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Die alte Haaner Kirche. Nach einer Zeichnung von Wilhelm Lomberg, Haan |
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Die Haaner Kapelle im Mittelalter
Die alte Haaner Kirche, ein romanischer Steinbau, wurde vermutlich im 10. Jh. als Tauf- und Betkapelle auf dem heutigen Alten Kirchplatz errichtet. Dies lässt sich aus dem alten Weihestein ableiten, der erhalten geblieben ist.
Anfang der 1970er Jahre kam es in Haan zum Abbruch vieler alter Fachwerk- und Schieferhäuser, darunter auch am Alten Kirchplatz. Dort sollte in unmittelbarer Nähe zum Standort der alten Kirche das Stadtbad entstehen. Während der Ausschachtungsarbeiten ergriff Vollmar die Gelegenheit zu praktischer Forschungsarbeit.
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Die alte Haaner Kirche. Grafik nach einer Zeichnung von Friedrich August de Leuw aus dem Jahr 1849. Die Proportionen wirken weniger gedrungen, die Dachkonstruktion anders als bei Lomberg und das ganze Gemäuer etwas verfallen. De Leuw hat allerdings nicht immer streng und maßstabgetreu "nach der Natur" gezeichnet und gern ein wenig romantisiert. |
1928 beschrieb der Pädagoge August Lomberg den damaligen Wissensstand im Haaner Heimatbuch, wie er auch Generationen von Haaner Schulkindern vermittelt wurde:
"Um die Mitte des zehnten Jahrhunderts hatte sich die Zahl der Ansiedler so gemehrt, daß man die Errichtung einer besonderen Tauf- und Betkapelle für notwendig erachtete. Da Haan damals noch mit Hilden aufs engste verbunden war, so wurde der Bau des Kirchleins auch von dort aus in die Wege geleitet. Es entstand also eine Filialkirche von Hilden."
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Abbrüche, Überbleibsel und Entdeckungen
1853 hieß es in einem Schreiben: "Die Kirche der evangelischen Gemeinde zu Haan, welche bereits 900 Jahre gestanden hat, ist nicht nur zur Aufnahme der 3000 Seelen starken Gemeinde zu klein, sondern auch durch das Alter so zerstört, daß eine Reparatur oder Erweiterung nicht unternommen werden kann."
Dass die alte Kirche in Verkennung ihres Wertes als Baudenkmal abgebrochen wurde, ist auch nach über 140 Jahren schwer nachzuvollziehen und sehr bedauerlich. In einem Schreiben der Königlichen Regierung, Abteilung des Inneren, vom 18. Mai 1854 hatte sich das noch ganz anders angehört:
"Der Herr Minister des geistlichen Unterrichts und Medizinal Angelegenheiten hat uns auf einen die Erhaltung der alten evangelischen Kirche zu Haan betreffenden Bericht vom 3. Mai unter dem 8. d. Mts. eröffnet, daß er den Abbruch dieser Kirche nicht gestatten könne, da dieselbe zu den Denkmalen gehöre, deren Erhaltung gesichert werden müsse." |
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1857 Südliche Ansicht der alten Kirche von Haan In dieser Skizze ist die angebliche Baufälligkeit durch Einzeichnung großer Mauerrisse demonstriert. Über dem Eingangsportal ist als kleines Rechteck der Weihestein von 935 angedeutet. Abb. bei Vollmar |
Viel ist nicht übrig geblieben. Einzelne Teile sind aber in die 1864 eingeweihte neue evangelische Kirche an der Kaiserstraße "hinübergerettet" worden:
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Der rätselhafte Weihestein
Über der Tür der 1863 abgebrochenen alten Kirche war ein uralter Denk- oder Weihestein eingemauert, der mit seinen seltsamen Hieroglyphen und Abkürzungen interessierten Forschern immer wieder Rätsel aufgegeben hat. Er stammt aus dem 10. Jh. und soll der zweitälteste Deutschlands sein.
