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Westersburg

Westersburg
 
1967
Die "Westersburg"
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen



Eine 'echte' Burg hoch oben über dem Ittertal? Nein, die gibt und gab es hier natürlich nicht. Aber an der Bausmühlenstraße 21 (früher Eschbachstraße) / Ecke Westersburg in Solingen-Wald fällt an exponierter Stelle ein Gebäude-Ensemble auf, das mit seinem zinnenbesetzten roten Turm an eine kleine Burg erinnert: die Westersburg!

Lt. Angaben im Solinger Stadtarchiv entstand der heute teilweise noch vorhandene, denkmalgeschützte Gebäudekomplex um 1900: der zweigeschossige giebelständige massive Wirtshausbau, "Giebelgeschoss mit Drempel und Sichtfachwerk"; rechts angebaut ein dreigeschossiger Turm mit Zinnenkranz und nostalgischen Spitzbogenfenstern; links schloss sich früher ein eingeschossiger Saalbau in Fachwerkbauweise (mit massiver Fassade zur Straße hin) an. Der Saalbau soll im Oktober 1984 niedergelegt worden sein. Heute steht an der Stelle ein Wohnhaus.

Sollte dieser noch recht junge burgähnliche Bau Namensgeber für die Ortsbezeichnung 'Westersburg' gewesen sein? Ganz sicher nicht. Der Orts- und Gebäudename muss spätestens Ende des 18. Jh. vorhanden gewesen sein, denn in den Kirchenbucheinträgen kommt er anno 1809 schon vor.

Und nicht nur das: 1838 wurde die Privatschule zu Westersburg gegründet. In einem damals abgeschlossenen Vertrag heißt es: "Für die Uebernahme der Lehrerstelle bringen die Beteiligten ein Jahresgehalt von 160 Talern auf, sodann freie Wohnung bei Wilhelm König in der Westersburg und freie Verköstigung, die von 13 Familien abwechselnd in die Westersburg gebracht wird." Wilhelm König, Wirt in der Westersburg, und Isaak Mutz, Reider zu Zieleskotten, gehörten damals zu den Schulgründern.

  Über die Gründung der Schule Westersburg



 
Schulgebäude
in der früheren
Eschbachstraße

Westersburg
 
"Bausmühlenstraße".
Undatiertes Foto von der Westersburg (rechts)
mit dem für die Zeit typischen verspielten Turmaufsatz, vermutlich aus der Anfangszeit des Gebäudes (um 1905).
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen

In der Hofschaft Westersburg lebten mehrere Schleifer- bzw. Reiderfamilien. Vermutlich haben sie im Linderskotten, im Neuenkotten oder im Zieleskotten an der Itter gearbeitet.

1848 gab es viel Platz an der Westersburg: In den revolutionären Zeiten diente das Gelände lt. Rosenthal der Bürgerwehr von Wald als Exerzierplatz.

Lange vor dem eingangs beschriebenen Neubau aus der Jahrhundertwende muss es ein massives Gebäude gegeben haben, das 'Burg' genannt und als Wirtshaus genutzt wurde, und nach dem die Hofschaft Westersburg wahrscheinlich benannt ist.


Rheinische Landeszeitung vom 22. August 1936

Walder Straßennamen und ihre Bedeutung

"Interessant ist ... die Deutung für die Bezeichnung Westersburg, die ihren Namen nach der Familie Wester erhalten hat. In der Hofschaft befindet sich das Haus Nr. 5 mit außerordentlich starkem Bruchsteinmauerwerk, das seit langer Zeit 'Burg' genannt wurde. Dieser Name übertrug sich dann auf die ganze Hofstätte. Die alteingesessenen Bewohner nennen die Hofschaft heute noch kurz 'Burg' und die kleine, dahinterliegende Talsenke 'Burger Grund'. Vielleicht ist in früheren Jahren einmal eine Familie Wester Eigentümerin oder Bewohnerin der 'Burg' gewesen."



