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Bauern überbringen dem Grundherrn den Zins. Augsburgischer Holzschnitt, 1475 |
Erfindungsreich waren die Vertreter der Staatsmacht schon immer, wenn sie das arbeitende Volk zur Kasse bitten wollten. Wachsender Finanzbedarf, aus welchen Gründen auch immer, beflügelt die Kreativität. In der Folge wuchs und wucherte auch die Komplexität der Umverteilungsmechanismen. Was früher wenige Steuereintreiber, Rentmeister oder Scheffen erledigt haben, beschäftigt heute ganze Völkerscharen in Finanzverwaltung und Steuerberatung, Forschung und Lehre, Banken und Versicherungen und in jedem anderen Gewerbe bis hin zur "Ich-AG".
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Von Steuern, Zehnten, Zöllen und sonstigen Lasten,
von Friedhelm Stöcker
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Gräfrath 1837. Landschaft mit Klosterkirche und Zeughaus. Ölgemälde von Friedrich August de Leuw. |
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Um 1475 bemühten sich mehrere Bewohner der mittleren und oberen Honschaft Haan erfolglos, von der Schatz- und Steuerzahlung ihrer im Osterholz liegenden Holzungen befreit zu werden. Diese Holzungen unterstanden der Steuerhoheit des Grafen von Berg, während die Haaner Honschaften kurkölnisch waren. Hans zu Obgruiten, Tilmann zu Holthausen, Jacob zu Obgruiten, Hans Boll und Friedrich zu Krutscheid versuchten, durch ein größeres Geschenk an den Landdrost von der Steuer befreit zu werden, was jedoch nicht gelang. [N.B.11 S. 570 f]
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2002 Erkrath, katholische Kirche |
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Rottzehntlisten 16.-17. Jh.
Über die Zehntlieferungen des Kirchspiels Haan im Jahre 1602 ist in den agrargeschichtlichen Quellen von Hilden und Haan [N.B.36 S. 126] Folgendes vermerkt:
Steuerlisten 17. Jh.
Vollständige Steuerlisten von Haan gibt es - soweit mir bekannt ist - erst mit der Liste von 1611-1614. Darin sind jedoch nur die Höfe der mittleren und unteren Honschaft verzeichnet. Daß die oberste Honschaft fehlt, deutet auf den andauernden Streit zwischen dem Herzogtum Berg und Kurköln hin. Dies fand ich auch in Urkunden im Archiv Thienhaus aus den Jahren 1595-1603 bestätigt, in denen es um den Streit zwischen der obersten Honschaft mit den beiden anderen Honschaften um Steuern und Dienstleistungen ging.
Eine sehr genaue Steueraufteilung liegt aus dem Jahr 1642 vor. 36 Steuerpflichtige der oberen Honschaft, 48 der mittleren und 52 der unteren - also insgesamt 136 in den 3 Haaner Honschaften - erbringen ein Steueraufkommen von 56 Talern 7 Blamüser. Hilden und Haan zusammen erbringen 149 Taler und 11 Blamüser. Von diesem Betrag wurden aber nur 15 Reichstaler 35 Albus 10 Heller letztendlich abgeführt, weil davon für die Richter, Amtsleute, Schultheißen, Scheffen, Gerichtsschreiber, Diener und Landboten genau aufgeführte Entgelte bezahlt wurden. [...]
Steuerlisten 18. Jh.
Aus dem 18. Jh. sind mir aus den hiesigen Archiven mehr Listen über Kriegskontributionen und Folgelasten bekannt als reine Steuerlisten. Auf diese werde ich noch zurückkommen.
Weiterhin ist über eine außergewöhnlich detaillierte Steuerliste für Hilden und Haan von 1724/25 zu berichten. Diese wurde von H. Strangmeier für Hilden veröffentlicht. Der Haaner Teil wurde von ihm zur Veröffentlichung vorbereitet, aber wegen Verärgerung über das Verhalten der Stadt Haan (mangelnde Unterstützung?) wieder gestrichen. Diese Liste ist im Original [HStAD Jülich-Berg IV Nr. 403] leider nicht vollständig und z.T. stark beschädigt; einzelne Blätter sind herausgerissen. In der oberen Haaner Honschaft fehlen 20 Steuerpflichtige ganz, bei 13 sind die Angaben nur teilweise erhalten. In der mittleren Honschaft fehlen 9 Angaben.
