Der Tafelhof Hilden-Haan im Besitz des Erzstiftes Köln vom Jahr 1000 bis 1802 und die Weistümer im 14., 15. und 16. Jahrhundert
von Friedhelm Stöcker
Die Tafelgüter gehörten zum Vermögen des Königs, der Erzdiozöse, der Klöster und der Stifte. Der Tafelhof war die Gerichtstafel oder Gerichtsstelle, wo das Gericht tagte. Er wird in alten Urkunden auch Villa oder Saalhof genannt.
Ein Tafelgut mit dem dazu gehörenden Hof war dazu verpflichtet, für den Unterhalt einer hochgestellten Person (z.B. des Königs oder des Erzbischofs und deren Hofleute) Abgaben zu leisten. Ferner nutzten es die Herrschaften auf Reisen als Unterkunfts- und Verpflegungsstation. Es gab einen größeren Tafelhof in Hilden, der dem Erzbischof oder dessen Obervögten als Absteigequartier diente.
Der Tafelhof Hilden
Haan gehörte zum Tafelhof Hilden. Die benachbarten Tafelhöfe waren Zons und Elberfeld. Der Tafelhof Hilden trug nach Lacomblet den Charakter eines alt-fränkischen Herrensitzes; er wurde der "Hohe Hof" genannt. Dort wurde schon im 12. Jh. Gericht gehalten. Nach Vollmar ist ab etwa 1300 nachgewiesen, dass das erzbischöfliche Hofesgericht auch in Haan am alten Kirchplatz getagt hat, und zwar im Hof an der Kirche.
Um das Jahr 1000 war der König der Landesherr unseres Gebietes. Die 935 in Haan geweihte Kirche gehörte zum Besitz des Kanonissenstifts Gerresheim als Nutzungsberechtigte. Ab 970 war der Erzbischof von Köln oberster Kirchenherr, und etwa ab 1100 war er Landesherr [Vollmar].
Geld für die Kreuzzüge
Die Bauern, die für die Nutzungsberechtigung an einem Grundstück Dienstleistungen erbringen mussten, waren keine Leibeigenen, sondern nur Abhängige im Sinne eines Arbeits- oder Pachtvertrages (Lehen). Die jeweils berechtigten Herren erhielten keine Geld-, sondern Dienst- und Sachleistungen, also Arbeit und Waren. Diese Einnahmen wurden vom Landesherrn bei Geldmangel an Darlehnsgeber verpfändet, hier bei uns im 12. Jh. an den Herzog von Berg. Ursache des damaligen Geldmangels war, dass Erzbischof Philip von Köln dem Kaiser Friedrich Barbarossa Geld für dessen Kreuzzüge zur Verfügung stellen musste.
Laut Vertrag von 1176 [im Staatsarchiv Düsseldorf] verpfändete der Erzbischof Philipp von Köln dem Grafen Engelbert I. von Berg die Tafelhöfe Hilden und Elberfeld erbrechtlich für ein Darlehen von 400 Mark. Lomberg schreibt 1928 im Haaner Heimatbuch [S. 59]: "Die Mark war damals keine Münze, sondern ein Gewicht und zwar 234 g Silber, nach heutigem Gelde [=1928] also etwa 40 gemünzte Mark. Das Darlehen betrug demnach 16.000 Mark."
Der Graf von Berg gab das Lehen weiter an die Herren von Elverfeld als Unterlehnsherren. Diese übten die Vogtrechte aus und kassierten den Vogthafer im Auftrag des Lehens- und Schutzherrn, des Grafen von Berg. 1189 wurde der Vertrag um 200 Mark erweitert und dafür auch die Stadt Schwelm verpfändet. Im selben Jahr verstarben auf dem Kreuzzug nach Palästina Graf Engelbert schon in Serbien und Friedrich Barbarossa in Kleinasien.