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2012 Die sehr sorgfältig in den Stein gravierte Clematius-Inschrift in der romanischen Kölner Kirche St. Ursula. Sie ist in die Südwand des gotischen Chors eingemauert. |
Später wurde der Haaner Weihestein in die am 14.12.1864 eingeweihte neue evangelische Kirche an der Kaiserstraße übernommen und zunächst in der Sakristei, später im Chor hinter dem Altar eingemauert. Dort ist er noch heute zu sehen. Die Inschrift gab und gibt den Fachleuten erhebliche Rätsel auf und führte zu sehr unterschiedlichen Übersetzungen. |
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Weihestein der alten Haaner Kirche aus dem 10. Jh., heute eingemauert im Chor der evangelischen Kirche an der Kaiserstraße. Foto: W. Grotenbeck, Haan Bild-Quelle: Stadtarchiv Haan |
»Von dem ehrwürdigen Erzbischof Wichfried
ist am 4. August diese Kirche eingeweiht worden zu Ehren der heiligen Märtyrer Chrysantus und Daria. |
So lautet die lateinische Inschrift lt. Vollmar in deutscher Übersetzung. Wie er 1973 zu dieser Lesart kam, dazu später mehr. Frühere Forscher waren teilweise zu ganz anderen Interpretationen gelangt, hatten aber etwas Entscheidendes übersehen oder noch nicht deuten können. So schrieb Lomberg 1928 im Heimatbuch, der "Haaner Geschichtsbibel": |
"Nachdem der Bau vollendet war und durch den Erzbischof zu Köln die kirchliche Weihe erhalten hatte, meißelte man in den Stein über dem Eingange folgende lateinische Inschrift ein:
A venerabili archiepiscopo Wichfrido II nonas augusti dedicata est ecclesiae in honorem sanctorum martyrum Chrysanti et Daria Alegerus humilis diaconus erexit hoc oratorium Zu deutsch: Von dem ehrwürdigen Erzbischof Wichfried II. ist am 5. August diese Kirche eingeweiht worden zu Ehren der heiligen Märtyrer Chrysantus und Daria. Alegerus, ein einfacher Diakon, hat dieses Bethaus errichtet. Eine Jahreszahl ist nicht angegeben. Da aber Wichfried II von 925 bis 953, nach anderer Angabe von 928 bis 956 Erzbischof von Köln war, so muß die Einweihung in diese Zeit gefallen sein." [Lomberg 1928 S. 53] |
Nur - wo steht "ALEGERUS"? - August Lomberg war Lehrer und in der Lokalgeschichte sehr bewandert, aber er war weder Forscher noch Historiker. Letzteres war aber Theodor Josef Lacomblet, von dem er den Inschriftentext samt Übersetzung übernommen hat [1854, S. 101 f]. Warum hätte Lomberg an dessen Aussage zweifeln und sich den Weihestein vor "Ort" noch einmal ganz genau ansehen sollen? Und wenn - hätte er in Unkenntnis alter Satzzeichen überhaupt Verdacht geschöpft? |
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Lesart von Lacomblet (1854) Abb. bei von Roden |
So sieht der Inschriftentext bei Lacomblet aus (Abb.): Er hat in Zeile 5 das hochgestellte Kreuzchen zwischen ALE und GER unterschlagen, aus einem Satzzeichen ein 'D' (DIOC) konstruiert und nebenbei auch das letzte 'I' weggelassen. Kleine, aber für die Deutung entscheidende Abweichungen.
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"II non. = secundo oder pridie nonas, beim Monat August also der 4. Tag. (Die Nonen bezeichnen im altrömischen und im mittelalterlichen Kalender den 5. Tag des Monats, im März, Mai, Juli und Oktober den 7.; II non. bedeutet den Tag davor.)" [S. 13] |
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Auch von Roden hat das Sternchen zwischen ALE und GER ignoriert und schreibt weiterhin von einem Erbauer namens "ALEGERUS". Abzeichnung von Günter von Roden (1951) |
Eine detaillierte Variante zur Auflösung des Rätsels folgt später im Aufsatz von Harro Vollmar.
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Nachtrag 23. Juli 2015:
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Die Märtyrer Chrysantus und Daria
Auf dem Weihestein werden die beiden Märtyrer Chrysantus und Daria genannt. Sie waren die Schutzpatrone der alten Haaner Kirche. Es handelte sich um ein römisches Ehepaar vornehmer Herkunft, das vom Heidentum zum Christentum übertrat und sich in der Verbreitung des christlichen Glaubens engagierte.
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Sagen und Legenden Die Legende
"Chrysanthus war der Sohn vornehmer, aber heidnischer Eltern, die zuerst in Alexandrien wohnten und dann nach Rom übersiedelten. Hier machte Chrysanthus die Bekanntschaft des Priesters Carpophorus und wurde von diesem zum großen Leidwesen seiner Eltern zum Christentum bekehrt. Sein Vater, der dem römischen Senat angehörte, war so erzürnt, daß er seinen Sohn in den Kerker werfen ließ.
"Die Legende erzählt, daß beide wunderbar behütet wurden. Der Frau Daria gesellte sich ein Löwe zu, der sie beschützte, daß ihr keiner zu nahe kommen durfte. Dem Chrysanthus gelang es, den Hauptmann des Gefängnisses samt seiner Familie und den Soldaten zu Christus zu bekehren. Da es niemand vermochte, sie zum Abfall zu bringen, verurteilte man beide zum Tode. [...]
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Dass es auch in der alten Haaner Kirche Darstellungen der beiden Patrone gegeben hat, lässt sich aus der letzten Predigt in der alten Kirche ableiten, die am 23. August 1863 gehalten wurde. Dort hieß es: »Da (im Jahr der Reformation) wurden die Heiligenbilder aus diesem Raum geschafft - sehet da noch eine Nische, wo ein Heiligenbild stand...« Es kann sich dabei aber auch um den heiligen Kilian gehandelt haben, der ebenfalls als Schutzpatron diente. |
Weiter: Der Taufstein und der sogenannte Dariakopf |