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Gräfrath 1837. Landschaft mit Klosterkirche und Zeughaus. Ölgemälde von Friedrich August de Leuw |
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Bei der Beschäftigung mit der älteren bergischen Geschichte stößt man immer wieder auf die Klöster, oft auf das Augustiner-Chorfrauenstift in Gräfrath und auf die Abtei Altenberg, und insbesondere in ihrer Eigenschaft als Grundbesitzer und Zehntempfänger.
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Die Heimat 1.9.1959 Jg. 17 Nr. 6 S. 11
Aebtissinnen des Gräfrather Klosters
Das von der Aebtissin Elisabeth zu Vilich auf ihrem Besitztum zu Gräfrath "zur Ehre Gottes und Seiner unbefleckten Gebärerin Maria" im Jahre 1185 gegründete Kloster "für Gottes Mägde" hat im Laufe der Zeit auf Grund des ihm zugeflossenen Reichtums an Grundbesitz, Einkünften und Gerechtsamen, der ihm verliehenen Privilegien und ausgeübten Patronatsrechte (Gruiten, Honrath, Schlebuschrath, Sonnborn und Wald) und der teilweise noch heute vorhandenen, als wundertätig verehrten Reliquien der Klosterkirche, die in früherer Zeit Anziehungspunkte für Wallfahrten und Pilgerzüge aus weitentfernten Gegenden gewesen sind, einen bedeutenden Einfluß ausgeübt.
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Um 1895 Kath. Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt, die ehemalige Klosterkirche. Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen |
Die Reliquiensage, die der Popularität des Gräfrather Klosters sehr zugutekam, gibt es in mehreren, leicht voneinander abweichenden Varianten. Hier die von Otto Schell überlieferte Version: |
Bergische Sagen, gesammelt von Otto Schell (1922) Die Reliquien der heiligen Katharina zu Gräfrath. (Montanus, Vorzeit, II, 400)
"Die Gräfin Katharina von Hückeswagen entfloh dem Glanz der Welt und trat in das Kloster zu Gräfrath, wo sie sich den härtesten Bußübungen unterzog. Dafür empfing sie von Gott manche Gnadenbezeugung. Als einst Nachtigallen durch ihren lieblichen Gesang ihr die beschauliche Ruhe zum Beten raubten, verbannte sie dieselben; und bis zur Stunde muß diese Königin des Gesanges den Ort meiden.
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Die Reliquie der hl. Katharina wird im Solinger Klingenmuseum aufbewahrt. |
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Die heilige Katharina, Schutzpatronin von Gräfrath, mit ihren Insignien: Buch, zerbrochenem Folterrad und Schwert. Figur aus Frankreich, um 1500, im Klingenmuseum. |
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Grenzstein des Gräfrather Klosters mit dem Katharinenrad, heute eingemauert in der Außenwand der Klosterkirche. |
An anderer Stelle stößt man auf Sagen und Legenden von lebendig eingemauerten Nonnen, von Mönchen, die ihre zehn Gebote vergessen haben, junge Mädchen verführen und dann im Klosterteich ertränken, von schrecklichen Flüchen, die auf Klöstern lasten, und vielen unangenehmen Dingen mehr.
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Bergische Sagen, gesammelt von Otto Schell (1922) Der Nonnenraub in Gräfrath. Fr. Leibing, Sagen, 31. Nach mündlicher Erzählung aus Sonnborn.
"Nicht gar weit vom Dorfe Sonnborn, hinter dem Schlosse Hammerstein, liegt das Burgholz. Es hat den Namen von einer Burg, die darin stand, auf der Stelle, wo man noch jetzt unter Moos und Waldgesträuch ihre Trümmer sieht. Hier hauste vor alten Zeiten ein kühner Ritter, der von Kronenburg genannt. Von ihm geht eine Geschichte, die im Volksmund folgendermaßen lautet:
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Otto Schell gibt die Sagen meist kurz und knapp wieder. Sehr ausführlich, oft in Gedichtform und sehr facettenreich präsentiert sie dagegen Vincenz von Zuccalmaglio (1806-1876), der auch als "Montanus" bekannte vielzitierte bergische Schriftsteller und Geschichts-Überlieferer aus Schlebusch (heute Leverkusen).