Streit um die Vogteirechte
Um diese Vogteirechte des Grafen über das Tafelgut Hilden-Haan des Erzbistums Köln hat es über viele Jahrhunderte viel Streit gegeben - bis das Erzbistum Köln 1802 seine Grundrechte auf Hilden und Haan endgültig verlor. A. Schneider schreibt in seinem Buch "Geschichte von Hilden und Haan" dazu:
"Als den Grafen von Berg die Vogteirechte über die Tafelgüter des Kölner Erzstifts im bergischen Gebiet übertragen wurden, sind dem Anscheine nach die beiderseitigen Rechte und Pflichten sehr ungenau umschrieben und festgesetzt worden. Für die erste Zeit machte sich dieser Mangel wenig fühlbar. Mit der Zeit traten aber Gegensätze in den Auffassungen und Anschauungen zutage, die zu einem langen Streite zwischen dem Erzstift und den bergischen Fürsten Veranlassung boten. War schon die Teilung der Gewalten an sich eine mißliche Sache, so rächte sich eine mangelhafte Abgrenzung derselben umsomehr.
Bereits zu Beginn des XIV. Jahrhunderts waren Mißhelligkeiten entstanden. Mit dem Hervortreten der Gegensätze machte sich auch das Bedürfnis nach ihrer Ausgleichung geltend. Anfangs herrschte beiderseits der gute Wille zu einer friedlichen Verständigung vor. Aber jeder Versuch, den Streit zu schlichten, und jeder Schiedsspruch, der ihn beenden sollte, trug nur zu seiner Verschärfung bei. Bald handelte sichs um die Beitreibung von Steuern, bald um die Erhebung von Zöllen und Kriegskosten, bald um das Recht der freien Herberge, bald um das Geleitsrecht auf den Handelsstraßen, bald um Gerichts- und Polizei-Angelegenheiten."
[Schneider S. 42]
Die Grafen von Berg versuchten immer wieder, unberechtigte Steuern in Hilden und Haan einzutreiben, so z.B. auch im Jahr 1326. Die Einwohner beschwerten sich bei ihrem Landesherrn, dem Erzbischof in Köln, und dann gab es wieder lang andauernde Rechtsstreitigkeiten zwischen den beiden Parteien. Meist endeten sie unentschieden bzw. mit einem Vergleich.
Die Grafen von Berg gaben nicht nach. So geschah es 1398, als Truppen des Herzogs von Berg in Haan und Hilden sich gewaltsam einquartierten, dass sie den Bauern nicht nur Hausrat und Viehfutter von den Höfen wegnahmen, sondern auch noch mehr als 200 Kühe, 36 Hammel und 26 Schweine. [Vollmar S. 293]
Strafen bei Zahlungsverweigerung
Und das sollte nun der Schutzherr der Bevölkerung sein! Es war kein Ruhmesblatt für die Grafen von Berg. Ja, es wurden sogar in späteren Jahrhunderten die Bauern von den Höfen vertrieben, wenn sie nicht zahlen wollten, so z.B. 1543 in der obersten Honschaft (Krutscheid und Wibbelrath), für die ohnehin besondere Rechtsverhältnisse galten. Krutscheid unterstand zu dieser Zeit der Gräfrather Gerichtsbarkeit (Vier Kapellen), Wibbelrath gehörte zum Gericht Wald. Die damals nach Zons geflüchteten Bauern durften erst nach etwa drei Jahren zurückkehren und wurden zusätzlich mit hohen Strafen belegt, die in der Folgezeit abgetragen werden mussten. [Strangmeier, Hildener Jahrbuch 37/33 S. 74-79].
Schutzherren oder Drangsalierer?
1257 war der Graf von Berg Schutzvogt für Hilden und Haan. Landesherr war der Erzbischof.
Ab 1330 war jedoch der Graf von Berg Landesherr über Gruiten und die Honschaft Elscheid. Hilden und Haan waren als erzbischöflicher Besitz eine Enklave im Herzogtum Berg. Dies führte durchaus zu Nachteilen, so z.B. im Reise- und Handelsverkehr. In Hilden und Haan gab es an verschiedenen Stellen Schlagbäume, früher Falltore. Hierauf gehen die Bezeichnungen Valder und Schlagbaum als Namen für Häuser an den Grenz- und Kontrollstellen zurück. Dort übten die Vertreter des Grafen von Berg - die Vögte - die Kontrollrechte aus. Sie waren dem Namen nach Schutzherren, de facto aber Unterdrücker, da sie die Steuern und Abgaben je nach eigenem Gutdünken und eigenen Erfordernissen aus der Bevölkerung herauspressten.
