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Der Taufstein und der sogenannte Dariakopf
Heute existiert als einziges Objekt nur noch ein etwa lebensgroßer Stein-Kopf, der so genannte "Dariakopf". Er besteht aus Namurer Blaustein (nicht, wie in einem älteren Gutachten angegeben, aus Basalt) und ist bis auf die Nasenspitze gut erhalten. Es ist davon auszugehen, dass er mit drei ähnlichen Köpfen Bestandteil eines Taufsteins aus demselben Material war, das vermutlich aus dem 12. Jh. stammte. Es handelt sich bei dem erhaltenen Kopf also keineswegs um eine Darstellung der Daria oder einer anderen Heiligenfigur, wie in besagtem Gutachten (1951) noch vermutet wurde.
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Rekonstruktionsversuch (Vollmar): der Haaner Taufstein |
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Der sog. Dariakopf, früher Teil des Taufsteins |
Erhaltene Steinköpfe an Taufbecken in anderen Kirchen
Ähnliche (vollständige) Taufbecken mit ähnlichen, teils kleineren und schlichter oder stilisierter gearbeiteten Köpfen, manche mit kronenartigem "Kopfschmuck", sind noch relativ häufig erhalten, auch in einigen Kirchen der näheren Umgebung, wie ich per Zufall nach und nach feststellte. Insofern ist überraschend, dass die Funktion des Haaner "Dariakopfes" erst relativ spät und selbst von Fachleuten nicht erkannt wurde. Die Materialbestimmung bereitete aber offenbar auch anderswo Schwierigkeiten.
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Wittlaer - St. Remigius
Das Taufbecken in der St. Remigius-Kirche in Düsseldorf-Wittlaer ähnelt der Rekonstruktions-Zeichnung von Harro Vollmar; auch die Köpfe weisen die größte Ähnlichkeiten mit dem Haaner Steinkopf auf, sind allerdings kleiner.
Der Taufstein wird auf das 13. Jh. datiert, der Bildhauer ist unbekannt. Die Maße: max. Höhe ca. 1,05 m, max. Breite 1,20 m, max. Tiefe 1,20 m.
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2006 Taufstein in der St. Remigius-Kirche in Düsseldorf-Wittlaer |
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Erkrath - St. Johannes der Täufer
In der kath. Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in Erkrath steht ein vergleichbares Taufbecken aus dem 12. Jh., gefertigt aus Namurer Blaustein in einer Werkstatt des Rhein-Maas-Gebietes. [Kleiner Kirchenführer] Lt. Paul Clemen: "Taufstein, 1,05 m hoch, aus schwarzem Granit, aus dem 13. Jh, grosses rundes Becken mit Rundbogenfried und vier Eckköpfen, auf kräftigem Mittelcylinder mit vier Ecksäulen." [3. Bd. I S. 91]
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2008 Taufbecken aus Namurer Blaustein (12. Jh.) in der Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in Erkrath |
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2008 Einer der vier Köpfe am Taufstein in der Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in Erkrath |
Mettmann - St. Lambertus
Am Taufstein in der Lambertuskirche in Mettmann, ebenfalls aus dem 12. Jh., sind die Köpfe vergleichsweise winzig. "Säule und Becken zeigen das Achteck im Grundriß, wie auch der Helm des Kirchturms. Die Achtzahl ist das Symbol der Ewigkeit oder Vollkommenheit. Am oberen Rand des Taufbeckens sind vier Eckköpfe mit einem stilisierten Gesichtsausdruck angebracht. Der Kunsthistoriker Wille aus Wuppertal deutet diese Eckköpfe als ein Symbol der vier paradiesischen Ströme [...] Pison, Gihon, Tigris, und Euphrat: Das aus göttlicher Schöpferkraft quellende Wasser zum Segen aller Geschöpfe."
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2008 Eines der vier schwarzen Köpfchen am Taufstein der Lambertuskirche in Mettmann |
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Auch das romanische Herkenrather Taufbecken wurde aus Naumurer Blaustein gefertigt. Die vier unterschiedlichen, stark hervortretenden menschlichen Köpfe teilen auch hier die Beckenwand in vier gleich große Felder, die mit Reliefs von Tier- und Fabelwesen und Ranken verziert sind. Die Köpfe und Darstellungen ähneln sehr stark denen an den Taufsteinen in der Antoniterkirche und im Schnütgen-Museum; die Köpfe ähneln insbesondere auch dem Haaner Kopf. |
2012 Romanischer Taufstein in der Kirche St. Antonius Abbas in Herkenrath |
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2012 Einer von vier unterschiedlichen Köpfen am Taufstein in Herkenrath |
Im südlichen Seitenschiff der Antoniterkirche steht ein romanischer Taufstein, bei dem es sich ebenfalls um eine niederrheinisch-maasländische Arbeit aus Naumurer Blaustein aus dem 12. Jh. handelt. Auch hier befinden sich an den Seiten des Beckens vier menschenähnliche Eckköpfe. Der Taufstein ist mit reliefartigen Darstellungen von Löwen und Drachen verziert. Er steht auf einer zylindrischen Säule.
