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Brucher Kotten (Itter)

Brucher Kotten
2003   Brucher Kotten
 
Lage
Vermutungen
Geschichte und Eigentümer
Namen



Lage

Der Brucher Kotten steht unterhalb der Brucher Mühle, westlich der Bahnlinie an der Grenze zwischen Solingen-Ohligs und Haan auf Haaner Gebiet. Auf der Karte von Ploennies von 1715 ist er auf der rechten Bachseite verzeichnet, wo er auch heute steht.




Vermutungen

Schon 1484 wird in einer Steuerliste des "Ambtes Solingen" ein "slyffkotten" des Johan Broch zu Schnittert (Snytert) erwähnt, der in der Honnschaft Schnittert lag. [HStA Düsseldorf, Jülich-Berg I 1343 Bl. 20]. Willi Herwig, der den schwer verständlichen Wortlaut mit Anmerkungen versehen wiedergegeben hat, schließt nicht aus, dass es sich hier den Brucher Kotten handelt (bzw. um seinen frühen Vorgänger).

Auch Rosenthal erwähnt diesen "slyffkotten", schränkt jedoch sofort ein: "...es braucht aber nicht der Brucherkotten an der Itter gewesen zu sein, sondern der Kotten konnte ebenso gut am unteren Lochbach gelegen haben." [Rosenthal 1  S. 109 f]

  Was ich - mit Hans Grah - für wahrscheinlicher halte.
   Vgl. dazu die Vermutungen zum Kaimerskotten am Lochbach.

Vollmar vermutet den Brucher Kotten in urkundlichen Erwähnungen im Verzichtbuch von Haan und Hilden vom 2. Juli 1578 als "Schleipkotten, weder den Lehenbuschen, ahm Pesell" und am 26. Februar 1587 als "Kottenstelle wider dem Lehnsbusch, zum Steinfeld gehörig". Dann hätte der ehrbare Hinrich zu Straten in diesen beiden Jahren zwei Kottenanteile von unterschiedlichen Verkäufern erworben:

"1578 Juli 2

Anno etc. 78 ahm 2. Julii haben Theis Hinumb und Wilhelm Theenhauß referirt, wilcher gestalt Derich uf der Heiden zu Hann und Tringen ehleut verzig gedaen uf den vierten teil des schleipkotten, rat, wasserfluß und quall, weder den Lehensbuschen gelegen, ahm Pesell genant, dem erbaren Hinrich zur Straten und Leisgen ehleuten und uf sulch erbguet verzich und außgank, ubergab und uftracht getoen, sich unterbt, gueder bezalong bedankt und breff und segel mitzoteilen gepetten. [S. 78]

[Strangmeier, Verzichtbuch Teil I, S. 70 Nr. 101]

"1587 Februar 26

Auf ermelten dach [haben] Theis Hinumb und Jurgen Boll referirt, wie das Casper ufm Steinfelt und Mergh, sein ehlich haußfrauw, verkouft und verziegen uf ire allinge kottenstat mitsampt dem wasserfluß, demmen und quellen, weder den Lehensbuschen gelegen in dem banden, so zum Steinfelt gehoerig, laud eines besegelten brefs, so a[nn]o etc. aichtzig ses ahm ersten Maii datirt, dem erbaren Hinrich zur Straten und Lisgen siner ehligen haußfrauwen", daß die Verkäufer die Zahlung des Kaufpreises bestätigt und um Erteilung von Brief und Siegel an die Erwerber gebeten haben. [S. 122]

[Strangmeier, Verzichtbuch Teil I, S. 116 Nr. 185]




Geschichte und Eigentümer

Lunkenheimer erwähnt eine Urkunde, der zufolge der Kotten 1692 von Johann Abraham Schaaf zu Müllersberg erbaut wurde. So alt ist das heute vorhandene und unter Denkmalschutz stehende zweigeschossige Fachwerkgebäude natürlich nicht. Es wird um 1855 bzw. kurz danach erbaut worden sein.