Weil also der angebliche Schutzherr die Bevölkerung mehr schikanierte und ausbeutete als schützte, hielten es die Bewohner von Hilden und Haan mehr mit dem Erzbischof als mit dem Grafen von Berg. Der Hildener Geschichtsforscher Heinrich Strangmeier formulierte es so:
"Die Leute in Hilden und Haan mochten im Laufe der Jahrhunderte zu der Überzeugung gekommen sein, daß sich auf die Dauer unter dem Krummstab besser wohnen lasse als unter dem schärfer zupackenden Arm der weltlichen Machthaber."
So zahlten die Einwohner von Hilden und Haan die festgesetzten Steuerbeträge an das Erzstift, was jedoch die Amtleute des Herzogs zeitweilig nicht hinderte, die Steuern erneut für sich einzutreiben.
Die Weistümer
Immer wieder wurde versucht, die Streitigkeiten durch Verhandlungen beizulegen und Schiedssprüche zu erzielen. Dazu wurden an den Gerichtsstellen Termine anberaumt, bei denen die versammelten Schöffen und Hofesleute berichten sollten, was nach Herkommen und Gewohnheit von Alters her rechtens sei. Das Ergebnis der Verhandlungen am Hildener Gericht ist im Weistum von 1386 aufgeschrieben.
Das Weistum von 1386
Das mittelalterliche Recht wurde nach altüberlieferten Weistümern gesprochen, d.h. nach mündlicher Überlieferung, wie das Recht üblicherweise seit jeher gehandhabt wurde. Dazu wurden die mit den hergebrachten ortsüblichen Rechtsverhältnissen vertrauten Schöffen gehört und deren Aussagen als weiterhin geltendes Recht aufgeschrieben [= Weistümer].
Weistümer sind seit dem 13. Jh. überliefert, die meisten stammen jedoch aus dem 15. und 16. Jh. Im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf gibt es eine Nachweiskartei Rheinischer Weistümer. Urkunden belegen, dass 1602 und 1640 in Haan Zeugenbefragungen über die althergebrachten Rechte und Pflichten stattgefunden haben. (Siehe mein Bericht über das Gerichtswesen im alten Haan.)
Zuweisung der hoheitlichen Rechte
Zu dem Weistum von 1386 wurde den Schöffen von Hilden und Haan die Aufgabe gestellt, den beiden konkurrierenden Herren, d.h. dem Erzbischof von Köln und dem Herzog von Berg, ihre Rechte in den beiden Kirchspielen zuzuweisen. Es ging also im wesentlichen um hoheitliche Rechte.
Dem Erzbischof von Köln wiesen die Schöffen folgende Rechte zu: Grund, Eigentum und Herrlichkeit der beiden Kirchspiele sowie Stock und Schloss, d.h. die Verwahrung von Übeltätern.
Den Herren von Elverfeld als Lehnsträger des Grafen von Berg wurden die Gerichtsbarkeit, die Ordnungsaufsicht und die Kontrolle über Maße und Gewichte vor allem beim Backen und Brauen zugesprochen. Als Vogtherren erhielten sie neben 21 Malter Vogthafer 1/3 der Gerichtsstrafen, 2/3 erhielten die Grundherren. Ferner hatten sie die Exekution von Verurteilten durchzuführen.
Dieses Weistum sollte dem Schiedsspruch der Schiedsrichter Bischof Dietrich von Osnabrück und Ritter Heinrich von Fleckenstein als Unterlage dienen. Die beiden Parteien konnten innerhalb eines Monats Einreden gegen die Weistümer vorbringen. Danach sollten die Schiedsrichter festschreiben, was Recht sein sollte, und auch über etwaige Ersatzansprüche entscheiden. Ihre Urteile sollten zukünftig maßgebend und anerkannt sein.
Zu diesem Schiedsspruch ist es aber wohl nicht gekommen, denn vier Jahre später wird wegen erheblicher äußerer Vorkommnisse vereinbart, den Streit um die Vogteirechte in den nächsten drei Jahren ruhen zu lassen und seine Austragung der Zukunft anheim zu geben. [Schneider S. 44/45]
Fortbestand der alten Verhältnisse
Im Jahre 1411 nahm sich Herzog Reinald von Jülich der Streitfrage an und entschied, dass die alten Verhältnisse fortbestehen sollten. Wenn aber alte Urkunden und Briefe beigebracht werden könnten, die eine Befreiung der erzbischöflichen Leute und Kölner Bürger von allen Zollabgaben an den Zollstellen des Bergischen Landes beweisen, so sollten diese Befreiungen auch weiterhin gelten. Aber auch dies führte wiederum zu keiner Einigung. [Schneider S. 45-47]
Selbst ein kaiserlicher Machtspruch 1416 auf dam Konzil zu Konstanz hatte keine Wirkung, da die beweiskräftigen Urkunden nicht beigebracht werden konnten.
