Pferde-Alltag in alter Zeit
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Post- und Postreiseverkehr
Postkutschentreffen  24./ 25.09.2005


Sonntag, 25. September 2005

Am Sonntag, dem zweiten Tag des Postkutschentreffens, waren die Kutschen auf der alten Poststrecke Langenfeld - Düsseldorf unterwegs. Wie man hört, ging alles gut, und bei der Fahrt durch den Wald sollen gar die Wildschweine davongestoben sein.

Für 16 Uhr (oder 16:30 Uhr) ist die Ankunft der Kutschen in der Langenfelder Innenstadt aus Richtung Richrath geplant; vermutlich kommen sie also über die Richrather Straße. Ja, alles deutet darauf hin, denn am Straßenrand stehen mobile Verbotsschilder: Von 15 bis 17 Uhr dürfen Autos hier nicht halten.

An der Richrather Straße befindet sich das Vereinslokal der Langenfelder Fahrsportfreunde. Davor spähen - offensichtlich wartend - einige Herren in die Ferne; das kann kein Zufall sein. Tatsächlich erscheint nach einer Weile ganz weit hinten ein blinkendes Polizeifahrzeug, das muss die Vorhut der Kutschen sein.

Ein bisschen dauert es noch, dann kommen die Gespanne langsam näher, angeführt vom Langenfelder Paketpostwagen. Gefüllte Biergläser werden nach draußen getragen. Aha, noch ein kleiner Umtrunk zum Endspurt. Das trifft sich gut. Der lange Zug hält im Halteverbot. Alkohol an den Leinen? Die Ordnungshüter erheben keinen Einspruch.


Postkutschentreffen 2005
Paketpostwagen
 
Postkutschentreffen 2005
Prost!

Schirmherr Walter Scheel ist jetzt nicht mehr dabei. Er hat sich bereits auf den Weg zum Flughafen gemacht. Inzwischen kommen immer mehr Passanten mit gezückten Kameras heran; hier ist mehr Platz und Muße zum Gucken und Fotografieren als später in der Innenstadt. Heute fahren teilweise noch andere Kutschen mit als gestern. Nicht alle fallen unter die "Kategorie Postkutsche", aber das tut dem nostalgischen Anblick keinen Abbruch.


Postkutschentreffen 2005
Drei andalusische Leichtgewichte vor einem "Omnibus"
 
Postkutschentreffen 2005
Friesen vor der Postkutsche der "Bodensee Postlinie"

Die schönen Kladruber Schimmel der Gotthardpost fallen sofort wieder ins Auge, und drei edle Andalusier aus den Niederlanden vor einem kleineren Omnibus (Merkmal: Einstieg von hinten), und vier Apfelschimmel - was ist das für ein Wagen? Und die vier Kaltblüter mit den puschigen Füßen, und die beiden dicken bayerischen Braunen im Dienste der "Kaiserlichen Post von 1871", die sonst zwischen Nümbrecht und Wiehl im Einsatz sind, und vier Friesen vor einem Wagen der "Bodensee-Postlinie", in der die Fahrgäste säuberlich getrennt im Zweiklassensystem befördert werden, und wieder die beiden Haflinger mit dem Büdinger Postomnibus, und...


Postkutschentreffen 2005
Zwei bayerische Kaltblüter vor dem Wagen der Kaiserlichen Post von 1871 aus dem Oberbergischen Land
 
Postkutschentreffen 2005

Postkutschentreffen 2005
Vier Kaltblüter vor einer "Kavaliers-Break" - kein Postwagen. Ursprünglich wurden diese Wagen mit dem sehr hohen Sitz zum Einfahren von Pferden verwendet.
 
Postkutschentreffen 2005



Als es nach erfolgter Erfrischung weitergehen soll, meint auch der Himmel noch etwas beisteuern zu müssen. Aber der kleine Schauer ist schnell vorbei. Im starken Schritt oder kurzen Trab geht es über die Ampelkreuzung am Rathaus und in die Fußgängerzone der Solinger Straße hinein. Viele Schaulustige stehen links und rechts dicht gedrängt Spalier; offenbar befürchtet niemand eine Begegnung der unsanften Art mit Pferdehufen oder Wagenrad.


Postkutschentreffen 2005
Blick zurück auf den Büdinger Bus
 
Postkutschentreffen 2005
Über die Kreuzung Richrather - Solinger Straße



Es ist nicht ganz einfach, sich zu Fuß zur Bühne vorzuarbeiten, wo Horst Küppers, Vorsitzender des Kutschenvereins, schon die ersten Wagen, ihre Fahrer und die Pferde vorstellt. Die Niederlande sind gut vertreten. Die historischen Kutschen werden dort üblicherweise so streng authentisch nachgebaut, dass sie nicht - wie der Langenfelder Postwagen - über moderne Scheibenbremsen verfügen. Bei Bergabfahrten müssen dann die Pferde die Kutschen aufhalten - aber solche Gelegenheiten halten sich in Holland ja im Rahmen.