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Ein Vers des langen Gedichts über den Nonnenraub, S. 214. Hat sich der Setzer einen Scherz erlaubt, oder ist der "Säugling" ein versehentlicher Druckfehler? Ein Leser hat am Rand mit "Jüngling" korrigiert. |
Vincenz von Zuccalmaglio (1806-1876), "Montanus" |
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"Doch als er vertobt die verderbliche Wut ob des grämlichen Vaters Versagen, da triebs ihn hinaus mit männlichem Mut Den Kampf um die Holde zu wagen. O Die Nonne befreien ist Gottesraub; Das Kloster zu Gräfrath hat Mauern aus Stein, da dringet nicht Eisen noch Stahl herein Am heiligen Annatage!" |
"Anmerk: Der Nonneraub des Ritters Wulf oder Wolfgang von Kronenburg erzälen mehrere alte Chronisten und auch in den Annalen des Klosters ward er aufbewahrt. Im Volksmunde schmückte er sich abentheuerlich aus. Das Jahr der That war 1237; ausführlich erzählt Wilhelm Aschenberg die Begebenheit in seinem rheinischen Taschenbuche. Er hat statt des Annatages den Katharinentag, an welchem der Gräfinn Katharina von Hoikeshofen zu Ehren, die im Jahre 1089 das Kloster stiftete, von den Nonnen eine feierliche Procession gehalten wurde."
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Bergische Sagen, gesammelt von Otto Schell (1922)
Die eingemauerten Nonnen.
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Die Ruine des Klosters Altenberg. Stahlstich von Eduard Gerhard, 1834. Im November 1815 war in Folge einer Explosion im Chemikalienlager eine Feuersbrunst entstanden, die große Teile des Klosters zerstörte. Bilder aus Altenberg |
Es bleibt nicht aus, dass man sich einige Gedanken macht über das tägliche Leben im Kloster und über die wahren Beweg- und Hintergründe insbesondere bei den Frauen, dort einzutreten. Die Geschichtsschreibung macht ja gar keinen Hehl daraus, dass es mit frommer innerer Berufung nicht immer etwas zu tun hatte, sondern eher damit, dass sie im Weg waren, den "falschen" Mann heiraten wollten oder eben nicht den "richtigen", oder dass sie gar nicht heiraten und Nachwuchs (Erben) bekommen sollten (auch bei Männern ein Grund), dass sie einfach verschachert wurden oder dass es für alleinstehende Frauen "von Stand" keine andere akzeptierte Lebensform gab.
Etwa um das Jahr 1200 verstärkte sich der Zug in die Nonnenklöster. Der Adel hatte in den Kreuzzügen und durch Fehden viele Männer verloren. Andere adelige Stiftsherren und Mönche waren durch das Gelübde der Ehelosigkeit gebunden. Ein Frauenüberschuss machte sich bemerkbar. "Diese Erscheinung traf mit dem Höhepunkt mittelalterlicher Frömmigkeit zusammen, durch den sich der Zug in die Klöster verstärkte. Auch das Kloster Gräfrath füllte sich in einem solchen Maße mit Nonnen, daß Erzbischof Engelbert von Berg Grenzen setzte. Er beschränkte die Zahl der Nonnen auf vierzig, jedoch mit der Ausnahme, daß durch den Eintritt weiterer Nonnen dem Kloster wesentliche Vermögensvorteile zufielen. [...] Die Bräute Christi brachten als Mitgift Bauernhöfe, Zehntrechte, Weinberge, Äcker und Wiesen mit Rentenverschreibungen, auch Bargeld mit." [Rosenthal 1. Bd S. 25 f]
"Menschen hinter Klostermauern" - das Thema passt eigentlich nicht in eine Genealogie-Webseite, da die Familiengeschichte in einem Kloster - zumindest offiziell - zu Ende ist. Es soll hier auch nicht weiter vertieft werden, es sei denn durch zufällige Fundsachen.