Das Grundstück hatte Schaaf vom damaligen Besitzer des Rittergutes Caspersbroich erworben. Anstelle eines Kaufpreises verpflichteten sich der Käufer und seine Besitznachfolger, sämtliche Schleifarbeiten für die Besitzer von Schloss Caspersbroich kostenlos auszuführen. Bis weit ins 19. Jh. hinein "... ist diese Verpflichtung eingehalten worden. Erst als Caspersbroich in bürgerliche Hände überging, wurde der Kaufvertrag abgelöst." [Lunkenheimer S. 74]

1787 werden Johann Herder und Abraham Mutz "vom Brucher Kotten" in einem Beschwerdeschreiben erwähnt, das einen kleinen Einblick in den harten Schleifer-Alltag gewährt. Vermutlich waren die beiden Herren die Eigentümer und Beschwerdeführer:

"Nach ihrer Muthmaßung fingen die oben um 10 bis 11 Uhr an: dabei geschähe mehrmalen, daß wenn es denen oberen Müllern wegen ihre Bäckerey nicht gefiele zu mahlen, daß sie das Wasser in denen Teichen obschon die oberen schon alle abließen, noch aufbehielten: Sie bezahlten zwey Gulden conx an Jährlicher Grundpfacht, wogegen sie soviel Grund gebrauchen könnten, als sie zu ihrem Kotten nötig hätten."

[HStA Düsseldorf, Jülich-Berg, Kellnereirechnung vom Amt Solingen 1786/87; zitiert bei Lunkenheimer S. 74; a.a.O. nicht gefunden.]


1839 gehörte der Kotten zur Hälfte Nathanael Klauberg. "Er wollte damals seinen Anteil am Schleifkotten verkaufen. Aus der Verkaufsanzeige erfahren wir, daß der halbe Kotten mit 12 Schleifstellen und einem großen Stein versehen ist". Ein Käufer fand sich anscheinend nicht. [Lunkenheimer S. 74]

Im Januar 1854 wollte Miteigentümer J.P. Holthausen sein Kottenviertel verkaufen:


Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 4. Januar 1854
"Brucher Kotten.

Ein Viertel des durch sein außerordentliches Gefälle und Wasserkraft rühmlichst bekannten Brucherkottens ist zu verkaufen.
Näheres beim Eigenthümer J.P. Holthausen."


1855, als große Veränderungen vorgenommen werden sollten, waren sowohl Klauberg als auch Holthausen noch Miteigentümer:


Die Herren Nathanael Klauberg, C.E. Linder und J.P. Holthausen beabsichtigen an ihrem in der Gemeinde Unterhaan gelegenen Brucherkotten ohne Abweichung von den bestehenden Stauverhältnissen folgende Veränderungen vorzunehmen:

1) den alten Kotten abzubrechen und einen neuen von 60 Fuß lang und 32 Fuß breit, näher dem Teiche hin, wie solches im Situationsplan angegeben ist, zu erbauen;

2) ein neues Wasserrad von 15 Fuß Durchmesser (7 Fuß breit) zu bauen, dessen tiefster Punkt 8 Zoll (0,75 Fuß) über dem Pegel des unterhalb liegenden Kuckelsberger Kotten zu liegen kommt;

3) ein neues Schalt (Gerinne) von 20 Fuß Länge zu legen, welches am Teich 7 Fuß und überm Rade 5 Fuß 10 Zoll weit sein soll. Die Höhe desselben wird 4 1/4 Fuß betragen, - 0,38 Fuß höher als die Stauhöhe, damit dasselbe keine Überflutungen zuläßt;

4) den Damm am Teich und Obergraben so zu vervollständigen, daß derselbe wenigstens 1/2 Fuß höher als der Wasserstand (Stauhöhe) wird;

5) die Flößrinne am Teiche nach Angabe des Situations- und Nivellementsplan zu verlegen.

