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Eine Zeitlang war die Mundart - das "Platt" - aus der Mode gekommen und fast ein bisschen verpönt. Inzwischen ist aber das Interesse an den überlieferten Mundarten gewachsen, und man bemüht sich, sie wiederzubeleben und lebendig zu erhalten. Darum hier ein paar Kostproben, "Vertellstöcksken", die auch zu den Themen dieser Webseite passen.
Spitznamen bergischer Schleifer: Der "Schluffen" und der "Ernen-Buck" Experten für die Solinger Mundart(en) sind z.B. "de Hangkgeschmedden", eine Mundartgruppe im Bergischen Geschichtsverein Abteilung Solingen, die F. Otto Hoppe 1951 ins Leben gerufen hat. |
An beschauliche Spaziergänge ins Ittertal, als die imposante Königseiche noch stand, erinnert sich die Solinger Mundart-Dichterin Erna Kemper mit dieser Geschichte: |
Die Küönegseïke
Von Erna Kemper (2006) |
Und hier die wirklich wahre Geschichte vom ausgebüxten Leoparden, der sich anno 1876 von Elberfeld nach Haan verirrte und auf dem Hof Kneteisen sein trauriges Ende fand: |
Nen bongkten Hongk
Von Erna Kemper (2003) |
Wer Tauben oder Kaninchen nicht nur zum Schmusen hält, auch außerhalb der eigenen Badewanne sein Gesangstalent demonstrieren möchte, ein guter Sportler ist oder sich womöglich für Geschichte interessiert, der tritt in einen Verein ein, denn dort kann man sich am besten entfalten. - Oder etwa nicht? |
Em VereïnVon Erna Kemper |
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Hät men Duwen, häult men Kninn, mott en nem Vereïn men sinn. Denn ierscht do, weït men doch nau, wierd der Mensch vür allem jau. On noh en paar Weeken alt men su wie nen Fachmann kallt. Es men Baß, es men Tenor, sengt men döckes en nem Chor, drenkt dabeï noch seß, aiht Bier, dann die Sake mackt Pläsier. On sind Wiewer met derbeï, gött et mols völl Tottereï. Es en Weïht em Schwemmen guot on et söckt nen guoden Ruot, rödt die Schwitte allbeneïn: "Kengk, du mottß en nen Vereïn. Ganz geweß mottß du dohen. Dat gött Ruohm on brengt Gewenn." |
Nen Vereïn, den fengt men schön. Döckes steïht men op der Büöhn, vürher hät men völl geliert, datt de Owend lösteg wierd. Lachen dann die Lütt beneïn, es men stoult en dem Vereïn. Bluß, en su ner Kompeneï gött et mols ouch Knöttereï. Einer, de markiert den Baas, on dodrüöwer gött et Knas. Es he dann ens nit derbeï, geïht se loß, de Schängereï. Wenn et auch öm Wiewer geïht, nömmes do mieh Spaß versteït. Süht men sech dat all zu aan, glöüf ech, men es klüöker draan, lött de Fenger men dervan. Nen Vereïn mott ech nit hann. |
Als Erna Kemper diese Geschichte verfasste, war Ahnenforschung eigentlich noch kaum ihr Thema. Das hat sich inzwischen geändert, und wie sie versichert, hat es die am Schluss beschriebene, schier unglaubliche Konstellation in ihrer Familie tatsächlich gegeben. Nichts ist unmöglich - und wer sich eine Weile mit den Kirchenbüchern herumgeschlagen hat, den wundert eigentlich gar nichts mehr. |
AhnenforschengkVon Erna Kemper (2001)
"Hüör ens, Rita, dinnen Mann, de wierd doch nu ouch en etlechen Weeken pensiuniert. Hät he alt ens drüöwer nohgedaiht, wat he dann den ganzen Dag donn söül?"
En paar Mont speder begeenden sech die twei tuofälleg. Et Rita koun gar nit su sier kallen, wie et woul. Der Eel hatt sech stracks op de Söck gemackt on erutkrïegen, datt sinnen Uropa mütterlicherseits ut dem Waldeckschen stammden. De wor met der Kiepe nom Solig kuomen, öm Linnen te verkoupen. Do hatt he dann die Uroma gefreït. Drömswellen hatt der Eel et Rita egeladen, en Tour noh Waldeck te maken. Dreï Daag woren die twei do bliëwen. Nit bluß wegen der Ahnenforschengk. Die Begeende gefiël en su guot, datt se et anger Johr dohen en Firjen fahren wellen.