A. Schneider schreibt in seiner "Geschichte von Hilden und Haan" [S. 92], daß beide Gemeinden im Jahre 1696 1 200 Rtl. Landessteuer aufbringen mußten, im Jahre 1736 jedoch 2 028 Rtl., welche sich durch die örtlichen Gehälter und Spesen auf 2 652 Rtl. erhöhten. Von dem gemeinsamen Jahresbetrag der beiden Kirchspiele hatte Hilden 7/12 und Haan 5/12 aufzubringen.
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Steuerungerechtigkeit 1745: Ungebührliche Auflagen
Aus dem Jahr 1745 gibt es einen weiteren Bericht über außergewöhnliche Steuern. Die z.T. beschädigte Urkunde beginnt so:
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Carl Theodor, Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Jülich-Berg, seit 1777 auch Kurfürst von Bayern, regierte 1742-1799 im Bergischen Land. |
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Kriegslasten 17.-19. Jh.
Neben den verschiedenen steuerlichen Lasten hatte die Bevölkerung sehr unter den verschiedenen Kriegen und deren Folgen zu leiden. Sie erlitt nicht nur materielle und körperliche Schäden, sondern wurde darüber hinaus sehr oft auch zu erheblichen Geldzahlungen (Contributionen) gezwungen. Diese wurden in den Honschaften nach dem Hundertzettel umgelegt.
Urkunden über Contributionen aus dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701-14), unter dem unser Land erheblich gelitten hat, fand ich in hiesigen Privatarchiven nicht, dafür aber um so mehr aus dem Österreichischen Erbfolgekrieg (1741-48). Diese betreffen zumeist die Honschaft Ellscheid. Haan war gewiß ebenso betroffen, nur fehlen mir darüber urkundliche Belege.
Interessant ist auch, daß zu dieser Zeit abgeschlossene Pachtverträge besondere Abmachungen betreffs eventuell anfallender Kriegskosten enthielten. So heißt es z.B. in einem Vertrag von 1744: "... müssen Pächter Einquartierung wie auch Durchzüge, so zu Last aufs Gut kommen, gänzlich abführen (bezahlen), was aber an Heu und Habern muß hierzu getan werden, wolle Verpächter zukommen lassen (ersetzen)". In einem Vertrag von 1750 heißt es: "... muß Halbbäuer (Halbpächter) die Soldaten halten wann Durchzüge kommen und über 24 Stunden liegen bleiben".
Ein Steuerdekret von 1805
Nun zurück zu den steuerlichen Belangen. Im Haupt-Staatsarchiv Düsseldorf [Jülich-Berg IV 245] fand ich ein gedrucktes Dekret des "Maximilian Joseph Herzog in Ober- und Niederbayern, der oberen Pfalz, Franken und Berg etc. etc. des heiligen Römischen Reichs Erzpfalzgraf, Erztruchseß und Churfürst" vom 10. Mai 1805. Es ging darin um die Ausschreibung der Steuer für das Jahr 1805.
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Maximilian Joseph, Kurfürst und Pfalzgraf, später König von Bayern, war 1799-1806 für die Regierung des Bergischen Landes zuständig. |
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Unter französischer Herrschaft
Am 26. Dezember 1805 wurde Bayern zum Königreich erhoben. Um dies zu erreichen, hatte der Herzog von Bayern das Herzogtum Berg an die Franzosen abgetreten. Dies tat der nunmehrige König Maximilian Joseph den Bürgern des Herzogtums am 21. März 1806 kund durch einen Anschlag am Rathaus in Düsseldorf. [Schneider S. 226]
Zehntablösung (19. Jh.)
Bei den Preußen setzten sich nun auch im Steuer- und Abgabenwesen Entwicklungen fort, die bei den Franzosen angedacht worden waren. So wurden in ganz Preußen die Lehnspflichten und Adelsprivilegien beseitigt und die Leibeigenschaften aufgehoben. Der Zehnte - eine wesentliche Steuer der hiesigen Höfe an Kirchen und Klöster - konnte durch Zahlung eines 25fachen Jahresbetrages endgültig abgelöst werden. Da dies eine sehr hohe Summe für die einzelnen Höfe war, zog sich die Ablösung bei manchen über viele Jahrzehnte hin. Eine Liste von hiesigen Zehntablösungen, die von 1837 bis 1865 reicht, fand ich im Archiv der katholischen Kirche Erkrath. Die Zehntablösung dauerte auch über 1865 hinaus.
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Gräfrath 1855 mit Klosterkirche (rechts) und ev. Kirche. Zeichnung und Lithographie von Mrs. Hunter Blair, England |
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Grund- und Klassensteuer (19. Jh.)