Westersburg
 
2006  
Westersburg 5

Das heute vorhandene, zweigeschossige Haus Westersburg Nr. 5 / 5a steht nur wenige Schritte von der 'neuen' Westersburg entfernt. Es ist zweifellos ein altes Haus. Dass sich unter dem Putz massives, mindestens 70 cm dickes Bruchsteinmauerwerk verbirgt, kann man von außen nicht sehen, aber so hat es ein früherer Nachbar bestätigt. Der von der Strasse abgewandte Gebäudeteil dagegen besteht aus Fachwerk und war verschiefert.

Bei der Beschreibung des stabilen Bauwerks und der volkstümlichen Bezeichnung "Burg" fällt mir spontan ein Gaden ein, eine kleine Fluchtburg wie z.B. das "Gemür" in Oben-Ketzberg (Gräfrath). Aber ganz so alt wird das Haus wohl doch nicht sein.

Auch die folgenden, etwas verwirrenden Artikel bieten nur wenig Konkretes. Vermutungen und Phantasie mutieren zu Fakten, die Jahrhunderte und die Wirtshäuser purzeln etwas durcheinander. Vielleicht hat ein Herr Wester (wann? warum?) ein schlichtes Steinhaus mit dicken Wänden gebaut, das Wilhelm König ungefähr 1830 kaufte und als Wirtshaus betrieb. Vielleicht war es das Haus Westersburg Nr. 5. Aber ganz sicher war es nicht "im Stile einer Burg" erbaut, wenn man darunter Türmchen und Zinnen versteht.


Solinger Tageblatt vom 18. April 1979

Wester baute sich eine Burg

Westersburg: die Wiege vieler Walder Vereine

"(hw.) Eines der markantesten alten Gebäude im Walder Bezirk ist die sogenannte 'Westersburg' an der Bausmühlenstraße. Der zinnenbewehrte Turm ist besonders vom oberen Ittertal aus gut sichtbar. Das Gebäude ist aber trotz seines Aussehens nie eine 'Burg' im echten Sinne gewesen.

Es war ein Privatmann, ein Walder Bürger namens Wester, der zu einer Zeit im vorigen Jahrhundert, als es fast nur Fachwerkbauten gab, den kühnen Plan faßte, nicht nur ein solides Haus aus Stein zu errichten, sondern dazu auch noch im Stile einer Burg. So entstand - fast selbstverständlich - aus dem ursprünglichen 'Steinenhaus' der Name 'Westersburg'.

Vor über 150 Jahren erwarb der Schleifer Wilhelm König die Westersburg. Im April 1839 erhielt er die amtliche Konzession zur Eröffnung einer Gastwirtschaft. Dessen Sohn Lebrecht zog 1870 aus der Westersburg aus und eröffnete in einem Neubau an der Stübbener Straße eine neue Gaststätte.

Nach dessen Tod im Jahre 1896 übernahm sein Sohn Max den Betrieb. Er errichtete 1905 das Wohnhaus mit Wirtschaftsräumen an der Ecke der Stübbener und Deller Straße. Alte Walder werden sich noch gerne an den bekannten 'Königs Mäck' erinnern (er starb 1957).

In seiner Gaststätte wurde eine Anzahl Vereine gegründet und dann auch deren Tagungslokal. König selbst gründete den Feuerwehr-Löschzug Westersburg. Ein Ittertaler Turnerbund wurde hier aus der Taufe gehoben, ebenso der Ittertaler Geflügelzuchtverein. Die Gaststätte war auch die Wiege des früheren 'Nordstädtischen Schützenbundes', der hier alljährlich sein großes Schützenfest feierte.

Die Gaststätte König ist auch heute noch im Familienbesitz, also jetzt seit genau 140 Jahren.
"



SG-Wald
 
2006  
Gasthaus an der
Ecke Deller Straße

Ab 1870 geht es anscheinend nicht mehr um die Westersburg, sondern um zwei weitere Gasthäuser an der Stübbener Straße bzw. an der Ecke Deller Straße. Das lt. Artikel 1905 erbaute steht als "Deller Eck" in leuchtendem Rot auch heute noch da.