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Zum Thema Ahnenforschung - aber nur in Hochdeutsch - geht es hier. |
Von einer gutmütigen Solinger Lieferfrau, die einem schwer ziehenden Wagenpferd nicht auch noch das Gewicht ihres gefüllten Lieferkorbs zumuten wollte, erzählt diese kleine Anekdote: |
GuotmüödegVon Emil Clauberg (*1883 in Solingen)
Ne schwore Metzerkorf om Kopp, su kroop et Mill den Berg erop. Do kom mem Wagen hengerm her voll Rieserkrom der Engels Eer. De hatt et Mill sier egehollt on Metleïd en der Siel gefollt. He hiël on saiht: "Sach, fahr mär met; om Wagen spürt men keïne Schwett!" Et Mill stiëg gern nom Bock erop. Et hiël den Metzerkorf om Kopp. Dat süht der Eer on es ganz paff on froht: "Wröm settß de dann nit aff?" "Din Perd" - et Mill ganz trurig seht - "doch su genog te trecken hät." |
Gruselig bis dramatisch geht es hingegen im folgenden Gedicht über einen Wupperschleifer zu, der von seinem zerspringenden Schleifstein erschlagen wurde. Arbeitsunfälle dieser Art waren nicht selten. - Falls Sie die Solinger Mundart nicht so gut verstehen, können Sie in einer holperigen Übersetzung erfahren, was passiert ist. |
Der WopperschlieperVon Alfred Müller, * 1918 in Solingen
Düweder wor et, de Wopper geng open, alles noch stell op den Höwen am Schlopen, bluß en nem wengkscheíwen Hüsken wor Leïht. "Frau, ech gönn schliepen; ech denk, datt et geïht!" "Bliff ut dem Kotten, der Steïn löppt nu sierder! - Mann, böß vernönfteg, besüch der dat Weder! - Denk an din Lewen, de Wopper es huh!" "Frau, wemme sterwe sall, stirft men ouch su!" Butten wor Nädde, men hurt en der Schlappen koum sinne Schrett op de Wopper aan tappen. Half alt om Wegg op de Kotten erbaan mackden der Schlieper e Spöönschen sech aan. "Süch doch, wat mag hengerm Struuke do hucken?! Schwart wie der Dud an nen Muken sech ducken?! - Süch doch, do kieken twei Ougen erut - glüöhnege Ougen, su gefteg on grut!" - "Bliff ut dem Kotten, der Steïn löppt nu sierder! - Meïnden de Frau wall, sie sööch dech nit wiëder? - Glöüf nit an't Spuoken, us Katze sett do! - Mißken, gangk heïm, loup dem Vader nit noh!" Huh geng de Wopper alt üöwer ehr Uower. Kault hong der Heih öm de Kleppen derbower. "Für de Familleg doch bluß well ech gonn, hann alt su lang keíne Krau mieh gedonn!" "Hür doch, ne Kuuz, oder böß de am Dröümen!? Röpt, wie men seht, für den Dud ut den Böümen! - Meïnt et den schworkranken Nohber, dat Dier? - Bliff ut dem Kotten, der Steïn löppt te sier!" Eïseg, dat well em doch nit ut den Uhren. Grieß spenxt der Heih öm Giewel on Muren. "Eïsege Wegg, datt der Kuckuck dech hol! - Hü ens, wat packt der an't blo Kamesol!?" Stief bliëfe stonn, on he follt met nem Taste, bluß va nem Struuke en Schlouht hiël en faste. "Bliff ut dem Kotten!" De Mann schoot eneïn, äwwer he geng - on do flog em der Steïn. |
Übersetzung des Mundartgedichts "Der Wupperschleifer"
Tauwetter war es, die Wupper ging hoch, auf den Höfen war alles noch still und schlief, bloß in einem windschiefen Häuschen war Licht. "Frau, ich geh schleifen, ich denke, dass es geht." "Bleib aus dem Kotten, der Stein läuft jetzt schneller! - Mann, sei vernünftig, sieh dir das Wetter an! - Denk an dein Leben, die Wupper ist hoch!" "Frau, wenn man sterben soll, stirbt man auch so!" Draußen war Nässe, man hörte in den Schlappen kaum seinen Schritt an die Wupper tappen. Halb schon auf dem Weg zum Kotten heran machte der Schleifer ein Zündholz sich an. "Sieh doch, was mag hinterm Strauch da hocken?! Schwarz wie der Tod an einen Baumstumpf sich ducken?! Sieh doch, da gucken zwei Augen heraus - glühende Augen, so giftig und groß!" - "Bleib aus dem Kotten, der Stein läuft jetzt schneller! - Meinte die Frau wohl, sie sähe dich nicht wieder? - Glaub nicht ans Spuken, unsere Katze sitzt da! - Mieze, geh heim, lauf dem Vater nicht nach!" Hoch ging die Wupper schon über ihr Ufer. Kalt hing der Nebel um die Klippen hernieder. "Für die Familie doch bloß will ich geh'n, hab' schon so lange nichts mehr getan!" "Hör doch, ein Kauz, oder bist du am träumen!? Ruft, wie man sieht, für den Tod aus den Bäumen! - Meint es den schwerkranken Nachbarn, das Tier? - Bleib aus dem Kotten, der Stein läuft zu schnell!" Das will ihm doch nicht aus den Ohren. Grau spinnt der Nebel um Giebel und Mauern. Dass der Kuckuck dich hol'! - Hör mal, was packt dich an die blaue Jacke?" Steif blieb er stehen, und er fühlt mit einem Tasten, bloß von einem Strauch ein Zweig hielt ihn fest. "Bleib aus dem Kotten!" Der Mann fuhr zusammen, aber er ging - und da zersprang ihm der Stein. |
Quellen:
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