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2012 Romanischer Taufstein (12. Jh.) in der gotischen Antoniterkirche an der Schildergasse in Köln |
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2011 Einer von vier Köpfen am Taufstein in der Antoniterkirche, Köln |
Der schwarze Taufstein in der romanischen Kirche St. Maria in Lyskirchen (teilweise auf Ende 13. Jh. datiert) wird getragen von einem Mittelzylinder und acht Säulchen. Am Taufbecken sind acht unterschiedlich ausgestaltete menschliche Steinköpfe angebracht. |
2011 Taufstein in der Kirche St. Maria in Lyskirchen, Köln |
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2012 Acht Köpfe zieren das Taufbecken in St. Maria in Lyskirchen. |
Von ganz anderer Art und jünger als die bisher genannten ist das reich verzierte achteckige Taufbecken aus hellem Kalkstein in Groß St. Martin aus der ersten Hälfte 13. Jh. Auch hier sind an vier Ecken stilisierte Köpfe angebracht. Sie sehen weder wie menschliche noch wie Tierhäupter aus; es soll sich um Löwenköpfe handeln. Vermutlich wurde dieser Taufstein aus der älteren Brigidenkirche übernommen. |
2012 Taufstein in der romanischen Kirche Groß St. Martin, Köln |
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2012 Einer von vier Köpfen am Taufstein in Groß St. Martin, Köln |
Über ein weiteres mit dem Haaner Exemplar vergleichbares romanisches Taufbecken in der Kirche St. Peter in Zülpich (im Jahr 848 erstmalig urkundlich erwähnt) lese ich: "Am oberen Rand des Beckens befinden sich so genannte Neidköpfe, die als Abwehr gegen das Böse dienen sollten." [Website 3] |
2014 Romanischer Taufstein in der kath. Kirche St. Peter in Zülpich |
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2014 Einer der vier flach und schlicht gearbeiteten Köpfe am Taufstein in Zülpich |
AndereÄhnliche romanische Taufbecken sollen z.B. in Euskirchen, Kürten, Leverkusen und im Münster St. Vitus in Mönchengladbach erhalten sein. Auch in der (nicht mehr vorhandenen) Maternus-Kapelle von Haus Bürgel in Monheim, der ältesten Kirche von Zons, stand ein auf das 12. oder 13. Jh. datierter vergleichbarer Taufstein aus Namurer Blaustein mit Köpfen, Löwen- und Drachenrelief. "Er blieb im Besitz der Grafen von Nesselrode, die Haus Bürgel 1698 erwarben und bis 1989 bewirtschafteten. Der Taufstein befindet sich heute in der Kirche St. Nikolai in Brandenburg an der Havel." [Website 5] |
Die seltsamen Abenteuer des Haaner Steinkopfes
Der "Daria-Kopf" (wie er in Haan nun einmal genannt wird) aus der alten Haaner Kirche wurde 1936 wiederentdeckt. Was war mit ihm geschehen? "Die Erhaltung dieses Stückes ist nicht dem Walten kunstverständiger Umsicht, sondern dem Schelmenstück unzufriedener Maurer zu danken.
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Schutzpatron Kilian
Außer Chrysantus und Daria wird auch der heilige Kilian als Patron der alten Haaner Kirche genannt. Demnach muss später mit dem Patrozinium gewechselt worden sein.
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"Das Bestehen eines Kilianspatroziniums in Haan wird durch zwei voneinander unabhängige glaubwürdige Quellen nachgewiesen: das 1695 abgeschlossene, nach amtlichen Unterlagen zusammengestellte kirchliche Pfründenregister des J.P. Holthausen und die von J.A. v. Recklinghausen 1818 fixierte örtliche Überlieferung Haans.
