder Ausgabe Diebstahl-Meldungen zu finden, in denen vor dem Ankauf des Diebesgutes gewarnt wird. Nicht selten sind sogar abgetragene Textilien darunter. In der folgenden umfangreichen Diebstahls-Meldung sind die gestohlenen Kleidungsstücke so detailliert beschrieben, dass man sich heute ein gutes Bild vom Inhalt des Kleiderschranks oder der Truhe eines ordentlich ausgestatteten bergischen Haushalts des Jahres 1846 machen kann. Genau wie damals die Nachbarschaft.


Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 14. Februar 1846


Bekanntmachungen.

In der Nacht vom 3. zum 4. Februar curr., sind aus einem Hause zu Hetterscheidt, unter erschwerenden Umständen, nachstehende Gegenstände gestohlen worden:
 1) Ein fast neuer Oberrock dunkelbraun mit schwarz überzogenen
    geblümten Knöpfen, mit schwarz Orleans gefüttert.
 2) Ein abgetragener schwarzer Frackrock, mit schwarzem Leinen
    gefüttert, und glatt überzogenen Knöpfen.
 3) Eine schwarz tuchene Weste, mit schwarzen eckig geschliffenen
    Glasknöpfen.
 4) Eine gelbe Pique Sommerweste, die Streifen quer, Knöpfe von
    selbigem Stoffe.
 5) Ein dunkelbraunes Beinkleid, oben mit Schockleinen gefüttert.

 6) Ein blau grauer Ueberrock, kaum getragen, mit schwarz überzogenen
    geblümten Knöpfen, von einem zehn Jahre alten Knaben.
 7) Ein schwarz grauer Ueberrock, von einem achtjährigen Knaben,
    mit schwarz überzogenen geblümten Knöpfen.
 8) Ein grüner getragener Ueberrock von Biber, von einem
    sechsjährigen Knaben.
 9) Ein Sommerbeinkleid, gelbbraun gestreift und gerippt, von einem
    sechsjährigen Knaben.
10) Eine Kinderweste von schwarzem Tuche, mit gelben blanken Knöpfen.

11) Eine Kinderweste, aschgrau mit roth und grünen Blümchen.
12) Ein schwarzes Frauenkleid von Zephir.
13) Ein desgleichen von dunkelbraunen Circassien.
14) Ein Frauen-Unterrock von hellbraunen Biber, mit leinenen Oberleibchen.
15) Ein weiß und roth gestreifter Unterrock, von baumwollenen Zeuge.

16) Ein violett geblümtes kattunenes Kleid für eine Frau,
    mit einem losen Kragen dabei.
17) Ein kattunenes Frauenkleid, mit dunkelbraunem Grunde, hellbraunen,
    weißen und hellrothen Blumen.
18) Ein desgleichen mit weiß und braunen Blumen und Streifen.
19) Ein Kinder-Unterröckchen von hellgrauem Tuch.
20) Ein Kinderkleid, blau gedruckt, weiß und grün gemustert.

21) Ein Kinderkleidchen, braun gedruckt, hellbraun gemustert.
22) Ein braun baumwollenes Tuch mit Frangen daran.
23) Eine Quantität Sayett circa 14 1/2 Pfd. von verschiedenen Farben.
24) Vier weiß leinene Kindertücher.
25) Ein Kinderhemdchen.

26) Zwey Paar große Mannsstiefeln, Halbstiefeln, auf zwey Leisten
    gemacht; ein Paar von Kalbleder mit rothem Saffian gefüttert,
    und ein Paar rindslederne ordinair ausgeschlagen, und vorn und
    hinten mit Nägeln beschlagen.
27) Zwey Paar Frauenschuhe; ein Paar Schnürschuhe und ein Paar
    Kinderschuhe, die letztern oben mit schwarzem Band eingefaßt.
28) Ein Paar Kinder-Schnürschuhe.
29) Ein Paar dito, oben zum Knöpfen.

