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Holthausen

Viele Jahre lang bin ich täglich auf dem Weg zur Autobahn an den unspektakulären alten Fachwerkhäusern an der Elberfelder Straße vorbeigefahren - ohne mir je darüber Gedanken zu machen, wie viel Geschichte sich dahinter verbirgt.


Haan
 
2005
Elberfelder Straße 94

Kaum eine andere Gruppierung alter Haaner Höfe ist, wie Harro Vollmar 1979 schrieb, in dieser historischen Geschlossenheit bis heute ähnlich erhalten geblieben wie Holthausen - beiderseits der Elberfelder Straße in Richtung Vohwinkel, beginnend mit Nr. 92 - und das trotz Industriebebauung und Autobahnbrücken in unmittelbarer Nähe.

Der Name Holthausen ist schon sehr früh dokumentiert: Am 20. Januar 1363 erscheint er in einer Einnahmen-Abrechnung des Amtmannes Dietrich Smend für den Gerichtsbezirk des Amtes Solingen:

"Henricus de Holthusen, 18 marca Coloniensis". Der Zweck der Zahlung des Haaner Landwirts Heinrich Holthausen ist nicht bekannt. "Das Wort 'marca' bedeutete, daß die übergebenen Silberstücke durch eine Münzbehörde mit einer Marke als echt bestätigt worden waren. 1 'marca Coloniensis' = Kölner Mark hatte damals 234 Gramm Feinsilber". 18 'marca' hätten 1979 etwa einer Kaufkraft von 4.000,- DM entsprochen. Für 18 marca bekam man damals ein einfaches Pferd. [Vollmar]

In den folgenden Jahrhunderten erscheint "Holthausen" immer wieder, so z.B.

1410 im viel zitierten Hühnerzinsregister für das Ritterhaus Horst in Hilden: "Heyva van Hulthusen" und "Geirken van Hulthusen".
1466 in einer Einwohnerliste: "Tilman zo Holthuß" und "Heyncken zo Holthusen".
ab 1480 in einer Liste der Lehngüter des Ritterhauses Horst in Hilden regelmäßig das "Sattersguet zu Holthuyssen". [Sattersgut = Sattelgut]

1530 in einer Liste der Kurmudsgüter: "Item Kotters Gutt zu Holthausen ist eine Soel, die alle Jare zu Sent Andries Daich [= St. Andreas-Tag, 30. November] dem Lenehern zu Zins gifft 3 Schil(linge) 3 D(enar) und ist ein churmuttig Gut, dat anno (15)30 entf(angen) Hand hat."


Haan
 
2005
Thienhauser Höfe;
Elberfelder Straße 92,
dahinter 94


Haan
 
1979
Elberfelder Straße 95-101,
einer der ältesten Höfe Haans.
Auffällig sind die kleinen Fenster
und die über die Jahrhunderte
errichteten Anbauten
Foto: Harro Vollmar

Interessant sind - auch für die Haaner Handwerksgeschichte - folgende Dokumente:

Am 10. Juni 1577 verzichtet "meister Hinrich Holthaus, kannengiesser" aus der Newergasse in Köln auf sein Erbe am Hof Holthausen in Haan.

Am 2. Juli 1578, also etwa um die gleiche Zeit, verzichtete ein "Meister Johann Kannengießer von Knedtiser" auf seinen Erbteil am Haaner Hof Kneteisen. In diesen (zeitlichen) Zusammenhang passt ein Hinweis von Egon Viehbahn über die Anfänge des bergischen Zinngießer-Handwerks: "Die älteste Nachricht über einen bergischen Zinngießer, damals Kannengießer genannt, stammt vom 2. März 1574 und ist im Verzichtbuch von Elberfeld vermerkt."


Zinngießer
 
16. Jh. (?)
Zinngießer bei der Arbeit
Holzschnitt

1599 wird im Verzeichnis der Kurmudsgüter des Haaner Hofesgerichts "Jacob zu Holthausen in dem Newenhaußhove", genannt, neben "Johann zue Holthausen". Vielleicht war um diese Zeit ein neuer Hof innerhalb der Bauernschaft Holthausen erbaut worden.

1611, 1648 und 1657 erscheinen: "Heinrich Raw zu Holthauß", "Rahuen Gut zu Holthausen" und "Rauholthausen", also wieder eine andere Bezeichnung.

Am 10. März 1668 schlossen Girt (Margareta Monis), tugendsame Tochter aus der Bauernschaft Holthausen, und Driß (Andreas) Schmachtenberg, auf Holthausen einen beurkundeten Heiratsvertrag ab.

  Über das Gut Schmachtenberg

Dieser in Haan archivierte, vollständig erhaltene Vertragstext zwischen einfachen (?) Bauersleuten ist ungewöhnlich und daher hier im Wortlaut wiedergegeben, wie von Vollmar 1979 veröffentlicht:


"Im Nahmen der heiligen unzertrenlichen Dreyeinigkeit Amen! Kund und zu wissen sey hiemit jedermanniglich, daß uf unten benenten Tag und Zeit ein christ-freundlicher Heyrat zu Gottes Ehren, Vortpflantzung menschlichen Geschlechts, auch zu Ausbreitung vertrauwlicher Freundschaft zwischen dem ehrsamen Dryßen ufm Schmachtenberg an einer Seiten und der tugendsamer junger Tochter Girden, Petern Monis und Drutgen Holthausen, gewesen Eheleuten, eheliche Dochter anderdeils, beschlossen, vereinbaret und verabredet worden wie folgt:

Anfenglich hat einer den andern mit Mund und Hand treulich zugesagt, daß sie nach vorgangener Einsägenung die Zeit ires Lebens in Lieb und Leid beysamen wohnen und sich ehelich einen und meynen wolen, darzu inen Gott seine Gnad und Segen verleyhen wolle.

