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Neue Mühle - Kratzkotten - Itterbrucher Kotten (Itter)

Kratzkotten
2004   Ehem. Kratzkotten
 
Lage
Geschichte und Eigentümer
   -   Eigentümer Rüttgers
   -   Eigentümer Kratz
   -   Eigentümer Kolfhaus
Das Ende
Namen

  Hofschaft Eschbach



Lage

Der ehemalige Kratzkotten steht noch als Wohnhaus an der Eipaßstraße bzw. am Itterbrucher Abhang in der Nähe der Hofschaft Eschbach.




Geschichte und Eigentümer

Die Geschichte dieses Kottens lässt sich ausnahmsweise relativ lückenlos nachweisen. Er begann seine Laufbahn als Knochenmühle von Friedrich Wilhelm Rüttgers.

  Knochenmehl wurde als Düngemittel und zur Seifenherstellung verwendet. Knochenkohle diente in den Zuckerraffinerien zum Filtrieren des Rohzuckers bei der Weiterverarbeitung zu Verbrauchszucker.




Eigentümer Rüttgers

1834 stellte der Gräfrather Färberei- und (Stoff-?)Druckerei-Besitzer Friedrich Wilhelm Rüttgers bei der Königlichen Regierung in Düsseldorf den Antrag auf Genehmigung zum Bau einer Knochenmühle im Itterbruch. Die erforderlichen Ufer- und Wiesengrundstücke, insgesamt 100 Ruten, erwarb er

- von Abraham Melcher im Itterbruch,
- vom Itterbrucher Drechsler Vock,
- von Grundbesitzer Johann Abraham Knie,
- von der Itterbrucher Witwe des Peter Linders und
- von dem Müller und Bäcker Johann Daniel Bender in der Bausmühle.
[Richartz S. 35]

"Bender machte den Verkauf jedoch von mehreren Verpflichtungen abhängig. So musste sich Rüttgers schriftlich verpflichten, auf »Ewig und nie im Leben«, die neue Mühle nicht als Körner- oder Ölmühle zu nutzen. Darüber hinaus musste der Mühlenteich von 8 Uhr abends bis 9 Uhr am nächsten Morgen und von 12 bis 3 Uhr geschlossen bleiben. Auch behielt sich der Bausmühler Müller Bender vor, bei Notwendigkeiten, z.B. Hoch- oder Niedrigwasser, eigenmächtig die Wasserversorgung des Teiches der neuen Mühle zu regeln." [Richartz S. 35]

Am 05.08.1835 erhielt Wilhelm Rüttgers die Konzession zum Betrieb der Knochenmühle mit einem oberschlächtigen Wasserrad. Die Mühle hatte zwei Mahlgänge zum Knochenmahlen und eine Knochenstampfe. [Lunkenheimer S. 50] Bevor es dazu kam, ließ der Walder Bürgermeister Peter Daniel Köller die folgende Bekanntmachung veröffentlichen. Offenbar gab es keine gravierenden Einwände.


Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 27. Mai 1835; und gleichlautend
Oeffentlicher Anzeiger Nr. 33. Düsseldorf,
Sonnabend, den 9. Mai 1835. Nr. 392. 187.

"Bekanntmachung.

Der Fabrik-Inhaber Herr Friedr. Wilh. Rüttgers zu Gräfrath, beabsichtigt oberhalb der Bausmühle beim Itterbruch, hiesiger Bürgermeisterei, eine Roßmühle anzulegen, und den Mitgebrauch des Wassers aus dortiger Bach zu einem oberschlägigen Wasser-Rade für dieses Mühlenwerk damit zu verbinden, worüber er eine Nivellements-Zeichnung, welche zur Einsicht offen liegt, bei hiesiger Stelle eingereicht hat.

Indem ich dieses, den gesetzlichen Bestimmungen gemäß, zur öffentlichen Kunde bringe, fordere ich diejenigen, welche durch diese Anlage an ihrem Eigenthum oder Gerechtsame benachtheiligt zu werden befürchten, hierdurch auf, binnen der gesetzlichen Frist von 8 Wochen, von heute an gerechnet, ihre Einreed dagegen in gesetzlicher Form, sowohl bei der unterzeichneten Stelle, als auch bei dem Bauherrn vorzubringen.

Wald den 5. May 1835.     Der Bürgermeister Köller"


Vielleicht kam es bereits in den ersten Betriebsjahren zu Unstimmigkeiten mit Bender wegen der Wassernutzung, denn schon 1839 kaufte der wohlhabende Rüttgers dem Müller Bender die Bausmühle zu einem stolzen Preis von 4 000 Talern ab und verpachtete sie. [Richartz S. 35]

Um 1850 wurde die Knochenmühle auch "Rüttgers Schwarzmühle" genannt. [Lunkenheimer S. 50]