30) 15 Pfund Kaffeebohnen.
31) Circa ein Pfund gebrannte Kaffeebohnen.
32) Für etwa zwey Thaler Gerstenmehl.
33) Für etwa zwey Thaler Waitzenmehl.
34) Einige Stückchen Baumwolle, von verschiedenen Farben, so wie auch
    dergleichen Garn, in halben Lothen abgewogen, etwa ein Pfund.
35) Sayett in verschiedenen Farben, in halben Lothen abgewogen,
    ohngefähr 1 Pfd.

36) 1/8 Tönnchen schwarze Seife, gezeichnet H.K.
37) 1/16 Tönnchen Heringe, das Tönnchen ist zurückgeblieben.
38) Fünf Pfund Fett, der Topf ist zerschlagen worden.
39) Ein Stück Speck von circa zehn Pfund.
40) Ein halber holländischer Käse, circa 6 bis 7 Pfund.

41) Sechs bis sieben Stück siebenpfündige Brodte, gezeichnet: H.K.M.
42) für zehn Silbergroschen Reihen Weisbrod.
43) eine zinnerne Kaffeekanne, für sechs Portionen, mit zwei Ohren
    und drei Füßen.
44) Eine dergleichen kleinere für 4 Portionen, mit einem runden Fuße
    und zwei Ringen.
45) Eine Kaffeemühle ganz neu, mit messingener Schale.
46) Ein Bügeleisen mit hölzernem Griff, und hinten ein Brandfleck.
47) Drei blaue und weiße baumwollene Knabenmützen.

Indem ich diesen Diebstahl hierdurch zur öffentlichen Kenntniß bringe, und vor dem Ankaufe der gestohlenen Sachen warne, ersuche ich Jedermann, der über den Verbleib derselben, oder über den Dieb Auskunft zu geben weiß, mir oder der nächsten Polizei-Behörde Anzeige hierüber zu machen.

Elberfeld, den 8. Februar 1846.
Der Ober-Procurator
(gez.) von Kösteritz.


Hetterscheid = Heiligenhaus / Velbert?

Piqué = Doppelgewebe aus grobfädigem Untergewebe, feinfädigem Obergewebe, verbunden in bestimmten Mustern.

Schockleinen = leichte Leinwandgattung, Futterleinen, das stark appretiert wird und ungebleicht (Franzleinen) oder schwarz, grau etc. gefärbt und moiriert (Moorleinen) sein kann.

Zephir = leinwandbindiges Baumwollgewebe, meist gestreift oder gemustert.

Kattun = Stoffe aus ungefärbtem Baumwollgarn, später bedruckt.

Saffian = Marokkoleder, meist mit Sumach gegerbtes, häufig bunt gefärbtes Ziegen- oder Schafsleder.

Sumach = Rhus, Bäume u. Sträucher wärmerer Länder mit giftigem Saft; Blätter enthalten Farbstoffe zum Gerben und Färben.

1 Lot = 14,606 Gramm Preußen



Medizinische Aspekte (1823)

Amtsarzt Dr. Spiritus betrachtet 1823 die Bekleidung und insbesondere die Damenmode natürlich auch unter medizinischen Gesichtspunkten:

§ 53 Kleidung [209]

"Hinsichtlich der Kleidung findet ein großer Unterschied zwischen dem hiesigen Fabricanten und Bauern Statt, nicht allein, was Feinheit der Kleidungsstücke, sondern auch den Zuschnitt derselben betrifft, so daß man beide Sonntags, wenn sie in ihren besten Kleidern zur Kirche gehen, wohl unterscheiden kann.

An den andern Tagen trägt der Bauer kurze Beinkleider, Weste und Jacke von groben wollenem Zeuge oder Leinwand und darüber einen Kittel. Der Fabricarbeiter ist dann in seinen Handwerkskleidern, welche im Sommer aus kurzen oder langen Beinkleidern und einem Gillet [210] aus Leinwand und im Winter aus grobem Tuch bestehen, von Schmutz und Eisenstaub ganz schwarz gefärbt. Als Fußbekleidung werden von beiden häufig die Holzschuhe benutzt.