Zeitliche Gutter belangent, verheyratet sich die Braut Girdt uf ihre Kindgerechtigkeit in allem, was sich befinden wirt nach der Mutter Tod, was den uberig ist under sich dreyen scheidlich und friedlich sollen deillen.

Darneben verheischt die Mutter, irer Dochter zu geben zu Stattung der Kleidung vier, ich sage vier Richsdaller. Auch kunftigen May gelobt sie, ihr eine Kue zu geben oder das Gelt dafur und sonsten an Gereiden weiters nach ihrem Vermögen und nach ihrem Belieben.

Auch ist verabredt: Weyllen angehende Eheleut keine Hochzeit halten werden und die andere Schwester Catrein Hochzeit gehalten hat und die Muter der ire Hochzeit gehalten hat, verheischt sie diesen angehenden Eheleuten, daß inen solches von ir werden soll, was sie denen getan hat uf ihrer Hochzeit.

Hergegen verheyratet sich der Breutigam uf das halbe Schmachtenberger Gut in allem, wie seine Eltern das im Besitz und Gebrauch gehabt haben, mit der Schuld, so jetz uf das Gut stehet, benentlich neun Viertel Daller colsch, und seine gereide Gutter in allem, wie er sie jetzunder in seinem Besitz und Gebrauch hat. Dabey ist austrucklich vorbehalten, daß im Fahl die beyde junge Eheleut ohne Leibs bleibende Erben - deren sie Gott nicht verziehen wolle - durch den Tod voneinander gescheiden wurden oder wan alsolche Erben, so von inen gezeugt, gleichfals ohne Leibs bleibende Erben absturben, uf den Fall alles, was einer an den a(nde)rn, es sey Gelder oder Erb, beweißlich anbracht, dem Zurückfall unterworfen und als Erb den nesten Blutsfrunden anerfallen solle, doch also, daß den Letzlebenden die Leibzucht von allem Zeit seines Lebens solle unverweigert sein.

Und ist dieser Heyrat von unterschreibenen Persohnen vollenzogen und beschlossen worden und zu Vesthaltung dessen, was hirinnen specificirt, von selbigen Perschonen eygenhändig unterschreiben, so geschehen ist in Adolffen Unden zu Holthausen Behausung.

Geschehen den 10. Tag Monnats Mertz 1668.

Dieweil Driß Schmachtenberg schreibensunerfahren ist, hat er mich gebetten, vor in zu unterschreiben, Henrich ufm Holt. Weil die Braut Girt schreibensunerfahren ist, hat sie handtastlich von mir begert, dieses vor sie und mich zu unterschreiben, Wilhelm Schmacht,

Weilen Henrich Monis und Drutgen zu Holthauß schreibensunerfahren, haben sie handtastlich von mir begert, dieses vor sie und mich zu unterschreiben, Adolff Holthauß. Dieweil Jan Schmachtenberg schreibensunerfahren ist, hat er mich gebetten, vor in zu unterschreiben wie auch vor mich, Henrich ufm Holt."


Aus den alten Haaner Urkunden lässt sich immer wieder ableiten, dass der frühere Haaner Wald, der bis zum heutigen Stadtzentrum reichte, sukzessive im Verlauf der Jahrhunderte hinweggerodet wurde. Dies belegen sog. Rodungszehnten-Verzeichnisse (Rottzehnt), wie für Holthausen im Jahr 1606: "Johan zu Holthaußen hat ein Stuck Rottlandes. Gelegen oben in der Heiden. Schießend mit einer Seiden ufm Kamper Veld, der ander Seiden uf Bollen Veld, einem Heuft de Landstraß und dem anderen Heuft sein selbst Land. Helt ungefehr 1 Morgen 1 fiertel."

"Diese Rodungsaktionen müssen [...] bis etwa gegen 1800 angehalten haben, denn bis zu dieser Zeit wurden Fachwerke beim Hausbau und einheimische Bauernmöbel aus Eiche hergestellt." [Vollmar]

   Ende des 18. Jh. wurde auch anderswo im Bergischen Land (z.B. Solingen) das Bauholz knapp und musste eingeführt werden.


Haan
1979   Elberfelder Straße 115
Foto: Harro Vollmar
 
Haan
1979   Elberfelder Straße 117
Foto: Harro Vollmar

1715 ist die Bauernschaft Holthausen in der Ploennis-Topographie für das Herzogtum Berg eingetragen als "Dorf ohne Kirch" mit mindestens vier Höfen. Wiebeking verzeichnet in seiner Karte von 1779/80 neun einzelne Gebäude.

1809 waren in Holthausen 33 Personen registriert.

1830 sind 30 Personen angegeben; für Haan insgesamt einschließlich Ellscheid und Obgruiten 2951.

Einer der Holthauser Höfe (Elberfelder Straße 101) wurde im 19. Jh. als Ahlen-Schmiede betrieben. Der Export soll weltweit gewesen sein. Der Holthauser Hof Elberfelderstraße 113-115 ist seit etwa sieben Generationen im Besitz der Familie Stöcker (1979).



Quellen:
  • Vollmar, Häuser und Höfe (1979)
  • Egon Viebahn: Bergisches Zinn, Wuppertal 1972 und 1978. Zit. bei Vollmar

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