1433 stellte ein Schiedsgericht aus Mitgliedern des Domkapitels und Vertretern der bergischen Städte fest, dass das althergebrachte Gewohnheitsrecht nach dem aufgezeichneten Weistum weiterhin gültig sein sollte [Schneider S. 48]
Hinzu kamen neue Streitpunkte: zum einen die vom Erzstift erhobene Türkensteuer, und zum zweiten das stärker geltend gemachte Recht der freien Herberge und Durchzug für die Herren des Erzstiftes. Insbesondere weigerten sich, wie schon erwähnt, die Einwohner der obersten Haaner Honschaft, Abgaben an den Vogt zu liefern, während die bergischen Behörden weiterhin behaupteten, die oberste Honschaft sei bergischer und nicht kurkölnischer Besitz. Diese bergischen Behörden verlangten darum auch den Lehnseid, dessen Verweigerung zu der fast dreijährigen Vertreibung führte.
Die widersetzlichen, jedoch angesehenen Personen, die 1545 vom Amtmann "von Schöler" zur Verantwortung gezogen wurden, waren Clemens zu Wibbeltrath, Johann Bolten, Konrad zur Linden und Caspar zu Simonshaus. [Schneider S. 50]
Selbst als der Streit vor das Reichskammergericht kam, gab es keine eindeutige Abgrenzung der Zuständigkeiten [Schneider S. 50-51].
Erneuerung des Weistums 1443
1443 wurde das Weistum von 1386 erneuert. Es erhielt fast wortgetreu die alte Fassung und ist hier im Wortlaut wiedergegeben.
"Dies ist die Kundschaft und das Recht, das uns Schöffen von Hilden und Haan bekannt ist:
1. Zum ersten sagen wir und ist uns auch bekannt, daß der Grund, das Eigentum und die Herrlichkeit der beiden Kirchspiele von Hilden und Haan, so wie die gelegen sind, seit unvordenklicher Zeit unsers Herrn des Erzbischofs und seines Stifts gewesen ist und noch ist, und sie haben ihm und seinem Stift gehört und gehören ihm noch als sein eigenes freies Erbe und Gut.
Die vorgenannten zwei Kirchspiele genießen dieselben Rechte und Freiheiten, welche der Hof von Zons genießt, und wir haben darüber gute alte Berichte und Urkunden und bitten unsern lieben, gnädigen Herrn von Köln, daß er uns bei denselben erhalten wolle.
2. Sodann sagen wir, daß uns von allen unsern Eltern überliefert worden ist, und wir haben sagen hören, daß Hilden und Haan jederzeit eine Kammer des Fürsten von Köln geheißen worden ist, und daß ein Saal zu Hilden stand, in dem sich ein Fürst von Köln aufzuhalten pflegte, wenn er nach Hilden kam.
3. Ferner hat unser Herr, der Fürst von Köln, seinen offenen Weg, durch Hilden und Haan auf dem Seinen bis nach Elberfeld zu reiten, ohne daß es ihm jemand verbieten kann.
4. Des weiteren sagen wir und ist uns wohlbekannt, daß alle Dienste, welche die vorbeschriebenen Kirchspiele und Höfe dem Kölner Stift zu leisten verpflichtet sind, denen ... von Elverfeldt als Mannlehen von Seiten des vorgenannten Stifts zugewiesen waren und noch sind und wir haben sie ihnen auch gethan auf Geheiß des gedachten Stifts.
5. Fortmehr ist uns bekannt, daß die ... von Elverfeldt das Gericht haben und (die Aufsicht über) die Gewichte und Maße beim Backen und
Brauen, gleichfalls von Stifts wegen, und daß die Herrschaft von Berg damit nichts zu thun hat.
6. Weiter erhebt der Herr von Limburg von denen ... von Elverfeldt alljährlich von Stifts wegen dreißig Mark Kölnischer Bewertung, aus den Erträgen des Kölnischen Stiftshofes zu Hilden.
