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Um 1908 Kirschbaumer Hof Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen |
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- Die Wiege der "Klarmacher" - Kirschbaumer Hof (Max Schmidt, 1925) - Genealogisches - Die Teufelsinsel - Randbemerkungen: RÜB / RBF / RRB |
Eigentlich eher zufällig bin ich zum Kirschbaumer Hof geraten, nicht weit von der Lutherkirche: nördlich der Katternberger und westlich der Friedrichstraße. Irgendwann wollte ich mir das, was vom Kirschbaumer Hof übrig geblieben ist, einmal ansehen. Schließlich habe ich frühe Vorfahren namens Kirschbaum (Linie "Zum Kirschbaum") in meiner Ahnentafel. Aber ich hatte nicht erwartet, so nahe an der Innenstadt noch etwas Altes zu finden, und hatte es daher nicht so eilig. Wie überrascht war ich, als ich auf die Fachwerk-Häuschen stieß. Dass hier früher wenig Wohlstand geherrscht hat, sieht man ihnen an; heute sind manche ansprechend restauriert.
Der Name Kirschbaum war im 17. Jh. bei den Bruderschaften der Schwertschmiede sowie der Härter und Schleifer vertreten. Er kommt auch heute in Solingen häufig vor. Die Linie der Schwertschmiede soll allerdings bereits Mitte des 17. Jh. ausgestorben sein.
Um das am Seitenanfang abgebildete alte Fachwerkhaus an der Kirschbaumer Straße, das in den 1920er Jahren abgerissen wurde, und die Scherenaugenpliester, die darin tätig gewesen sind, geht es in dem folgenden Zeitungsartikel. Er erschien 1950 anlässlich der bevorstehenden Einweihung der neugestalteten uralten Brunnenanlage im Kirschbaumer Hof.
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Solinger Tageblatt vom 22. Juli 1950
Beruf verging - alter Brunnen blieb erhalten. Kirschbaumer Hof - die Wiege der "Klarmacher"
"Um zu erkennen, daß der Kirschbaumer Hof seit Jahrhunderten besteht, braucht man nicht gerade Historiker zu sein, denn einzelne Häuser der Hofschaft tragen in Bauweise und Ausführung unverkennbare Zeichen hohen Alters. Das in unserem Bilde festgehaltene Gebäude war ein ehrwürdiger Zeuge der Vergangenheit, es wurde ausgangs der 1920er Jahre niedergelegt, ohne baufällig zu sein.
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Die gepflegte Gartenanlage, von der heute nur wenige Spuren sichtbar sind, war 1925 wohl noch nicht vorhanden. Damals veröffentlichte der Lokalhistoriker Max Schmidt einen längeren Aufsatz zum Thema, der neben Einwohner-Namen auch einige Aspekte des sozialen Lebens umfasst. Manches Detail wird dem heutigen Leser irgendwie bekannt vorkommen, anderes kann angesichts gegenwärtiger Verhältnisse etwas nachdenklich stimmen. Hier ist eine nur wenig gekürzte Wiedergabe des Textes: |
Solinger Tageblatt vom 28. Januar 1925
Kirschbaumer HofVon Max Schmidt
"[...] Außer den wohlhabenden Höfen [...] gab es auch verschiedene, auf denen sich die ärmere Bevölkerung gewissermaßen zusammenballte. Zu diesen gehörte insbesondere der ehemalige Kirschbaumerhof, der in Anbetracht seiner Eigenart besondere Aufmerksamkeit verdient.
Die Häuser
Die wenigen alten Häuser zeigen dem denkenden und aufmerksamen Beschauer, daß sie einen anderen Typ darstellen wie jene bergischen Schiefer- oder die noch älteren Lehmfachhäuser mit den weißgetünchten Giebeln.
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2006 Kirschbaumer Straße |
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2006 Altes Fachwerk in Ständerbauweise mit kleinen Fenstern unter dem Dach. So wurde im 17. Jh. gebaut. |
Die Bewohner
Aber nicht nur Haus und Garten wichen ab von den anderen Höfen in der Umgebung der Stadt, sondern auch die Bewohner selbst. Sie, der katholischen Kirchengemeinde Solingen seit deren Gründung angehörend, lebten vielleicht infolge der konfessionellen Reibungen mehr für sich. Ein anderes Familienleben bildete sich heraus, mit anderen Sitten und Gebräuchen. Auch brachten die Kriegswirren der früheren Jahrhunderte Neuansiedler auf den Hof, die immer wieder neue Sitten mitbrachten, die sie später beibehielten.
Wohl die älteste direkte Nachricht, die wir vom Kirschbaumerhofe haben, wird jene sein, die das Altenberger Zehntenverzeichnis (veröffentlicht von Albert Weyersberg Z.d.B.G. Jahrg. 1922) aus dem Jahre 1488 uns übeliefert hat."
