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Wer sich über den Ersten Weltkrieg in Solingen bzw. für seine Auswirkungen auf die Bevölkerung in Solingen und Umgebung interessiert, der findet z.B. in Heinz Rosenthals Standardwerk über die Geschichte der Stadt Solingen eine Fülle von Informationen - wenn mich auch einzelne (ungewohnt wertende) Aussagen über die mehr oder weniger zum Ausdruck gebrachte patriotische Begeisterung etwas irritieren. Aufschlussreich sind aber vor allem die damalige (Tages-)Presse und Zeitzeugenberichte sowie - in komprimierter Form - die Dokumentation mit Kommentaren von Johannes Motz.
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1914 1915 1916 1917 1918 1919-1922 |
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In Solingen macht sich die Kriegs-Zeitung zum Chronisten der Ereignisse. Sie soll "während der Dauer des gegenwärtigen Krieges an jedem Samstag erscheinen. Sie soll als Erinnerungsblatt zum Aufheben für spätere Zeiten dienen" und insbesondere für die Kriegsteilnehmer aufbewahrt werden. Der folgende Artikel beschreibt die Verhältnisse, Maßnahmen und Veränderungen in Solingen bei Kriegsbeginn: |
Solinger Kriegs-Zeitung vom 19. September 1914
Die Solinger und der Krieg.
Am Freitag, den 31. Juli, wurde, wie überall im Reiche, so auch im Bereich des 7. Armeekorps, zu dem Solingen gehört, der Kriegszustand verkündet, und zwar, weil es sich um einen der Westgrenze naheliegenden Bezirk handelte, der verschärfte Kriegszustand.
Schon am 1. August, Samstag, erhob sich auf die Kunde von der Erklärung des Kriegszustandes eine Geldpanik. Man stürzte sich auf die öffentlichen Kassen, um dort Papiergeld gegen Metallgeld zu vertauschen. Erst die in den Zeitungen erfolgte Aufklärung, daß das deutsche Papiergeld auch im Kriegszustande seinen vollen Wert behalte, führte eine Beruhigung herbei.
Dem Rufe zu den Waffen sind auch die Solinger mit heller Begeisterung gefolgt. Schon am 3. August, dem zweiten Mobilmachungstage, hatten sich beim Bezirkskommando und auf dem Rathause, wo des Andranges wegen gleichfalls Anmeldungen entgegengenommen wurden, mehr als 2000 Freiwillige gemeldet.
Um die Familien der zu den Fahnen Einberufenen vor Not zu bewahren, treffen die kommunalen Behörden alsbald geeignete Maßnahmen. Die Solinger Stadtverordnetenversammlung bewilligt auf Antrag des Finanzausschusses eine halbe Million Mark zur Unterstützung von bedürftigen Kriegerfamilien. Die gleiche Summe wurde auch von den Stadtverwaltungen in Ohligs und Wald zur Verfügung gestellt.
Im Landkreise Solingen regte sich gleichfalls die Hilfstätigkeit. Der Vaterländische Frauenverein und die Vorstände der Sanitätskolonnen vom Roten Kreuz versammeln sich am 4. August in Opladen unter Vorsitz des Landrats und der Frau Landrat Dr. Lucas zu gemeinsamer Beratung der zu ergreifenden Maßnahmen. Hunderte von jungen Mädchen haben sich zur Ausbildung als Helferinnen gemeldet; die anwesenden Aerzte erklären sich bereit, Ausbildungskurse abzuhalten. Der Landrat fordert zu Geld- und Liebesgaben-Sammlungen auf. Zahlreiche Vereine in Stadt und Land bewilligten große Summen für Unterstützung von Bedürftigen; viele leeren ihre ganze Vereinskasse. Die Heilsarmee richtet in Solingen eine Volksküche für Frauen und Kinder ein.
Zur Bewachung der Eisenbahnen, besonders der Brücken und Tunnels, waren sogleich bei Beginn des Kriegszustandes militärische Maßregeln getroffen; auch der Solinger Hauptbahnhof war militärisch besetzt; besonders sorgfältig wurde die Kaiser Wilhelm-Brücke bei Müngsten bewacht. Da bekannt geworden war, daß zahlreiche feindliche Spione im Lande seien, so wurde allenthalben auf verdächtige Leute gefahndet; auch in unserer Gegend wurden mehrere Personen aufgegriffen und den Behörden übergeben. Freilich geriet auch mancher Unschuldige in falschen Verdacht.