7. Sodann erhält Junker Konrad von der Horst alle Jahre sieben Kölnische Mark zu Lehen aus dem Hildener Hofe unsers Hern von Köln. Auch giebt man Balduin von der Horst auf Veranlassung unseres Herrn von Köln alljährlich sechs Kölnische Mark als Mannlehen aus dem vorgedachten Hofe zu Hilden.
8. Weiter ist uns bekannt, daß der Herzog von Berg ein Vogt ist über die vorbenannten Kirchspiele und von der Vogtei den Dritten Teil der Kosten und Strafgelder von solchen Civil- und Strafsachen erhält, die vor das Gericht gebracht und durch Schöffen-Urteil erledigt werden. Und was von derartigen Sachen in den Kirchspielen Hilden und Haan vorkommt, das soll an der Bank in Hilden durch Urteil der Schöffen abgethan werden, da Stock und Schloß unseres Herrn von Köln ist.
9. Auch soll der Amtmann des Herzogs von Berg ohne besonderes Gebot zu drei verschiedenen Zeiten des Jahres drei Gerichtstagungen abhalten, wie es seine Pflicht ist. Für jede Tagung bekommt er eine Kölnische Mark, die ihm der Schultheiß auszuzahlen hat.
10. Außerdem erhält vorgedachter Herzog von Berg alljährlich auf den Tag des heiligen Blasius (3. Febr.) ein und zwanzig Malter Hafer, vier Sümmer auf ein Malter gerechnet, der Vogthafer genannt. Dafür soll derselbe in den Kirchspielen Hilden und Haan zur Ausübung jeglicher Art von Gewalt berechtigt und verpflichtet sein.
11. Ferner ist uns bekannt, daß wenn ein missethätiger Mann gefangen wird, der sein Leben verwirkt hat, man den ins Gefängnis vor dem Fronhof setzen und seitens der zwei Kirchspiele so bewachen soll, wie man einen solchen Missethäter zu bewachen pflegt, bis ihn der Schöffe in drei aufeinander folgenden Gerichtstagungen, die über Nacht andauern können, verurteilt hat. Und so nimmt der Schultheiß von Stifts wegen den verurteilten Mann und übergiebt ihn dem Vogt und dieser dem Stöcker. Der bindet ihn, und dann führt man ihn auf die Richtstätte, die den zwei vorgenannten Kirchspielen gehört. Dorthin folgen ihm die Bewohner derselben, und dort thut man ihm sein Recht.
12. Des Weiteren ist uns kund, daß, wenn es die Landesverteidigung nötig machte, in den zwei Kirchspielen die Sturmglocke zu schlagen, so folgen die Leute dem Glockenschlage bis zur Grenze, um das Land zu beschützen, doch nicht länger, als von Sonnenaufgang bis -Untergang. Darüber hinaus ist uns keinerlei Recht oder Gewalt bekannt, dessen Ausübung der Herrschaft von Berg zustände.
13. Ferner ist uns bekannt, daß, wenn man eines Fronen bedurfte, die von Elberfeldt auf dem Hofe den einsetzten nach Anhörung der Hofesleute, wie sie ihn auch nur im Einvernehmen mit diesen entsetzten [=entließen].
14. Weiter ist uns kund, daß der Saalwart (Hausverwalter) unsers Herrn zu Köln, der seinem Saal zu Köln vorsteht, für den Hofhalt unsers vorgedachten Herrn von denen ... von Elverfeldt alljährlich aus den Erträgnissen des Hofes unsers Herrn, den man den Fronhof nennt, erhält und zu fordern berechtigt ist, zwölf Malter Roggen, vier und zwanzig Malter Hafer und ein und zwanzig hundert Stücke Holz (Knüppel), die ihm die Lehnsleute unsers Herrn von Köln geben.
15. Ferner hat unsers Herrn von Köln Ebermeister Tilmann Knipping von Stifts wegen sechs Morgen Land, das zu Hilden gelegen und freies Gut ist. Auch hat derselbe Tilmann von seinem Ebermeisteramt ein Rad Holz und bezieht alljährlich vier Hühner und sechs Kölnische Pfennige. Andere Einkünfte, die ihm wegen des Beerenamts von Stifts wegen zustehen, werden von Hilden nicht aufgebracht.
16. Weiter haben wir gehört, daß zu des Grafen Adolf Zeiten der Ritter Herr Dietrich von Elverfeldt, dem Gott gnädig sein wolle, gefangen genommen, aber vom Grafen Adolf frei gegeben wurde, weil er auf Hildener Gebiet gefangen war, das nicht in seinem Machtbereich lag.