In den alten Lageplänen werden die Talgründe und Bergabhänge, die außerhalb der Stadt lagen, als 'Sohle' bezeichnet. In der Kirschbaumer Sohle wohnten im Jahre 1702:
Eigenarten der Bewohner
"Wie ist die Entwickelung des Hofes und wie ist die Eigenart seiner Bewohner zu erklären? In der Geschichte müssen wir die Lösung suchen. Ich habe bereits angeführt, daß die Einwohnerschaft ausschließlich der katholischen Kirche angehörte. Es wird vieles erklärlich, wenn wir hören, welchen Einfluß die Kriegswirren früherer Zeiten gehabt haben. Kein Bezirk in gleicher Größe wird ähnlich wie der Kirschbaumerhof unter den Kriegswirren zu leiden gehabt haben.
Geselliges Leben
Das Zusammenleben der Hofesfamilien unter sich war geradezu vorbildlich. »Die Bewohner«, so wurde von den Städtern und Nachbarorten gesagt, »halten zusammen wie die Kletten.« Die meisten Familien waren in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts unter sich verschwägert oder doch verwandt. Das Bild des Zusammenhaltens zeigte sich auch im geselligen Leben.
Neben diesen Eigenarten hatte man an gewissen Tagen des Jahres öffentliche Veranstaltungen, die man anderswo nicht kannte. Zum St. Seb.-Schützenfest war der Hof bezw. ein jedes Haus mit Waldesgrün und mit bunten Bändern aller Art geschmückt, die einen bunten Anblick boten, wie man ihn sonst nirgendwo gewöhnt war. Im Herbst wurde ein Herbstfest und im Mai das Maifest gefeiert, bei dem der Maibaum, meist eine große, buntgeschmückte Birke, nicht fehlte. Unter diesem Baume fand dann am Abend das Fest statt, das die Ortsbewohner zusammenführte und bei dem besonders die Jugend sich dem Frohsinn und dem Tanze hingab.
In den letzten Jahrzehnten hat der Hof in seinem Aeußeren wie im Innern ein anderes Bild erhalten. Die neue Zeit würfelt das Volk wieder scharf durcheinander. Sonderheiten und Eigenarten werden hierdurch immer mehr verwischt. Vor dem Alten macht die Entwicklung nicht halt. Dem Alten sollte man jedoch insoweit Schonung entgegen bringen, als man dafür sorgt, daß die Geschichte und Werdegang unserer Gegend in Wort und Schrift unseren Nachkommen erhalten bleibt." |
Bedenkenswerte Worte. Was würde Herr Schmidt sagen, könnte er aus dem Abstand seiner Zeit unsere durcheinandergewürfelte Gegenwart beobachten? |
Genealogisches
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Schlüssel, Handwerkszeichen des Klingenschmiedes Johannes Kirsbaum (Kirchmeister 1581/82) |
Die "Teufelsinsel"Auf der sog. Teufelsinsel begruben die Bewohner der Hofschaft Kirschbaum am Aschermittwoch ihren 'Lazarus'. Mit 'Teufelsinsel' bezeichnet(e) der Volksmund lt. Günther das heute von der Goethe-, Herder-, Wieland- und Raabestraße begrenzte Gelände. Zwar fließt dort der Nacker Bach, aber die Teufelsinsel ist nicht von Wasser umgeben. Warum also dieser Name, der noch gar nicht so alt ist? Wer es nicht weiß, der wird kaum darauf kommen: |
Solinger Tageblatt vom 7. August 1937
"[...] In jener Gegend befand sich ehedem eine große Weide, die dem Viehhändler Wiedenhöfer gehörte. Dort war der Schauplatz der 'Schlachten' zwischen den Jungens von Heidberg und der Katternberger Straße, wobei die 'Bre-it Beek' im Tal die heißumkämpfte Grenze bildete. Gegen Ende der neunziger Jahre [=1890er Jahre] wurde das erste Haus auf dem Wiesengrundstück gebaut, das keinen richtigen Zugang hatte, so daß die Baustoffe nur mit Schwierigkeit herangeschafft werden konnten.
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Dreyfus, Alfred (1859-1935), jüdischer Offizier im französischen Generalstab, 1894 wegen angeblichen Landesverrats unschuldig verurteilt zu Degradation und lebenslänglicher Deportation. 1906 rehabilitiert aufgrund des Einspruchs freisinniger Kreise. |
Randbemerkung: RÜB / RBF / RRB
Die Landschaft südlich der Kirschbaumer Straße hat sich längst verändert. Durch die gewaltige Baumaßnahme im Nacker Bachtal soll das 1995 in Betrieb genommene Regenüberlaufwerk (RÜB) Heidberg auf den neuesten technischen Stand des Gewässerschutzes gebracht werden.
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September 2004 Großbaustelle im Nacker Bachtal zwischen Heidberg und Kotterheidberg. Hinten links das künftige RBF (Retentionsbodenfilterbecken ), davor das angeschlossene RRB (Regenrückhaltebecken). Ein etwa 250 m langer Kanal verläuft vom RÜB Heidberg bis hierher. |
Quellen:
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