Eine der erfreulichsten Erscheinungen, die der Krieg mit sich brachte, war das Verschwinden der politischen Gegensätze. Das Wort des Kaisers: "Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche" war überall in deutschen Landen auf fruchbaren Boden gefallen. Hier in Solingen richtete der sozialdemokratische Vertrauensmann der Arbeiterjugend an die Abonnenten der "Arbeiterjugend" folgenden Aufruf:
Schon am 4. August konnte der kommandierende General "angesichts der vorzüglichen Haltung der Bevölkerung" im Stadt- und Landkreise Solingen das Versammlungsverbot außer Kraft setzen.
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Mut, Vertrauen und Humor - das war vor den ersten Grabenkämpfen.
Zur Zeit des Kriegsausbruchs lebte mein Großvater Karl Mutz mit meiner Großmutter und vier Kindern in Ohligs in der Prinzenstraße 19. Die Berichterstattung der Solinger Zeitungen ist in den Tagen der Mobilmachung so gegensätzlich wie die öffentliche Meinung. Da ist von "vaterländischer Begeisterung" die Rede, und das Solinger Tageblatt schreibt voller Enthusiasmus: |
Solinger Tageblatt vom 5. August 1914
"[...] Nun hat uns auch England den Krieg erklärt. Nun wollen wir nicht weiter warten, bis sich auch noch andere Mächte zu unseren Feinden gesellen.
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Und so weiter und so fort. (Die Passage ist zwangsläufig aus dem umfangreichen Zusammenhang gerissen.) Welcher Patriot sollte sich dem entziehen können? Dass auch andere Standpunkte publiziert wurden, zeigt der wenige Tage zuvor erschienenen Artikel der klassenkämpferischen Bergischen Arbeiterstimme. Es war der letzte unzensierte Artikel dieser Zeitung. |
Bergische Arbeiterstimme vom 30. Juli 1914
Krieg dem Kriege!
"[...] Auf dem Kriegsschauplatz beginnt das Morden. Die Kanonen reden ihre eherne Sprache und vernichten in wenigen Stunden ungezählte Menschenleben und mühsam geschaffene Werke der Kultur. [...]
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Nach einem Geheimerlass von 1905 und 1912 sollte eine Liste von Personen angelegt werden, "denen eine Störung der Mobilmachung durch Aufreizung der Bevölkerung zu Ungehorsam und Widersetzlichkeit zuzutrauen sei. In den Akten der Stadt Wald (Solingen) hat sich eine solche Liste erhalten. Bürgermeister Heinrich meldete dem Landrat fünf Walder Einwohner. Das waren der Buchdrucker und Redakteur der 'Bergischen Arbeiterstimme', August Christmann, ferner August Weck, ein Korrespondent und Agent dieser Zeitung, die Schleifer Otto Schulten, Paul und Otto Kaiser." [Rosenthal Bd. 3 S. 318] |
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August 1914 Ein vielfach abgebildetes Foto von der Mobilmachung am Ohligser Bahnhof (Solingen) Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen "Auf in den Kampf mir jukt die Säbelspitze" "Eilgut nach Lüttich" Launige Sprüche, aber nicht nur fröhliche Gesichter |
Die bisherigen Auswirkungen des Kriegszustandes auf das alltägliche Leben in Solingen dokumentiert die Kriegs-Zeitung: |
Solinger Kriegs-Zeitung vom 3. Oktober 1914
Solingen während des Krieges.Wirkungen des Krieges auf Handel und Wandel.
Mit dem 3. Mobilmachungstage (4. August) tritt der bisherige Eisenbahnfahrplan außer Kraft, an seine Stelle treten die Militär-Lokalzugs-Fahrpläne. Von Solingen nach Ohligs bezw. Remscheid verkehren zunächst in jeder Richtung nur je vier Züge. Nach Abschluß der Mobilmachung wurden noch einige Züge eingeschaltet.