Haan, den 2. Juli 1855.   Das Bürgermeister-Amt: Zur Nieden

[Anzeige im Öffentlichen Anzeiger / Amtsblatt der Regierung zu Düsseldorf Nr. 979. Zitiert bei Lunkenheimer S. 74]


"Überliefert ist, daß früher ein ganz kleiner Schleifkotten auf dem Grundstück gestanden hat, der durch einen Neubau ersetzt wurde. Das Bauholz habe man in eigenen Waldungen geschlagen." [Lunkenheimer S. 75]

Im März 1864 wollte Robert Linder aus der Merscheider Hofschaft Keusenhof seinen Anteil am Brucher Kotten verkaufen und versuchte es mit dieser Annonce:


Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 23. März 1864
"Für Schleifer.

Mein auf der Itter-Bach am Caspersbruch liegender Antheil Schleifkotten, welcher 4 kleinere Stellen und ein Antheil großer Steine enthält, bin ich willens zu verkaufen, auch steht dem Ankaufer der ganze Stein zur Verfügung.

Robert Linder am Keusenhof."


Im August 1873 stand eine weitere Verkaufsanzeige der Teil-Eigentümer Linder in der Zeitung:



Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 13. (15.) August 1873
"Kotten-Verkauf.

In Theilungssachen Linder ./. Linder zu Keusenhof, Gemeinde Merscheid, wird der unterzeichnete Notar am Freitag, den 24. October d.J., Nachmittags 5 Uhr, zu Ohligs, Gemeinde Merscheid, beim Gastwirthen Herrn August Staudacher, das den Partheien zugehörige ein Sechstel des unterhalb Caspersbruch auf der Itterbach in der Gemeinde Haan gelegenen, mit Nro. 672 bezeichneten Schleifkottens mit An- und Zubehörungen, taxirt zu 1200 Thaler, öffentlich zum Verkaufe ausstellen und bei Erreichung der Taxe definitiv zuschlagen.
Verkaufsbedingungen und die sonstigen Voracten sind beim Unterzeichneten einzusehen.

Solingen, den 12. August 1873.     Dahmen."


"Der Haaner Heimatforscher Jakob Litsch wußte noch zu berichten, daß um das Jahr 1900 der Brucher Kotten einem Schleifer Wirtz gehörte, der mit seiner Tochter Anna dort arbeitete. Karl Fehrekamp mit seinen beiden Brüdern und Walter Sauer vom Herderskotten waren ebenfalls im Brucher Kotten tätig." [Lunkenheimer S. 75]


 
Belegschaft Brucher Kotten.
 
Um 1900
Gruppenbild mit Schaf:
Belegschaft des Brucher Kottens
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen

Dieses Foto (oben) aus dem Solinger Stadtarchiv ist bei Lunkenheimer abgedruckt; lt. Bildunterschrift stellt es u.a. die genannten Schleifer dar. Von Nachfahren der Schleiferfamilie Butz erhielt ich ein anderes Foto (folgendes Bild), auf dem zum Teil dieselben Personen abgebildet sind, u.a. Wilhelm Butz - links auf dem Stein sitzend (bei Lunkenheimer irrtümlich als Inhaber Wirtz bezeichnet) - sowie zwei seiner Söhne.

Der Kotten spielte für zwei Generationen der Schleiferfamilie Butz eine wichtige Rolle. Eine tragische Bedeutung erhielt er, als der älteste Sohn dort durch einen Unfall mit dem Wasserrad ums Leben kam. [S.W.]

