www.ZeitSpurenSuche.de

Klingenhandwerker-Bruderschaften
im 15. bis 18. Jahrhundert

Privilegien

Um bei der stetigen Ausdehnung der Handwerke Anfang des 15. Jh. jedem sein Auskommen zu sichern, sollten feste Regelungen und Ordnungen eingeführt werden. Dazu schlossen sich die Solinger Handwerker zu drei Bruderschaften zusammen. Sie erhielten landesherrliche Privilegien.

Nicolaus Hocker schrieb 1867 in seinem Bericht über "Die Großindustrie Rheinlands und Westfalens": "Herzog Wilhelm II. ertheilte 1401 dem Härder- und Schleiferhandwerk zu Solingen das erste Privilegium, das sein Nachfolger Wilhelm III. auch auf die Schwertfeger und Schwertschmiede ausdehnte. Die Messerfabrikanten erhielten 1571 von Wilhelm IV. ihre ersten Statuten." [Hocker 1867] Letzteres geht aus einer Urkunde vom 14. Januar 1571 hervor.

Im 15. Jahrhundert erhielten folgende Handwerkergruppen Privilegien:
-  die Härter und Schleifer 1401 (Schleifer-Privileg),
-  die Schwertfeger und Reider 1412 (Schwertfeger-Privileg) und
-  die Schwertschmiede 1472.

"Diese Privilegien sind nur aus späteren Abschriften bekannt. Die angegebenen Daten besagen nichts über die Entstehung der Solinger Bruderschaften." [Rosenthal 1 S. 101]


Organisation

An der Spitze jeder Bruderschaft stand ein von ihr gewählter Vogt mit ebenfalls gewählten Ratsmännern.

Bei den Schwertschmieden, den Härtern und Schleifern wurden je vier Ratsmänner gewählt, bei den Schwertfegern sechs.

Die allen Privilegierten gemeinsamen Angelegenheiten unterstanden dem Ausschuss der Sechsmänner, der 1487 zuerst erwähnt wird, aber wohl schon um das Jahr 1447 vorbereitet wurde. Er setzte sich aus je zwei Angehörigen der drei geschlossenen Handwerke zusammen und unterstand dem vom Herzog ernannten Obervogt.


Verbleibungseid

Um den auswärtigen Wettbewerb nicht auf Kosten Solingens zu fördern, mussten sich die Schwertschmiede sowie die Härter und Schleifer durch den Verbleibungseid verpflichten, das Land nicht zu verlassen bzw. das erlernte Handwerk nicht an einem anderen Ort auszuüben. Die Söhne durften in ihrer Gesellenzeit nicht wandern. Kein Meister durfte einen Lehrling annehmen, der nicht zünftigen Familien entstammte.


Weitere Bestimmungen und Privilegien

Nur eheliche Söhne waren berechtigt, in das Handwerk aufgenommen zu werden, dem der Vater angehörte. Im Privilegium der Härter und Schleifer ist von einer Aufnahmegebühr für Fremde die Rede. Sie war auf 18 rheinische Gulden festgesetzt. Auch gegen einander schotteten sich die Bruderschaften ab.

Härter und Schleifer hatten das Vorrecht, Kotten und sonstige für sie geeignete frei werdende Werkstätten als erste zu beanspruchen (das sog. Einstandsrecht). Es wurde später auf Wohnungen und Grundstücke ausgedehnt und den Angehörigen der übrigen privilegierten Handwerke ebenfalls eingeräumt. Häufige Streitigkeiten waren die Folge, und Prozesse waren seit Beginn des 17. Jh. bei den Solinger Handwerkern an der Tagesordnung.

Alle Privilegierten hielten zusammen, wenn sie gemeinsame Interessen zu verfechten hatten. Aber sie führten auch untereinander Prozesse, die oft jahrzehntelang das Reichskammergericht beschäftigten und deren hohe Kosten nicht selten das Zahlungsvermögen der Beteiligten überstiegen.