In einer Sitzung der Notstandskommission am 11. August wird mitgeteilt, daß die Aufforderung zum Anpflanzen von Gemüse großen Erfolg hatte. Für die Stadt selbst werden etwa 40 Morgen bepflanzt und besät. Um zu sparen, schränken viele Leute den Milchverbrauch ein. Es wird hiervor gewarnt, da die Milch gerade das billigste und gleichzeitig das beste und bekömmlichste Nahrungsmittel sei. Auch würden durch starken Milchverbrauch die Landwirte veranlaßt, ihr Vieh zu behalten. Einige Bäcker nehmen statt Milch Wasser in ihre Backwaren, die Brötchen werden auch immer zierlicher. Die Einwohner werden ermahnt, sich dagegen zu wehren und solche Bäcker ihre Ware selbst essen zu lassen.
Zur Unterstützung von Familien, deren Ernährer zur Fahne einberufen sind, sind die Gemeinden durch Reichsgesetz verpflichtet. Nach dem Gesetz hat die Ehefrau monatlich 9-12 Mark zu beanspruchen, jedes Kind unter 15 Jahren 6 Mk. Mit Rücksicht auf die hiesigen Teuerungsverhältnisse geht die Stadt Solingen weit über diese Sätze hinaus und zahlt für die Ehefrau des Einberufenen oder dessen Eltern, welche von ihm unterhalten wurden, wöchentlich 5,60 Mk., für jedes Kind 2,80 Mk., im Höchstfalle für eine Familie wöchentlich 17,50 Mk.
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"[...] In erster Linie hatten hiervon die Schlägereien und die mechanisierten Großbetriebe einen Vorteil; die schlechte Arbeitslage der Heimarbeiter änderte sich jedoch nicht.
Anders als in der übrigen Stahlwarenindustrie verhielt es sich mit den Waffenfabriken, die einen Teil der Heimarbeiter übernahmen. So wurden Messer-, Rasiermesser- und Scherenschleifer zu Seitengewehrschleifern; Federmesserreider, Platterlmesserreider und Scherennagler besorgten die Zusammenstellung von Seitengewehren.
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Die Solinger Kriegs-Zeitung druckt Feldpostbriefe tapferer Soldaten ab. Bei allen fürchterlichen Schilderungen schließen die Briefe immer positiv, optimistisch und zuversichtlich. Zum Beispiel dieser aus dem zweiten Kriegsmonat: |
Solinger Kriegs-Zeitung vom 24. Juli 1915
"Vom westlichen Kriegsschauplatz schreibt ein Solinger Mitkämpfer Anfang September 1914:
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Aus einem anderen, im gleichen Blatt abgedruckten Feldpostbrief:
"[...] Aber nun, liebe Eltern, habe ich nur noch einige Kameraden von damals, denn wir aktiven sind sehr sehr mitgenommen worden. Einzelheiten über diesen Stellungskrieg, was ja mehr ein unmenschliches Morden, als ein Krieg ist, will ich Euch nicht mitteilen, das könnte zuviel werden. Die Hauptsache ist und bleibt, daß wir überall in Feindesland stehen und daß sie alle Haue kriegen. [...]" [Solinger Kriegs-Zeitung vom 24.12.1915] In der Heimat verwaltet man weiterhin den Mangel.
Im Dezember 1915 wird mein Großvater einberufen. |
Die auf den Bezugsscheinen vermerkten Mengen waren gewöhnlich höher als das, was man tatsächlich kaufen konnte. Nicht selten war stundenlanges Schlangestehen vor den Geschäften vergeblich. Hatte man Nahrungsmittel ergattert, wusste man noch nicht, ob auch gekocht werden konnte. Die Möglichkeit zum Verbrauch von Gas und Strom war eingeschränkt, zeitweise ganz unterbunden. Dann musste das "Hindenburglicht" (ähnlich dem Teelicht) für spärliche häusliche Beleuchtung herhalten.