Am 11.05.1901 heißt es in einem Artikel im SKIB: "Im Kotten zu Itterbruch, ein wenig aufwärts von Eschbach, in dem jetzt eine Schleiferei betrieben wird, wurde bis zum Jahre 1850 aus schwarz gebrannten Knochen die Knochenkohle für die Zuckerraffinerien bereitet, und in der Nähe des Eschbacherhofes zeugen die verfallenen Ueberreste eines früheren Hammers von dem einstigen Gewerbefleiß der hiesigen Bewohner"

Die von Bürgermeister Hammesfahr im Wald am 24. Mai bzw. 5. September 1853 eingereichte "Nachweisung" über die im Walder Bezirk vorhandenen Wasserbetriebswerke enthält folgende Informationen:

    2. Rüttger's Schwarzmühle.
    Besitzer: F.W. Rüttger in Gräfrath.
    Wehr ist vorhanden. Höhe über dem Fachbaum 2,64 Fuß.
    Pegelsetzung ist oberhalb nicht erforderlich, da das zunächst gelegene Werk zu entfernt liegt und Zwischengefälle überflüssig vorhanden ist.
    Diese Mühle, im Itterbruch belegen, wird auch als Wassermühle zum Knochenmahlen bezeichnet.
    1 Wasserrad, oberschlächtig, 14 Fuß Gefälle.
    Hat 2 Mahlgänge zum Knochenmahlen und eine Knochenstampfe.
    Besteht seit 14 Jahren.
    Konzession wurde von der Regierung im Jahre 1835 erteilt.
    [Günther S. 102]

  Über die Stauanlagen (Begriffe und Erläuterungen)

Die Knochenmühle, vermutlich die erste in Westdeutschland, arbeitete in den ersten 15 Jahren recht profitabel. Dann sank die Auslastung. [Richartz S. 35]


Kratzkotten
 
Um 1910
Kratzkotten, Itterbruch
Ausschnitt aus einer Postkarte

Der hier abgebildete Teich liegt hinter dem Kratzkotten, ist also nicht sein Stauteich. Es könnte sich um einen "Wasserbehälter" der Bausmühle handeln, der um 1766 angelegt wurde. Heute befindet sich an dieser Stelle eine Wiese bzw. die "Regenwasserbehandlungsanlage Eschbach".




  Friedrich Wilhelm Rüttgers, Besitzer der Knochenmühle, tritt übrigens noch in einem ganz anderen Zusammenhang in Erscheinung, nämlich als Großvater mütterlicherseits des Schriftstellers, Heimatdichters und Journalisten Walther Schulte vom Brühl (1858-1921) der u.a. Romane mit bergischem Lokalkolorit wie "Der Marschallstab" und "Die Kottenprinzeß" geschrieben hat und dessen Elternhaus heute noch in Solingen-Gräfrath an der Wuppertaler Straße 124 steht.

Der Vater des Schriftstellers, Johann Heinrich Schulte-Heuthaus (1832-1886), heiratete am 16.04.1857 Caroline Emilie Rütgers (1834-1905), die Tochter des Gräfrather Kaufmanns und Farbenfabrikanten Friedrich Wilhelm Rütgers (1789-1871). [Rosenthal 3 S. 272; Rupsch]




Eigentümer Kratz

Am 29.05.1853 verkaufte Rüttgers die Betriebsstätte für 1 400 Taler an den Scherenschleifer Gustav Kratz "von Paashaus bei Gräfrath", der sie im darauf folgenden Jahr in einen Schleifkotten umwandeln wollte:


Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 22. April 1854

"Der zu Paashaus, Gemeinde Gräfrath, wohnende Schleifer Gustav Kratz beabsichtigt, die von ihm angekaufte sogenannte neue Mühle, bisher als Knochenmühle benutzt, auf dem Itterbach zwischen der Bausmühle und dem Elscheidts-Hammer gelegen, verschiedenen Abänderungen in ihrer Einrichtung zu unterwerfen; namentlich soll dieselbe zum Schleifen benutzt, das oberhalb gelegene Freigefälle mit in Anspruch genommen und zu diesem Behuf der Teichwall erhöht werden; ferner wird ein neues massives Schalt gelegt und das Rad durch ein neues größeres von 12 Fuß im Durchmesser ersetzt werden.

Indem ich dieses Vorhaben zur allgemeinen Kenntniß bringe, bemerke ich, daß Plan und Zeichnungen auf dem hiesigen Verwaltungs-Büreau zur Einsicht offen liegen und Einwendungen gegen die neue Einrichtung innerhalb 4 Wochen hier vorzubringen sind.

Wald, den 19. April 1854.     Der Bürgermeister: Hammesfahr."


Am 26.08.1854 wurde die Genehmigung aus Düsseldorf erteilt. Nun hieß die bis dahin so genannte Neue Mühle der Kratzkotten. Der Familienname "Kratz" soll sich lt. Brangs übrigens als Abkürzung für "Pankratius" herausgebildet haben.

Gustav Kratz stammte aus einer alten Schleiferfamilie. Bevor er seinen Arbeitsplatz an die Itter verlegte, war er Besitzer eines Viertels des Dritten Kotten an der Wupper gewesen. [Lunkenheimer S. 50; Richartz S. 36] Er war als hoch qualifizierter Facharbeiter bekannt, der auch für den russischen Kaiserhof Scheren schliff.