Den Angehörigen der drei geschlossenen Handwerke stand es immer schon frei, das Messermachen zu erlernen und auszuüben, und so saßen im Rat des Messermacher-Handwerks neben dem Vogt je ein Mitglied der drei alten Bruderschaften und nur ein Vertreter der "neuen" Messermacher. Wie bei den anderen Bruderschaften durften auch hier nur eheliche Söhne eingeschriebener Handwerksbrüder neu aufgenommen werden.

Eine weitere kleine Bruderschaft bildeten die Kreuz- und Knaufschmiede, die am 10. Oktober 1623 von Herzog Wolfgang Wilhelm ein neues Privilegium mit der Bestätigung der früher erteilten Vorrechte empfing. - Das ursprüngliche Privileg war beim Stadtbrand 1581 verlorengegangen. [Weyersberg S. 12]


Privilegium
 
1623
Privilegium der Kreuz- und Knaufschmiede
einschl. der Buchsbaumkapsel
mit dem herzoglichen Siegel.
Abb. bei Weyersberg

Familien

Nur einzelne Familien waren in mehreren Handwerken vertreten (Bavert, Henckels, Hermans, Hermes, Kirschbaum, Koller, Mentgen, Willms). So befanden sich manchmal schon seit dem 15. Jh., mindestens aber seit Anfang des 17. Jh. die Mitglieder fast aller alten Solinger Familien - als Handwerksbrüder oder als Kaufhändler - dauernd in ein und derselben privilegierten Bruderschaft. Familie Mutz war bei den Schleifern und Härtern vertreten. Als Neuaufnahmen sind nur die von Lüneschloß und Wüsten bekannt.

  Die in den privilegierten Handwerken der Solinger Industrie vertretenen Familiennamen
  Frühes Vorkommen Solinger Handwerker-Familiennamen in Köln

Kritik und Ende der Zunftgesetze

Johann Heinrich Jung (Jung-Stilling) kritisierte in seiner Schrift "Von dem Nassau-Siegischen Eisen- und Stahlgewerbe in dem Herzogthume Berg" im Jahr 1779 die strengen Richtlinien dieser geschlossenen Handwerke als schädlich für die Solinger Stahlwarenindustrie: "Auch sind die Solinger auf ihre schädlichen Rechte so verpicht, daß sie von Mord und Tod sprechen, sobald man nur im mindesten Miene macht, einen kleinen Eingriff in dieselben zu wagen." [Jung]

Wechsel zu anderen Berufen kamen zunächst kaum vor. Selbst wenn ein Handwerkersohn ein Studium aufnahm, geschah dies unter Wahrung der ererbten Rechte für die Nachkommen. Als aber später die Nachfrage nach Klingen und Messern zeitweise nicht mehr die stetig wachsende Zahl der zum Handwerk Berechtigten auslastete, waren viele gezwungen, sich andere Erwerbmöglichkeiten zu suchen. [Weyersberg]

Die Zunftgesetze, die zunächst einen großen Aufschwung bewirkt hatten, führten im Laufe der Zeit immer wieder zu Streitigkeiten zwischen zünftig gebundenen und zunftfreien Gewerben. Alle diese Streitigkeiten endeten am 1. März 1809 durch ein Dekret Kaiser Napoleons, das die Gewerbefreiheit einführte. Damit wurden alle Zünfte und Innungen aufgelöst und die Handwerksprivilegien beseitigt. Viele Schleiferfamilien blieben in ihrem alten Beruf, aber von nun an konnten auch andere ihn ausüben.



Quellen:
  • Hocker (1867)
  • Horstmann (1971)
  • Jung / Merk (1992)
  • Rosenthal 1. Bd. (1973)
  • Weyersberg (1922)

Übersicht      nach oben     

www.zeitspurensuche.de   Copyright © 2002 Marina Alice Mutz