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Wer sich über die Zeit des Nationalsozialismus in Haan - und die Vor-Geschichte - informieren möchte, findet in den Dokumentationen von Reinhard Koll eine Fülle von Fakten, Daten, Namen und Quellen. Einblicke in die Zeit des Zweiten Weltkriegs in Haan vermitteln auf andere Art das Kriegstagebuch des Haaner Schriftstellers Emil Barth (1900-1958) - kommentierte Auszüge sind bei Vollmar abgedruckt - sowie die "Wegbeschreibungen" und das Buch "Auf Schritt und Tritt" des 1933 geborenen Haaner Künstlers Wolfgang Niederhagen.
Hier einige Fakten und Notizen aus der Zeit 1930-1945 in Haan:
Nicht alle Haaner waren einverstanden mit der neuen Politik. Bei einigen wuchsen Skepsis, Erkenntnis und Ablehnung mit der Zeit. Kritik laut zu äußern konnte jedoch schwerwiegende Folgen haben. Unmutsäußerungen gegen Partei und/oder "Führer" kamen dennoch vor und wurden aktenkundig. Missliebig und Repressionen ausgesetzt waren in Haan aber vor allem die politisch aktiven Kommunisten.
Der Anteil der Juden an der Bevölkerung war in Haan von allen Städten des Kreises traditionell am geringsten. 1933 wurden im Haaner Verwaltungsbericht zwei männliche und drei weibliche Personen als "Israeliten" bezeichnet. Eine von ihnen war Jeanette Höhn, die an der Kaiserstraße 55 ein Manufakturwarengeschäft betrieb. Die vier anderen Personen sind namentlich nicht bekannt und wohnten vermutlich nur vorübergehend in Haan.
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2009 Waldfriedhof Haan: Kriegsgräber für Todesopfer des Zweiten Weltkriegs |
Zwei Stolpersteine in Haan
Zwei im Jahr 2007 in Haan verlegte "Stolpersteine" sollen an den Kommunisten Max Kramer und seine Familie sowie an Jeanette Höhn als Opfer des NS-Regimes erinnern. Daten und Fakten aus dem Leben dieser Personen hat das Haaner Stadtarchiv dokumentiert.
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Ein STOLPERSTEIN für Max Kramer |
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Foto: © 2016 Stadtarchiv Haan |
HIER WOHNTE MAX KRAMER JG. 1898 IM WIDERSTAND / KPD "SCHUTZHAFT" 1933 GEFÄNGNIS WUPPERTAL VON SA ÜBERFALLEN / ERMORDET 26.7.1933 |
Der Stolperstein für Max Kramer ehrt einen Kommunisten, der für sein überzeugtes Eintreten
gegen den Nationalsozialismus mit seinem Leben bezahlte. Gleichzeitig aber soll seiner Familie
gedacht werden, vor allem seiner Frau Helene Kramer, die - obgleich sie ihre Verfolgung durch
die Nationalsozialisten überlebte - unendliches Leid erduldet hat.
Max und Helene Kramer wohnten in Gruiten. 1924 und 1929 kamen die beiden Töchter Thea
und Sonja zur Welt, 1930 bezog die Familie zusammen mit den Schwiegereltern Adolf und
Selma Schuch eine Wohnung in der Feldstraße 3, ab 1933 Horst-Wessel-Straße, heute
Fliederstraße. Helene Kramer arbeitete im KPD-Parteibüro in Düsseldorf und saß ab 1930
zusammen mit ihrem Vater für die KPD in der Amtsvertretung Gruiten. (Bei dieser Wahl wurden
zum ersten Mal auch zwei Nationalsozialisten in die Amtsvertretung gewählt.) Außerdem war
sie Kreistagsmitglied.