Nun zurück zu den behördlichen Steuern. Der älteste noch vorhandene gedruckte Original-Steuerzettel unseres Hofes stammt aus dem Jahr 1822. Es ist der "Auszug aus der Heberolle der Communal-Beiträge für das Jahr 1822" der Gemeinde Ellscheid in der Bürgermeisterei Haan. Danach war sowohl Grundsteuer als auch Klassensteuer zu entrichten. Die Klassensteuer war eine Kopf- oder Personensteuer, die hundert Jahre später auch Bürgersteuer genannt wurde.
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Die alte evangelische Kirche in Haan wurde 1863 abgebrochen. Grafik nach einer Zeichnung von Friedrich August de Leuw aus dem Jahr 1849 |
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Aus dem Gesindebuch
Eine interessante Quelle zu den Steuerzahlungen der Arbeitnehmer ist das Gesindebuch unseres Hofes, das von 1851 bis 1912 sorgfältig geführt wurde. Neben vertraglichen Lohnabmachungen und Lohnzahlungen sind dort auch verschiedene Steuerzahlungen aufgeführt, die unser Hof (als Arbeitgeber) für die beschäftigten Mägde und Knechte bezahlt hatte und die bei der Jahresabrechnung mit aufgerechnet wurden. Die Beträge sind sehr unterschiedlich. Bei verschiedenen Gesindekräften fehlen allerdings auch jegliche Angaben über Steuern. Warum dies so war, ist mir nicht erklärlich.
Auch das Gesinde wurde also von Jahr zu Jahr mit zunehmenden Steuerabgaben belastet, was durch viele weitere Beispiele belegt werden kann. 1881 sind Lohn und Abgaben erstmals in Mark und Pfennigen aufgeschrieben, obwohl der Taler schon ab 1875 durch die Mark ersetzt wurde.
Preußen
Hatte schon der preußische Staat ein einheitliches Steuer- und Abgabenwesen eingeführt (mit einzelnen Ausnahmen), so wurde nach der Reichsgründung 1871 nach und nach die Steuergesetzgebung durch entsprechende Reichsgesetze festgelegt, wenn es auch in verschiedenen Ländern z.T. immer noch Abweichungen gab. Das preußische Rechts- und Gesetzeswesen war jedoch auch bei den Steuern richtungsweisend. Für uns in Haan bedeutete es im wesentlichen, daß es bei der durch die preußischen Behörden eingeführten Steuern und Abgaben blieb.
Für uns ist es interessant, in alten "Verwaltungsberichten über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bürgermeisterei Haan" nachzulesen, was damals an Steuern gezahlt wurde. Im Bericht von 1897, als Haan 7 758 Einwohner hatte, heißt es u.a., daß der Gemeinderat aus 18 gewählten Bürgern und weiteren 15 Meistbegüterten bestand. Letztere waren diejenigen Grund- und Hausbesitzer, die von ihrem in der Gemeinde gelegenen Besitz mindestens 150 Mark Grund- und Gebäudesteuer zahlen.
LustbarkeitenInteressant ist auch die um 1902 vom Rat beschlossene "Ordnung betreffend die Erhebung von Lustbarkeitssteuern im Bezirk der Gemeinde Haan". Wegen ihrer ausführlichen Auflistung der verschiedensten "Lustbarkeiten" und deren Gebühren bringe ich sie hier im Wortlaut: |
"Für die im Bezirke der Gemeinde Haan stattfindenden öffentlichen Lustbarkeiten sind an die hiesige Gemeindekasse nachstehende Steuern zu entrichten und zwar: 1. Für die Veranstaltung einer Tanzbelustigung, einschließlich der sogenannten Kaffeekränzchen......... 10 Mk 2. Für die Veranstaltung eines Konzerts oder einer Theatervorstellung ......................... 5 Mk Für Konzert, Theatervorstellung und Ball in einem und demselben Lokale und an einem und demselben Tage abgehalten, soll eine Steuer von zusammen ............. 15 Mk bezahlt werden. 3. Für Gesang- und deklamatorische Vorträge (sogenannte Tingel-Tangel) für den Tag ................ 20 Mk 4. Für Vorträge auf dem Klavier oder anderen Instrumenten in Gastwirtschaften, Schankstuben, öffentlichen Vergnügungslokalen, Buden oder Zelten pro Tag ......... 3 Mk Für Vorträge auf einem mechanischen Orchestrion ein Jahresbetrag von .................................. 