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Kaiserstraße: Nördliche Seite (2)


Kaiserstraße 43: Vooshött

Im Haus Kaiserstraße Nr. 43 soll mindestens seit Beginn des 19. Jh. immer ein kombinierter Metzgerei- und Gaststättenbetrieb bestanden haben. Diese Wirtshaus-Variante galt früher als besonders solide und kam in Haan öfter vor. Hugo Vogelskamp war der letzte Inhaber dieses Betriebes, der zu dieser Zeit aber nur noch als Metzgerei geführt wurde. Um 1950 wurde das Fachwerkhaus äußerlich verändert. Ein Teil der Schieferverkleidung wurde entfernt und mit einer "Steinbeplankung" und Verputz versehen. Heute zeigt sich das Haus Nr. 43 wieder mit "artgemäßer" Schieferverkleidung.

In der sog. Vooshött im Hof hinter der früheren Metzgerei und Wirtschaft Vogelskamp wurde in der ersten Hälfte des 19. Jh. die erste Maschinenweberei Haans von einem Weber namens Richartz betrieben. Der technische Fortschritt verlangte Opfer: Um die Maschine auf dem Webstuhl aufstellen zu können, musste die Zimmerdecke durchbrochen werden. [Lomberg 1928 S. 91]

Lt. Vollmar wurde das Haus Kaiserstraße 43 früher "Vooshöt" genannt nach nach der Familie Vos, die dort im 18. Jh. wohnte.


Kaiserstraße
Kaiserstraße 43. Rechts neben der Metzgerei Vogelskamp ist im Hintergrund das Dach der "Vooshött" zu erkennen.
 
Kaiserstraße
2005   Kaiserstraße 43 (links) und 45
 


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Kaiserstraße 45: Winkel

"In diesem Haus wurde 1786 das Kolonialwarengeschäft J.F. Mohr gegründet [...], damals ein sogenannter 'Winkel-Laden'. Dort wurde die ' Wenkelswar' verkauft, nämlich sämtliche Waren, die man damals so in Haan brauchte [...]. Leider wurde 1978 im Geschäft die alte Ladeneinrichtung mit den vielen hölzernen Schubladen entfernt und modernisiert." [Vollmar]

Die schöne alte Barock-Haustür mit dem danebenliegenden Ausguckfenster im Hinterhof des kleinen Fachwerkhauses Kaiserstraße 47a blieben erhalten, wie Vollmar um 1979 schrieb. Mit diesem Haus sind auch die Namen Möller, Tix, Preetz und Reformhaus Paul verbunden.


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Kaiserstraße 47: Becherhus

Sicher das bekannteste Haaner Barockhaus mit seinem schön verzierten Dachgiebel, Motiv vieler Ansichtspostkarten, ist das 'Becherhus', früher auch 'Tix'sches Haus' genannt. Das schöne Portal trägt die Jahrezahl 1728. Wahrscheinlich wurde das zweigeschossige Schieferhaus in jenem Jahr als Geschäftshaus der Textilunternehmer-Familie Deus erbaut.

1928 schrieb August Lomberg über die "jetzige Wirtschaft August Tix": "Hier wohnte vor 50 und mehr Jahren der alte Pickhardt, der Wirt, Buchbinder und Steuerempfänger in einer Person war." [S. 90]

Das Haus Kaiserstraße 47 ist aber auch das Geburtshaus des Haaner Künstlers Carl Barth (1896-1976), der das eindrucksvolle große Madonnenbild in der katholischen Kirche geschaffen hat, und seines Bruders, des Lyrikers, Erzählers und Essayisten Emil Barth (1900-1958).

1912 erwarb August Tix das Haus, und auch er führte darin eine Gastwirtschaft. Sie blieb in der Familie.

1993 wurden umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchgeführt, aber leider machte ein Brand im August 1998 vieles wieder zunichte. Das Haus wurde erneut instand gesetzt und ab 1999 verpachtet. Es wird weiterhin gastronomisch genutzt.


