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Man pflegte die Geselligkeit, es wurde viel gefeiert, und manchmal schlug man eben über die Stränge. Der Schnaps kommt höchstens in harmlosen Anekdötchen vor, wenn die heile Hofschafts- und fleißige Handwerkerwelt in folkloristischen Aufsätzen oder aktuellen Wanderführern präsentiert wird. In der ortsgeschichtlichen Literatur, behördlichen Verordnungen oder alten Zeitungen stößt man aber immer wieder - bei der Suche nach ganz anderen Dingen - auf weniger harmlose Hinweise.
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17. JahrhundertRabiater ZecherIm 17. Jh. scheint die unkontrollierte Zecherei im beschaulichen Hilden an der Itter noch nicht so verbreitet gewesen zu sein, und wer sich im "Schwanen" abfüllen lassen konnte, der war auch nicht ganz arm. So wird der folgende anstößige Vorfall noch ein recht ungewöhnlicher gewesen sein: "Das 'übelste' dieser sehr seltenen Vorkommnisse leistete sich Christian Bruchhausen, der an einem Sonntag im Jahr 1689 im Schwanen gezecht hatte, und das auch noch »unter wehrendem morgendem gottesdienst«. Dabei nun hatte sich der Mann im Trunke so übernommen, daß er »dadurch nit nur seiner haußfraw schläge, ßondern auch anderen nachbarn in der gemein großen anstoß gegeben« hatte. Diese zweifach Sünde war Anlaß genug, daß er von dem nächsten Abendmahl »ernstlich censuriret« werden sollte. Da man nichts weiter hört, wird die Sache damit wohl erledigt gewesen sein, d.h. der Sünder wird nach Androhung von Kirchenzucht versprochen haben, derartige Verfehlungen in Zukunft zu unterlassen." [Unger S. 72] |
18. JahrhundertGrutgeld und Schwelgereien
Erklärtes Ziel war natürlich nicht, den Branntweinkonsum einzuschränken, als die kurfürstliche Regierung des Bergischen Landes 1710 die Branntwein- und Weinsteuer erhöhte. In diesem Zusammenhang wurde am 25.07.1711 ein Erbpachtvertrag über das Grutgeld zwischen Bürgermeister Johann Eck dem Jüngeren im Namen der Stadt Solingen und einer Kommission der Hofkammer abgeschlossen.
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Blauer Montag
Es gab noch weitere Verordnungen gegen sog. Missbräuche.
Durch ein am 23.04.1772 erlassenes kaiserliches Edikt wurde "die nach dem Reichsbeschluß vom Jahre 1731 im ganzen römischen Reich zu bewirkende Abstellung der Handwerks-Mißbräuchen, namentlich die Haltung der blauen Montage [...] wiederholt befohlen". [Scotti Nr. 2075]
"Die Abstellung der sogenannten blauen Montage wird, auf den Grund der gegen die Handwerksmißbrauche ergangenen Reichsedikte [...], wiederholt, ernstlich befohlen. Die gegen diesen Befehl handelnden Handwerksgesellen sollen für den ersten Müssiggangstag mit 15 Stbr, für den zweiten mit 30 Stbr. und für den dritten mit achttägigem Arrest bestraft werden; diejenigen Meister welche sich an solchem Mißbrauch betheiligen, verfallen für die vorgenannten Contraventionen in die doppelte Strafe und sollen im vierten Wiederholungsfall des Handwerks verlustig erklärt werden." [Scotti Nr. 2212]
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Medizinische Maßnahmen
Mit den gesundheitlichen Aspekten hingegen wurde der aus Leipzig stammende Johann Heinrich Scheller konfrontiert, der sich 1780 als Wundarzt und Geburtshelfer in Löhdorf (Solingen) niederließ. In dem zuerst 1788 in Elberfeld gedruckten "Bergischen Magazin" zog er publizistisch gegen den Alkoholismus zu Felde, den er schon damals unter seinen Patienten in erschreckender Weise verbreitet fand und an den schon die 4-5jährige Kinder gewöhnt wurden. Durchschlagenden Erfolg hatte er nicht.