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Die Verzweifelnde(Klostersage aus dem 12. Jahrhundert)
(1) (2) Was that ich arme Nonne . "Um Christi Willen findest So Böses auf der Welt, . Du dies also bestellt, Daß fern vom Stral der Sonne . Auf daß du überwindest Mich Klosterkerker hält? . Im Kampfe mit der Welt! Warum soll ich vertrauern . Den Leib nur hält Gemäuer In ew'ger Modernacht, . Im ew'gen Klosterbann, Da vor den düstern Mauern . Auf daß dein Geist sich freier Mir heitres Leben lacht? . . Zu Gott erschwingen kann!" (3) (4) O! Jammer! eingeschlossen . "Die Freiheit zum Gebete, In ödem düstern Grab - . Die höchste Freiheit blieb: Heißt dies das Glück genossen, . Des Himmels Morgenröthe, So Gott dem Leben gab? . Das ist Mariens Lieb'! Wird Niemand sich erbarmen . Es war der Eltern Wille, Zu enden meine Noth? . Daß du ihr einzig Kind Lacht nie hinfür mir Armen . In heil'ger Klosterstille Der Freiheit Morgenroth? . . G'nugthuest ihrer Sünd'!" (5) (6) Nein! Eltern nimmer zollen . "Es ist uns schon verfallen Dem Kind so gringe Huld, . Dein Schloß und all dein Gut, Mein Grab kann Gott nicht wollen . Sie folgen ja den Hallen, Zu Tilgung ihrer Schuld! . Wo ihre Erbinn ruht. Nehmt alle meine Güter. . Du hast ja Treu geschworen Und meinen Schmuck dabei, . Dem hohen Gottessohn: Doch laßt mich Aermste wieder . Frei von den Himmelsthoren Arm in die Welt und frei! . . Führt er die Braut zum Thron!" (7) (8) Wohl gab ich heil'ge Eide . "Was draußen dich umwunden Dem Ritter Curt vom Thal! . Von böser Lüste Schlamm, Wüßt er von meinem Leide, . Deß bist du jetzt entbunden Euch drohte scharfer Stahl. . Beim besser'n Bräutigam. Ihr habt mich zu den Nonnen . Dir ziemet jetzt zu büßen Verlockt durch Trug und Wahn, . Für manches Frevelwort Unwissend, unbesonnen . Daß einst dich Engel grüßen Hab ich den Schwur gethan! . . Im ew'gen Gnadenport!" (9) Ach! harr' ich nicht in Qualen Da ich dem Liebsten fern? Nur Lieb hab' ich zu zahlen, Die weih' ich Gott dem Herrn. . Mehr wird er nimmer fodern, . . der liebe Gott will nie, . Daß Schmerzen uns durchlodern, . Da er nur Lust verlieh! . . . . . (10) (11) So auf der Nonne Klage . Die schönste aller Nonnen Die kalte Aebtin schmollt, . Wie Fische stumm und kalt, Bis einst am frühen Tage . Versiegt die Stralenbronnen, Der Fröhner fischen sollt. . Und starr die Huldgestalt! Da zog er aus dem Teiche . Dem düstern Schmerz verfallen Gar selt'nen Fang ans Land, . Gab sie sich selbst den Tod - Weh! Bertha war's, die bleiche, . So bleicht Bertha von Hallen Im dunkeln Chorgewand; . . Die holde Rose roth. (12) (13) Und als die Trauerkunde . Längst ist das Schloß zerfallen Herrn Kurt von Thal ereilt, . Wo Kurt von Thal gewohnt Schlug's ihm gar tiefe Wunde, . Und auch des Klosters Hallen Die nichts auf Erden heilt. . Hat nicht die Zeit geschont. Zu Akkons Wogenstrande . Das Schloß sieht man gebrochen Trug er des Herzens Noth, . Durch starke Feindeshand, Wohl in dem heil'gen Lande . Am Kloster ward gerochen Sucht er und fand den Tod. . . Gar viel durch wilden Brand. (14) (15) Es schrecket sein Gemäuer . Doch um den Klosterweiher Fortan kein fühlend Herz, . In Vollmondmitternach Den grimmen Nonnenschleier . Schleicht's oft im Nonnenschleier Bethränkt kein Liebesschmerz. . Mit Geistesschritten sacht. Was lang das Volk betrogen . Dann hört man's stöhnen, klagen, Wie Nebel schwand's vorbei, . In's Wasser rauscht ein Fall - Des Stiftes Nonnen zogen . Und alte Leute sagen: Froh in die Welt und frei. . . Dort stürzt Bertha von Hall! [Zuccalmaglio Vorzeit 1. Bd. S. 112-116] |
Zuccalmaglio fügt (im Jahr 1837) noch folgende Bemerkungen und Zitate hinzu:
"Anmerk: Der ehemalige, freiadelige Rittersitz Thal (Haus Thal), jetzt ein Meierhof, erfreut sich in dem reizenden Aggerthale unterhalb Overrath einer romantischen Lage. Dort bei so vielen ehrwürdigen Zeugen der Vorzeit leben noch viele alte Sagen und dort erzählt man vorstehende Begebenheit, die auch in der Gegend von Gräfrath noch nicht verschollen ist.
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Quellen:
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