Kaisersstraße
1980   Das Becherhus, Kaiserstraße 47
 
Kaiserstraße
2002   Eichentür, Kaiserstraße 47

In seiner Erzählung "Das verlorene Haus" schildert Emil Barth Kindheitserinnerungen an dieses typisch bergische Bauwerk und seine reinliche Eigentümerin. - Dichtung, Wahrheit oder wahrer Kern? "Verloren" nennt er das Haus wohl deshalb, weil die Familie es 1905 verließ und ein paar Häuser weiter zog: in die Kaiserstraße 53.




Das verlorene Haus
Von Emil Barth (Auszug)

"[...] Das Haus, mein Geburtshaus, das wir an diesem Tag verließen, gehörte dem strengen und nörglerischen Fräulein Grimberg, einer vermöglichen Dame von nicht näher bestimmbarem Alter. Von ihrem Vater, der in seiner Person eine Dreieinigkeit von Buchbinder, Wirt und Steuereinnehmer vorstellte, hatte sie, um einer hundertjährigen Tradition zu folgen, die Gaststube übernommen, die aber tagsüber selten und abends nur von einigen wenigen, doch gewichtigen Amtspersonen besucht wurde. Man konnte nicht leicht einen Schanktisch finden, der so mit allem Glas und Nickel blitzte und an welchem Steinhäger und Korn mit so viel Anstand ausgeschenkt und getrunken ward. Was aber die Säule bildete dieser Solidität, das Fundament, worauf sie beruhte: die Tugend der Sauberkeit, so war diese in der Person der strengen Wirtin zum Laster geworden, - sie hatte, redensartlich gesprochen, den Putzteufel im Leib.

Die Existenz des Staubes auf dieser Erde war eine empörende Tatsache, die Fräulein Grimberg nach Möglichkeit zu verwischen trachtete, - wobei sie leider vergaß, daß auch sie selber aus Staub gemacht sei und einstmals wieder zu Staub verfallen werde. Ihre Unduldsamkeit ging so weit, daß sie die große, von Bohnerwachs glänzende Eichentreppe mit weißen Handschuhen zu prüfen pflegte und in Zorn geriet, wenn sich in den Stufenecken eine Stelle fand, die vom Feinde zu säubern das fortwährend bewaffnete Dienstmädchen vergessen hatte.

Die Menschen sah sie in erster Linie als Staubverbreiter an, bezeigte auch wenig Kinderliebe, obwohl ein uralter Nußbaum, der hinter dem Haus im weiträumigen Hofe stand und unter dessen rauschender Krone ich meine tiefsten, wachstumsvollsten Schlafe schlief und meine ersten Spiele trieb, und ein großer, ertragreicher Obstgarten es ihr doch leicht gemacht hätten, sich freundlich gegen uns zu erweisen. Vielleicht stammte der Sauberkeitsdämon von dem des Geizes ab, verwandt waren sie beide jedenfalls, und sie verrieten in Fräulein Grimbergs scharfen Gesichtszügen die Härte eines Gemüts, welches das erste war, das mich ängstigte.

In späteren Jahren, da ich größer geworden, galt es unter uns Kindern als besondere Großtat, an der schönen honigfarbenen, stets abweisend verschlossenen Haustür den schweren Messingklopfer zu heben und mit aller Kraft niederfallen zu lassen: wodurch drinnen im Flur und die breite Treppe hinauf ein so furchtbares Getöse erzeugt ward, daß wir, wie von Poltergeistern verfolgt, in panischer Flucht davonjagten.

Die mächtigen Stämme der Kastanienbäume gaben uns aber genügend Mut, das bekannte Ende der Szene abzuwarten, die regelmäßig mit unserer schreienden Zerstreuung schloß: Fräulein Grimberg nämlich, die wohl hören mochte, daß auf so donnernde Art niemand Einlaß verlange, öffnete und erschien in höchsteigener Person, und dies genügte, selbst dem Tapfersten allen Mut zu rauben: denn ob auch nicht ohne Würde in ihrem schwarzen Kleid, stand sie doch da gleich einer furiosen Macht, die nicht des Wortes bedarf, um Entsetzen einzuflößen. [...]"

[Barth S. 25 ff]


  Über den Haaner Dichter Emil Barth hat der Bergische Geschichtsverein, Abteilung Haan, 1984 eine umfassende Dokumentation von Harro Vollmar herausgegeben.