Auch einige Details zur Anspannung erfährt das interessierte Publikum so nebenbei. Zum Beispiel, dass Aufhalte-Ketten anstelle von Aufhalte-Riemen verwendet wurden (oder korrekterweise verwendet werden sollten), wenn der Eigentümer einer Kutsche höchstpersönlich die Leinen führte, so jedenfalls bei Kumtanspannung. Aber da gibt es so viele Spezialvorschriften... Silberne (versilberte?) Aufhalteketten galten als Statussymbol.


Postkutschentreffen 2005
Eine vierspännige "Private Coach" - also keine Postkutsche
 
Postkutschentreffen 2005
Drei Andalusier-Schimmel vor einem "Omnibus" aus den Niederlanden, von dem hier nur ein Rad zu sehen ist.

Auffallend viele der schwarzen Friesen sind dabei, sie sind bei Fahrsportlern besonders beliebt - nicht nur in den Niederlanden. Sie tragen oft wunderschöne üppige Mähnen und Schweife und wirken durch ihre Knieaktion und hohe Aufrichtung vor der Kutsche sehr repräsentativ. Ein Blickfang sind aber auch die Kutscher und ihr Begleitpersonal in den historischen Uniformen. Sogar einige Fahrgäste haben - so stilecht wie möglich - nostalgische Roben und Reisekleidung der Jahrhundertwende angelegt.

Der Londoner Doppelstock-Omnibus ist den Tag über im Pendelverkehr durch Langenfeld gefahren - für einen Euro pro Fahrgast. Er zeigt sich hier noch einmal, dann haben auch die beiden Kaltblüter Feierabend. Die Omnibusse bzw. Pferdebahnen rollten früher auf Schienen, so dass ein einziges Zugpferd genügte. Die bedauernswerten Tiere, die ihr Leben zwischen den Schienen verbrachten, waren zu nichts anderem mehr zu gebrauchen, erzählt Horst Küppers: Sie gingen eben nur zwischen den Schienen.


Postkutschentreffen 2005
Der Londoner Doppelstock-Omnibus, heute zweispännig
 
Postkutschentreffen 2005
Die letzte Kutsche: Eine Royal Mail Coach?

Die meisten Zuschauer halten bis zum Schluss durch. Hier und da droht zwar ein Vater: "Eine Kutsche noch, dann gehen wir", aber dann wird es noch eine und noch eine, und die Kinder, die sich auf dem Straßenpflaster niedergelassen haben, sehen sich die großen Vierbeiner von unten an. Wirklich ungeduldig und zappelig wird bei der Präsentation allerdings einer der drei andalusischen Schimmel; er will definitiv nach Hause und beruhigt sich erst, als er endlich wieder losmarschieren darf.

Ein anderes Gespann, wie es früher vielleicht auch auf Langenfelds Straßen unterwegs gewesen ist, hat sich noch dazwischen "gemogelt": ein leichter ländlicher Wagen, von einem Norweger gezogen, die Insassen im Sonntagsstaat. Und ganz am Schluss trippelt etwas aufgeregt vor herbstlich geschmücktem Erntewägelchen ein ebenfalls geschmücker "Mini-Friese" (so wird er vorgestellt) neben seinem Herrchen her - man könnte das kleine schwarze Energiebündel sonst auch für ein Shetland-Pony halten.


 
Postkutschentreffen 2005
Leichtes ländliches Norweger-Gespann
 
Postkutschentreffen 2005
"Mini-Friese"



Gegen 17 Uhr ist die Kutschenparade vorbei, gerade, als der Himmel sich zusehends verdunkelt. Schnell noch zum Stand der Fahrsportfreunde, dort sind die gestern ausverkauften Festprogramme wieder zu bekommen.

Bevor ich mich auf den Heimweg mache, noch ein kurzer Abstecher zum Reiterhof Gut Langfort, wo bekanntlich seit 2001 auch die vorher in Wülfrath ansässige    Landesreit- und Fahrschule Rheinland stationiert ist. Dort haben einige der angereisten Vierbeiner die letzte Nacht verbracht, und hier parken die Transporter. Die Pferde sind schon verladen, und nun werden noch die letzten Kutschen mit Hilfe menschlicher Muskelkraft auf die Hänger bugsiert. Gute Heimreise!


Postkutschentreffen 2005
Der Büdinger Postomnibus wird verladen...
 
Postkutschentreffen 2005
... und der doppelstöckige Omnibus



Mein ganz persönlicher Eindruck von dieser bemerkenswerten, mit unglaublichem Engagement vorbereiteten und durchgeführten Veranstaltung, soweit ich sie selbst miterlebt habe: Absolut gelungen! Ich könnte mir vorstellen, dass so mancher Funke auf das Publikum übergesprungen ist.

   Über die letzte Postkutschenfahrt zwischen Solingen und Langenfeld im Jahr 1905



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