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19. JahrhundertFreizeitgestaltungIm Zeitraum 1805-1831 stieg der Branntweinkonsum in Preußen lt. Stremmel um 170%. Der Autor merkt (1991) relativierend zur besorgten Haltung der damaligen Mediziner an: "Allerdings übersahen die Ärzte, daß der Alkohol, erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts für jedermann erschwinglich geworden, gerade während der Arbeitszeit ein Vehikel darstellte, aus Eintönigkeit, Langeweile und Perspektivelosigkeit zu fliehen und das soziale Elend zu betäuben. Gastwirtschaften waren auch Orte neuer Formen der Freizeitgestaltung abseits von den eigenen düsteren, engen Wohnungen." [Stremmel S. 79]
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In den Wirtshäusern, den Stätten der Freizeitgestaltung, wurde nicht nur getrunken, kommuniziert und getanzt. Es kam auch zu heftigen Begleiterscheinungen, so dass 1810 unter napoleonischer Regierung der Präfect des Rheindepartements mit einer Abhilfe verheißenden Verordnung einschritt.
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"2547. - Den 16. April 1800. - A.
"3110. - Den 1sten Januar 1810. - T. |
Flüssige NahrungGeistige Getränke blieben ansonsten weiterhin Grundnahrungsmittel und waren anno 1813 Bestandteil der Verpflegungssätze für die kaiserlich russischen Truppen. Diese erhielten lt. Vorschrift "Mittags: Suppe, Gemüse, Fleisch, 1/2 Maas Bier und ein Schnapps. Abends dasselbe ausser der Suppe." [Scotti Nr. 3444] - Und wenn das Gemüse nicht reichte, wurde eben ein bisschen mehr Schnaps gereicht. |
Quelle gar vieler Krankheiten1823, als von den Russen längst nicht mehr die Rede, der Branntwein aber in aller Munde war, nimmt der Solinger Kreisarzt Dr. Spiritus differenziert Stellung zu dessen Vor- und Nachteilen:
"So wie der Wein den Wohlhabenden so ist dem Minderbegüterten und Armen der Branntwein ein wahres Labsal, seine Consumtion ist leider viel zu stark, besonders in der Fabrikgegend des Kreises, indem die Fabrikarbeiter sich von Jugend auf an dessen täglichen Genuß gewöhnen.
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Trotz der frühen Gewöhnung war ein zu hoher Alkoholpegel auch die Ursache für manchen Arbeits- und Wegeunfall und manche nächtliche Wasserleiche, die aus einem Kotten- oder Mühlenstauteich gezogen wurde. |
JugendschutzDas Problem war grundsätzlich erkannt, und Landrat von Hauer schritt zumindest formal gegen den allzu frühen Branntweingenuss der Knaben ein:
"4. Juni 1828. Es ist zur Kenntniß gekommen, daß Schul- und anderen Knaben der Zutritt zu Schenk- und Kaffee-Stuben und zu den Tanzböden häufig und noch dazu ohne alle Aufsicht gestattet, ihnen von den Wirthen Bier, Branntwein und sonstige geistige Getränke gegen Zahlung verabreicht und Karten- und andere Spiele erlaubt werden. Um den hieraus für die Jugend entstehenden verderblichen Folgen möglichst vorzubeugen, ist neuerdings verordnet worden, daß Knaben unter 16 Jahren ohne Beisein ihrer Eltern, Vormünder oder ihrer Vorgesetzten den Zutritt zu ihren Schenken, Kegelbahnen, Tanzböden ect. nicht zu gestatten, denselben keine Getränke zu verabreichen und auch bei ihnen keine Karten- und andere Spiele zu dulden seyen. Der Landrath, von Hauer."
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TierschutzDas Wohl der Tiere war noch kaum ein Thema, als im Solinger Kreis-Intelligenzblatt vom 25. Juli 1838 Tierschützer die traurige Situation misshandelter Karren-Hunde beklagten, "namentlich, wenn der Eigenthümer in der Tasche nichts, dagegen im Leibe Schnapps hat; der Hund aber weder Fressen noch Saufen, sondern nur Prügelsuppe bekommt." - Und sicher waren nicht nur Zugtiere die Leidtragenden. |
Wirte und Schleifer
In einem Artikel über den Lochbach in Solingen wird am Rande erwähnt, dass die dort angesiedelten Ortschaften Hecken und Herberg, wo zahlreiche Messerreider wohnten, über eine ungewöhnlich große Zahl von Gaststätten verfügten. Während des 19. Jh. soll in fast jedem zweiten Haus ein Ausschank vorhanden gewesen sein. Dabei wird auf die zahlreiche Laufkundschaft verwiesen, die den Wirten aufgrund der günstigen Lage an einer Durchgangsstraße zuteil wurde.
Bier und Schnaps gehörten längst zum Alltag wie das tägliche Brot und die Tabakspfeife. Die hochprozentig gefüllte Kanne oder Flasche kreiste auch in manchen - nicht allen - Schleifkotten, was die Lebenserwartung der ohnehin gesundheitlich gefährdeten Schleifer weiter verringern konnte.
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Quellen |