25 Mk 5. Für Vorstellungen von Gymnastikern, Equilibristen, Ballet- oder Seiltänzern, Taschenspielern, Zauberkünstlern, Bauchrednern und dergleichen für den Tag ............... 5 Mk 6. Für das Halten eines Karussells, einer Schaukel, einer Rutschbahn oder dergleichen a. durch Menschenhand bewegt für den Tag .............. 10 Mk b. durch Pferde ....................................... 15 Mk c. durch Dampf oder sonstige elementare Kraft bewegt für den Tag ........................................ 25 Mk 7. Für das Halten einer Würfelbude, eines Glücksrades, Stoßkegelbahn oder dergleichen für den Tag ............ 20 Mk 8. Für das Halten einer Schießbude für den Tag ........... 6 Mk 9. Für das Aufstellen und den Betrieb eines Hippodroms für den Tag ........................................... 15 Mk 10. Für das Aufstellen eines Kraftmessers oder eine Elektrisiermaschine für den Tag ............. 3 Mk 11. Für Veranstaltung von Scheiben- und Vogelschießen oder öffentlichen Preiskegeln für den Tag ............. 10 Mk 12. Für öffentliche Belustigungen der vorher nicht gedachten Art, insbesondere für das Halten eines mechanischen Marionetten-Theaters, für das Vorzeigen eines Panoramas, Wachsfiguren-Kabinets, für Schaubuden, ferner für das Vorzeigen von Kuriositäten, Menagerien je nach dem zu erwartenden Gewinn des Unternehmers beziehungsweise nach der Bedeutung des Unternehmens für den Tag ....... 3 bis 10 Mk 13. Für die Veranstaltung eines öffentlichen Festzuges mit Musik, ausgenommen diejenigen bei Beerdigungen und kirchlichen Festen .................................. 5 Mk |
Es wird ferner darin verfügt, daß die Steuer vor Beginn der Lustbarkeit zu zahlen ist, und daß auch geschlossene Veranstaltungen von Gesellschaften und Vereinen der Steuer unterliegen. Veranstaltungen aus wissenschaftlichen oder Kunstinteressen sind von der Steuer befreit, ebenso Veranstaltungen aus Anlaß des Kaisers Geburtstages. |
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1907 Wasserkarussell im Ittertaler Volksgarten. Eine steuerpflichtige Lustbarkeit? Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen |
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Aus Verwaltungsberichten
Aus dem folgenden Verwaltungsbericht 1902-1906 ist zu entnehmen, daß die Steuern kontinuierlich anstiegen. So betrug die Summe der Gemeindesteuern 1902 100 180 Mk; 1904 125 252 Mk und 1906 129 861 Mk. Diese Beträge sind jedoch auch im Verhältnis zur ebenfalls gestiegenen Bevölkerungszahl zu sehen (8 425 - 8 759 - 9 219 Einwohner).
Erster Weltkrieg und Inflation
Im Ersten Weltkrieg 1914-18 wurde zur Deckung der hohen Kriegskosten neben den Steuern zu Kriegsanleihen aufgerufen, die freiwillig gezeichnet wurden, was jedoch von den Bürgern als vaterländische Pflicht erwartet wurde. Da diese zur Kostendeckung keineswegs reichten, wurde eine zusätzliche Kriegssteuer erhoben. So habe ich einen Kriegssteuerbescheid vom 1. August 1917 für meinen Großvater Friedrich Wilhelm Stöcker, der als Rentner ein Privatvermögen besaß. Nach einem besonderen Verrechnungsmodus auf Grund der Kriegssteuergesetze von Juni und Dezember 1916 und des Kriegssteuerzuschlaggesetzes vom 9.4.1917 mußte er 471,60 Mark bezahlen, die am 30.8.1917 als gezahlt quittiert sind. Der entsprechende Steuerbescheid für meinen Vater lautete über 924 Mark.
Ein weiterer interessanter Steuerbescheid vom 9.11.1921 behandelt den Wertzuwachs eines Grundstücks. Dieses hatte der Großvater 1910 für 4 200 Mark gekauft und der Vater im Jahr 1921 für 15 000 Mark (nunmehr schon schlechteres Geld = Inflationsbeginn) wieder verkauft. Den Differenzbetrag = Wertzuwachs besteuerte der Staat mit 19%.
Copyright © 1993 Friedhelm Stöcker. Alle Rechte vorbehalten. |
Quellen:
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