Max Kramer kehrte im Juni aus dem Gefängnis nach Gruiten zurück und arbeitete als
Steinbrecher. Mehrfach erhielt er in den Wochen nach seiner Entlassung Drohungen, dass man
ihn liquidieren würde, wenn er sich weiterhin im kommunistischen Sinne betätige. Die
Wuppertaler SA war besonders berüchtigt für ihren Terror gegen Regimegegner. In den ersten
Monaten der nationalsozialistischen Herrschaft ermordete sie dreißig Personen zum Teil auf
offener Straße. In ganz Deutschland schätzt man - zum Vergleich - die Zahl auf fünf- bis
sechshundert.
Helene Kramer wurde erst am 29. Dezember 1933 aus dem Konzentrationslager Brauweiler,
wohin sie von Düsseldorf aus verlegt worden war, entlassen. Einen Tag vor Heiligabend war ihr
Vater Adolf Schuch aus dem KZ Kemna nach Hause zurückgekehrt. An den Folgen der
Aufregungen und Schikanen starb ihre Mutter Selma Schuch an Silvester 1933.
Helene Kramer wurde am 22.5.1946 wegen ihrer Mitgliedschaft in der KPD und ihrer Tätigkeit
gegen das Nazi-Regime als politisch Verfolgte anerkannt. Sie starb 1993 in Wuppertal.
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Foto: © 2007 Stadtarchiv Haan Der 2007 verlegte Stolperstein für Max Kramer in Gruiten (Foto) war im Herbst 2015 entwendet worden. Am 31.05.2016 wurde der neue Stein eingesetzt (Foto oben). |
Ein STOLPERSTEIN für Jeanette Höhn |
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Foto: © 2007 Stadtarchiv Haan |
Hier lebte JEANETTE HÖHN geb. Berg Jg. 1868 deportiert 1942 Theresienstadt ermordet 24.4.1943 |
Der Stolperstein für Jeanette Höhn ehrt eine Haaner Bürgerin, die wegen ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten ermordet wurde.
Jeanette Höhn war - auch durch ihre Tätigkeit im Geschäft an der Kaiserstraße - vielen Haanern bekannt. Nicht bekannt war wohl, dass sie aus einer jüdischen Familie stammte. Sie selbst praktizierte den jüdischen Glauben nicht, sondern war Mitglied der evangelischen Gemeinde. Auch auf der Meldekarte der Familie Höhn lautete der Eintrag der Religionszugehörigkeit: lutherisch.
Herwart Höhn sah die drohende Gefahr für seine jüdische Frau deutlich und drängte sie, zu ihrer Schwester nach Brüssel zu gehen. Doch Jeanette Höhn wollte in Haan bleiben. Am 25. August 1941 starb er im Alter von 79 Jahren. Dies besiegelte auch das weitere Schicksal seiner Ehefrau, die zu diesem Zeitpunkt die einzige Jüdin in Haan war - und damit für die Nationalsozialisten das einzige Hindernis, eine weitere judenfreie Stadt zu bekommen.
Dass die Deportation von Jeanette Höhn und das, was mit den deportierten Juden geschehen würde, in Haan wohlbekannt waren, zeigt ein Brief, den am 25. Juli 1942 der Haaner Fabrikant Eugen Linder an seinen Sohn Gerd schrieb, der damals als Soldat bei der Wehrmacht diente. Er schrieb, "dass hierdurch auch ganz Haan erschüttert worden ist. ... Man begegnet wohl keinem in Haan, der nicht sehr bald das Gespräch auf diesen Fall bringt, mit dem Bemerken: Ich bin krank vor Scham oder Empörung und ähnliches." Linder hatte wenige Stunden, bevor sie abtransportiert wurde, mit Jeanette Höhn gesprochen und fand sie äußerst gefasst. "Ich dachte, wie beschämt mich doch diese Frau, die doch sicher auch weiß, daß sie sehr wahrscheinlich einem gewaltsamen Tod entgegen geht."
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Foto: © 2007 Stadtarchiv Haan |
Quellen:
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