17. Endlich ist uns bekannt, daß Herr Konrad von Eller einen Hof besitzt, zum Holz geheißen, desgleichen eine Zehntenberechtigung zum Holz und zu Wibeltrath, die in unsers lieben, gnädigen Herrn von Köln Herrlichkeit gehören. Doch ist uns nicht bekannt, woher dieses Recht stammt.
Alle vorbeschriebenen Punkte erkennen wir ... Schöffen von Hilden und Haan auf unsern Eid jeglichem unserer vorgenannten Herren als sein Recht zu. So ist es von unsern Vorfahren auf uns gekommen, so haben wir es von unsern Eltern gehört und wissen es nicht anders, als hiervor geschrieben
steht."
[Schneider S. 52-58]
Erneuerung des Weistums 1505
1505 wurde das Weistum wiederum erneuert. Hinzu kam eine ganze Reihe von Rechten und Anordnungen, die im bisherigen Weistum noch nicht so genau festgeschrieben waren:
"1. Zum ersten hat der hochwürdigste Fürst, Erzbischof zu Köln, Kurfürst usw., als der Grundherr usw., oder auch der Lehnsherr, das Recht, auf dem hohen Hofe zu Hilden unter Beirat der Hofleute daselbst, den Schultheiß, die Schöffen und Fronen zu wählen. Er soll auch die Gerichtsbarkeit haben über Gewichte und Maße. Es gelten Zons'er Maße und Gerresheimer Gewichte.
2. Ferner steht dem Grund- oder Lehnsherrn die Nutzung einer Mühle zu mit dem Recht, für die Bewohner im Bereich einer Meile Wegs darauf zu mahlen. Wer die Frucht bringt, muß ein halbes Viertel, wer sie vom Müller holen und bringen läßt, ein Viertel zu Molter [=Mahllohn] geben, er wohne nah oder fern. Der Müller soll auch Pferd und Karre halten.
3. Weiter soll man alljährlich einmal vor versammelten Gericht alle Rechte des Grund- oder Lehnsherrn nachweisen.
4. Der Fronhof soll auf dem Bruch einen Stier und einen Eber zu Zuchtzwecken für den allgemeinen Bedarf halten.
5. Auch steht dem Grund- oder Lehnsherrn von allen Halmfrüchten der Zehnte, für die Nutzung der Heiden und Weiden von jedermann ein Huhn zu.
6. Ferner sollen die Inhaber kurmundiger Güter jährlich auf Maria Lichtmeß (2. Febr.) sieben ein halb Murgin und ein Sümmer Vogthafer geben.
7. Von dem Holz, das in Hilden und Haan gehauen wird, bekommen die Männer, welche es hauen, das Oberholz.
8. Wer Erbe oder Gut empfängt, das zu den Hofesgütern gehört, soll die Belehnung auf dem (hohen) Hofe erhalten, und wer dazu etwa untauglich wäre, kann gegen Spendung einer Flasche Wein einen Vertreter schicken.
9. Wenn jemand stirbt, der kurmundig Gut besitzt, so verbleibt das beste Pferd seinen Erben, das zweitbeste dagegen bekommt der Lehnsherr. Die nächsten Erben aber sollen solches Gut wieder erhalten gegen Entrichtung eines doppelten Jahreszinses und einer Flasche Wein für den Schultheißen.
Wo keine Pferde sind, bleibt den Erben die beste Kuh. Wo weder Kühe noch Pferde sind, in gleicher Weise der beste Rock usw. Die Tiere sollen dann zur Besichtigung alle an einen Zaun gebunden und seitens des Schultheißen von hinten her besehen werden. Die, welche er mit dem Stabe berührt, sollen Eigentum des Lehnsherrn sein.
10. Falls einer der Hofesmänner durch den (Gerichts-)Boten geladen wäre und nicht käme, muß er acht Schillinge bezahlen, es sei denn, daß er durch Herrendienst oder Krankheit verhindert wäre. So oft vergangen, so oft bestraft.
11. Die Heide nach Notdurft zu benutzen, soll männiglich freistehen; doch darf niemand dem Grund- oder Lehnshern am Busche schaden. Wo dies doch geschähe, soll derselbe berechtigt sein, sich durch Pfändung des Viehs schadlos zu halten.
