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Die Ohligser Ortsbezeichnung 'Bockstiege' begegnete mir zum ersten Mal in dem bergischen Schleifer-Roman von Ernst Knupp über den Hasselskotten am Viehbach, der in den 1860er Jahren zur Zeit des Eisenbahnbaus spielt. Damals muss es eine der weniger feinen Gegenden gewesen sein.
- Bockstiege - Ohligs, Emscherstraße - Bärenstall - Ohligs, Sauerbreystraße - Bockstieg - Wald, Ittertal - Eine Redensart |
Lage
1715 ist der Hof 'bockstieg', der zur Honschaft Schnittert gehörte, auf der Ploennies-Karte südlich von 'Pipers" eingetragen.
Diese Angaben passen zur Ploennies-Karte von 1715.
Vielleicht reichte das Gut ja tatsächlich einmal bis hierher. Eher vermute ich aber einen Irrtum. |
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2006 Solingen-Ohligs, Straßenstern Emscher-, Grün-, West- und Emdenstraße |
Bockstiege |
Rheinische Landeszeitung vom 21. Oktober 1940 - ig.
"Auf der Bockstiege"Ein vergessener, über 100 Jahre nachweisbarer FlurnameVon Julius Günther "Mancher Leser wird sich des hier im Bilde wiedergegebenen alten Häuschens erinnern, das im Volksmunde 'Auf der Bockstiege' genannt wurde. Es stand bis vor etwa 10 Jahren auf der Ecke der heutigen West- und Emscherstr. (Restaurant Schumacher), also westlich der Düsseldorfer Str., und mußte wegen seines schon gebrechlichen Zustandes und weil in seiner Nähe neue Häuser entstanden, niedergelegt werden. |
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Vor 1930 Auf der Bockstiege |
Auf einem damals noch ziemlich freien Gelände machte das kleine und so einfache Bauwerk aus der Vorväter Zeiten einen gar merkwürdigen Eindruck. Hier waren die scharfen Gegensätze zwischen neuzeitlicher Bauart mit mehreren Geschossen und dem schmalen engbrüstigen Fachwerkhäuschen [...] so recht ins Auge fallend.
Das Gut oder der früher zusammenhängende Besitz wird im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte durch Erbteilungen in unwesentliche kleinere Splisse zerfallen sein, 1672 war Johann Krings (Urkunde schlecht lesbar?) Reinges Lehnsmann 'auf der Bockstiege'. Später, und zwar 1717, 1719 und 1722 bewirtschaftete ein anscheinend adliger Herr dieses Gut. Um diese Zeit wird nämlich im Walder Kirchenbuch Wilhelm von Winkelhausen 'Uff der Bockstiegen', Uff'r Bockstieg' genannt. Damit abwechselnd erscheint auch ein Conrad von Winckelhaus auf der Bockstiege, wahrscheinlich derselbe, der 1716 als 'Zum Scheid beim Ohligs' erwähnt wird. Nach diesem Scheid, das möglicherweise auch zum Lehnsgut Bockstiege gehörte, wurde die spätere Scheiderstraße benannt, die jetzt 'Heiligenstock' heißt.
Über die Bedeutung des Wortes Bockstiege ist noch zu sagen, daß Stiege, Stege, in älterer Zeit Lattenverschlag für Kleinvieh, Stall, Pferch bedeutete.
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Weitere Deutungen des Ortsnamens Bockstiege
Dies ist nicht geschehen, die Ortsbezeichnung ist verschwunden. Aber schon kurz nach Erscheinen des zitierten Artikels tauchten neben der Deutung als "Bockstation" weitere Deutungen des Ortsnamens auf.
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Aber die Ziegenböcke ließen die heimatkundlichen Autoren auch weiterhin nicht ruhen. Zehn Jahre später griff der Sprachforscher Bernhardt sie mit folgender Variante wieder auf: |
Solinger Tageblatt vom 11. Juli 1950
"Auf der Bockstiege" Von Professor Bernhardt "[...] Für die immer wiederholte Meinung, Bockstiege bedeute Bockstation oder Bockhalterei, gibt es keine Unterlagen. Es ist auch gar nicht sicher, ob das Tier gemeint ist. Bock ist ein hölzernes Gestell verschiedener Art, heutzutage auch ein Turngerät, und ein beliebtes Kinderspiel ist das Bockspringen. Nach dem Vorkommen des Wortes Bockstiege in anderen Gegenden ist Grund zu der Vermutung vorhanden, daß das Wort ein Gestell bedeutet, mit dessen Hülfe man über einen Zaun, eine Landwehr oder sonstiges Hindernis 'steigen' kann. Eine solche Vorrichtung heißt in süddeutschen Mundarten Stiegel. [...]" |
Denkbar ist auch noch eine andere Deutung des Ortsnamens Bockstiege: In sumpfigem Gelände wurden früher gelegentlich von Holzpfählen (Böcken) getragene Lauf-Stege (Stiegen) angelegt, um ein Passieren des Gebietes zu ermöglichen [Weiland], wie es sie heute z.B. in der Ohligser Heide gibt. Vielleicht war dies auch einmal an der "Bockstiege" der Fall. Mit Datum 22.12.1757 erscheint "Bocksteige" als Wohnort in einem Obligationsprotokoll; Schuldner war Johann Peter von Beck. [Staatsarchiv Düsseldorf - Berg, Gerichte XVI 6 Bd. III 1754-1769] |
Bärenstall
Wenige Tage später nahm sich das Solinger Tageblatt der 'Bockstiege' an. In diesem Fall wurde sie an die Ecke Kamper / Sauerbreystraße verlegt, nicht weit vom Ohligser Rathaus. Der Autor bringt dabei auch wieder den zweifelhaften Ziegenbock ins Spiel.