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"Kilian ist hier ebenso wenig bekannt wie das römische Märtyrerehepaar. Er kam aus Schottland und hat in der Würzburger Gegend im frühen Mittelalter missioniert. So gilt er gemeinhin als Apostel der Franken. Eine Holzbüste von Tilman Riemenschneider zeigt ihn mit der Bischofsmütze und Krummstab. [...] Es erhebt sich auch hier wieder die Frage, wie Kilian nach Haan gekommen sein mag. Es läßt sich nur vermuten, daß ein in Haan amtierender Pfarrer, der aus dem fränkischen Gebiet stammte, den Anstoß dazu gegeben hat. [...] Kilian ist der Schutzherr der Winzer, wo sie auch wohnen mögen." [Heinson S. 99 f] |
Die Glocken
Zu Beginn des 19. Jh. bestand das Geläute der alten Haaner Kirche offenbar aus zwei Glocken. Als Glockengießer wird Heinrich v. Overraide II angegeben, später die Werkstatt Wilhelm Rinker & Söhne von Leun (auch Rincker geschrieben). "Hinzu kam als dritte Glocke die Salvatorglocke von 1542, die aber nicht zum Hauptgeläute gehörte, sondern damals bereits als Uhrglocke diente. Als solche ist sie aber sicherlich nicht gegossen worden." [Poettgen]
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"Sie besteht in der Tat aus arabischen Zahlen, aber diese bedeuten, wie von Archivrat Dr. Günter v. Roden an Ort und Stelle festgestellt werden konnte, nicht 1182, sondern einwandfrei 1542. Die Ausführung der 5 und der 4 entsprechen zwar nicht unserer heutigen Schreibweise, aber dafür umso mehr dem Gebrauch der damaligen Zeit. Eine andere Lesart kommt auch nach dem, was bereits oben über das Aufkommen der arabischen Zahlen gesagt wurde, nicht in Betracht." |
Arabische Ziffern waren lt. Strangmeier im 12. Jh. bei uns noch nicht in Gebrauch, sondern "diese haben erst um das Jahr 1400 bei uns Eingang gefunden" [S. 32]
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Jahreszahl an der ältesten Haaner Kirchenglocke. Abzeichnung von Dr. Günter v. Roden, Düsseldorf |
1820 war die große, 1750 Pfund schwere Glocke gesprungen und musste neu gegossen werden. 1824 wurde zusätzlich eine kleinere Betglocke gegossen. Damit war die alte Kirche mit insgesamt vier Glocken ausgestattet. |
"Die große Glocke (881 kg) [...] trug die Inschrift:
P.I. Momm, P.I. Holthausen, Schullehrer, A. Lüttgen, F. Schmachtenberg, P. Steinberg; J. Büscher; P. Schulten; H. Hecker. Gegossen von Wilhelm Rinker & Söhne von Leun 1824 Rechts [neue Kirche] hing die Mittagsglocke (420 kg) mit der Inschrift:
Neinhaus, Pastor; Mohr; P. Dörner; F.W. Kriekhaus; F.W. Kölker; A. Huhn; P. Gröner; J. König; P. Volkmann; D. Hammerstein; F. Stöcker; K. Lüttgens; W. Benninghoven. Gegossen von W. Rinker aus Elberfeld 1842
Gegossen von W. Rinker von Leun 1824 |
In den Kirchenneubau wurde 1864 das komplette Geläute mit Glockenstuhl übernommen, zusätzlich die Salvatorglocke, die wie in der alten Kirche außen am Turm als Uhrglocke diente.
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Abtransport der beiden großen Kirchenglocken 1942. Aufschrift: "Evgl. Kirchengemeinde Haan". Bild-Quelle: Ev. Kirchengemeinde Haan |
Skelettfunde
Während der schon erwähnten Tiefbauarbeiten für das Stadtbad am Alten Kirchplatz wurde dort 1972 eine für die Forschung hochinteressante Entdeckung gemacht: 18 weibliche Skelette! Die Verstorbenen sollen im Alter von etwa elf bis 65 Jahren beigesetzt worden sein, nur wenige Meter südwestlich der alten Kirche. Vermutlich gab es noch weitere Skelette, die aber während des laufenden Baubetriebes nicht erkannt werden konnten.
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2006 Schädel mit Bronzeband, aufbewahrt in Haus Stöcken |
Bei den Ausgrabungen am Alten Kirchplatz kam 1973 unter unter der Südmauer der Kirche noch mehr Unerwartetes zum Vorschein: ein voll ausgemauertes, aber leeres Steinkistengrab mit Kopfnische, 2,35 m lang und 1 m breit. [Vollmar] |
DenkmalUm die uralte Haaner Kirche nicht ganz in Vergessenheit geraten zu lassen, ist ihr Standort 1974 als Fundament-Denkmal hergerichtet worden. Die ergrabenen und konservierten, nun wieder unterirdisch verborgenen Kirchenfundamente sind mittels unterschiedlicher Pflasterung, Plattierung und durch "mauergleiche Sitzbänke" angedeutet. Dies vermittelt immerhin einen groben Eindruck vom Grundriss und von den Größenverhältnissen - vorausgesetzt, man bemerkt es überhaupt. Ein großer, aber unauffälliger Stein weist seit Mai 1975 auf die Historie hin: |
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AN DIESEM PLATZ WURDE DIE ERSTE HAANER KIRCHE ERBAUT UND 935 DURCH ERZBISCHOF WICHFRIED VON KÖLN GEWEIHT. SIE WAR 1589 EINE DER GRÜNDUNGSKIRCHEN DER REFORMIERTEN BERGISCHEN SYNODE. DAS BAUWERK WURDE IM JAHRE 1863 ABGEBROCHEN. Fundamentdenkmal auf dem Alten Kirchplatz: Die Grundmauern der alten Haaner Kirche wurde mit der Pflasterung nachempfunden. Foto: Harro Vollmar |
Ein Modell der alten Haaner Kirche, das mit den verschiedenen Anbauten den Bauzustand um 1500 wiedergibt, kann im "Bergischen Museum Schloss Burg an der Wupper" besichtigt werden (Stand 2010). Werner Selzer hat es nach Ausgrabungsfunden und Rekonstruktionen durch Harro Vollmar und Dirk Soechting gebaut. |
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2006 Modell der alten Haaner Kirche im Bergischen Museum Schloss Burg |
Weiter: Bemerkungen zur mittelalterlichen Geschichte der Siedlung Haan (Harro Vollmar) |
Quellen:
Internetseiten:
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