12. Der hohe Hof zu Hilden ist dem Hof zu Zons unterstellt. Darum sollen auch die Hildener in Rechtssachen die Meinung des Zons'er Hofes als ihres Oberhauptes einholen, und was man dort für recht erkennt, dabei wollen auch sie bleiben."
[Schneider S. 61-64]
Zankapfel Haus Horst und Hilden-Haaner Lehensbesitz
Um 1589 umfaßten die Lehen Horst und Hilden-Haan 7 größere Güter, darunter den "hohen Hof" in Haan und eine Reihe kleinerer Güter.
Zehntpflichtig waren in Hilden 1115 Morgen und in den beiden unteren Honschaften in Haan 463 Morgen. Das übrige Gebiet von Haan (die obere Honschaft) und ein ganz geringer Teil des Hildener Bodens wurde von den Freiherren von Elverfeldt und von Nesselrode gezehntet.
[Schneider 85 f und S. 99-101]
Das Lehen Hilden-Haan mit Sitz Haus Horst wurde 1562 von Kurköln an Otto Schenk von Nideggen vergeben. Dieses Lehen galt aus Kölner Sicht als Mannlehen, d.h. es konnte nur in männlicher Linie weiter vererbt werden. 1589 wurde ein Vertrag geschlossen, nach dem das Lehen auf die Söhne aus 2. Ehe übergehen sollte. Die vier Töchter aus 1. Ehe waren zunächst damit einverstanden. Kurköln genehmigte den Vertrag und Otto Schenk wurde daraufhin 1597 erneut mit Hilden-Haan belehnt.
Der 1. Sohn Roland aus 2. Ehe des Otto Schenk wurde wegen seines unsoliden Lebenswandels, einer bürgerlichen Ehe und des Übertritts zum anderen Glauben 1597 völlig enterbt. 1615 wurde nach langen Querelen der 2. Sohn mit Hilden und Haan belehnt. Der Ehemann der ältesten Tochter Agnes aus 1. Ehe, Werner von Gahlen, der zunächst dem Vertrag von 1589 zugestimmt hatte, sah sich zunehmend übervorteilt und strengte eine Nichtigkeitsklage gegen den Vertrag an.
Dieser nunmehr begonnene Rechtsstreit zog sich durch 7 Generationen über 200 Jahre hin, und es heißt, daß am Ende die Erben von Gahlen als Sieger hervorgegangen sein sollen. Ein wesentlicher Punkt des Streites war das Mannlehen, was zwischenzeitlich durch ein Reichsgericht bestätigt, dann aber wieder weiterhin bestritten wurde.
Jedenfalls haben diese über Generationen andauernden Prozesse die Advokaten und Gerichte reich und die Lehnsherren arm gemacht, die darum versuchten, möglichst viel an Geldern aus der Bevölkerung herauszuholen. Die verworrene Rechtslage führte 1690 zur Aufteilung der verschiedenen Lehenseinkünfte unter die verschiedenen Erbfamilien. Es gab immer wieder Vergleiche und neue Streitigkeiten über den Honschaftszehnten, Mühlenzehnten, den Rottzehnten, über Brückengelder, Jagd- und Fischereirechte und sonstiges. Zum Ende des 18. Jh. war jedenfalls auch die Herrschaft von Kurköln in Hilden und Haan zu Ende.
1802 ging das Besitztum von Hilden und Haan endgültig an die Grafschaft Berg über, nachdem die Reichsdeputation einen Plan zur Entschädigung der Territorialherren angenommen hatte. Diese hatten durch die im Frieden von Lunéville 1801 erfolgte Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich Verluste erlitten.
Die Hildener Schöffen leisteten am 28.12.1802, die Haaner Schöffen am 14.1.1803 den Eid auf den neuen Landesherren, den Kurfürsten Maximilian Joseph von Bayern. Damit war dieser viele Jahrhunderte dauernde Streit zu Ende gegangen, der für die Haaner Bevölkerung viel Kummer und Leid gebracht hatte. Nicht zu Ende gingen in der Folgezeit die Sorgen und Nöte, Steuer- und Abgabenbelastungen, Requirierungen und sonstige Erhebungen, aber das ist ein anderes Thema.
Copyright © 1992 Friedhelm Stöcker. Alle Rechte vorbehalten.
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