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Solinger Tageblatt vom 24. Juli 1950
Neues Haus an der alten "Bockstiege"
"Schräg gegenüber dem Ohligser Amtsgericht, an der Sauerbreystraße, geht das Wohnhaus, das anstelle eines Denkmals für die Opfer des Nationalsozialismus errichtet wird, seiner Vollendung entgegen. [...] In sechs bis acht Wochen wird es wahrscheinlich so weit sein, daß die von Lies Ketterer entworfene Gedenktafel feierlich angebracht wird und dann die Angehörigen der Opfer des Faschismus ihre neuen Wohnungen beziehen können.
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Nun kommt also auch noch ein lebendiger (Tanz-)Bär ins Spiel. Wahrheit oder Legende? Weiter unten mehr dazu.
Im Artikel ist von einem Haus an der Sauerbreystraße / Ecke Kamper Straße die Rede, das anstelle eines Denkmals für die Opfer des Naziregimes errichtet wurde. Die Grundsteinlegung hatte am 10. September 1949 stattgefunden; am 7. September 1950 wurde eine metallene Gedenktafel nach dem Entwurf der Künstlerin Lis Ketterer (1905-1976) enthüllt. |
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2008 Das Haus für die Opfer des Faschismus wurde 1950 fertiggestellt. |
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Die Erinnerungstafel befindet sich an der Hauswand an der Kamper Straße. Sie trägt die Aufschrift:
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Plastiken der Bildhauerin Lis Ketterer sind mehrfach im Solinger Stadtbild vertreten: zum Beispiel das Peter Witte-Denkmal am Alten Markt in der Solinger Innenstadt und der Dukatenesel vor der Stadtsparkasse an der Kölner Straße. |
Rhein-Echo vom 4. September 1950 - H.J.
Einst hieß es hier am "Bärenstall""Das hätte sich der alte 'Bärenstall' auch nicht träumen lassen, daß sich auf seinem Grund und Boden dermaleinst ein Gedenkhaus für die Opfer des Naziregimes erheben würde. [...] Es ist dasselbe Grundstück, um die Jahrhundertwende 'Bärenstall' genannt. Seinen Namen erhielt es von der stallartigen Unterkunft, in der tatsächlich ein Tanzbär untergebracht war. Tagsüber zog der Bärenführer mit diesem Bären, einem Affen sowie mit einem Mädchen durch die Gemeinde. Die musikalische Untermalung wurde hierbei von dem Mädchen mit dem 'Lafumm' (Tamburin) geboten." |
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Vor 1895 Kamper Straße / Ecke Sauerbreystraße |
"1895/96 erfolgte der Abbruch des Anwesens unter reger Beteiligung der damaligen Jugend.
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Stadthistoriker Heinz Rosenthal bietet noch eine andere Erklärung an: "Für dieses kleine Haus kommt ... die Auslegung des Begriffes im Sinne eines Fabrikbetriebes nicht in Betracht. Es kann aber auch sein, daß die Bezeichnung dieses Hauses überhaupt nichts mit der Industrie zu tun hat, sondern auf die Landwirtschaft zurückgeht. In Solingen war es 1784 üblich, einen Zuchteber als 'Bär' zu bezeichnen; hier lebte das mittelhochdeutsche Wort 'bêr' noch fort. Daher kann die Bezeichnung 'Bärenstall' für das erst nach dem letzten Krieg abgerissene Haus den Standort eines Zuchtebers gemeint haben." [Rosenthal 3 S. 58]
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Um 1910 Bär und Bärenführer in der Altenhofer Straße Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen |
Die Ittertaler "Bockstieg"Eine "Bockstieg" in des Wortes wahrer Bedeutung gab es lt. einer Zeitungs-Notiz von 1940 auch in Wald, "wenigstens im Mundartgebrauch mancher alten, eingeborenen Ittertaler": |
Solinger Tageblatt vom 15. November 1940 -wa-
"[...] Vor fünfzig Jahren wohnte im Bezirk der mittleren Obenitterstraße der Ziegenbockhalter Biesenbach. Nach seiner Bockstation wurde der ganze dortige Bezirk 'An der Bockstieg' genannt. Diese Ittertaler Ortsbezeichnung bekommt man auch heute noch mitunter zu hören. Hier wird der Name Bockstieg zweifellos in dem ihm am nächsten liegenden Sinne gebraucht, wovon sich die Ittertaler Ziegenbesitzer, wenn ihre 'Hippen' zum Bock 'geleit' wurden, immer wieder überzeugen konnten. Warum - so darf man wohl fragen - soll dem gleichen Namen in Ohligs nicht der gleiche Sinn innewohnen? Man sollte davon absehen, ohne zwingende Gründe den am nächsten liegenden Sinn eines einheimischen Ortsnamens beiseitezuschieben." |
Eine Leserin machte mich auf eine alte Solinger Redensart aufmerksam: "staats wie der Mons von der Bockstieg". Gemeint war eine "übertriebene, eher neureiche Eleganz". Vielleicht ein "Aufsteiger" aus dieser früher eher weniger eleganten Gegend? |
Quellen:
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