"In den ersten beiden Kriegsjahren waren Zwangsmaßnahmen zur Sicherung der Volksbekleidung noch nicht erforderlich. [...] Im August 1916 wurden dafür Bezugsscheine vorgeschrieben. Kleider und Schuhe durften nur nach Prüfung der Notwendigkeit auf amtlich auszustellende Bezugsscheine ausgegeben werden. [...] Über die Bezugsscheine mußte genaue und bis ins einzelnste zergliederte Kontrolle geführt werden. [...] In den Wirtschaften durften keine Tischtücher mehr aufgelegt werden. Ein absolutes Verbot der Tischtuchbenutzung trat am 1. Juli 1917 in Kraft. [...]
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"Ende Januar setzte der Winter mit ganz ungewöhnlich starker Kälte ein. Glaubte man anfangs, daß diese Kälte und der zur gleichen Zeit auftretende Kohlenmangel nur von kurzer Dauer sein würden, so nahm beides nur noch mehr zu. [...]
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1914 Pferdemusterung, Solingen, Wiedenhofer Feld zw. Lüneschloßstraße und Brüher Straße. Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen |
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1919 Englische Besatzung in Burg. Biwak am Glüderweg in Unterburg (heute Standort Kläranlage). Bildquelle: Stadtarchiv Solingen |
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2010 Merscheid, Gedenktafel Turnerstraße. |
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Wie viele andere Vereine, so erinnert auch der Merscheider Turnverein mit Gedenktafeln an die gefallenen Turner der beiden Weltkriege. Die Tafeln sind an der Turnerstraße noch vorhanden, nicht aber das dazugehörige (?) Ehrenmal.
"1914 - 1918
Das grosse Völkerringen entriss uns die Turner |
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Otto Voos Alex Mertens Max Everts Max Hartkopf Willi Asbeck Walter Linder August Horsch Paul Rückels Karl Schüler Ed Vogelskamp |
Eugen Achnitz Walter Broch Paul Dahl Herm. Saam Willi Steffens Artur Feetz Paul Saam K. Zimmermann Erich Deus Rud. Linder |
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und die Turnfreunde Otto Scherf, Aug. Petz, K. Lichtenhagen. In Treue Fest! Totensonntag 1920 Merscheider Turnverein" |
2005 Ohligs, Ehrenmal auf dem Friedhof an der Schwanenstraße |
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Dieses Ehrenmal für die gefallenen Krieger wurde, wie auch andere Solinger Ehrenmale, erst in den 1930er Jahren errichtet. Unter den an den Seiten sowie der Rückseite angebrachtenen Namen der im Ersten Weltkrieg gefallenen Ohligser sind MUTZ PAUL († 1917) und MUTZ REINHARD († 1919).
DEN TOTEN ZUM GEDÄCHTNIS DEN LEBENDEN ZUR ERINNERUNG UND MAHNUNG 1914 / 1918 1939 / 1945 |
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2012 Ehrenmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege aus der Stadt Burg |
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IHREN IM WELTKRIEGE 1914-1918 GEFALLENEN SÖHNEN DIE DANKBARE STADT BURG A./D. WUPPER |
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Baumgarten Ludw. Blumhoff Wilhelm Bollungino Walter Brake Walter Clever Wilhelm Dergwill Friedrich Diederichs Emil Disselhoff Richard Eichel Otto Fischer Eugen Fischer Karl Form Heinrich Fürst Alfred Gerlach Maximilian Grass Julius Hasenclever Otto Hens Emil Herkenrath Otto Hermanns Ewald |
vom Haff Richard Jäger Walter Kaiser Konrad Kemmerich Hubert Kern Josef Kind Max Kluge Paul Knetsch Wilhelm Koch Richard Lehr Paul Lorscheid Franz Müller Friedrich Müller Otto Münzfeld Gustav Niebch Max Noeske Helmut Oberst Eugen Ostendarp Johann |
Pfeiffer Otto Rausch Waldemar Rautenbach Hugo Roser Emil Scheer Lambert Schmahl Hermann Schmidt Ewald Schneider Georg Schödder Johann Schorlemmer Herm. Schumann Bernh. Schreiber Richard Sulzbach Wilhelm Tausch Albert Thieler Walter Voss Hugo Wacker Friedrich Will Heinrich Zensen Ernst |
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Um 1920 Junger Kriegsinvalide des Ersten Weltkriegs Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen |
Quellen:
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