  Über die Unfallgefahren des Schleiferberufs


 
Belegschaft Brucher Kotten.
Um 1900   Gruppenbild mit Dackel: Belegschaft des Brucher Kotten
Bild-Quelle: © Familie Siegfried Westhofen
 
Wilhelm Butz
Wilhelm Butz.
Bild-Quelle:
© Fam. Westhofen



Als während des Ersten Weltkrieges nicht in der Schleiferei gearbeitet wurde, weil die jüngeren Schleifer eingezogen waren und deren Väter keine Arbeit hatten, wurde der Kotten von Jugendlichen aus der Nachbarschaft stark beschädigt. Fast alle Fensterscheiben wurden eingeworfen, und auch im Inneren des Kottens wurden große Zerstörungen angerichtet. Da die Eigentümer nicht in der Nähe wohnten - und folglich keine Kontrolle über das Geschehen hatten -, entschlossen sie sich im Jahr 1917 zum Verkauf. [Rusche]

1918 erwarb der Fabrikant Friedrich Plücker aus Ohligs den beschädigten Brucher Kotten. [Rusche]

Ab 1921 arbeitete hier der Schleifer Ernst Caspers. Der Kotten, der außer einem oberschlächtigen Wasserrad auch Stromanschluss besaß, war bis zum Zweiten Weltkrieg in Betrieb.

1939 waren noch etwa 10 Messer- und Scherenschleifer beschäftigt. [Lunkenheimer S. 75]
Auf dem Wege der Erbfolge ging der Kotten an Frau Schipp in Ohligs.

"Bis zum Jahre 1945 hat das Wasserrad die Schleifsteine des Kottens getrieben; dann trat Kraftstromantrieb an seine Stelle."

Nach 1945 errichtete hier ein Sanitätswerk einen Zweigbetrieb, in dem Prothesen gefertigt worden sein sollen. Der Bedarf wird nach dem Krieg groß gewesen sein. "Dort, wo ehedem ca. 30 Schleifer beschäftigt waren, wurden jetzt noch in einem Raum Scheren geschliffen." [Lunkenheimer S. 75]

Der Brucher Kotten sei der beste Kotten an der Itter, weil hier der Bach das beste Gefälle von 20 Fuß hätte, schrieb die Rheinische Post am 20.12.1958. Auch 1959 wurden hier noch Schneidwaren bearbeitet.

Dann lag der Kotten jahrelang still. 1975 erwarb ihn Dr. Beckmann aus Düsseldorf. [Lunkenheimer S. 75] 1976/77 wurde das Gebäude restauriert und zum Wohnhaus umgebaut. "Brucherkotten 3" ist in der Denkmalliste der Stadt Haan eingetragen.


Brucher Kotten
2003   Brucher Kotten,
von der Haaner Seite aus gesehen
 
Brucher Kotten
2003   Brucher Kotten,
von der Ohligser Seite aus gesehen



Namen

1484   Johan Broch
bis 1578   Eheleute Derich uf der Heiden und Tringen
ab 1578   Eheleute Hinrich zur Straten und Leisgen
bis 1587   Eheleute Casper ufm Steinfelt und Mergh
ab 1587   Eheleute Hinrich zur Straten und Lisgen
1692   Johann Abraham Schaaf
1787   Johann Herder und Abraham Mutz
1839   Nathanael Klauberg
1854, 1855   Nathanael Klauberg, C. E. Linder, J. P. Holthausen
1864   Robert Linder
1873   Linder
1900   Wirtz, Karl Fehrekamp, Walter Sauer
um 1900   Wilhelm Butz
1918   Friedrich Plücker
1921   Ernst Caspers
Schipp
1975   Dr. Beckmann



  Ittertal - Brucher Kotten


Quellen:
  • Herwig (1959)
  • Lunkenheimer (1990) S. 74 f
  • Rheinische Post vom 20.12.1958
  • Rosenthal Bd. 1 (1973)
  • Friedrich Rusche, Schreiben vom 01.09.1938 im Stadtarchiv Solingen, 0-4-Kotten
  • Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 23.03.1864 und 13.08.1873
  • Stadt Haan (1990)
  • Strangmeier (1970)
  • Vollmar (Häuser und Höfe)

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