10 Tage später wird der Sachverhalt in einem weiteren Artikel vertieft. Ob sich die Jahreszahl 1905 nun wirklich auf die Westersburg oder doch auf das "Deller Eck" oder auf beide bezieht, bleibt ungewiss.


Solinger Tageblatt vom 28. April 1979

Von den Zinnen ein weiter Blick

Gaststätte 'Haus Westersburg' besteht bald 75 Jahre

"[hw.] 'Zum Ittertaler Aussichtsturm' hieß einst das Restaurant an der Westersburg, markantes Gebäude mit dem ebenso markanten Turm, von dessen Zinnen dann diejenigen, die sich der Mühe des Aufstiegs unterzogen, bis weit in die Rheinebene und darüber hinaus blicken konnten.

Der Gebäudekomplex, bestehend aus Turm nebst Gaststätte und großem Saal, wurde um 1905 errichtet. Die Gaststätte besteht also jetzt nahezu 75 Jahre. Sie ist auch heute noch ein Anziehungspunkt für viele Gäste: Unter fachkundiger Leitung werden Steak-Spezialitäten geboten.

Der ehemalige Aussichtsturm gehört heute mit zum Wohnkomplex. Die heutigen Eigentümer, die Eheleute Brosius, investierten in den letzten Jahren viel Arbeit und Kapital in die Gebäude. Deren eigenartige Architektur kommt heute wieder voll zur Geltung.

Die Gaststätte König [...] hatte in ihren Ursprung in einem nahebei gelegenen Gebäude, das aber nichts mit dem eben beschriebenen Gebäudekomplex gemein hatte."


Letzteres wird dann - vermutlich - die 'echte' Westersburg gewesen sein. Öffentlich-Gastronomisches gibt es in beiden Häusern heute nicht mehr.




Genealogisches

  • 1809 war Gottlieb Linder 'in der Westerburg' Taufpate von Carolina Henrietta Mutz an der Bausmühle.

  • 1828 wird Johanna Maria Koch 'in der Westerburg' als Braut von Jacob Mutz, Zieleskotten, genannt.

  • 1829 und 1832 wird Anna Cath. Herberts 'in der Westersburg' als Taufpatin von Robert Mutz (2 x) genannt, Söhne von Johann Benjamin Mutz.

  • 1835 war Peter König zu Westersburg Taufpate von Carl Mutz, Sohn von Peter Mutz und Anna Maria Catharina Böhl.

  • 1835 werden Isaak Mutz und Caroline Pashaus als Brautpaar zu Westersburg genannt.

  • 1838 ist Isaak Mutz, Schleifer zur Westersburg, Mitbegründer der Schule Westersburg.

  • 1840 erscheint der Schleifer Gustav Mutz zur Westersburg.

  • 1849 wird Henriette Mutz in der Westersburg geboren, Tochter von Gustav Mutz und Rahel Kind. Taufpaten waren Wilhelm König und August Mutz, beide Schleifer zu Westersburg.

  • 1849 wird zur Westersburg Carl Wilhelm Mutz geboren, Sohn von August Mutz und Amalie Fink. Taufpaten waren Gustav Mutz und Wilhelm König, beide Schleifer zu Westersburg.

  • 1873 wird Julie Mutz in der Westersburg genannt, ca. 1835 geborene Tochter von Isaac Mutz und Caroline Pashaus

  • ... und viele weitere.


Quellen:
  • Dörner, Th. (E-Mail 12/2006)
  • Rheinische Landeszeitung vom 22. August 1936
  • Rosenthal Bd. 2 (1972) S. 327 und 364
  • Solinger Tageblatt vom 18.04.1979 und vom 28.04.1979 [ST]

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