Bereits nach wenigen Jahren in seinem neu eingerichteten Kotten wurde Gustav Kratz nach einem Unfall erwerbsunfähig. Er hatte eine Rückgrat-Verletzung erlitten und war an beiden Beinen gelähmt - noch keine 40 Jahre alt. Da aber acht Kinder, vier Jungen und vier Mädchen, ernährt werden mussten, rommelte seine Frau in Heimarbeit im Kratzkotten Bruchbänder für die Firma Elscheid zu Buxhaus.

Die Söhne und zwei Töchter erlernten im Kratzkotten das Scherenschleiferhandwerk. Der älteste Sohn, Emil Kratz, erfand später das Scherenaugenpließten nach einem Verfahren, das bahnbrechend für die gesamte Solinger Scherenfertigung werden sollte und zum Teil auch heute noch verwendet wird. [Richartz S. 36]   Emil Kratz war zu dieser Zeit im Dorpskotten am Lochbach tätig. [Rosenthal 3 S. 31]

Im "Verzeichniß der in der Bürgermeisterei Wald vorhandenen Schleifereien" des Bürgermeisters Carl Theodor Alvermann vom 04.02.1875 wird als Eigentümerin des "Itterbrucher Kotten" die "Wittwe Kratz" angegeben. Außerdem ist vermerkt, dass in diesem Kotten Trockenschleiferei betrieben wird. [Stadtarchiv Solingen, Akte W-2263]


Kratzkotten
Scheint im Schnee zu versinken:
Das Dach des Kratzkottens.
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen
 
Kratzkotten
Bild-Quelle: RLZ vom 27.10.1940



Eigentümer Kolfhaus

1922 verkauften die Erben Kratz den Kotten an den Heftemacher Richard Kolfhaus. Dieser stellte Rasiermesserschalen her, zunächst aus Knochen oder Elfenbein; später spezialisierte er sich auf den damals in Mode kommenden Werkstoff Celluloid. [Richartz S. 37]

Eine Zeitlang war der Kotten zugleich Schleiferei, Heftemacherei und Schuhmacherwerkstatt. [Clauberg]

Am 15.01.1925 zerstörte ein Brand die hintere Fachwerkwand des Kottens. Sie wurde durch eine Ziegelmauer ersetzt. [Clauberg]

Ende August 1935 wurde mit großem Aufwand das 100jährige Kottenjubiläum gefeiert. Der auch als Heimatforscher und Autor sehr aktive Lehrer Emil Clauberg organisierte die umfangreichen Festivitäten.


Trinnskotten
 
Trinnskotten!
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen


  Dieses Foto ist bei Lunkenheimer (S. 50) mit "Kratzkotten" bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich um den Schäfers-/ Trinnskotten, das spätere Heimatmuseum.



Das Ende

Im Kriegsjahr 1940 musste Richard Kolfhaus den Kottenbetrieb einstellen und den Kotten verlassen. Er wurde bei den Gräfrather Pränafa-Werken dienstverpflichtet, die damals Rüstungsgüter herstellten.

Kolfhaus verkaufte das Kottengebäude an die aus der Eifel zugezogene Familie Kolling, die den Kratzkotten im selben Jahr bezogen hat. Das alte Wasserrad wurde entfernt und der Mühlenteich eingeebnet.
[Richartz S. 37 f]

In seinem Artikel zum "Ende des Kratzkottens" nennt Emil Clauberg diese Betriebsstätte voller Enthusiasmus: "der Verkörperer bergischen Gewerbefleißes, der Mitschöpfer des heimatlichen Weltruhmes, der Zeuge heimatindustrieller Glanzzeit und der Inbegriff altbergischer Heimatromantik". [Clauberg]


Kratzkotten
 
2004
Wo sich früher ein offenes
Wasserreservoir befand,
wächst jetzt Gras.



Namen

1834   Friedrich Wilhelm Rüttgers
1853   Gustav Kratz
?        Emil Kratz
bis 1922   Erben Kratz
1922   Richard Kolfhaus
1940   Familie Kolling



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Quellen:
  • Brangs, Stadtarchiv Solingen, 0-4-Kotten-Allgemein
  • Clauberg, Rheinische Landeszeitung vom 04.09.1940: "Ende des Kratzkottens"
  • Günther (1932). Seine Quelle: Gemeindeakten Solingen-Wald, G.II.5
  • Lunkenheimer (1990)
  • Rheinische Landeszeitung vom 27.10.1940 (RLZ)
  • Richartz (2000)
  • Rosenthal Bd. 2 (1972)
  • Rosenthal Bd. 3 (1975)
  • Rupsch, Iris: Walther Schulte vom Brühl, ein Schriftsteller und Journalist aus dem Bergischen Land. Romerike Berge, Heft 1, März 1992. S. 22
  • Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 27.05.1835 (SKIB)
  • Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 11.05.1901 (SKIB)
  • Stadtarchiv Solingen, Akte W-2263

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