In der Tracht des weiblichen Geschlechts ist jener Unterschied nur in geringerm Grade wahrzunehmen; zwar sind die Weiber und Töchter der Fabrikarbeiter knapper und niedlicher gekleidet wie die Bäuerinnen, doch fangen auch letztere an, sich mehr und mehr unter den Scepter der Mode zu beugen, und man gewahrt den altfränkischen Zuschnitt blos noch bei alten Weibern. So gern aber auch die Töchter des Fabrikarbeiters jede Mode nachmachen, so muß man ihnen doch das Zeugnis geben, daß sie sich im ganzen züchtig kleiden und Brust und Hals gehörig bedecken. Sehr schädlich ist die Gewohnheit der jungen Dirnen [Jungfrauen, Mädchen], bei ihren häuslichen Beschäftigungen ohne Strümpfe, oft sogar ohne Schuhe herumzugehen. ...

Seit den letzten Jahren sind auch hier unter den niedern Ständen die Schnürbrüste üblich geworden, und höchst wahrscheinlich ist bereits manche schwere Niederkunft auf Rechnung derselben zu setzen. Sind diese Producte einer albernen Mode nicht wenig Frauenzimmern aus den höheren Ständen eine Quelle vieler Übel, so gereichen sie Mädchen aus der arbeitenden Klasse vollends zum Verderben, wenn diese, in solche Panzerhemde eingeschnürt, schwere körperliche Arbeiten verrichten wollen.

Das Tragen flanellener Westen unter dem Hemde ist hier sehr üblich, und wohl nicht ohne Schuld der Ärzte, die dasselbe nach einem alten Schlendrian Personen, die sich leicht zu erkälten pflegen und eine schwache Brust haben, anrathen. Abgesehen davon, daß diese Gewohnheit ... an und für sich schädlich ist, weil sie fast beständig einen Schweiß hervorlockt und die Haut erschlafft, so gibt sie auch leicht zu heftigen Erkältungen Veranlassung, wenn es etwa jemandem einfällt, sich auf eine Zeitlang ohne die gehörige Vorsicht davon loszusagen."

[Spiritus / Stremmel S. 164 f]


Anmerkungen des Herausgebers:

[209] Der zu Beginn des 19. Jhs. sowohl im Bürgertum als auch bei der Agrarbevölkerung unter dem Einfluß Frankreichs einsetzende Wandel von Kniehosen mit Strümpfen zu langen Hosen zeigte sich nach Spiritus im Solinger Kreis 1823 erst bei der städtischen, noch nicht bei der ländlichen Bevölkerung.

Eine eigenständige bergische Tracht existierte nicht. Typische Bekleidungsstücke des Bauern wie des Heimarbeiters, teilweise auch der Unternehmer, waren der blaue Kittel, z.T. bis auf die Knie reichend, und die billigen Holzschuhe. Charakteristische Elemente der bergischen Frauenkleidung zu Beginn des 19. Jhs. stellten die in vielen Formen anzutreffenden Hauben dar, die für Spiritus wohl so selbstverständlich waren, daß er sie nicht erwähnte.

[210] frz.: Gilet; Weste oder ärmellose Jacke.


In abgewandelten Varianten sieht man die traditionelle "typisch bergische" Bekleidung der Männer mit blauem Kittel, rotem Halstuch und Schirmmütze manchmal auch heute noch bei Volksfesten und anderen Veranstaltungen mit Lokalkolorit.



 
Echt bergisch:
Rafael Daun und Christian Starke,
Mitglieder des Solinger
"KüchenorKester Aufderhöhe",
waren musikalisch aktiv bei der Eröffnung der Skulpturen-Ausstellung 2006 im Leichlinger "Sinneswald".

Keine bergische Tracht, sondern gutbürgerliche Kinderbekleidung von Anfang des 20. J. zeigen diese Blätter aus einem alten Modejournal:
  Kindergarderobe (1906-1913)



Quellen:
  • Peiniger sen., August (Elberfeld), MBGV 1/1898, S. 24
  • Schell, Otto, MBGV 8/9 1897, S. 189
  • Schmidt, Max in: Schmidthäussler (1922) S. 140-145
  • Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 14.02.1846 [SKIB]
  • Stremmel (1991) / Dr. Spiritus (1823)

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