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Kaiserstraße 49

Dieses zweigeschossige giebelständige Schieferhaus - zwischen ansonsten traufständigen Häusern - stammt lt. Denkmalverzeichnis der Stadt Haan aus dem 18. Jh. Es könnte auf den Urhof der Siedlung "Auf der Straßen" zurückgehen, die urkundlich 1363 in der Ein- und Ausgabenrechnung des Solinger Amtmannes Dietrich Smend erwähnt ist.

Vollmar: "Nach einer entsprechenden Beurteilung der Architektur und der vorhandenen Bausubstanz könnte als Urhof der Siedlung 'Stras' das Haus Kaiserstraße 49 (Schneider/Engel) anzusehen sein. Möglicherweise war dieses Haus früher der alte Hof 'Hayn van der Strazen', was bedeutet haben könnte 'Haan an der Landstraße' [...]. Nach 1363 taucht dieser Name aber nicht mehr auf, möglicherweise infolge Besitzwechsels.

In diesem Haus wurde am 1. Oktober 1851 die erste Haaner Poststelle eingerichtet. Bis dahin erfolgte die Postabfertigung von Wald aus." [Vollmar, Häuser und Höfe]


Kaiserstraße
 
2008
Kaiserstraße 49


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Kaiserstraße 53: Barth-Haus

Das verschieferte Reihen-Fachwerkhaus Nr. 53 (links) aus dem 18. Jh. gehörte wie das Becherhus zum Siedlungsbereich "Auf der Straßen" oder "stras". In dieses Haus zogen die Brüder Carl und Emil Barth mit ihrer Familie 1905 um und verbrachten dort ihre Jugendjahre. Ihr Vater führte dort ein Geschäft für Büro-, Zeichen- und Schreibmaterial. Heute (03/2007) heißt das Geschäft "Max Barth".

Ab März 2012 wurde das Fachwerkaus von seinem neuen Eigentümer Ulrich Tix renoviert und instand gesetzt.


Kaiserstraße  
1980
Kaiserstraße 53 / 55


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Kaiserstraße 55

Das Haus Nr. 55 wurde 1767 erbaut, 1985 restauriert. Es zählt zu den schönsten Haaner Barockhäusern, im Stil ähnlich wie das benachbarte Becherhus (Nr. 47). Der geschnitzte Giebel des Dachaufbaus des Hauses Kaiserstraße 55 zeigt die Jahreszahl 1783. Das barocke Treppengeländer im Inneren des Hauses ist mit der Jahreszahl 1780 versehen. [Vollmar] Am Dachaufbau ist ein überdachter Lastkranbalken angebracht.

Auch in diesem Haus konnten sich durstige Gäste ein kühles Bier zapfen lassen: Früher befand sich hier die "Gaststätte zur Eiche", wohl so benannt nach der um 1871 schräg gegenüber gepflanzten Sieges- oder Friedenseiche, - nicht zu verwechseln mit dem alten Haaner Hof "Zur Eick" an der Kaiserstraße 54 / 56, der schon Jahrhunderte früher diesen Namen getragen hat.

Vor dem Haus Nr. 55 befindet sich ein "Stolperstein" zur Erinnerung an Jeanette Höhn, die hier ein Manufakturwarengeschäft betrieb, 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde und dort umkam.


Kaiserstraße  
2008
Kaiserstraße 55


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Kaiserstraße 57

Das massiv gebaute Haus Kaiserstraße 57, das genau gegenüber der evangelischen Kirche stand, gibt es nicht mehr. Es gehörte nicht zu den wirklich alten Häusern, ist mir aber in besonderer Erinnerung geblieben. 1899 wurde es erbaut und war mit vielen hübschen Details ausgestattet: einem neugotischen Erker, steinernen Schmuckelementen an der Fassade, einem schönen bunten Fliesenmosaik vor der Haustür und einem handgeschmiedeten Eingangstor. Aber dann fiel es dem Bau der Marktpassage und der Abrissbirne zum Opfer.

Harro Vollmar hat gerade noch rechtzeitig die Inschriften fotografiert und notiert, die dieses Haus trug:
"A° 1899"
"Gott vertraut gut gebaut!"
"Gott segne dieses Haus, & die da geh'n ein und aus!"

Neben dem Haus hatte es auch früher einen Durchgang zwischen Alter Markt und Neuer Markt gegeben, den schmalen 'Kindermuckergang'.


Kaiserstraße
1948   Links das Haus Kaiserstraße 57 mit Erker und Spruchband über dem Fenster. Das Foto entstand, als die ev. Kirche nach dem Krieg neue Glocken erhielt.
Bild-Quelle: Ev. Kirchengemeinde Haan



Kaiserstraße
1980   Fliesen am Hauseingang.
Foto: Harro Vollmar
 
Kindermuckergang
Durchgang zwischen Neuer Markt und Kaiserstraße. Rechts das Haus Kaisertraße 57. (Eigene Zeichnung)


Auch auf dem Foto der Häuser Kaiserstraße 53/55 von 1980 ist das Haus mit dem kleinen Erker ganz rechts zu erkennen.


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Kaiserstraße 69: Café Stöcker

Als eines der letzten alten Fachwerkhäuser des uralten Siedlungsbereichs Jülicherland in unmittelbarer Nähes des Alten Marktes wurde - von vielen bedauert - 1970 das traditionsreiche "Café Stöcker" abgebrochen, in dem zahlreiche "romantische Verbindungen" und Ehen ihren Ursprung genommen haben sollen. Es musste einem überaus nüchternen Bau für einen Supermarkt Platz machen, der längst wieder durch einen anderen Discounter ersetzt ist.


Café Stöcker
 
Um 1968
Café Stöcker an der Kaiserstraße
Foto: Harro Vollmar


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Kaiserstraße 75-81: An der Leng (= Linde)

Diese je nach Standpunkt malerische oder erbärmliche Zeile hutzeliger kleiner alter Fachwerkhäuser gegenüber der Einmündung Walder Straße wurde um 1971 zur Begradigung der Straßenkurve der B 228 vor dem Rathaus abgebrochen. Ob sie aus heutiger Sicht noch zu restaurieren gewesen wären?

1724 heißt es in einer Steuerliste: 'Peter ahn der Linden, Wollspinner', und am 11. Juli 1856 steht im Postvertrag mit dem Briefträger Jakob Litsch dem Älteren (Großvater des am 22.09.1980 verstorbenen Haaner Heimatdichters und -forschers) 'an der Leng'.

"Ab 1844 betrieb das Geschäft für Gemischtwaren Peter Laux dort einen Laden. Neben dem heute noch bestehenden Kolonialwarengeschäft J.M. Mohr, gegründet 1786 im Haus Kaiserstraße 45, besaß Haan nun zwei sogenannte 'Winkelläden', die nahezu den gesamten Bedarf der Haaner Bevölkerung abdecken konnten." [Vollmar]


Kaiserstraße 75-81  
1968
Häuserzeile 'An der Leng' (An der Linde),
Kaiserstraße 75-81
Foto: Harro Vollmar


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Kaiserstraße 85: Rathaus

Das "neue" Rathaus wurde 1902/1903 im Stil des Historismus mit Türmchen, großen Maßwerkfenstern, geschmücktem Giebel, Kunstverglasungen und Putzreliefs errichtet. Das Fenster im Ratssaal zeigt die "unter der Krone" vereinten 17 Landeswappen.

1903 bis 1920 war im Rathaus auch die Sparkasse untergebracht. Da der Platz nicht reichte, erhielt das Rathaus 1923/24 einen Anbau, in dessen Erdgeschoss die Sparkasse einquartiert wurde. Dort blieb sie bis zum Umzug in ihr neues Gebäude an der Kaiserstraße 37.


Altes und neues Rathaus  
1902
Altes und neues Rathaus
Bild-Quelle: Ev. Kirchengemeinde Haan


Rathaus  
1980
Das Rathaus an der Kaiserstraße 85.
Es beherbergt heute auch das Stadtarchiv.



Quellen:
  • Barth, Emil: Das verlorene Haus - eine Kindheit. Hamburg - Leipzig 1936, H. Goverts Verlag. Zitiert bei Vollmar: Emil Barth, ein Haaner Dichter, S. 99 f
  • Koll (1994)
  • Lomberg (1928)
  • Vollmar, Häuser und Höfe

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